Das 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert brach an. Kein Mensch ahnte, daß dieses Jahrhundert einen Aufbruch der Geisteskraft und eine Umwälzung der menschlichen Umwelt durch eine neugeborene Technik bringen sollte, wie kein Jahrhundert vorher. An dieser Schöpfung der Technik, die eine neue Wirklichkeit formte und Probleme stärksten Ausmaßes für alle Völker aufrollte, ist Deutschland durch die Taten vieler Forscher und Erfinder grundlegend beteiligt. Die wirkende Macht im Geistigen der Technik ist die gleiche Kraft, die den Dichter und Kulturträger zeugte. Aus den Gelassen der Seele, aus dem geheimnisvollen Zuströmen der Eingebung empfängt das erfinderische Genie die Gedanken seiner technischen Komposition. Die Maschine ist eine Melodie aus Werkelementen, die nur dann in tragender Funktion harmonisch zusammenklingen, wenn sie im Geist und in der schöpferischen Seele des Erfinders zur Reife gebracht wurden. Mag der Ausbau dieser Technik auch im werktäglichen Ge- [33] wand der harten Arbeit erfolgen – das Große und Gewaltige dieses arbeitsmäßigen Aufstiegs ist der unbändige Trieb zur Verbesserung, zur Weiterführung der Maschine, zur Planung ganzer Arbeitssysteme, ganzer Wirtschaften und zur Einsetzung des Menschen in ein lebensvolles wirtschaftliches Dasein, das in verstärktem Maße die Nährkräfte eines Volkes schaffen lehrte, weil sie volksmäßig begründet waren. Es ist ein überwältigendes Gefühl für den deutschen Menschen, daß diese Entwicklung tiefste Quellen deutschen Schöpfertums erschloß, die in den vergangenen Jahrhunderten wohl ausbrachen, aber in dieser Geschlossenheit und Überfülle doch nicht geahnt werden konnten.
Dieser Pfarrer Philipp Matthäus Hahn dachte in echt deutschem Sinne nicht an materiellen Reichtum bei der Schöpfung seiner Konstruktionen. Sein Wollen ging über diese vollendeten Maschinen hinaus zu den Menschen, denen er helfen wollte. Er wurde ein sozialer Wohltäter, da er ganze Landstriche arbeitsmäßig kultivierte und so für Generationen technische Feinarbeiter heranzüchtete, ohne die eine industrielle Uhren- und Präzisionswaagenindustrie nicht zu denken war. [34] Aus dem gleichen "Holz" deutscher Eiche ist Gottlieb Daimler geschnitten, dem wir im 19. Jahrhundert begegnen werden.
Der deutsche Meister der Chemie Robert Wilhelm Bunsen (1811–1899) schuf zusammen mit Kirchhoff in seiner Spektralanalyse (1859) eine geradezu mystisch anmutende Methodik, um nicht nur Elemente in kleinsten Mengen zu erkennen und sie vorauszusagen, sondern auch um das chemische Gesicht der Sonne und der Himmelssterne zu enthüllen. Astronomie und Chemie wurden ein Geschwisterpaar, das Arm in Arm die chemische Landschaft des Kosmos bis in die geheimsten Winkel zu verehren lehrte. Joseph von Fraunhofer hatte schon 1814 die eigenartigen Streifen im Sonnenspektrum entdeckt und mit einer ausgezeichneten, von ihm selbst geschaffenen Glastechnik den Bau verfeinerter Beobachtungsinstrumente ermöglicht. Justus von Liebig (1803–1873) ging mit der produktiven Fantasie und den sicheren Arbeitsverfahren chemischer Analyse an die Aufhellung der Zusammenhänge physiologischen Wachstums bei der Pflanzen- und Tierernährung mit den Elementen des Ackerbodens. Damit blickte er in die chemische Ordnung der Natur und den Kreislauf der Elemente, was ihn zu greifbaren Schlußfolgerungen veranlaßte, die als Agrikulturchemie eine neue Fruchtbarkeit in wörtlichstem Sinne über die ganze Erde brachten. Jede Nation der Welt baute die Hebung ihrer Bodenerträge mit diesen Forscherarbeiten des deut- [35] schen Chemikers Justus von Liebig aus, die jeder Prüfung standhielten. Die Brücke der Chemie zur Biologie, die Justus von Liebig geschlagen hatte, führte in besonderem Maße zu einer Erstarkung der Forschung, denn sie lehrte, die Lebewesen von neuer Warte aus zu betrachten und die Kreuzungen von chemischem Einfluß und Lebensfunktion zu erkennen. Deutsche haben Wesentliches zur Entwicklung der Biologie schon in früheren Jahrhunderten beigetragen. Der 1514 in Brüssel aus deutscher Familie stammende Andreas Vesalius wurde ein ausgezeichneter Anatom mit dem technischen Geschick, brauchbare Instrumente für seine eindringende Tätigkeit zu schaffen. Er wurde (1540–1564) Hofarzt des Kaisers Karl V. und Philipp II.
Viele andere biologische Tatsachen wurden von deutschen Forschern erhellt, so durch Joseph Gottlieb Koelreuter (1753–1806) und Sprengel (1750–1816) das Wunder, daß der Wind und die Insekten den befruchtenden Blütenstaub zu tragen vermögen. Johann Friedrich [36] Blumenbach (1752–1840) trieb als erster vergleichende Anatomie. Deutsche Forscher beteiligten sich stark an überseeischen Expeditionen und brachten ausgezeichnetes Forschungsmaterial und auswertbare Eindrücke in die deutsche Heimat. Alexander von Humboldt bleibt in dieser Beziehung unvergessen, da er alle Voraussetzungen eines bedeutsamen Naturbeobachters hatte. Karl Ernst von Baer (1792–1876), ein deutsches Forschergenie, ist der Schöpfer der modernen Embryologie. Aus der Physiologie des Lebens entsprangen technisch wichtige Erkenntnisse. Der Arzt Julius Robert Mayer (1814–1878) stellte 1842 aus Beobachtungen am menschlichen Körper das Gesetz von der Erhaltung der Energie auf, das Hermann Helmholtz (1821–1894) in seiner Schrift "Über die Erhaltung der Kraft" 1847 mathematisch begründete. Helmholtz ist der Erfinder des Augenspiegels (1850) und war durch seine hervorragenden medizinischen und physikalischen Kenntnisse dazu auserlesen, die physikalischen Geschehnisse in verschiedenen menschlichen Organen aufzuzeigen und näher zu erläutern. Aus diesen Beobachtungen am Menschen entwickelte sich in Deutschland die physikalisch-chemische Schule in der Physiologie, an deren Ausbau vor allem Johannes Müller (1826) maßgebend beteiligt war und deren Anregungen bis in die Gegenwart reichen.
In diesen Zeitraum fällt die Entdeckung des Aluminiums (1827) durch den deutschen Chemiker Wöhler, dem 1828 eine der grundlegenden chemischen Leistungen gelang: die künstliche Herstellung eines chemischen Körpers, des Harnstoffes, dessen Bildung bis dahin ausschließlich der lebendigen Kraft des Körpers vorbehalten war. Mit dieser Synthese wurde die Annahme zerschlagen, daß die Welt des schaffenden Chemikers und die chemische Welt des Lebens durch eine unübersteigbare Mauer voneinander getrennt seien. Die Entdeckung Wöhlers machte die Bahn frei für die vielen Synthesen, die wir nunmehr in den organisch-chemischen Stoffen vor uns haben und in deren großem Reigen sich so viele Heilmittel, Farbstoffe und Nährmittel befinden. Die Biologie erhielt durch diese chemischen Entdeckungen neue Reize. Es galt, die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Lebewesen zu untersuchen, eine Ökologie mit dem Experiment aufzustellen, bei dessen Anwendung der deutsche Botaniker Karl von Goebel (1855–1932) eine glückliche Hand hatte. Auf anderen biologischen Gebieten wurde ebenfalls die Kreatur zu einer neuen wissenschaftlichen Hoffnung. Es galt ja nicht bloß ihre Form zu beschreiben, sondern auch die Einflüsse der Umwelt auf den Organismus klar zu erkennen. Dazu wurden die verschiedensten Versuche und Mittel benüht. Der deutsche Zoologe Anton Dohrn (1840 bis 1909) hat in den 70er Jahren die zoologische Station in Neapel gegründet, welche ein Anziehungspunkt für die Wissenschaftler aller Länder wurde. Die gegenseitige Befruchtung der Wissensgebiete bedeutete immer einen großen Fortschritt, wenn es einem [38] genialen Hirn gelang, richtige Berührungspunkte zu finden. Die biologische Welt setzt sich über die Grenze unseres Sehvermögens fort. Es gibt eine Fülle von Lebewesen, deren Existenz erst das Mikroskop enthüllte. Daß diese Kleinlebewesen dazu auserlesen sind, im Haushalt der Natur gewaltige Aufräumearbeit und damit große chemische Arbeit zu leisten, wurde durch deutsche Forscher in ausgezeichneter Weise dargelegt.
Mit seinen Entdeckungen hat er der Menschheit größte Dienste erwiesen. Todesmutig stellte sich dieser Bakteriologe in die Fieberwelt der Choleraepidemien in Ägypten und Indien. Unzählige Menschen in den englischen Kolonien und in der ganzen Welt hat Robert Koch über sein eigenes Leben hinaus gerettet. All diese bakteriologischen Entdeckungen sind uns heute trotz bedeutsamer Fortschritte der Krankheitsbehandlung und Krankheitsauffassung unvergeßliche Taten, da auf Grund der von Robert Koch erstmals angegebenen Züchtungs- und Färbungsversuche der durch seine Kleinheit getarnte Bakterienfeind gestellt werden konnte, was zu einer klaren Bekämpfungsmethode und Hygiene führte. Robert Kochs geniale Arbeiten leuchten tief in diese mikrobiologische Welt mit ihren seltsamen und subtilen Massen, die Gifte von verheerendster Wirkung, aber auch Gegengifte von erstaunlicher Fähigkeit sind. Robert Koch schuf das Tuberkulin, mit dessen Hilfe vor allem die frühzeitige Erkennung der Tuberkulose bei Mensch und Tier möglich wurde. [39] Daß diese Tuberkulinimpfung in der Landwirtschaft aller Länder größte volkswirtschaftliche Werte rettete, müssen wir besonders vermerken, um der Welt auch diese Auswirkungen deutscher wissenschaftlicher Geschenke vor Augen zu führen.
Ein eigenartiges Zusammentreffen bildet der Umstand, daß mit dem Ausbau des Mikroskops und den erfolgreichen bakteriologischen Züchtungsversuchen Robert Kochs ein anderes chemisches Hilfsmittel für die Bakterienbestimmung vorlag: die chemisch-synthetischen Farbstoffe. 1845 hatte der deutsche Chemiker A. W. Hofmann das Benzol im Steinkohlenteer entdeckt und im gleichen Jahr ein fabrikmäßig mögliches Verfahren der Darstellung von Anilin aus Benzol angegeben. Dieses Anilin war erstmals 1834 durch den deutschen Chemiker Runge dargestellt worden. Kein Mensch ahnte, welches Zauberparadies in dieser unscheinbaren farblosen Flüssigkeit lag. Im Laboratorium A. W. Hofmanns erstand der erste künstliche Farbstoff. Von anderer Seite, durch den Deutschen Hekulé, geboren in Darmstadt (1826), wurde eine Theorie über das innerste Atomgefüge des Benzols entwickelt, wodurch es dem Chemiker möglich wurde, durch systematischen Ausbau dieses Benzolkernes und seiner Atombindungen sich eine ausgezeichnete chemische Planung zu verschaffen. Mit dieser chemischen Landkarte konnte der Chemiker die Entwicklungsarbeit zu weiteren Farbstoffen verstehen und erforschen. Schnell erkannten die Deutschen die Tragweite ihrer [40] chemischen Entdeckungen. Es entstanden Farbenfabriken, deren höchstes Ziel war, produktive Forschungsarbeit zu leisten, um von Grund die Vorgänge der Farbstoffbereitung auf wissenschaftlicher Basis zu erfassen und auszubauen. Mit dieser Verschiebung der wissenschaftlichen Arbeit auch in die deutschen Fabriklaboratorien war ein starker Auftrieb gegeben. Alle diese Versuche kosteten Ausdauer und Geld. Nicht bei jeder einzelnen chemischen Reaktion lag der unmittelbare Erfolg. Es mußte systematisch gearbeitet werden. Deutsche Wissenschaft ist kein Hasardspiel. In dieser systematischen Aufbauarbeit, in der unmittelbaren Verquickung von wissenschaftlicher Erkenntnis und technischem Großaufbau lag die Stärke deutscher chemischer Leistung und ihr staunenswerter Erfolg, der von einer geschmeidigen Versuchsgestaltung, von einer oft visionären Versuchslenkung, aber auch von nüchternster Planung und geduldiger Wartung abhängt. Die deutsche Farbstoffindustrie wurde von der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Brennpunkt des Weltinteresses. Auf diese Stätten richteten sich die Blicke aller Völker, denn man sah: hier steht die Wiege einer technisch neuen Welt, die das Wirtschaftsbild bis auf den Grund neugestalten wird. Der deutsche Genius hatte seinen Arbeitsacker gefunden, aus dem er Früchte holte, die kein Land der Erde brachte. Waren die Engländer einmal stolz gewesen auf den Indigo aus ihren Kolonien, – die deutsche Chemie baute diesen Indigo in unbegrenzten Mengen, nicht unter den Händen von sklavenhaft behandelten Kulis in der Tropensonne und bedroht von Malariagift, sondern in leblosen, gehorsamen, gut konstruierten Apparaten, die man nur vergrößern, zahlenmäßig erweitern mußte, um Tonnen des begehrten Farbstoffes unabhängig von Klima und Erdenlaunen abzuschöpfen. Um die deutsche Farbstoffchemie legten sich wie um [41] einen fruchtbaren Kristallisationskeim neue Arbeitsgebiete. Der Mut zur Materie war in diesen deutschen chemischen Arbeitsstätten gewachsen. Wenn sich aus der organisch-chemischen Grundsubstanz solch farbenreiche Abwandlungen ergaben, mußte es auch möglich sein, durch Atomverlagerung organisch-chemische Stoffe aufzubauen, die physiologische Eigenschaften hatten: Heilmittel, vielleicht sogar Nährstoffe, aber auch technisch brauchbare chemische Körper, neue Werkstoffe. Mit dieser Welt des neuen Chemismus war eine Sonne im deutschen Lande aufgestiegen, in deren Strahlen sich viel deutscher Mut, Unternehmungsgeist, Forscherkönnen, Fantasie und junge Hoffnungen sammelten. Auch dies war ein Weltfahrergeist! Es ging nicht mehr um ferne Kontinente, sondern um die Eroberung der Materie. Mit den in deutschen chemischen Werkstätten hergestellten Heilmitteln wurde die Menschheit wie von einem Gottessegen überschüttet. Die mörderischen Krankheiten der Schlafsucht, der Malaria, des Gelbfiebers wurden auf diesem neuen chemischen Wege erschlagen. Das deutsche Plasmochin wurde das beste Heilmittel gegen Malaria. Mit dem deutschen Neosalvarsan bekämpfen wir auch verschleppte Fälle der Malaria. Mit dem deutschen Germanin haben wir die verblüffendsten Erfolge bei der Heilung der Schlafkrankheit des tropischen Afrikas. Mit Neosalvarsan gehen wir gegen das tropische Zeckenfieber und gegen Framboesie vor. Die verheerenden Protozoen-Krankheiten der Tropen werden chemisch durch deutsche Präparate besiegt. Der Aussatz ist uns kein Teufelsschrecken mehr. Deutsche Forscher haben diesen jahrtausendalten Menschenfeind mit chemischen Krallen zum Erliegen gebracht. Deutschland hat sich durch diese heilende Hilfe, die in den Tropen unzählige Bewohner vom sicheren Tode oder langem Siechtum rettete, das Recht auf Kolonien erworben! Eine gesunde Moral müßte, wenn die Welt [42] gerecht wäre, dem beraubten Deutschland als Geschenk für seine Leistungen zur Erhaltung der Lebenswerte in den Tropen wenigstens die Kolonien zurückgeben, in denen einst die ehrenvolle deutsche Flagge wehte. Großbritannien als das größte Kolonialreich der Welt ist Deutschlands größter Schuldner. Ein Engländer selbst, Professor Huxley von der Universität Oxford, hat nach dem Weltkrieg die ernsten Worte gesprochen: "Die Entdeckung des deutschen Germanins ist für die Alliierten wahrscheinlich viel wertvoller als sämtliche von ihnen ursprünglich geforderten Reparationen."
Aus dieser chemischen Welt, die so viele Geheimnisse zum Versinken brachte, holte das deutsche Genie noch viele andere Werte, die der ganzen Menschheit zunutze kamen. Wir können diese Leistungen nur aus der gewaltigen Vorarbeit der gesamten deutschen Forschung auf allen Gebieten verstehen: Virchows (1821–1902) Anschauung über die Beteiligung der Körperzellen am Krankheitsgeschehen, Waldeyers Auffassung der färbbaren Zellkernbestandteile, Eduard Strasburgers (1844–1912) Entdeckung der Teilungsvorgänge bei den Pflanzenzellen, Oskar Hertwigs Studien über die Befruchtung, des deutschen Zellforschers Theodor Boveri (1862–1915) Arbeiten, der Lebensweg von [Gregor] Johann Mendel (1822–1884), dem Be- [43] gründer der Vererbungslehre, die Leistungen des großen Erbforschers August Weismann (1834–1914). Von allen diesen Gelehrten geht ein beschwingtes Forschen aus, dessen Erfolge sich die ganze wissenschaftliche Welt aneignete. Die experimentelle Biologie ermöglichte die Benützung von klugen Apparaturen, und es war eine Lust für den deutschen Gelehrten, auch hierbei bis in die Gegenwart Vorbildliches zu leisten. Die Arbeiten des deutschen Gelehrten Hans Spemann über die Einpflanzung von Körperteilen führten zu bedeutsamen biogenetischen Schlußfolgerungen. Die Rassenforschung hatte in Deutschland erfolgreiche Vertreter. Es ist ein Ruhmesblatt deutscher Entscheidungskraft, daß wir die Folgerungen aus den Ergebnissen der Rasseforschung und der Erbforschung in nationalen Gesetzen gezogen haben. Die deutsche Hormonforschung hat der Welt ebenfalls bis in die jüngsten Tage Unvergleichliches dargereicht und dabei eine große Sendung erfüllt. Wichtige Arbeit über die Bauchspeicheldrüse als Hormonquelle leisteten die deutschen Forscher Minkowski und von Mering. Der Deutsche Langerhans entdeckte in der Bauchspeicheldrüse die nach ihm benannten "Langerhansschen Inseln", in denen der Körper das Hormon Insulin bildet, das gegen die Zuckerkrankheit eingesetzt wird. Viele andere Hormone, die heute in der Medizin wichtige Heilmittel sind, wurden von Deutschen isoliert und nunmehr auch in deutschen Laboratorien künstlich hergestellt. Durch den Insulinschock bekämpfen wir heute eine Geisteskrankheit, die Schizophrenie. Ein anderer deutscher Forscher, Wagner-Jauregg, hat das Malariafieber gegen eine der furchtbarsten Geisteskrankheiten, die progressive Paralyse, die als völlig unheilbar galt, erfolgreich angewandt. Die deutsche Vitaminforschung dürfen wir bei dieser Betrachtung nicht vergessen, denn sie hat das ganze [44] Wissen über die Nahrung bereichert. Dem deutschen Professor Windaus ist es gelungen, die Vorstufen des Vitamins D im Ergosterin zu erkennen, aus dem die ultravioletten Strahlen das Vitamin D bereiten. Wir haben heute in Deutschland chemisch hergestellte Vitamine, die uns Einsicht in das tiefe Getriebe der Nährstoffumwandlung und des Körperaufbaus geben. Sie werden von der gesamten wissenschaftlichen Welt benützt. Blicken wir von diesen großen deutschen Werken zurück in die Alchimistenküche des 16. und 17. Jahrhunderts! Wir hören aus dem Dunkel dieser Zeit die Goetheschen Worte des Faust:
"Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der Aufstieg wird uns bei dieser Rückschau zu einer titanischen Symphonie. Pflicht der Welt ist es, in diesem Aufstieg zu so hohen Menschheitswerten die deutsche Schöpfungskraft zu erkennen und ihr zu danken!
Diese Entdeckung ist einer anderen ebenbürtig, die aus deutscher wissenschaftlicher Arbeit für alle Zeiten erstanden ist: die Entdeckung der X- oder Röntgenstrahlen durch W. K. Röntgen im Jahre 1895. Der Röntgenapparat gehört heute zum festen Bestand ärztlicher Technik in der ganzen Welt, aber auch der technischen Prüfung und kristallographischen Forschung. Diese ans Märchenhafte grenzenden Strahlen geben dem Menschen die Fähigkeit, durch den lebenden Körper hindurchzusehen, im technischen Werkstück die verborgensten Risse zu erkennen und aus dem Bau des Kristalls wichtige Schlüsse zu ziehen, die uns ein völlig neues Bild von der herrlichen Ordnung der Materie und ihren Formkräften gaben. Mit dem Röntgenblick rissen die Ärzte der Welt unzählige Menschen rechtzeitig aus den Griffen des Todes. Die größte Röntgenanlage der Welt mit einer Spannung bis zu 1,2 Millionen Volt steht in Berlin. Diese physikalische Welt mündet für die Gegenwart in die deutscherseits so stark geförderte Atomforschung, aus der die deutschen Namen Lenard, v. Laue, Sommerfeld, Heisenberg, Schrödinger, Geiger herausleuchten. Von dem dramatischen Aufbau dieser Atomlehren sagt W. Heisenberg mit Recht: "Es war eine ganz abenteuerliche Zeit, voll von Überraschungen und Enttäuschungen, von Erfolgen und von tiefliegenden Schwierigkeiten, [46] deren Diskussion uns bis an die Grundlagen aller physikalischen Erkenntnis geführt hat." Dieser Atomistik hat der Deutsche Max Planck (geboren 1858) die fruchtbarste Idee in seiner "Quantentheorie" geschenkt. Eine andere Weltschau auf chemischer Grundlage offenbarte in schöpferischer Idee 1870 der Deutsche Lothar Meyer (1830–1895) in seinem "periodischen System der Elemente", aus dem eine Ordnung der chemischen Grundsteine von verblüffender Wirklichkeit hervorging. In die Lücken dieser Ordnung konnte der suchende Mensch noch unbekannte Elemente einsetzen, deren Entdeckung sein Ziel wurde und ihm auch tatsächlich gelang.
Sollen wir uns fragen, zu welchem Zweck dieser Aufwand und dieses Gedankengut dient? Sollen wir uns an die Worte des Mephistopheles im Goetheschen Faust erinnern:
"Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn! Wir wollen der Forschung danken, daß sie uns die fortreißenden Kräfte der Welt gezeigt hat, – daß sie uns aus den ewigen Problemen des Seins an diese herrlichen Ufer der Materie und der Energie geleitete, an denen der Mensch kühn und stark für sein Leben wurde. Denn all diese Entdeckungen stellen kein hohles Ornament des Hirns dar, keine mystisch ausgesponnene Fantasie, sondern neue Wirklichkeit, die sich vor allem in unserer Technik umformte. Mit dieser Mitgift der forschenden Wissenschaft wurde die Welt sich selber nah. Mit dem technischen Mittel [47] wurden die Meere bezwungen und die Kontinente einander näher gebracht, die seit Jahrhunderten Blut von unserem Blute erhielten. Die kulturellen Ausstrahlungen der deutschen Hansa auf andere Länder finden ja ihre Fortsetzung in den Auswandererzügen, welche deutsches Blut und deutschen Geist in fremde Erde verpflanzten und dort Früchte trugen. Die fremden Länder sind uns hiefür den Dank schuldig geblieben. Wir wollen mit feurigen Lettern diese deutschen Taten über die fremden Kontinente schreiben! Wir gedenken der deutschen Städtegründer und kaufmännischen Organisatoren des Ostseeraumes im 12. bis 15. Jahrhundert, deren Schöpfungen in blutvoller Synthese kolonisatorischen Könnens und kräftestrahlenden Unternehmungsgeistes in der Hansa den unvergänglichen Beweis deutscher Leistung am Aufbau einer neuen Welt erbrachten. Wisby, Riga, Dorpat, Reval, Stockholm u. a. gehören zu diesen deutschen Städtegründungen. Im 13. Jahrhundert setzte eine starke deutsche Einwanderung in Schweden ein, die auf die Wirtschaft Schwedens günstigsten Einfluß ausübte. Wir wollen an die 80 000 deutschen Auswanderer nach Ungarn im 18. Jahrhundert erinnern, an die 27 000 Deutschen, die sich in den Jahren 1764–1767 im Wolgagebiet ansiedelten, an den Auswanderertrieb des Jahres 1804 und der nachfolgenden Jahre mit dem Ziel der Ufergebiete am Schwarzen Meer, die im Laufe der Jahre etwa 127 000 deutsche Kolonisten aufnahmen. 1626 gründete der in Wesel um 1580 geborene Deutsche Peter Minnewitt in Nordamerika als weitsichtiger Kolonist nach dem Kaufe der Manhattan-Insel die Siedlung Neuamsterdam, das heutige New York. 1683 sind die ersten großen deutschen Siedlerströme nach Pennsylvanien in Nordamerika geflossen. Sie gründeten unter Pastorius Germantown. Wir rechnen, daß bis 1914 etwa sechs Millionen Deutsche nach [48] Nordamerika eingewandert sind. Das Schicksal dieser Deutschen war oft herzzerbrechend. 1709 fuhren 14 000 Deutsche aus der Pfalz auf verhängnis- und gefahrvoller Fahrt mit unzureichenden Schiffen. Tausende wurden von England abgefangen und als Arbeitssklaven in Leinewebereien verbracht. Die deutschen Siedler in Nordamerika waren tüchtige Landwirte und Handwerker, die wußten, wie die Erde behandelt werden will. Sie haben ihrem Deutschtum auf fremder Erde als Ackerbauer und Meister gewerblicher Arbeit die größte Ehre gemacht. Ihre Namen zwar wurden im Laufe der Zeit im Strudel des amerikanischen Lebens auf die fremde Sprache umgestellt. Die Wurzelkräfte des Blutes und des Geistes blieben aber bestehen. Die Ahnen des früheren amerikanischen Präsidenten Hoover hießen Huber. Dr. Paul Rohrbach vermutet auch in dem Präsidenten Abraham Lincoln deutschstämmige Ahnen. Es ist heute natürlich schwer, festzustellen, welcher Prozentsatz der amerikanischen Bevölkerung aus ursprünglich deutsche Elemente zurückzuführen ist. Aber wir gehen auf Grund der Berechnung des Deutschamerikaners Professor Faust wohl nicht fehl, wenn wir diesen Prozentsatz
In Kanada beträgt die deutsche Siedlerschaft 400 000 Menschen. Wir gedenken in Brasilien der Siedlertätigkeit des Dr. Blumenau und Chile mit den großen Kolonialleistungen des Charlottenburger [Bernhard] Eunom Philippi. Der Provinzialpräsident von Rio Grande mit Namen Homem de Mollo hat 1868 über die deutschen Siedler in Südbrasilien die Worte gesprochen: "Ich fühle mich von einer tiefen Ehrfurcht durchdrungen, wenn ich die wunderbaren Ergebnisse der freien Arbeit betrachte. Noch vor kurzem war hier eine Ein- [49] öde, nur von wilden Tieren bevölkert, heute hat sich dieser Boden umgewandelt und wurde für immer dem Besitz des zivilisierten Menschen übergeben durch die Anstrengung eines Volkes, in dem Energie und Religion leben." Rohrbach gibt für die deutsche Siedlerschaft in den brasilianischen Südstaaten heute die Zahlen 700 000–800 000 an. In der ganzen Welt, auch in Australien, Kapland, Palästina, haben Deutsche kolonisatorisch hervorragende Arbeit geleistet. Wir erinnern uns, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts von Kaiserin Anna deutsche Forstmänner zur Schaffung einer rationellen Forstwirtschaft nach Rußland berufen wurden, ferner daß, wie Heske hervorhebt, deutsche Forstmänner in Taurien und Jekaterinoslaw die Steppenaufforstung erfanden, deren Erfahrungen heute in Amerika bei der Aufforstung der nordamerikanischen Prärien besonders wertvoll sind. Der deutsche Forstwirt von Langen begann 1737 mit einigen Fachgenossen auf Ruf Christians VI. die Forstarbeit in Dänemark und Norwegen. Der preußische Forstmann Fernow hat die geregelte Waldwirtschaft in Nordamerika begründet. 1856 berief der Vizekönig von Indien den deutschen Forstmann Dietrich Brandis nach Indien, der "zum Vater der indischen Wälder" wurde. 1867 folgten die beiden deutschen Forstmänner W. Schlich und M. Ribbentrop. Brandis schuf das erste für Gesamtindien geltende Forstgesetz. England verdankt diesen deutschen Leistungen am indischen Wald unermeßliche Wirtschaftswerte. Noch 1928 wurde der deutsche Forstmann Professor Dr. Franz Heske als forstlicher Organisator in die Dienste des Maharadschas von Tehri-Garhwai berufen. Daß sich diese Arbeit nicht nur auf dem Acker und in den Plantagen, teilweise unter schwierigsten klimatischen Verhältnissen, abspielte, sondern daß auch der Geist Früchte trug, dafür bürgt uns das
Das gleiche gilt für die Mediziner des Auslandes. Deutsche Ingenieurleistungen größten Ausmaßes haben Deutschamerikaner ihrem Lande geschenkt: Otto Eidlitz baute den Wolkenkratzer der New York Times, der aus Deutschland gebürtige J. A. Roebling ist der Erbauer der Hängebrücke über den Niagara, sowie der Alleghany- und Cincinnatibrücke. Er und sein Sohn haben die imponierende Brooklyn-Brücke geschaffen. An der Schöpfung des Pariser Stadtbildes ist wesentlich der Deutsche Haußmann beteiligt gewesen, und ein anderer deutscher Städteplaner, Jansen, hat das türkische Stadtbild von Ankara erschlossen. Überall in der Welt finden wir Arbeiten deutscher Künstler. Es ist nicht verwunderlich, wenn deutsche Handwerksausdrücke und technische Wortbegriffe, aber auch philosophische und künstlerische Bezeichnungen in die fremden Sprachen gedrungen sind und in ihnen die deutschen Quellen beweisen. Deutscher Organisationsgeist lebt in vielen Schöpfungen anderer Länder. Wir wissen, welche Leistungen Friedrich List, der große Nationalökonom, auch in Amerika vollbracht hat. Wie die deutsche Arbeit im Ausland bei gewissen Gelegenheiten eingeschätzt wurde, wenn einmal ein klares Urteil ausgesprochen werden durfte, erkennen wir an der Stimme des amerikanischen Generals Sherman, der über den aus Baden gebürtigen, in Kalifornien tätigen General Johann August Sutter – nach ihm hieß die kalifornische Stadt Sacramento früher Sutterville, das heißt Sutterstadt – bekennt: "Dem General Sutter verdankt unser Land (USA.) Kalifornien und allen seinen Reichtum." Rockefellers deutsche Ahnen aus der Pfalz hießen [51] Roggenfelder. Der amerikanische Großindustrielle Henry Villard hieß ursprünglich Heinrich Hillgard. Die Fabrik von Carnegie in USA. baute sich, wie Wilhelm Rumpf feststellte, auf dem Betriebe der Brüder Clomann aus Trier auf. Der Stahlkönig von Amerika, Charles Schwab, ist deutscher Abstammung, ebenso der amerikanische Schwefelkönig Frasch. Studebaker hat die deutschen Ahnen Stutenbäcker. Steinway hieß in deutscher Abstammung Steinweg. Überall, wo wir technischen und industriellen Großleistungen in Amerika begegnen, finden wir die Spuren deutschen Blutes. Das harmonische Zusammenleben der Völker wäre möglich, vorausgesetzt, daß die Menschen aller Nationen in ihrer Art und mit ihrer Blutstimme den Acker ihrer Heimat pflegen. Notwendig für dieses Menschenglück ist aber, daß der Ausländer den Ursprung dieses technischen Wollens und Könnens sieht, – daß er nicht neidig und eifersüchtig wird auf die deutsche Leistung, an der die ganze Welt teilnehmen darf. Was ist unsere deutsche Politik der Gegenwart? Sie ist nichts anderes, als die klare und zweifelsfreie, wahrheitsgemäße und gerechte Schlußfolgerung aus den Taten des deutschen Geistes seit Jahrhunderten. Wahnsinn ist es aber, ein Volk vernichten zu wollen, ja, es überhaupt nur kriegerisch anzufassen, das ohne Scheu und Zurückhaltung, freigebig und uneigennützig seine geistigen Schatzkammern vor der Welt ausleerte und sie an allem teilnehmen ließ, was deutsche Geisteskraft aus dem Weltstoff herausholte. Wir stehen heute in dem Schnittpunkt dieser "Interessen", die für Deutschland keine Interessen sind, sondern Lebensnotwendigkeit, Lebens- und Schaffenswille, der sich aber mit den "Interessen" der vernünftigen Völker, die dankbar für deutsche Leistung sind, völlig deckt. [52] Dies lehrt uns die deutsche Geistesentwicklung auf allen Gebieten, erst recht auf dem Gebiet der Technik. Die Technik ist nichts anderes als eine nutzbare Verkörperung der Wissenschaft. Die Nahrung der Technik, ihr Gerippe, ihr Werkstoff, ihre Energie, die sie zu mächtigen Kolossen zusammenschweißte, die Harmonie ihrer Elemente, die Maschine heißt, sind aus der stillen, suchenden, ewig fragenden Wissenschaft geboren, echte Kinder der Erde, in denen das Herz und das Hirn des Menschen steckt. Ohne Wissenschaft keine Technik, ohne Forschung kein Fortschritt! Die Geschichte der Technik in Deutschland zeigt diese ewige Befruchtung durch den forschenden Geist. Ein Beispiel: Wir stehen vor einem unscheinbaren Gartenhäuschen in Bad Cannstatt. Feilenstriche und Hammerschläge hören wir aus dem kleinen Raum. Hinter den Wänden arbeiten in der Stille der Nacht, für die Nachbarn ein Rätsel, die beiden Meister Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach.
Einem alten Handwerkergeschlecht – seine Ahnen waren in sechs Generationen Bäckermeister – entstammt Gottlieb Daimler (1834–1900), der in dem weinfrohen schwäbischen Städtchen Schorndorf geboren ist. Es ist auch der Heimatort des Buchhändlers Palm, den Napoleon 1806 in Braunau erschießen ließ. Daimler war zuerst Büchsenmacher, dann Ingenieur, ein Aufstieg, der durch eine gesunde technisch-pädagogische Führung – Deutschland ist auf diesem Gebiet ein Vorbild der Welt geblieben – möglich war.
1882 konnte Gottlieb Daimler zusammen mit Wilhelm Maybach seine Arbeiten an dem geplanten leichten Motor mit hoher Drehzahl beginnen. Er erfand eine neue Zündungsart, die Glührohr-Zündung, und hatte seinen kleinen, leichten und schnellaufenden Motor 1883 patentfähig fertig.
In der aufbauenden Fantasie des Gottlieb Daimler standen mit der Schöpfung seines Motors, geboren aus Liebe zur Erde und den Menschen, auch die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten seines Motors: das erste Motorrad mit Benzin-Motor (1885), die Luftschiffgondel mit eingebautem Daimler-Motor (1888), Daimlers erste Draisine (1887), die neben dem leichten Daimler-Stahlrad-Wagen (1889) und dem üppigen Daimler-"Vis-à-vis"-Motorwagen (1894) heranwuchsen. Daimlers Wahlspruch: "Nur das Beste oder Nichts" ist der Wahlspruch jeder deutschen Arbeit.
Neben diesem technischen Aufbruch mit einem reichen Gefolge von Konstruktionen, Maschinen und Ideen, Werkstätten und Industriekolossen sehen wir wie in symbolischer Handlung angespannte Forschung, die immer das Profil der Technik verändert und erweitert. Rufe der Verständigung hallen herüber und hinüber. Der deutsche Gelehrte sitzt nicht mehr weltversunken am Schreibtisch:
"Da steh' ich nun, ich armer Tor! Mit der grauen Arbeitsschürze legt er das Ohr an den Puls der Maschine, sinnt nach neuen Werkstoffen und ist erfüllt von der rasenden Kraft, die aus seiner werdenden Maschine braust. Die Welt der neuen Werkstoffe kennzeichnet die Herrscherschaft des neuen technischen Menschen, der den Völkern einen Acker der Arbeit von ungeheurem Ausmaße schenkt. Eine unversiegbare Quelle der Arbeitsgestaltung in der Welt ist bis zum heutigen Tage Deutschland durch seine technische Fruchtbarkeit gewesen. Die Bauelemente als Werkstoffe dieser Maschine stammen aus chemischen und physikalischen Überlegungen, die eine Metallkunde verlockender Zusammenhänge, aber auch eine reiche Fülle nichtmetallischer Werkstoffe schufen.
Als der Deutsche Werner von Siemens 1866 die Dynamo-Maschine erfunden hatte, war der Weg für die elektrochemische Großherstellung des Aluminiums frei. Besondere Leistungen vollbrachte die deutsche Metallwissenschaft in der Verwendung eines anderen Leichtmetalls, des Magnesiums, des leichtesten Nutzmetalls. Deutschland hat sowohl in der Herstellung des Magnesiums wie des Aluminiums die Weltführung. Das geringe Gewicht dieser Legierungen und ihre metalltechnisch gezüchtete Festigkeit ließen diese Metalllegierungen in erster Linie beim Bau von Luftschiffen und Flugzeugen einsetzen. Die Empfindsamkeit der in Deutschland hervorragend entwickelten Prüfungsverfahren, die auch besondere Metallmikroskope schufen, und die technisch-erfinderischen Geistesgaben der Deutschen finden ihren Ausdruck in den gehaltreichen Tiefen dieser neuen deutschen Legierungen, welche die technische Gebrauchswelt wie ein tragendes Gewebe durchziehen.
Goethe hat einmal von der Natur gesagt, daß sie ewig neue Gestalten schaffe, auch daß der Mensch immer von dieser Natur umgeben und umschlungen sei. Der deutsche chemische Mensch macht es der Natur gleich, er schafft neue Gestalten. Er ist so tief in die Natur gedrungen, daß er ihre Geheimnisse in einer Feinhörigkeit und einer visionären Kraft vernahm, um die Zusammenhänge kunstgerecht zu zerlegen und die zerlegten Teile in neuen Synthesen mit wertvollsten Eigenschaften herauszuentwickeln. So kamen Stoffe zustande, die den menschlichen Zwecken oft besser dienen als die naturhaften Rohstoffe, weil ja diese letzteren im Pflanzen- und Tierkörper ganz andere Zwecke als in der menschlichen Wirtschaft erfüllen. So entstand in Deutschland der künstliche Kautschuk Buna. Er ist die Krönung aller Synthesen. Er ist ein in die Augen der ganzen Welt springender Beweis, daß Deutschland in seiner Chemie eine von den anderen geradezu unerreichbare Ökonomie erreicht hat. Unabhängig von den Sonnenstrahlen der Tropen, von der Trag- und Zeugungskraft fremder Pflanzen, hat heute Deutschland durch seine Chemie einen eigenen Golfstrom mit dem Lebensatem edler Kraft und einer konfliktfreien Wirtschafts-Totalität.
Diese neue Technik lehnte sich stark an die Chemie. Die Großfabrikation benötigte Maschinen und korrosionsbeständige Werkstoffe, wodurch gegenseitige Ent- [57] wicklungsströmungen verbürgt waren. In dieser Verbindung von Technik und Chemie hat Deutschland Größtes geleistet. Die mächtigen Reaktionstürme der künstlichen Benzinbereitung und Kohleverflüssigung (Bergius, C. Bosch, I. G. Farbenindustrie, Brabag, Fischer-Tropsch), die in Deutschland entwickelt wurden, erforderten eine große technische Anpassungsfähigkeit, da die Übertragung des Laboratoriumsversuchs auf die Großfabrikation eine Fülle neuer konstruktiver und Werkstoffprobleme mit sich bringt. In der Lösung dieser ausschlaggebenden Fragen blieb Deutschland der größte Meister der Welt. Dies erwies sich auch beim Ausbau der Zellwollfabrikation, deren chemische Voraussetzungen in deutschen Laboratorien geschaffen wurden, ferner im Ausbau der Salpeterherstellung aus dem Stickstoff der Luft, der sich auf deutsche Forschung stützt. Ohne diese neuen Wege zum Treibstoff wäre die Entwicklung des Flugzeug- und Motorenbaus gehemmt gewesen.
Mit der Schöpfung des Daimler-Motors war eine in das Luftschiff einbaubare Energiequelle gewonnen, die den Menschen in der Luft langsam von den Launen der Atmosphäre befreite. Die Beobachtungen am Luftschiff waren wichtige Anreger für die motorische Entwicklung selbst. Das Lebenswerk Graf Zeppelins, sein Mut und sein Glaube an die Technik waren für die Welt ein be- [58] rauschendes Erlebnis, in dem nach der Echterdinger Katastrophe (1908) die Volksspende ein Fest der deutschen Seele wurde. Eine stattliche Reihe deutscher Flugzeugkonstrukteure öffnete das Tor der Lüfte und machte den Deutschen trotz unerträglicher Fesseln von Versailles frei, um mit technischer Genialität schnell den Vorsprung in ausgezeichneten Flugzeugkonstruktionen zu gewinnen. Wenn wir die Namen dieser deutschen Flugzeugbauer hören, vernehmen wir den Flügelschlag deutscher Kraft: Hugo Junkers (1859–1935), Claudius Dornier aus Kempten (geboren 1884), Ernst Heinkel aus dem schwäbischen Remstaldorf Grunbach bei Schorndorf (geboren 1887), Willy Messerschmitt (geboren 1898), Heinrich Focke (geboren 1890), Adolf Rohrbach (geboren 1889), Hanns Klemm (geboren 1885), Richard Vogt aus Schwäbisch Gmünd (geboren 1894), Walter Blume (geboren 1896), Wolf Hirth (geboren 1900), Gerhard Fieseler (geboren 1896), Hellmuth Hirth (1886–1938), Hans Jakobs (1907). Der technische Gedanke, der in diesem deutschen Flugzeugbau überwältigende Gestalt angenommen hat und eine unbesiegbare Waffe für Deutschlands Ehre wurde, zeigt der Welt die deutsche Kraft auch in diesem Bereich, der an Himmelsräume grenzt. Bei der Auswertung der Beobachtungen im Flugzeug ist die Photographie von größtem Wert. Sie trägt das Erschaute als Dokument in den Heimathafen. Sie ist für die gesamte Wissenschaft und die Technik ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden. Wir wollen die Welt daran erinnern, daß das erste lichtempfindliche Salz, das salpetersaure Silber, von dem Deutschen Albertus Magnus im 13. Jahrhundert entdeckt wurde. Die Welt möge nicht vergessen, daß ein anderer Deutscher, der Arzt Johann Friedrich Schulze, 1727 die ersten Versuche der Lichtbilderzeugung unter [59] Benützung von Chlorsilber machte. 1777 hatte der deutsche Chemiker Scheele das erste Chlorsilberpapier hergestellt[.]
Das Talent der Deutschen hat die Farbenphotographie und den Farbenfilm geboren. Die Glaskünste eines Zeiß schufen die Objektive wissenschaftlicher Optik in unnachahmlicher Weise und machten den Fernrohrbau zu einer deutschen Berühmtheit. Die Arbeiten des deutschen Professors A. Korn, die Erfindung der Lochscheibe durch Paul Nipkow bezwangen die technischen Widerstände der Bildtelegraphie und des Fernsehens, das in der Braunschen Röhre ein bezwingendes Dokument deutscher schöpferischer Kraft besitzt. Die Forschungen von Hittorf und May (1873) über das Selen führten zum Bau der Photozelle. Der Kleinkamerabau erstand in Deutschland. Auf allen Gebieten der Technik sind die deutschen Leistungen überzeugend. Um die Erfindungen Deutscher auf diesen verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Technik aufzuzählen – wir sind ja so vergeßlich und undankbar –, müßte man einen Band von Bibelstärke schreiben. Wahrhaftig, diese Leistungen, die sich zum Wohle der Menschheit auswirken sollen, sind weittragender, tiefgreifender und wirklicher als die Sprüche aller Propheten, denn sie zeigen Gott und die Allmacht der Natur, die schöne Ordnung der Welt und die keimende Saat technischer Offenbarungen, den Aufstiegwillen des Menschen aus dem Mutterschoß der Erde in ewig strahlendem Lichte. Warum wollen wir vor diesen Maschinen nicht auch Andacht empfinden? Sie sind Geist von unserem Geist, [60] Geist der Materie und der kosmischen Fantasie, die über alle Zeiten und alle Völker in Ewigkeit sein wird. Ströme gebaren mit technischer Hilfe elektrische Energie: deutsche Wasserkraftmaschinen mit dem Namen Voith, Kaplan, Escher-Wyß arbeiten in der ganzen Welt. Deutsche Ingenieure waren die Pioniere in der technischen Auswertung der Dampfkraft, im Bau der Feuerungen, der Dampferzeuger, der Kolbendampfmaschine, der Dampfturbine. In dem großen Hellgate-Kraftwerk bei New York, im Großkraftwerk Schelle in Belgien, in den Kraftwerken Kaliforniens und Südamerikas, in unzähligen anderen Großstationen der Energieerzeugung in der Welt arbeiten deutsche Maschinen. [Scriptorium merkt an: vgl. z. B. in Buenos Aires, am Rio Negro, auf Korea, in Britisch-Indien, in Finland, in Irland, in Spanien.] Es ist durch deutsche Konstruktionen möglich geworden, daß große Wasserwerke ohne menschliche Bedienung in Tätigkeit sind und die Überwachung durch Fernschreibgeräte an anderer Stelle erfolgt. Die örtlichen Bedingungen der Maschinen, die oft in größter Höhe arbeiten müssen, stellten an den deutschen Ingenieur besondere Aufgaben. Diesels Lebenswerk (1858–1913), das kein Tod und kein Feind von der Erde vernichten kann, hat sich in dieser neuen technischen Welt Achtung und Wertschätzung bewahrt. Hoch oben in den Anden, in 4000 Meter Höhe und mehr, arbeiten diese Dieselmotoren mit Tausenden von Pferdekräften.
Der Bau von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen, Hochbau und Tiefbau, Schiffbau und Brückenbau, die Herstellung der Geschosse – der Schöpfer der neuzeitlichen Ballistik ist der Deutsche Karl Julius Cranz (geboren 1858) –, Telegraphie und Telephonie – Werner Siemens erfand 1855 den Drucktelegraphen, Philipp Reis 1861 das Telephon – empfehlen der Welt immer [61] von neuem durch unsere Erfinderleistungen das deutsche Können, wie es sich beispielsweise in dem Siemens-Schnelldrucker mit zweitausend Buchstaben in der Minute kundgibt. Eine Umwälzung des Nachrichtendienstes bedeutete die Funktechnik mit ihren Überraschungen der Kurzwellen und Ultrakurzwellen, die uns auch das Studium höchster Schichten über der Erde, der Ionosphäre, die Fernsteuerung, den Blindflug und die Blindlandung mit Peilstrahlen, Lichtstrahlen und Leitstrahlen ermöglichte. Der deutsche Lehrer Vogler hat 1899 das erste Fernlenkboot gebaut. Die Welt wäre auf diesen Prunkgebieten technischer Fähigkeiten arm, wenn der deutsche Erfinderwille ausfiele. Diese Erfindungen in der Welt der Strahlen greifen stark in die Heilkunde, welche heute über eine wirksame Kurzwellen-Therapie verfügt. Die technischen Voraussetzungen verdanken wir Arbeiten der Deutschen v. Lieben, Meißner, Schliephake. Selbst die unsichtbaren Organismenstrahlen, die der Deutsche Friedrich von Reichenbach als Od-Strahlen bezeichnete, haben heute durch einwandfreie wissenschaftliche Feststellungen in der mitogenetischen Strahlung eine neue Deutung erhalten. Die Höhenstrahlen-Forschung – Geiger, Stark, Kolhörster, Heß, Regener – ließ den Menschen über den begrenzten Erdraum mit neuen Mitteln hinaustreten. Deutsche Forschung hat hiebei den Weg gewiesen, und ihre Mittel wurden gerne von den wissenschaftlichen Stätten der Welt aufgenommen.
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