[Bd. 4 S. 244]
Die großen Möglichkeiten der ortsfesten Dampfmaschine haben alle Kulturvölker im neunzehnten Jahrhundert zum Aufbau ihrer Industrie ausgewertet. In Deutschland konnte diese "industrielle Revolution" erst einsetzen, als durch das Inkrafttreten der Zollverein-Verträge am 1. Januar 1834 ein Zusammenschluß der wichtigsten deutschen Länder als eine wirtschaftliche Voraussetzung geschaffen war. Die Dampfmaschine und die dazu gehörige Kesselanlage waren aber so kostspielig, daß nur größere Unternehmen solche Anlagen bezahlen konnten. Der kleine Handwerker konnte sich keine Dampfmaschine kaufen und mußte im Wettstreit mit der sich entwickelnden Industrie auf vielen Gebieten unterliegen, zumal er oft durch zähes Festhalten an längst überholten Gepflogenheiten, die vor Jahrhunderten Sinn und Bedeutung gehabt hatten, gehindert wurde, auch auf anderen Gebieten technischen Fortschritt auszunutzen. Die Schaffung einer billigen, wirtschaftlich arbeitenden Kleinkraftmaschine für den Kleinunternehmer und Handwerker war also eine technische Aufgabe, deren Lösung eine soziale Tat und eine ausgiebige Einnahmequelle zugleich bedeuten mußte. [245] Eine solche Lösung schien der Gasmotor zu sein, als in den größeren Städten Gasanstalten für Beleuchtungs- und Heizungszwecke errichtet waren. Versuche, solche Verbrennungskraftmaschinen zu bauen, reichen bis vor die Zeit der Erfindung der Dampfmaschine zurück. Erst 1860 jedoch gelang es dem französischen Mechaniker Jean Joseph Etienne Lenoir (1822–1900), einen mit Steinkohlengas betriebenen, praktisch brauchbaren Gasmotor zu bauen. Dieser Motor ist dann bis zu 12 PS ausgeführt worden, und man sprach in Frankreich schon von hundertpferdigen Maschinen, von Gaslokomotiven und Gasfeuerspritzen. Man sprach auch davon, daß die großen Dampfmaschinen jetzt überwunden seien und daß der neue Motor auch dem kleinen Unternehmer dienen würde. Aber diese Begeisterung verschwand sehr schnell, als sich zeigte, daß diese Gasmaschine ungeheuer viel Gas verbrauchte und im Betrieb sehr teuer war. Eine jener phantastischen Ankündigungen des Lenoirschen Gasmotors hatte der deutsche Kaufmannsgehilfe Nikolaus August Otto gelesen und sich nun eifrig mit dieser Frage beschäftigt. Er erweiterte seine Kenntnisse durch Selbststudium und ließ von einem gelernten Mechaniker eine kleine Versuchsmaschine bauen, deren Arbeitsweise schon dem Viertakt entsprach. Aber diese Maschine schien wegen der starken Stöße nicht geeignet zu sein, und so ging Otto daran, eine atmosphärische Gasmaschine zu bauen, für die er in verschiedenen Staaten Patente erhielt. Seine Hoffnung, daß andere nach diesen Patenten solche Motoren bauen würden, erfüllte sich aber nicht. Er mußte selber darangehen, und es war für ihn ein großes Glück, daß er in dem Kölner Ingenieur Eugen Langen den Geldgeber und technisch erfahrenen Mitarbeiter fand, der mit ihm gemeinsam die Maschine erstehen ließ. Besonders das Schaltwerk für die Kraftübertragung von der Kolbenstange auf die Maschinenwelle war eine schwere konstruktive Aufgabe, die Langen aber zu lösen vermochte. Dank seinem sehr geringen Gasverbrauch erhielt der Motor auf der Weltausstellung in Paris 1867 die Goldene Medaille. Die beiden Freunde gingen nun daran, in größerem Maßstab solche atmosphärischen Gasmaschinen zu bauen. Die von ihnen 1872 gegründete Aktiengesellschaft "Gasmotorenfabrik Deutz" wollte dann in Deutz bei Köln eine eigene Fabrik errichten. Da Langen durch andere Geschäfte oft gehindert war, galt es, einen geeigneten technischen Direktor für das junge Unternehmen zu gewinnen, und hierfür wurde Gottlieb Daimler vorgesehen. Gottlieb Daimler war am 17. März 1834 als zweiter Sohn des Bäckermeisters und Weingärtners Johannes Daimler in Schorndorf in Württemberg geboren. Nachdem er die Volksschule und noch zwei Jahre die Lateinschule besucht hatte, sollte er Ratsschreiber in seiner Vaterstadt werden. Aber Gottlieb Daimler wollte Handwerker werden und erreichte es auch, daß der Vater ihn zu dem benachbarten Büchsenmachermeister Raithel in die Lehre gab. Nach dreijähriger Lehrzeit legte er sein Gesellenstück vor; zwei doppelläufige Pistolen mit ziselierten Stahlbeschlägen. Er ging dann als Geselle zu einem anderen Meister seiner Vaterstadt [246] und mit ihm nach Stuttgart. Hier stellte er bald fest, daß die handwerkliche Herstellung von Handfeuerwaffen ein zu enges Tätigkeitsgebiet für ihn sei, und ging daher 1853 nach Grafenstaden im Elsaß, um dort in der Werkzeugmaschinenfabrik als Mechaniker zu arbeiten. Das ersparte Geld ermöglichte ihm einige Jahre später die Rückkehr nach Stuttgart zum Studium an der Polytechnischen Schule, der späteren Technischen Hochschule, die er am 22. September 1859 mit einem Abgangszeugnis verließ. Er war während dieser Zeit auch mit Herren der Württembergischen Zentralstelle für Gewerbe und Handel, des späteren Landesgewerbeamtes, bekannt geworden, und ihr Präsident, Ferdinand von Steinbeis, ermöglichte ihm durch ein Stipendium, seine Kenntnisse im Ausland zu erweitern. Nachdem Daimler mehrere Jahre besonders in England als Facharbeiter, Vorarbeiter und Meister gearbeitet hatte, war er von 1864 bis 1867 als Ingenieur der Maschinenfabrik in Geislingen a. d. Steige tätig, um dann als Werkstättenvorstand in die Maschinenbauanstalt des Bruderhauses in Reutlingen einzutreten. Hier in Reutlingen lernte Daimler Wilhelm Maybach kennen, der am 9. Februar 1846 in Heilbronn als Sohn eines Tischlermeisters geboren war. Mit zehn Jahren hatte Maybach seine Eltern verloren, war im Bruderhaus zur weiteren Erziehung aufgenommen worden und wurde hier auf seinen Wunsch als Maschinenbauer ausgebildet. Die vom Vater ererbte Begabung für handwerkliche Arbeit und Zeichnen, sein großer Fleiß und seine durch Selbststudium erworbenen Kenntnisse der Mathematik machten ihn bald zu einem brauchbaren Mitarbeiter Daimlers. In Reutlingen heiratete Gottlieb Daimler am 29. November 1867 in Maulbronn Emma Kurz, eine Tochter des dortigen Apothekers. Aus der gleichen Stadt holte sich Maybach einige Jahre später seine Gattin. Die beiden Frauen waren von Jugend an befreundet, und so entstand dann auch zwischen den beiden Familien ein gutes Einvernehmen. Inzwischen hatte Daimler 1868 die technische Leitung der Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe übernommen, und Maybach war ihm ein Jahr später dorthin nachgefolgt, um im technischen Büro der Gesellschaft zu arbeiten. Während seiner Tätigkeit in süddeutschen Maschinenfabriken hatte Daimler durch den Besuch von Ausstellungen, darunter der Pariser Weltausstellung, seine Kenntnisse zu erweitern gesucht. Dabei hatte er auch N. A. Otto kennengelernt, der ihm nun die technische Leitung der Deutzer Gasmotorenfabrik anbot. Auch Eugen Langen sicherte Daimler sein vollstes Vertrauen zu und schrieb ihm, er möge aus der Zusicherung hoher Gewinnbeteiligung und der Bewilligung aller seiner Wünsche durch den Aufsichtsrat ersehen, welchen Wert man auf seine Mitarbeit lege. Daimlers erste Aufgabe als technischer Direktor der Gasmotorenfabrik Deutz war nun, den atmosphärischen Gasmotor in größerer Anzahl zu niedrigem Preise herzustellen. Hierzu mußte die Maschine konstruktiv so durchgearbeitet werden, daß eine werkstattgerechte Ausführung in größeren Serien möglich war. [247] Um die erste Bedingung zu erfüllen, rief Daimler bald Maybach nach Deutz, als verantwortlichen Leiter des Konstruktionsbüros. Für die Werkstätten holte er sich aus Württemberg und aus dem Elsaß ihm bekannte tüchtige Facharbeiter. Die Herstellung der Gasmotoren konnte ja nur dann erfolgreich sein, wenn mit einer damals im allgemeinen Maschinenbau noch nicht üblichen Genauigkeit gearbeitet würde; diesen Anforderungen entsprachen aber die Arbeiter in Deutz noch nicht. Erst nach und nach gelang es, hier einen tüchtigen Arbeiterstamm zu bilden. Durch die konstruktive Verbesserung der Maschine und die Beschaffung tüchtiger Facharbeiter konnte Daimler die Leistungsfähigkeit des Unternehmens von Jahr zu Jahr steigern. Da gleichzeitig mit der so erreichten Verringerung der Herstellungskosten die aufsteigende Konjunktur jener Jahre eine Erhöhung der Verkaufspreise ermöglichte, erzielte die Gesellschaft auch wirtschaftliche Erfolge. Daimler konnte in jenen Jahren sich die Mittel erwerben, die ihm seine spätere Arbeit an dem schnellaufenden Verbrennungsmotor und den Kraftfahrzeugen ermöglichten.
Während aber Otto und Langen sich besonders für die Entwicklung der Viertaktmaschine einsetzten und daher dem Vorschlag, Benzinmotoren zu bauen, nicht [248] zustimmten, glaubte Daimler, sich gerade dieser Maschine widmen zu sollen. Er war nun
Die grundlegende Neuerung dieser Daimlermotoren war die Glührohrzündung. Daimler verzichtete bei seinem Schnelläufer auf den von Otto verwandten Schieber, der die Zündflamme für die Zündung freigab, weil diese Art der Zündung die Erhöhung der Drehzahl unmöglich machte. Die elektrische Zündung, die sich später erfolgreich durchsetzte, war noch nicht so weit entwickelt, daß ihre Anwendung möglich war, und so war das von Daimler erfundene Glührohr ausschlaggebend für den Erfolg und für das Patent. Nach Ansicht Daimlers sollte das Glührohr nur während der Anlaufzeit Zündung herbeiführen, später sollten die heißen Zylinderwandungen bei entsprechender Kompression die Zündung des Gas-Luft-Gemisches ermöglichen. In Wirklichkeit kam man aber auch während des Betriebes, besonders im Freien, ohne das Glührohr nicht aus. Neunhundert Umdrehungen je Minute konnten mit dieser Zündung erreicht werden, und das war ein außerordentlicher Fortschritt. Otto war stolz, als er bei seiner atmosphärischen Maschine achtzig bis neunzig Umdrehungen in der Minute erreicht hatte. Die Viertaktmaschinen liefen in jenen Jahren mit hundertfünfzig bis hundertachzig Umdrehungen. Diese Zahl konnte nicht wesentlich gesteigert werden, weil dann die Flammzündung nicht mehr zuverlässig wirkte. Carl Benz hat in seinem ersten Wagen einen Motor verwandt, von dem er in seinen Erinnerungen [249] selber sagt, er habe es auf zweihundertfünfzig bis dreihundert Umläufe in der Minute gebracht. Daimlers Motor leistete also bei gleichem Gewicht etwa das Dreifache. Damit war eine Entwicklung eingeleitet, die dann eine wichtige Voraussetzung für Kraftfahrwesen, Motorschiffahrt und Luftfahrt erfüllte. Da Daimler und Maybach nichts über ihre Arbeit verlauten ließen, erregten sie den Argwohn der Nachbarn, und die Polizei griff ein, um festzustellen, ob nicht etwa Falschmünzerei betrieben würde. Aber sie überzeugten sich bald, daß hier keine Verstöße gegen die Strafgesetze begangen wurden.
Daimler suchte für seinen schnellaufenden Motor noch weitere Anwendungsmöglichkeiten. Er wollte ja nicht Fahrzeuge bauen, sondern leichte, schnellaufende Motoren herstellen. Fahrzeugfabrikanten und Bootswerften sollten seine Haupt- [250] kunden werden; in ihre Wagen und Boote wollte er seine schnellaufenden Motoren einbauen, auch an Luftfahrzeuge dachte er schon damals. Dieser Absicht entsprechend setzte Daimler schon im Jahre 1886 einen schnellaufenden Motor in sein Ruderboot, das sechs Meter lang war und für elf Personen Platz hatte. Der Motor leistete 1 bis 2 PS, und man konnte mit dem Boot eine Stundengeschwindigkeit von zehn Kilometer erreichen. Da die Kraftübertragung auf die Schraube und die Steuerung des Bootes einfach waren, auch die Kühlwasserbeschaffung keine Schwierigkeiten machte, war das Motorboot zunächst ein größerer Erfolg als der Kraftwagen. Besonders für den Frachtverkehr in den großen Häfen erlangte es Bedeutung. Die weitere Entwicklung des Motorbootes ging einmal in der Richtung, daß man mit ihm immer größere Lasten befördern wollte, zum anderen wollte man aber immer größere Geschwindigkeiten erzielen. 1891 konnte das erste Rennboot mit einem 5-PS-Motor die damals viel bewunderte Geschwindigkeit von dreiundzwanzig Kilometer erzielen. Die Entwicklung des Motors war Daimlers besondere Sorge. 1889 baute er einen Zweizylindermotor, dessen Zylinder etwa unter zwanzig Grad – also unter einem sehr kleinen Winkel – schräg gegeneinander gestellt waren. Hierfür erhielt er am 9. Juni 1889 das deutsche Patent Nr. 50 839, wie er überhaupt in jenen Jahren weitere wichtige Patente erwarb, teilweise in fünfzehn Ländern.
Die Versuchswerkstatt in Daimlers Garten war bald zu klein geworden. 1886 erwarb Daimler in Cannstatt, auf dem Seelberg, Ludwigstraße 67, ein Fabrikanwesen, in dem er bald fünfundzwanzig Arbeiter und neun Angestellte beschäftigte. Auf der Suche nach anderen Verwendungsmöglichkeiten für seinen Motor baute Daimler schon 1887 ein Schienenfahrzeug, das auf einer kleinen Bahn in Cannstatt lief. Bald darauf baute er einen Motor in einen Eisenbahn-Gepäckwagen ein. Dieser erste Benzintriebwagen wurde auf der Strecke Unterboihingen–Kirchheim erprobt. [251] Gegenüber den Vorschlägen, sein Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, verhielt sich Daimler zunächst ablehnend; da er aber einsah, wie ausdehnungsfähig die Verwendung seines Motors für Kraftfahrzeuge verschiedenster Art war, wollte er das Unternehmen nicht auf seine Person allein abstellen, und so kam nach einem kurz zuvor geschlossenen Vorvertrag am 28. November 1890 die Gründung der Aktiengesellschaft "Daimler-Motoren-Gesellschaft in Cannstatt" zustande. Die Gesellschaft übernahm die Fabrik auf dem Seelberg. Daimler sollte als "Delegierter des Aufsichtsrates im Vorstand" und Maybach in der technischen Leitung weiter mitarbeiten. Bald aber stellten sich Meinungsverschiedenheiten heraus, die dazu führten, daß sich Daimler und Maybach von dem Unternehmen trennten, um unabhängig von diesem die Entwicklung des Kraftwagens zu fördern. Daimler erwarb das frühere Hotel Hermann an der Badstraße in Cannstatt und richtete sich dort eine größere Versuchswerkstatt ein, für die Maybach wiederum maßgebend als Konstrukteur tätig war. Zu den Ergebnissen dieser Arbeit gehörte auch das 1892 erfundene "Verfahren zum Mischen des Brennstoffes mit der angesaugten Luft", das die Grundlage der Spritzvergaser mit Schwimmerregelung wurde.
1895 kam es dann doch wieder zu einer Verständigung Daimlers mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft, die zur Folge hatte, daß beide Unternehmen zusammengelegt wurden. Daimler trat in den Aufsichtsrat ein, und Maybach übernahm die technische Leitung der Werke. In den folgenden Jahren wurde neben Lastkraftwagen und Omnibussen besonders der Personenwagen mit immer stärkeren Motoren ausgerüstet. Der österreichisch-ungarische Generalkonsul Emil Jellinek in Nizza, der den Vertrieb der Wagen besonders in Frankreich übernommen hatte, verlangte immer größere Leistungen und wußte die Erfüllung seiner Wünsche auch durchzusetzen. So entstand um 1900 ein neuer Wagen, der auch in seiner äußeren Form dem heutigen Kraftwagen wesentlich näher kam. Er hatte einen
Ehe dieser Wagen noch fertiggestellt war, starb Gottlieb Daimler am 6. März 1900 im Alter von sechsundsechzig Jahren. Wilhelm Maybach hat ihn fast drei Jahrzehnte überlebt und damit auch noch die großen Erfolge des Kraftwagens im zwanzigsten Jahrhundert erlebt, aber auch die Erfolge des schnellaufenden Motors in der Luftfahrt. Nachdem er am 1. April 1907 endgültig aus der Daimler-Motoren-Gesellschaft ausgeschieden war, hat er im Auftrage des Grafen Zeppelin sich maßgebend mit der Konstruktion von Motoren für Luftschiffe beschäftigt. Sein Sohn, Carl Maybach, hat sein Werk fortgesetzt und später auch, wie die Söhne Gottlieb Daimlers, an der Entwicklung des Kraftwagenbaues in Deutschland hervorragend Anteil genommen.
Carl Benz ist am 26. November 1844 in Karlsruhe zur Welt gekommen. Sein Vater, der aus einem alten Dorfschmiedegeschlecht stammte, war der Lokomotivführer des ersten Zuges, mit dem im April 1843 die Strecke Karlsruhe–Heidelbach [253] eröffnet wurde. Wenige Jahre später starb er an einer Lungenentzündung, die er sich als Lokomotivführer im Dienst zugezogen hatte. Seine junge Witwe widmete der Erziehung des einzigen Sohnes ihre ganze Sorge. Sie wollte, daß der kleine Carl einmal Beamter würde, und ermöglichte ihm trotz ihrer bescheidenen Pension den Besuch des Gymnasiums. Hier zeigte Carl Benz schon bald eine ausgesprochene Vorliebe für die naturwissenschaftlichen Fächer: Mathematik,
Nach zweijähriger Tätigkeit in Pforzheim kehrte Carl Benz wieder nach Mannheim zurück. Mit Hilfe eines kleinen Vermögens, das er sich zum Teil selbst erspart hatte, gründete er hier 1871 eine mechanische Werkstätte und heiratete im folgenden Jahr. Einige Zeit später glaubte er auch, sich einen alten Lieblingswunsch erfüllen und den Bau von Gasmotoren aufnehmen zu können. Da der Bau von Viertaktmotoren durch Ottos Patente geschützt war, mußte Benz nach einer anderen Lösung suchen. So entstand nach langwierigen Versuchen, in die er seine letzten Groschen hineinsteckte, 1878 der Zweitaktmotor mit Oberflächenvergaser und Schiebersteuerung, den Benz in den folgenden Jahren mit einer Leistung von 1 PS besonders für Wasserpumpen baute. Mit Hilfe eines kleinen Kapitals, das [254] ihm der Hofphotograph Bühler lieh, konnte Benz seine Werkstätte erweitern dort zunächst mit sechs, dann mit vierzig und mehr Arbeitern auch zwei- und vierpferdige Motoren bauen. Das Unternehmen wuchs weiter und mußte verlegt werden. Unter dem Namen "Mannheimer Gasmotorenfabrik" wurde eine Aktiengesellschaft gegründet. Wenn aber Carl Benz geglaubt hatte, sich damit auch die Verwirklichung eines Lieblingswunsches – die Entwicklung eines selbsttätigen Fahrzeuges – ermöglicht zu haben, so sah er sich getäuscht. Man wollte in der Aktiengesellschaft das ertragreiche Geschäft des Motorenbaues nicht durch kostspielige Versuche für eine aussichtslos erscheinende Sache beeinträchtigen. So trat Carl Benz aus der Gesellschaft aus und kehrte wieder in seine alte Werkstatt zurück. Hier fand er nach kurzer Zeit in dem Kaufmann M. Rose einen neuen Geldgeber und konnte mit ihm 1883 die "Rheinische Gasmotorenfabrik Benz & Co." gründen. Aber auch hier war die Herstellung von Zweitaktmotoren zunächst noch die Hauptaufgabe, wenn auch der Bau von Motorwagen von vornherein in das Programm der neuen Firma aufgenommen worden war.
So vergingen mehrere Jahre, bis Carl Benz endlich den Bau eines Kraftfahrzeuges in Angriff nehmen konnte. Er ging dabei aber nicht wie Daimler vom Motor, sondern vom Fahrgestell aus, das er möglichst leicht bauen wollte. Das erste von ihm erbaute Kraftfahrzeug war daher ein Dreiradwagen, der hinten zwei große Räder und vorn ein etwas kleineres Lenkrad hatte. Es waren Drahtspeichenräder, die schon Vollgummibereifung hatten. Das Fahrgestell bestand aus Rohren. Als Antriebsmaschine hatte Benz einen kleinen Viertakt-Benzinmotor gebaut, der zweihundertfünfzig bis dreihundert Umdrehungen in der Minute machen konnte und dabei etwa ¾ PS leistete. Der Eintritt des in einem Oberflächenvergaser erzeugten Luft-Gas-Gemisches wurde durch einen Schieber, der Austritt der Verbrennungsgase durch ein Ventil ermöglicht; die Zündung erfolgte durch einen elektrischen Funken. Der Motor hatte Verdampfungskühlung. Dieser Motor wurde liegend unter dem Sitz des Fahrzeuges so eingebaut, daß das Schwungrad in waagerechter Lage lief. Von der also senkrecht stehenden Motorwelle wurde die Kraft durch Winkelräder und Lederriemen auf ein Ausgleichgetriebe und von diesem durch Ketten auf die beiden Hinterräder übertragen.
Ende 1885 reichte Benz Patentschrift und Patentzeichnung ein, und am 29. Januar 1886 wurde ihm das deutsche Reichspatent Nr. 37 435 erteilt. Weitere [255] Patentanträge wurden in den folgenden Jahren eingereicht. Durch die Patente wurden Neuerungen geschützt, die Schwächen des ersten Fahrzeuges beseitigten. Aber auch diese verbesserten Kraftwagen konnte Benz in Deutschland nicht verkaufen, obwohl er 1888 auf der Münchener Gewerbe- und Industrieausstellung die Große Goldene Medaille erhalten hatte. Auch der Benzwagen mußte sich zuerst im Auslande, besonders in Frankreich, bewähren. Ein Franzose, Emil Roger aus Paris, war 1887 der erste Käufer eines Benzwagens, mit dem er gleich von Mannheim nach Paris fuhr. Diesem ersten Wagen folgten bald weitere, die nach Frankreich, dann auch Amerika und England verkauft wurden. Vier- bis fünftausend Mark kostete damals ein Benzwagen. In Deutschland fand Benz erst Käufer, als er 1895 einen leichten Wagen herausbrachte, der zweitausendfünfhundert Mark kostete und "Comfortable" genannt wurde. Diese Kraftwagen hatten einen liegenden Einzylinder-Motor, der bei etwa sechshundert Umdrehungen in der Minute 3,5 PS leistete und unter, beziehungsweise hinter den Sitzen eingebaut war. Auf der hinten im Wagen liegenden Kurbelwelle sind neben dem großen Schwungrad die Riemenscheiben angebracht. Von denen treiben zwei durch Riemen das Ausgleichgetriebe, und von diesem werden durch Ketten die Hinterräder angetrieben. Durch entsprechendes Schalten der Riemen können drei verschiedene Vorwärtsgeschwindigkeiten erreicht werden. Einen Rückwärtsgang besaßen die etwa fünfhundert Kilogramm schweren Fahrzeuge noch nicht, dagegen hatten sie schon Luftbereifung.
In den folgenden Jahren arbeitete Benz noch weiter an der Verbesserung der Kraftwagen, die von seiner Firma hergestellt wurden. Aus dieser war M. Rose 1890 ausgetreten, an seiner Stelle traten Friedrich von Fischer und Julius Gantz in das Unternehmen ein. Als Herr von Fischer mehrere Jahre später krank wurde, machten die beiden Geschäftsfreunde Carl Benz wohnte seit 1903 in Ladenburg bei Mannheim, wo er am 3. April 1929, also fast fünfundachtzig Jahre alt, starb. Es war ihm vergönnt, die Entwicklung des Kraftwagens und der von ihm gegründeten Firma noch mitzuerleben.
|