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Bis zum 16. Jahrhundert

Martin Luther.
Martin Luther.
Gemälde von Lukas Cranach d. Ä., 1546. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 61.]

Hans Sachs.
Hans Sachs.
Gemälde von Andreas Herneißen, 1574/6. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 67.]

Nikolaus Kopernikus.
Nikolaus Kopernikus.
Gemälde von unbekanntem Künstler. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 82.]
Aus der deutschen Welt des Mittelalters, in der handbetriebene Rammböcke und Steinschleudern, aber auch Kriegs-Türme und andere Belagerungsmaschinen gegen die Festungen eines zerklüfteten Reiches anstürmten – gleichsam von der unbewußten Gewalt getrieben, die Mauern und Hindernisse niederzureißen, um wieder ein großes, einziges Deutsches Reich zu schaffen –, [7] leuchten mit ewiger Flamme die geistigen Sturmböcke eines Luther, eines Kopernikus und Kepler, eines Paracelsus und Dürer, eines Hans Sachs und Johannes Gutenberg, eines Matthias Grünewald und Lukas Cranach.

Die Entwicklung und das Vorwärtsdringen der naturforschenden Erkenntnisse drohte im frühen Mittelalter zu ersticken. Unsichtbar ballten sich die Kräfte gegen die geistigen Vergewaltigungen der Kirche, welche die "Herzen der Einfältigen nicht vergiften wollte." Ekkeharts Schriften lodern schon 1322 auf dem Scheiterhaufen. Der Kampf der Kirche ging gegen die, "die mehr wissen wollten, als nötig war".

Ein anderer deutscher Mönch, der Schwarzkünstler Bertholdus, der um 1313 lebte – wegen seiner "Zauberei und Magie" hieß er später Berthold der Schwarze oder Berthold Schwarz – soll das Pulver erfunden haben. Sicher ist aber ihm der erste Gebrauch der Feuerbüchsen unter Benützung des Pulvers als Geschoßtreibmittel zu verdanken. Pulvermischungen waren tatsächlich schon dem großen deutschen Naturforscher Albertus Magnus um 1250 bekannt. – So loderten aus der Seele und aus dem chemischen Mörser die Flammen gegen die geistigen Fesseln.

Aber noch ein anderer gewaltiger Weg stand offen. Der Weg der Wahrheit ging für die deutschen Späher des Himmels über die Sterne.

Nikolaus Kopernikus, 1473 in Thorn geboren, stürzte die Lehre des Ptolemäus, die von der Kirche angenommen war, wonach die Erde unbeweglich, "faul und träge" im Mittelpunkt der Welt stehen soll. Kopernikus begründete das neue Weltensystem der Sonne als Mittelpunkt, die von den Planeten umkreist werde.

Die Ekstase des durch diese Erkenntnisse ausbrechenden Geisteskampfes, die Spannung der verängstigten Gemüter, vor deren Augen sich eine neue Welten- [8] harmonie mit Erschütterungen eines armseligen Lippenglaubens erschloß, das Angstgeheul der Kirche, die noch 1616 alle Schriften der kopernikanischen Lehre verbot, erscheinen uns heute wie das Röcheln eines zusammenbrechenden Zeitalters.

Johannes Kepler.
Johannes Kepler.
Kupferstich von Johannes von Heyden. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 96.]
Ein Jahrhundert später. Der junge schwäbische Student Johannes Kepler studiert in Tübingen und hört von seinem Lehrer Michael Mästlin Sinn und Tiefe der kopernikanischen Weltlehre. Kepler wurde 1571 in Weil der Stadt, einer kleinen, wohlbefestigten württembergischen Reichsstadt, geboren, wir sehen ihn 1600 als Astronom am Hofe Kaiser Rudolfs II. in Prag, wo seit 1348 eine deutsche Universität stand. Keplers mathematisches Genie, seine Erfindergabe, der wir das astronomische Fernrohr verdanken, seine Seelenkräfte, mit der mathematischen Waffe zu den Weltelementen vorzustoßen und ihre Gesetze zu erobern, um den Menschen über sich selbst hinauszuheben, schufen die Erkenntnis der Himmelsmechanik und den Einblick in die Ellipsen-Bahnen der Planeten. Aus der Ordnung der Sterne rang er um die Ordnung der Menschen und ihrer Seele – ein Beweis, wie der deutsche Mensch im höchsten Können und auch auf den Wegen der exaktesten Naturbeobachtung nie an der gefundenen Formel oder an den entdeckten Elementen haften bleibt, sondern die heiligen Kräfte ahnt, die diese Elemente schufen und zusammenhalten. Daß dieses Schöpfertum gar oft über das Leiden führte, von dem Meister Ekkehart sagt, es sei das schnellste Tier, das zur Vollkommenheit trage, gehört zur Dynamik im Aufstieg des einzelnen und der Nation.

Die Jahrhunderte schmelzen in der Größe dieser Geisteshelden wie in einem Tiegel zusammen. Die seelische Verwandtschaft dieser hohen Meister wird uns offenbar, wie wenn ihr Genius aus einer einzigen Quelle sprudle.

Paracelsus.
Paracelsus.
Zeitgenössisches Gemälde.
Nancy, Gemäldegalerie.
[Die Großen Deutschen,
Bd. 1, S. 520.]
Sehen wir Kopernikus und Kepler auf den Himmels- [9] bahnen wandeln, so erkennen wir in ihrem Schatten auch den Geist des Paracelsus, der die Synthese einer anderen Welt vollzog. Seine Ahnen, das Geschlecht der Bombaste von Hohenheim aus schwäbischer Scholle, waren Gottsucher in der Natur. Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, ist 1493 geboren. Christoph Kolumbus hatte ein Jahr vor der Geburt des Paracelsus Amerika entdeckt. Die Erde war weit und groß geworden. In der Erkenntnis von der Kugelgestalt der Erde, bewaffnet mit dem Kompaß, den ein findiges Menschenhirn schon 1160 vor der Zeitenwende in Gebrauch genommen hatte, war dieser Seefahrer hinausgezogen. Aus demselben Geiste schuf Kopernikus, der Zeitgenosse dieses Kolumbus, sein Weltenbild auf der Fahrt in den unbegrenzten Kosmos.

Paracelsus fand neue Kontinente in seinen Laboratorien. Er fühlte den Zauber der Chemie. Er sah, wie aus chemischen Versuchen Antworten strahlen, wie sich Tore öffnen in das Innerste der Stoffe. Es war ihm eine Lust, diese Steine bis in ihr chemisches Gefüge zu zersetzen, die Härten aufzuspüren und sie zu sprengen.

Seine chemische Schau führte ihn in den Menschen selbst. Er frug sich und die Natur: Schwingen sich aus der Erde, aus ihren Erzen auch Kräfte ins Blut? Sind es Opfertische, die in unserem Blute errichtet sind? Was geht im Menschen vor? Und er sagt der Welt: "Also soll der Arzt die Natur und Kraft aller Dinge erkennen und also sollst du die Kunst der Arznei erfinden aus den auswendigen Kräften, so die Natur erzeugt."

Auch Paracelsus ist im Innersten seines derben Wesens ein frommer Mann. Er erklärt: Arznei ist eine Kunst, die mit großem Gewissen, mit großer Erfahrung und auch mit großer Gottesfurcht ausgeübt werden soll.

Er hält seine Vorlesungen in deutscher Sprache, denn er weiß, daß seine Erkenntnisse selbst deutsch sind und daß er all das Gefundene in seiner Herzenssprache zu [10] Gehör bringen muß. Zu Lebenszeit wurde er deshalb als "Lutherus medicorum" bezeichnet, als der ärztliche Ketzer, der die alten erstarrten Brocken der Dogmatik und einer verkalkten Wissenschaft zerbrach. Schon seine Zeit wußte, daß diese Sprengkraft bei Luther und Paracelsus aus der gleichen Tiefe deutscher Seele wuchs.

Paracelsus lehrte "das Licht der Natur" als den Kompaß für das ärztliche Tun. In den Heilwegen der Natur in weitestem Sinne sah er ebenso ein Stück Weltgebäude wie im Menschen selber. Welch unvergängliches Gold die Welt des Paracelsus auch für das heutige, hochentwickelte Arzttum nach fast fünfhundert Jahren bedeutet, sehen wir in der Anerkennung paracelsischer Geistestaten und im Ergriffensein der neuen Geschlechter von diesem sehnsuchtserfüllten, das Erdgeschehen in seinen Wurzeln empfindenden, den inneren Reichtum aller Materie erfassenden Gottsucher Paracelsus.

Diese tiefen Quellen weltumfassenden Deutschtums strömen auch in der Kunst des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. Die deutschen Baumeister haben die künstlerische Welt der Antike Kraft ihrer Seele nicht nur gesteigert und geläutert, sondern aus dem Urgrund ihres Wesens Neues geschaffen, so wie die Gotik auf deutschem Boden zu einem göttlichen Feste deutschen Geistes wurde.

Wolfram von Eschenbach.
Wolfram von Eschenbach.
Standbild in
Wolframs-Eschenbach.
(Bildarchiv Scriptorium.)

Walther von der Vogelweide.
Walther von der Vogelweide.
Miniatur aus der Manesseschen Liederhandschrift, 13. Jahrh.
[Die Großen Deutschen,
Bd. 1, S. 195.]

Ulrich von Ensingen.
Ulrich von Ensingen.
Statue im Ulmer Münster.
(Nach wikipedia.org.)

Hans Holbein d. J.
Hans Holbein d. J.
Selbstbildnis aus seinem Todesjahr 1543.
[Die Großen Deutschen,
Bd. 1, S. 487.]

Albrecht Dürer.
Albrecht Dürer.
Detail, Selbstbildnis, 1498.
[Die Großen Deutschen,
Bd. 1, S. 370.]
Unzählige Beispiele belegen dieses Ringen um höchste Kunst: die Zeit der Karolinger in kirchlichen Bauten, in Elfenbeinskulpturen, auch Buchdeckeln, in einer herrlichen Ausdruckskunst mit einer Verlebendigung der Mimik und der Haltung, in Prachthandschriften und einer Goldschmiedekunst, die eine erfahrene Metalltechnik zur Voraussetzung hatte, – die Zeit der sächsischen Kaiser mit Bildern und Plastiken magischer Gewalt, – die Zeit der Staufer mit einer monumentalen, ergreifenden Kunst, die in Kirchen und den Kaiserdomen von Speyer, Worms und Mainz, in dem Naumburger [11] und Kölner Dom die Wucht deutschen Aufstiegs widerspiegelt. Aus Portalen und Nischen wachsen Reliefs und Gestalten, deren Blick und Haltung über Jahrhunderte in edler Würde uns ansprechen, – die Zeit des Deutschen Ordens, dessen Blüte in das 14. Jahrhundert fällt und der 1190 gestiftet wurde, mit der Dichtkunst eines Wolfram von Eschenbach, eines Hartmann von Aue, eines Walther von der Vogelweide, eines Gottfried von Straßburg und dem Aufstieg der deutschen Hanse, dem wühlenden Kampf um die Form im Magdeburger Dom und in der Freiberger Goldenen Pforte, in dem träumerischen Bild des Maulbronner Klosters und der Sinnesstärke des Straßburger Münsters. In die Feierlichkeit des Raumes kommt durch die steinernen Gestalten mit faltenreicher Gewandung und einer überwältigenden Ausdrucksfülle eine geistige Sphäre, die den Stein lebendig werden läßt.

Deutsche Baumeister wie Peter Parler, der Erbauer des Prager Doms, des alten Krakau, dänischer und schwedischer Städte, aber auch Ulrich von Ensingen, der Schöpfer des Ulmer Münsters, gaben ihrer Zeit nicht nur die künstlerische Grundstimmung, sie sind in ihrer Seelensprache die Keimzelle höchster Werte für alle Zeiten geblieben.

Die Kunst blieb nie stehen. Die Volksverbundenheit ihrer Schöpfer, die Naturnähe ihres Geistes, der über das Handwerk den Lichtschein göttlicher Sendung breitete, der bunte Lichterkranz ihrer Glasmalereien, die aus dem Sonnenstrahl ein farbiges Mysterium auf die Fliesen ihrer Dome streuten und einem edlen Lebensgefühl entsprangen, sind Höhepunkte, aber auch Ansporn für die ganze Welt geworden. Meister aller Länder haben an diesen urdeutschen Werken ihren Blick und ihre Seele geformt.

In der Zeit, in der Paracelsus die Natur mit den Augen eines Sehers aufbrach, lebte Tilman Riemen- [12] schneider mit seinen unsterblichen Plastiken, Veit Stoß, der Schöpfer des Krakauer Marienaltars, Hans Holbein d. J. mit seinen fesselnden Menschenstudien. Jörg Syrlin in köstlichen Schnitzereien, Matthias Grünewald, dessen Isenheimer Altar schicksalhafte Offenbarung ist, Albrecht Dürer in einer Überfülle lebensvoller künstlerischer Arbeiten und die Malerhände von Lukas Cranach schufen eine reizvolle farbige Welt.

Diese Schöpfungen deutscher Seele haben die Vergänglichkeit überwunden. Sie allein würden genügen, um deutsches Können und deutsches Empfinden aus den Quellen innersten Lebens über alle Zeiten zu stellen.

In dieser mittelalterlichen Welt, in der das Handwerk allmählich eine deutsche Wirtschaftsmacht baute und neben dem feinfühligen Goldschmied der hart zufassende Panzerer wohnte, aber auch der Plattner, der Schwertner und Schwertfeger, der geschickte Kannengießer, der Armbruster und Büchsenschmied, der Sporer und Nadler, waren die Zunftgassen ummauerter Städte erfüllt mit dem Klang der Arbeit. Diese mittelalterliche Stadt mußte gar oft von der Bürgerschaft verteidigt werden. Der Handwerker verstand es, mit den Waffen umzugehen. Die Wehrpflicht der Zunftmitglieder war in den Zunftordnungen festgelegt.

Aus den Stadtchroniken vernehmen wir, daß auch die Jünglinge beizeiten anfingen, ihr Seitengewehr zu tragen und es bis ins späte Alter bei all ihren bürgerlichen Geschäften als Zeichen der Mannhaftigkeit bei sich führten. Deutscher Geist war von jeher wehrhafter Geist. Männer wie Albrecht Dürer haben Befestigungssysteme mit Basteien ausgedacht, deren Formen sich bei den preußischen Befestigungen wiederfinden.

Die deutschen Handwerker waren in der ganzen Welt angesehen. Deutsche Steinmetzen waren überall geschätzt, was ein vielgereister Ulmer Mönch 1480 mit folgenden Worten bestätigte: "In Handarbeit, in allem Erz, vor [13] allem Holz und jedem Stoff, sind die Deutschen so fleißig, daß ihre Arbeiten durch die ganze Welt berühmt werden. Wenn daher jemand ein vortreffliches Werk in Erz, Stein oder Holz haben will, so sende er zu den Deutschen. Ich habe deutsche Goldschmiede, Edelsteinarbeiter, Steinmetzen und Wagenbauer unter den Sarazenen Wunderdinge vollbringen sehen, habe beobachtet, wie Schneider, Schuster und Maurer die Griechen und die Italiener an Kunst übertrafen. Doch im vergangenen Jahre hat der Sultan von Ägypten den Hafen von Alexandria mit einer wunderbaren Mauer umgeben, die für das gesamte Morgenland ein erstaunliches Wunder war – und er bediente sich hiermit des Kunstfleißes eines Deutschen."

Peter Henlein.
Peter Henlein.
(Nach alchetron.com.)
Aus diesen deutschen Werkstätten ist manche Erfindung, die schöpferischer Fantasie, gründlicher Werkstoffkenntnis und erfahrener Praxis entsprang, weit über die Grenzen Deutschlands gedrungen. In Nürnberg erwarb 1509 der Schlossergeselle Peter Henlein seinen Meisterbrief. Er war ein findiger Bastler, der 1505 an Stelle des schwerfälligen Uhrengewichtes eine Feder, eine Schweinsborste als Spirale, benützte, wodurch er die Größe der Uhr wesentlich verkleinern und sie in dieser Form – die ersten Taschenuhren hießen "Nürnberger Eier" – in die Tasche stecken konnte. Er war ein technisches und mathematisches Genie, dieser Peter Henlein. Das Staunen über die technische Leistung des Peter Henlein vernehmen wir sogar aus dem Munde von Luther, der in einem Briefe gesteht, "daß er ähnliches noch nie vorher gesehen noch beobachtet habe".

Christian Heyden.
Christian Heyden.
(Nach europeana.eu.)
Diese technischen, erfinderischen Fähigkeiten wirkten sich auch bei anderen deutschen Handwerkern aus. Das mathematische Denken gehörte zum Hausgebrauch des Uhrmachers, und so fertigte ein anderer Nürnberger Uhrmacher, Christian Heyden, 1570 für Kaiser Maximilian die erste astronomische Uhr mit der Bewegung von Sonne und Mond in einem mathematisch-technisch [14] wohlgelungenen Räderwerk. Solche Sonnenuhren wurden im 16. und 17. Jahrhundert ein beliebtes Schmuck- und Wunderstück fürstlicher Höfe.

Ebenfalls in Nürnberg arbeitete 1517 der Uhrmacher Johann Kiefuß das Radschloß für Feuergewehre aus, bei dem ein Stahlrädchen an einem kleinen Feuerstein den Funken erzeugt.

Daß auch die Künstler Meister im Handwerk waren, stellen wir an vielen Leistungen fest. Albrecht Dürer

Wenzel Jamnitzer .
Wenzel Jamnitzer.
(Kupferstich nach einem Gemälde von Joachim von Sandrart.
Bildarchiv Scriptorium.)
hat, um nur ein Beispiel zu nennen, 1513 die Technik des Kupferstichs wesentlich ausgebaut und dabei als erster Metallplatten geätzt.

Ein anderer Nürnberger, Ulman Stromer, benützte schon 1370 zum erstenmal Stampfen zur Stoffzerkleinerung bei der Papierherstellung. Die Nürnberger Gassen bildeten eine große Erfinderwerkstätte für die ganze Welt. Der Goldschmied Wenzel Jamnitzer (1506–1589) baute in Nürnberg dank seiner mathematischen Begabung ausgezeichnete wissenschaftliche Instrumente. Ein anderer deutschstämmiger Uhrmacher, Jost Bürgi aus Lichtenberg, hat 1603–1611, wie Kepler bezeugt, als erster die Logarithmen-Tafeln aufgestellt.

Die Arbeiten dieser Handwerker erforderten ein Fingerspitzengefühl für die Tugenden und Fehler der Werkstoffe. Das Eisen vor allem hatte seine Launen. In der deutschen Vorzeit ist das Eisen ein Träger der Gerechtigkeit, wenn es im Schwerte und im Hammer gespannte Kraft wurde. Die Sage von Thor, dem Donnergott, die Edda, die Wielandsage, das Nibelungenlied lassen das Eisen und die verständige Hand des Waffenschmieds aus den Nebeln der Vergangenheit herausleuchten.

Karl der Große.
Karl der Große.
(Nach wikipedia.org.)
Schon um 400 vor der Zeitenwende stehen im Siegerland Werkstätten, in denen Eisen hergestellt wurde. In den Waldschmieden klangen die Hämmer. Deutscher Stahl hatte im 11. und 12. Jahrhundert einen Namen, [15] nahm sich doch schon Karl der Große (768–814) der Eisenbereitung an. Er verbot auch die Ausfuhr von Eisen und erkannte, welche Grundfeste für das Reich in unseren Bergwerken steht. Bald war die Wasserkraft für die Eisenhütten zum Betreiben der Hämmer im Gebrauch. Deutscher Stahl kam ins Ausland. Die Hansa errichtete 1266 einen deutschen Stahlhof in London.

England war auf die Dauer über die Güte dieses deutschen Stahls erzürnt. Um dieses deutsche Monopol auszuschalten, zog England mit lockenden Versprechungen deutsche Bergleute und Schmiede im 15. Jahrhundert in seine Bergwerke und Werkstätten. Von Deutschen hat England diese ersten grundlegenden Kenntnisse der Eisenhüttentechnik erworben.

Auch die Königin Elisabeth von England hat 1570 zur Zinnverhüttung deutsche Arbeiter und Kenner benötigt, weil man in England die Verarbeitung des Zinnsteins nicht verstand. Es wurden diesen berufenen deutschen Kräften zuerst gewisse Privilegien eingeräumt.

Als "Dank" wurde nach der Ausbeutung dieser Werkmänner und ihrer Kenntnisse von England im 16. Jahrhundert die Zufuhr deutscher Stahlwaren abgeriegelt und die Hansa 1597 zur Aufgabe des deutschen Stahlhofs in London gezwungen, der von den Engländern in brutalster Weise zerschlagen wurde.

Da Deutschland einen ertragsreichen und in der Arbeitsweise klug durchdachten Bergbau seit Jahrhunderten betrieb, sammelten sich in deutschen Händen auch die Werkkenntnisse eines rationellen Eisenhüttenwesens, das über Rennfeuer und Stückofen zum Kochofen führte, der zu Anfang des 14. Jahrhunderts erstmals in Deutschland angetroffen wird.

Ein weiterer deutscher Fortschritt, welcher der ganzen Welt zugute kam, war der Eisenguß, den um 1400 deutsche Büchsenmeister am Rhein schufen. Im Siegerland erstanden aus diesem alten Werkgeist die großen [16] Eisenhütten, in denen man schon damals Glocken, Gewichte und andere Gebrauchsgegenstände goß.

Johannes Gutenberg.
Johannes Gutenberg.
Kupferstich von unbekanntem Künstler, 16. Jahrhundert. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 49.]
Der Metallguß brachte den deutschen Goldschmied Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg aus Mainz, auf den glücklichen Gedanken, Metallbuchstaben herzustellen und diese beweglichen Lettern aneinanderzureihen, was die Möglichkeit des Buchdruckes in sich schloß. Er arbeitete seit 1436 an dieser genialen Erfindung, die er 1450 dem deutschen Volk mitteilte. Der Letternguß wurde durch Gutenberg wesentlich vereinfacht. –

Was diese deutsche Erfindung der Buchdruckkunst durch Johannes Gutenberg für die Welt bedeutet, ist mit keinem Maßstab auszudrücken. Wenn andere Erfinder oft ihr Leben lang um die Anerkennung ihrer schöpferischen Taten rangen, wurde Gutenbergs Erfindung wegen ihrer offensichtlichen, erstaunlichen Zweckmäßigkeit gerne von allen Seiten aus den Händen des Erfinders genommen. In wenigen Jahren gab es in der ganzen zivilisierten Welt Buchdrucker.

In den Stürmen der Jahrhunderte mitteilsam geworden, hatte der Mensch das Bedürfnis, seine Erkenntnisse durch die Segel bedruckten Papieres in die Welt zu lenken. Es lag alles wie in einem Programm bereit, als Gutenberg seine Erfindung machte. Zwischen 1470 und 1500 wurden etwa 10 000 Schriften in Druck gegeben. Die Möglichkeit, über den Weg des Buchdrucks die Gedanken an einen großen Kreis von Lesern zu geben, war so erregend, daß ein wahres Schreib- und Druckfieber ausbrach. Der Geist hatte seine Bahn zum Volk gefunden. Die Stimme der Gelehrten und der Weisen blieb nicht mehr schüchtern im Raume, sie gewann Flügel über Länder und Meere. Zur Errichtung der ersten französischen Buchdruckerei an der Sorbonne z. B. kamen auf Wunsch der Pariser Universität deutsche Buchdrucker nach Paris.

Ulman Stromer.
Ulman Stromer.
(Nach europeana.eu.)
[17] Zum Drucken der Schriften und Bücher war Papier nötig. So sehen wir in der Ruhmesbahn des Buchdrucks auch den Aufstieg des Papiers, seine Verfeinerung und seine technische Verbesserung. Die "Papyrer", von jeher besondere Handwerker in den einsamen, von Wäldern umrauschten Papiermühlen, traten mit einem Schlag in den Vordergrund der Wirtschaft. 1390 erstand vor den Toren von Nürnberg die erste deutsche Papiermühle des Ulman Stromer in Deutschland. Patrizier und Ratsherr ist dieser Papiermacher. In dem schwäbischen Ravensburg ist die Herstellung von Papier mit dem Ochsenkopf-Wasserzeichen noch im 14. Jahrhundert zu verzeichnen.

England hat seine erste Papiermühle ein Jahrhundert später, erst im Jahr 1494 errichtet, ein Zeichen, wie langsam sich England hinter dem deutschen Fortschritt entwickelte.

Wilhelm Rittinghausen.
Wilhelm Rittinghausen.
(Nach wikitree.com.)
Renker nennt in seiner Papiergeschichte als den berühmtesten und bekanntesten der frühen englischen Papiermacher den deutschen Spilman aus Lindau, der wohl ursprünglich Johann Spielmann hieß. Er wurde von König Johann geadelt. Seine starke, echt deutsche Unternehmerart und seine großen aus Deutschland mitgebrachten Erfahrungen zeigten sich darin, daß er schon im 16. Jahrhundert in seinen Papierbetrieben nicht weniger als 600 Leute beschäftigte. Nach Amerika ist das Papier erstmals durch einen Deutschen verpflanzt worden: Wilhelm Rittinghausen aus Mülheim an der Ruhr errichtete 1688 in der pennsylvanischen Stadt Germantown die erste Papiermühle in Amerika.

Buchdruck und Reformation griffen mit mächtiger Kraft in die Speichen der Papierentwicklung. Abraham a Santa Clara, der deutsche Kanzelredner, den Schiller in seinem Wallenstein als Vorbild der Kapuzinerpredigt genommen hat, sagte im 17. Jahrhundert: "Ein Papier ist der größte Nutz der Welt".

Friedrich Gottlob Keller.
Friedrich Gottlob Keller.
(Nach wikipedia.org.)
[18] Der Lumpensammler in Städten und Dörfern war ein wichtiger Rohstofflieferant der Papiermühlen. Erst viel später hat wiederum ein Deutscher in der Papierfabrikation einen gewaltigen Schritt vorwärts getan. Es war Jakob Christian Schäffer in Regensburg, "Doctor der Gottesgelehrsamkeit und Weltweisheit". Er hatte in Regensburg 1765 bis 1767 eine Reihe von Bänden veröffentlicht, in denen er als Hadernersatz Pappelwolle, Sägespäne, Moos u. a. bei der Papierbereitung empfahl. Ein deutscher Weber, Gottlob Keller aus Hainichen in Sachsen, konnte 1844 den Weg zum Holzschliff angeben, dessen Herstellung ein anderer Deutscher, der Maschinenfabrikant Völter, vollends technisch so entwickelte, daß er für die Papierindustrie brauchbar wurde. Aus diesem Holzschliff deutscher Erfindung wurde in holzreiche Länder, vor allem in die nordischen Länder Europas, nach den Vereinigten Staaten Amerikas, Kanada, ein ungeheurer Reichtum und wirtschaftlicher Aufschwung getragen.

Als Gutenberg 1467 die Augen schloß, war seine Erfindung wie ein bindender und empfindender Nerv über die ganze zivilisierte Welt gelegt. Ein Ferment ohnegleichen war für den Auftrieb der Menschheit geschaffen. Die Wirkung äußerte sich in gar vielem, was nicht unmittelbares drucktechnisches Arbeitsfeld ist.

Die Reformation durch die Geistestat Luthers war in der gedruckten deutschen Bibel im Volke emporgestiegen. Der Geist hatte im Buch einen Mittler gefunden und war beredsam geworden. Weltstraßen waren durch diese deutsche Tat des Buchdrucks für alle Zeiten gelegt.

Eine spätere große technische Tat des Buchdrucks vollbrachte ebenfalls ein Deutscher: der schwäbische Uhrmacher Ottmar Mergenthaler schuf 1884 in seiner "Linotype" eine vollendete Setzmaschine.

Damit ist der gewaltige Kreis deutscher Buchdruckschöpfung bis in die Gegenwart geschlossen.

[19] Wir sehen auf der schicksalvollen Linie des Buchdrucks und des Papiers die großen grundlegenden Leistungen deutscher Männer, die uneigennützig die Welt mit ihren Erfindungen beschenkten.

Im 15. Jahrhundert begannen die Augsburger Fugger und die Nürnberger Welser ihre weltumspannende Arbeit, nachdem vor ihnen die Ravensburger Handelsgesellschaft (1380 bis 1530) weltwirtschaftliche Pläne verwirklicht hatte.

Welcher Reichtum sich in Augsburg noch im 15. Jahrhundert und erst recht im 16. Jahrhundert aus dieser guten deutschen Handwerksarbeit und aus dem Vertrieb bester deutscher Waren ansammelte, künden die Steuerbücher von Augsburg, die vermelden, daß von 1470 bis 1500 das Augsburger Gesamtsteuervermögen auf das Vierfache, von 1500 bis 1550 sogar auf das Dreizehnfache gestiegen ist. Das Sprichwort, daß das Handwerk einen goldenen Boden habe, wurde in jener Zeit eine Lebensweisheit.

Jakob Fugger.
Jakob Fugger.
Holzbüste von Adolf Daucher, um 1518. [Die Großen Deutschen im Bild, S. 52.]
In erster Linie ging es bei den Fuggern um die Metalle, um die Erze aus den Bergwerken von Tirol, Ungarn, Böhmen – alles Land im "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation", dessen Bergbau die Entstehung einer neuen wirtschaftlichen Welt ermöglichte.

Bei diesem Vertrieb der Bergwerkserzeugnisse griffen die Fugger zäh und weitsichtig in den Welthandel. Die Fürsten Europas erbaten ansehnliche Darlehen aus den Kassen der Fugger. Die Namen von Kaisern und Königen stehen in den Gästebüchern der Fugger. Die päpstliche Münze in Rom wurde jahrzehntelang von ihnen verwaltet.

Auch andere Handelsartikel wurden in den Geschäftskreis der Fugger einbezogen. Sie rüsteten indische Gewürzflotten aus, sie ermöglichten die Kapitalisierung spanischer Handelsflotten, die Zuckerrohr, Farbholz und Farbstoffe aus fremder Welt nach Europa brachten. [20] Jakob Fugger und seine Nachkommen wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Könige der europäischen Kaufmannschaft, ja, man spricht geradezu von einem Zeitalter der Fugger.

Martin Behaim.
Martin Behaim.
Denkmal, Nürnberg.
(Nach wikimedia.com.)
Diese Kaufmannsgeschlechter waren auch an der Errichtung eines ersten deutschen Kolonialreiches beteiligt. Die Deutschen Ambrosius Ehinger, Nikolaus Federmann und der Ritter Philipp von Hutten waren es, die im 16. Jahrhundert Venezuela eroberten und erforschten. 1534 war dieser Ulmer Feldhauptmann Nikolaus Federmann der Gouverneur von Venezuela. Ja, zu gleicher Zeit, als Kolumbus in mutigem Weltfahrergeist sein Schicksal den Meeren anvertraute, hatte ein deutscher seetüchtiger und kühner Mann, der in Nürnberg geborene Kapitän Martin Behaim, den Plan gefaßt, auf dem Westweg nach Ostindien zu fahren. Dieser Deutsche, Behaim, wußte vor Magalhaes um die Meerenge an der Südspitze Amerikas. Der Globus ist sein Meisterstück.

Ein Arbeitsgebiet der Fugger und vor ihnen der Ravensburger Handelsgesellschaft war das textile Schaffen und der Handel mit Textilerzeugnissen. Fast in jedem Bauernhaus stand das Spinnrad. Besondere Spinnstuben gab es in vielen deutschen Dörfern, wo an den Spinnabenden gearbeitet wurde. Die Germanen webten mit eigener Technik in Urzeiten am aufrechten Webstuhl, ehe die Römer nach dem Norden vorgedrungen waren.

Die Erfindung des Tretspinnrades um 1530 verdanken wir dem deutschen Steinmetzen und Bildschnitzer Jürgen in Watenbüttel bei Braunschweig. Schon zur karolingischen Zeit war das "Fries", das friesische Tuch, ein begehrtes textiles Erzeugnis. Am Niederrhein wurden unter den salischen Kaisern mit der längst gepflegten Wollweberei Fortschritte erzielt, die zum Handel führten. Köln hatte im 13. Jahrhundert eine große Schneiderzunft. Deutscher Barchent ging im Mittelalter in die [21] ganze Welt. Eine deutsche Spinnerin, Barbara Uttmann, ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Erfinderin der Fabrikation von Klöppelspitzen. Der Danziger Anton Moller gab 1600 den Bau der Bandmühle am Webstuhl an, wodurch eine wesentlich größere Leistung erzielt wurde.

Wir spüren aus all diesen Tatsachen den geistigen und materiellen Aufstieg Deutschlands. Ulrich von Hutten schwärmte von jener Zeit: "Die Wissenschaften blühen, die Geister wachen auf, es ist eine Lust zu leben."

Das 16. Jahrhundert ging unter dem aufsteigenden Licht geistigen Ringens dahin, das ein neues Seelenbild des deutschen Volkes schuf. Ja, es scheint, daß der bewußte Wille zur deutschen Art, wie Martin Luther

Adam Riese.
Adam Riese.
(Nach adam-riese-schule.de.)
(1483–1546) ihn zeugte, die Erweckung zur endgültigen geistigen Vorherrschaft Deutschlands in der Welt bedeutete. Nicht umsonst dürfen wir Deutsche auch von Luther sagen: "Er war der deutsche Prophet". Er wußte um die genialen Kräfte des Deutschen und seiner Sendung und seine Sehnsucht war immer "Teutschland in einer Hand". Überall leuchten in dieser Zeit schaffende Köpfe heraus. Adam Riese, Rechenmeister und Bergbeamter, veröffentlicht 1518 sein Rechenbuch und gibt 1524 das noch heute benützte mathematische Wurzelzeichen an. In den deutschen Alchimistenküchen mit faustischer Umwelt brodelten die Retorten. Die Elemente liegen noch in der Nacht ihrer Umhüllung und nur zaghaft glühen sie in geheimnisvollen Flammen heraus.

Georg Agricola (sein deutscher Name lautet Bauer) öffnete 1546 den Blick für die wirtschaftlich so wichtige Welt der Metalle. Er deutet auch als erster die tierischen Abdrücke im Stein als Überreste vorweltlicher Lebewesen. Ein anderer Nürnberger schafft für die Metallhütten den Blasebalg mit dauerndem Windstrom.

Johann Schenck von Grafenberg.
Johann Schenck von Grafenberg.
(Nach researchgate.net.)
Wenn Abrecht Dürer 1510 in einer Darstellung den bewaffneten Rittersmann dem knöchernen Tod mit der [22] Sanduhr gegenüberstellt, so sehen wir an der Auffassung dieses Totengerippes das anatomische Interesse des Künstlers, das sich mit der Neugier vieler Gelehrten aus jener Zeit deckte. Deutsche Ärzte waren in diesen frühen Jahrhunderten oft recht gute Beobachter. Johann Schenck von Grafenberg benützte 1584 die erste künstliche Atmung. Georg Bartisch baute um dieselbe Zeit ausgezeichnete Instrumente für den Augenarzt. Der Bau des menschlichen Auges und seiner Funktionen wurde von deutschen Ärzten im 16. Jahrhundert erkannt. Auch Kepler hat sich auf diesem Gebiete Verdienste um die ärztliche Wissenschaft erworben. Die Einführung von Feldapotheken ist den Deutschen zu verdanken.

Die Beobachtungen dieser Ärzte gingen häufig über ihr eigenes Arbeitsgebiet hinaus. Die ersten Gradierhäuser der Welt zur Soleanreicherung und fabrikmäßigen Herstellung des Kochsalzes sind von dem deutschen Arzt Matthias Meth 1579 angegeben worden. Bedeutende ärztliche Leistungen haben den Namen des Arztes Jakob Nufer aus Siegershausen bekannt gemacht, der 1500 den ersten Kaiserschnitt an einer Lebenden, an seiner eigenen Frau, mit vollem Erfolg durchführte. Wir werden auch nicht vergessen, daß 1505 der Ritter Götz von Berlichingen sich eine eiserne Hand zulegte, die er als harte Faust für seine ein Jahr vorher bei Landshut abgeschossene Hand benützte.





Da staunt die Welt.
Adolf Reitz