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[Bd. 1 S. 402]
Jakob Fugger, 1459 - 1525, von Jakob Strieder

Holzbüste von Jakob Fugger.
Jakob Fugger.
Holzbüste von Adolf Daucher aus der Fuggerkapelle in Augsburg, um 1518.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 52.]
Hatten im Mittelalter rheinische und hansische Städte, vor allem Köln und Lübeck, die Führung im deutschen Wirtschaftsleben innegehabt, so rückte gegen Anfang des sechzehnten Jahrhunderts statt des Nordens der Süden unseres Vaterlandes in den Brennpunkt der deutschen Volkswirtschaft. In den ersten zwei Dritteln des sechzehnten Jahrhunderts nahmen die süddeutschen Kaufleute, bald allen voran die Fugger, eine so tonangebende Stellung in der europäischen Handels-, Industrie- und Finanzwelt ein wie niemals zuvor und niemals wieder nachher. Selbst die Italiener, die führenden europäischen Kaufleute des ganzen Mittelalters, haben in ihren vorurteilslosen Beurteilern den Süddeutschen schon geraume Zeit vor der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Führerschaft im europäischen Wirtschaftsleben eingeräumt.

Die Erhebung Süddeutschlands zum führenden deutschen Wirtschaftsraum ist unauflöslich mit der Wirksamkeit Jakob Fuggers verknüpft. In ihm findet die Entstehung eines älteren, frühkapitalistischen, deutschen Großunternehmertums ihren Abschluß. In ihm ist auch als Vorbild für die Folgezeit ein Typ geschaffen, dessen Denken und Handeln für die Weiterentwicklung des gesamten europäischen Großunternehmertums bedeutungsvoll wurde. Denn Jakob Fugger ist nicht nur ein deutscher, er ist auch ein europäischer Wirtschaftsführer. Nicht nur in dem Sinne, daß seine Arbeitsgebiete ganz international waren. Mehr noch in dem Sinne, daß er einen Höhepunkt in der Entwicklung jenes älteren, frühkapitalistischen Kaufmannstyps der Europäer bedeutet, der sich in dem Italien der Frührenaissance zuerst voll zu entfalten begonnen hatte. Den rationalen, im Gegensatz zum solidaristischen Zunftgeist des Mittelalters individualistisch eingestellten Wirtschaftsgeist der italienischen Renaissance hat Jakob Fugger ganz in sich aufgenommen und schließlich über seine italienischen Lehrmeister hinausgeführt. Aus einer gleichgestimmten geistigen Verfassung, aus einem auch bei ihm vorhandenen wirtschaftlichen Renaissancegeist heraus ist das geschehen.

Wie auf einzelnen wirtschaftlichen Sachgebieten Jakob Fugger der Erbe und Vollender der Italiener des Mittelalters wurde, kann man nirgends besser beobachten als bei seiner hochfinanziellen Tätigkeit. Italienische Großkaufleute, an ihrer Spitze die Medici, waren jahrhundertelang die Bankiers der Könige von England, Frankreich und Sizilien gewesen, namentlich aber bediente sich [403] ihrer das Papsttum bei seinen weitverzweigten Geldeinhebungsgeschäften in ganz Europa. Einen Teil dieser Aufgaben nahm nun Jakob Fugger in die Hand. Gerade als die Medici Ende des fünfzehnten Jahrhunderts von ihrem römischen Betätigungsplatz abtraten, begegnen wir Jakob Fugger erstmals im Finanzgeschäft mit der Kurie. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wurde dann der Augsburger Handelsherr der überragende finanzielle Helfer des Papsttums. Dabei ist es nicht nur ein äußeres Erbe der italienischen Finanzmächte, das Jakob Fugger hier antrat. Die innere Struktur, die ganze Technik, die wesentliche Gestaltung dieser Finanzgebarung mit der Kurie konnte er den Italienern absehen, die sie seit dem dreizehnten Jahrhundert in immer vollendetere Formen gegossen hatten.

Auch in den Finanzgeschäften mit dem höchsten weltlichen Fürstentum seiner Zeit konnte sich Jakob Fugger als Erbe der italienischen Bankiers des Mittelalters deren Erfahrungen und Hilfsmittel zunutze machen. Zum Teil sind es, etwa bei den großen Finanzgeschäften mit den Habsburgern, noch dieselben Pfänder und Sicherungen, deren sich einst die Italiener, jetzt die Fugger bedienten. So war es im Königreich beider Sizilien. Gewechselt hatten dort die Dynastien. Die spanischen Habsburger waren an die Stelle der Anjous getreten. Geblieben waren die reichen Staatseinkünfte des fruchtbaren Landes und die Möglichkeit, auf ihnen Anleihen aufzubauen. Das nutzten jetzt die neuen spanischen Herrscher des Landes, wie es früher die Anjous genutzt hatten. Dabei halfen die Fugger den neuen Herren, wie einst die italienischen Bankiers den alten geholfen hatten. Nicht anders war es in Spanien. Auch hier löste Jakob Fugger bekannte Namen der italienischen Hochfinanz ab, als er Karl I. von Spanien, dem späteren Kaiser Karl V., große Darlehen gewährte und dafür spanische Kroneinnahmen als Pfand nahm.

Stärker noch als in derartiger Übernahme einzelner Geschäftszweige und Geschäftsmethoden tritt die italienische Einwirkung auf Jakob Fugger in dem geistigen Band hervor, das seine gesamte wirtschaftliche Tätigkeit umschlingt. Wenn der große Augsburger Kaufmann schließlich seine italienischen Vorläufer und Vorbilder übertraf und der stärkste Vertreter des Wirtschaftswillens und des kaufmännischen Könnens seiner Zeit wurde, so verdankt er diesen Erfolg im letzten Grunde der Tatsache, daß ihm die eigene Veranlagung gestattete, den in Italien seit der Frührenaissance konsequent durchgebildeten rationellen, individualistischen Wirtschaftsgeist auf einen bis dahin unerreichten Höhepunkt weiterzuführen. In dem wirtschaftlichen Rationalismus der Italiener, wie er sich zum Beispiel in der doppelten Buchführung ausdrückte, hat Jakob Fugger ein so wesentliches Stück moderner Geschäftsgebarung gefühlt, daß er in seinem Unternehmen schließlich die Buchhaltung auf einen derart seltenen Höhepunkt brachte, wie er selbst in Italien kaum übertroffen wurde. Als Matheus Schwarz, Jakob Fuggers späterer bewährter Hauptbuchhalter, der als Jüngling in mehreren [404] italienischen Städten die besten Lehrer für Buchführung gesucht hatte, nach Augsburg kam, erkannte er – von Jakob Fugger angestellt – daß es nicht nötig war, etwas in der
Jakob Fugger mit seinem Buchhalter.
[416b]      Jakob Fugger mit seinem Buchhalter Matthäus Schwarz im Kontor.
Miniatur, 1516. Braunschweig, Landesmuseum.
Fremde zu suchen, was er als Lehrling der Fugger sich zu Hause hätte aneignen können. Auf solcher Höhe stand die italienische Buchhaltungspraxis der Firma unter Jakobs Leitung. Der Lehrling der Italiener, der Jakob Fugger in seiner venezianischen Zeit gewesen war, erscheint als Meister in einem grundlegenden Teil seines Berufes.

Dabei ist es nicht die äußere Technik der Buchführung, auf die es hier in erster Linie ankommt, sondern der Wesensgehalt, der ihr zugrunde liegt, der Zweck, den sie zu erreichen trachtete. Was die genaue Buchführung, diese Erfindung des ökonomischen Rationalismus der Italiener, so unentbehrlich für die Erziehung zum Großunternehmer machte, war doch wohl zweierlei. Man wollte einmal durch die Anwendung der doppelten Buchführung sich in jedem Augenblick volle Klarheit über die jeweilige Geschäftslage geben können. "Deutlich, wie man sich selbst im Spiegel erschaut, so müsse sich das Geschäft in der Buchhaltung widerspiegeln." So hat Matheus Schwarz, der kaufmännische Zögling Jakob Fuggers, die Aufgabe der Buchhaltung gekennzeichnet. Es ist Fuggerscher Geist, der hier aus seinem Kontor, der berühmten goldenen Schreibstube, uns entgegenweht.

Hiermit ist aber die Bedeutung der doppelten Buchführung für die Herausbildung zum großen Unternehmer nicht erschöpft. Diese folgerichtige Art der Buchhaltung war nicht allein ein wirksames Hilfsmittel, um Klarheit über die jeweilige Lage des Handelsgeschäftes zu bekommen, mit ihrer Hilfe konnte sich der groß angelegte Geschäftsmann auch jene völlige Objektivität dem Ganzen wie dem Einzelnen der Geschäftsvorgänge gegenüber anerziehen, die letzten Endes den Erfolg sichert. In Jakob Fugger traf der kaufmännische Erziehungsfaktor, den die doppelte Buchführung darstellt, auf eine wesensverwandte Veranlagung. Allzeit wußte der hochentwickelte Intellekt, der ihn auszeichnete, einen kühlen Abstand zu den Unternehmungen einzuhalten, die an ihn herantraten. Besonders zu allen gewagten Geld- und Warenspekulationsgeschäften. Genau und kühl – wie mit einer Waage – wog dieser Mann die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten eines Geschäftes. Da wurde sich nichts in Hoffnungsfreudigkeit vorgetäuscht. Alles ward beiseite geschoben, was kühlem, verstandesmäßigem Erwägen nicht standzuhalten vermochte. Der Optimismus, den jeder Führer, auch der Wirtschaftsführer braucht, trat erst in sein Recht, wenn alle Vorsichtsmaßregeln getroffen waren.

Bezeichnend für Jakob Fuggers Geistesverfassung ist sein geschäftliches Verhältnis zu Kaiser Maximilian I. und Kaiser Karl V. In seltener Treue hat er allzeit dem Hause Habsburg gedient. Soviel er konnte, unterstützte er durch die Macht seines Geldes und seines Kredites die kaiserliche Politik. Aber niemals hat sich Jakob Fugger trotz allen Drängens und trotz aller Schmeicheleien der [405] kaiserlichen Finanzagenten durch das stolze Bewußtsein seiner Unentbehrlichkeit dazu hinreißen lassen, die Warnungen eines ruhigen geschäftlichen Nachdenkens zu vernachlässigen. Nur so weit erfolgte eine Kreditgewährung, als sie vom kaufmännischen Standpunkt aus begründet werden konnte. Solche Geistesart hat Jakob Fugger zeit seines Lebens vor waghalsig-spekulativen Unternehmungen bewahrt. Im Gegensatz zu manchem anderen Augsburger seiner Zeit! Wie Macchiavelli es dem politischen Führer vorschrieb, die stumpfe Machtgier zu verachten, den Kopf kühl zu halten und nur das Erreichbare zu wollen – so handhabte dieser Augsburger Wirtschaftsführer seine Geschäftspolitik.

Wenn man die Einwirkung des italienischen wirtschaftlichen Rationalismus auf Jakob Fugger in einem Satz zusammenfassen will, so kann man ihn als den bedeutendsten deutschen Renaissancemenschen auf wirtschaftlichem Gebiet bezeichnen. Nicht nur im Stil seiner Geschäftsführung dienten ihm die großen Kaufleute Italiens zum Vorbild. Auch sein Privatleben zeigt in der Geschmacksrichtung, die seine Kunst- und Wissenschaftsfreude nahm, wie stark ihm der Lebensstil der Renaissance wesensverwandt war. Jakob Fugger ist der erste deutsche Kunstmäzen gewesen, der in seinem Augsburger Palast, besonders aber in seiner herrlichen Grabkapelle zu St. Anna, der deutschen Frührenaissance die Wege geebnet hat. Und wie seine starke Baulust dem Geist der Renaissance entsprach, so auch seine Freude an der Wissenschaft. Mehrere Bibliotheken, die, von den nachfolgenden Fuggerschen Generationen vermehrt, die Grundstöcke noch heute berühmter Büchereien geworden sind (Wiener Hofbibliothek, Münchner Staatsbibliothek, Heidelberger Universitätsbibliothek usw.), gehen in ihren Anfängen auf Jakob Fugger zurück. Sie künden auch von der Seite der Wissenschaft her den Nachruhm als einen der großen Lebensträume des Renaissancemenschen.

So groß nun auch zweifellos die Einwirkung Italiens auf Jakob Fugger gewesen ist, ganz vermag sie den Werdegang dieses Wirtschaftsführers nicht zu erklären. Schon deshalb nicht, weil der Augsburger Handelsherr auch Keime des europäischen Wirtschaftslebens zur Reife gebracht hat, die die Italiener kaum gepflegt haben. Vor allem auf dem Gebiet des Montanwesens, also des Bergbaues und Hüttenwesens ist das der Fall. Wenn Jakob Fugger als Montanindustrieller eine Wirksamkeit entfaltete, die ihn zum Führer der damaligen Weltwirtschaft auf diesem Gebiete erhob, wenn der große Augsburger dabei der Vorläufer der deutschen Industriekapitäne des neunzehnten Jahrhunderts zu werden berufen war, so wandelte er hierbei in den Spuren nicht des italienischen, sondern des deutschen, besonders des Augsburger Unternehmertums der frühkapitalistischen Zeit.

In dieser und in anderen Beziehungen ruhen starke Wurzeln der Leistungen Jakob Fuggers in der besonderen Gestaltung, die das Wirtschaftsleben seiner Vaterstadt Augsburg seit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts nahm. Gewiß [406] liegen hier starke Wechselbeziehungen vor. Jakob Fugger hat das wirtschaftliche Augsburg seiner Zeit und fortwirkend auch das Augsburg der nächsten Generationen formen und gestalten helfen wie kein anderer. Das Augsburg der Renaissance, wie es groß und eindrucksvoll an der Schwelle der Neuzeit steht, ist nicht nur zufällig das Augsburg der Lebenstage Jakob Fuggers, nicht nur der äußere Rahmen seines Daseins. Dieses Augsburg ist in seinem einzigartigen wirtschaftlichen Gesicht zu einem nicht geringern Teil auch die Schöpfung Jakob Fuggers. Es sind in vieler Beziehung seine Wege, die das übrige Augsburger Unternehmertum im Zeitalter seines größten Führers und noch lange nachher gegangen ist.

Und dennoch, so sehr auch Jakob Fugger dem Wirtschaftsleben seiner Vaterstadt auf lange hinaus seinen Geist aufdrückte, so stark ist doch auch wieder seine eigene Entwicklung beeinflußt und bedingt worden durch den Rahmen, den ihr Augsburg, die Vaterstadt gab. Weder in Lübeck noch in Köln, noch selbst in Ulm oder Nürnberg hätte Jakob Fugger das werden können, was er schließlich in Augsburg geworden ist. In keiner anderen Stadt hätte er zum Beispiel zum größten Industriellen seiner Zeit werden können. Hier half dem kaufmännischen Genie die Gunst der geographischen Lage der Vaterstadt, die Nähe des erzreichen Landes Tirol und die Vorarbeit seiner unternehmungslustigen Mitbürger. Der Aufstieg Augsburgs und der Aufstieg der Fugger verläuft in einer merkwürdigen Parallelität der Ursachen. Augsburg verdankt seinen großen Aufschwung der Tatsache, daß eine Anzahl seiner Bürger im fünfzehnten Jahrhundert die schwäbische Barchentweberei ins Große fortentwickeln halfen. Es waren nicht die Fugger allein, es waren auch nicht die Fugger zuerst, die aus der Augsburger Weberzunft in die Kaufmannszunft und von dort in die erste Reihe der europäischen Unternehmerschaft emporstiegen. Neben ihnen sind die Ehem, die Bimmel, die Höchstetter u. a. zu nennen. Auch ihre Ahnherren standen am Webstuhl, die Enkel waren Kaufleute von Weltruf und Bankiers von Königen und Fürsten.

Eine zweite Ursache des Aufschwungs, den Augsburg um die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts nahm, liegt im folgenden: Die Augsburger Kaufmannschaft ist mit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts immer tatkräftiger in den Erzgroßhandel und in die Montanindustrie hineingegangen. Sie hat damit einen Hauptteil jener großen Geldgewinne, die in dem jetzt voll entfalteten Bergbau, Hüttenwesen und Metallhandel Europas zu machen waren, in ihre Geldschränke zu leiten verstanden. Dabei wurde es für die Stadt Augsburg von der größten Bedeutung, daß Tirol, die Stätte der stärksten Montanindustrie der Zeit, so nahe gelegen war.

Auch in dieser zweiten Ursachenreihe geht die Fuggersche Entwicklung der allgemeinen Augsburger parallel. Jakob Fugger ist nur einer von vielen und nicht etwa der erste Augsburger gewesen, der sich dem Erz- und Montangeschäft stark [407] zuwandte. Freilich hat er dann hier die Entwicklung auf den Höhepunkt geführt. Er ist der Hauptvertreter dieser neuen Schicht montanindustriell interessierter Geschäftsmänner geworden, wie sie sich in Augsburg, aber auch in Nürnberg und Leipzig zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts herausbildete. In ihm hat diese moderne Form des europäischen Unternehmertums eine frühe klassische Ausprägung erfahren. Immer stärker tritt im Fuggerschen Unternehmen allmählich das übrige Warengeschäft vor dem direkten und indirekten Erwerb und Vertrieb von Bergbauerzeugnissen zurück. Man wird schließlich Jakob Fugger am Ende seiner Laufbahn schon mehr als Großindustriellen ansprechen dürfen, wenngleich noch wesentliche Reste rein händlerischer Tätigkeit an ihm hängen blieben.

Nächst dem Geschäftsgeist der Einwohnerschaft seiner Heimatstadt ist für das Werden eines genialen Kaufmanns der Geist der Wirtschaftspolitik seines Wohnortes von der allergrößten Bedeutung. Das, was sich der große Unternehmer für seine Entfaltung wünscht, ist wirtschaftliche Freiheit und Ungebundenheit. Der größte Teil der Gesellschaft des sechzehnten Jahrhunderts dachte anders über diese Dinge. Überwiegend beherrschte damals noch der christlich-solidaristische, nicht der individualistische Wirtschaftsgedanke die Gemüter. Auch Kirche und Staat wendeten sich, wenigstens theoretisch und soweit wie es ihre Finanznot zuließ, gegen ein allzu starkes Gewinnstreben der Kaufleute, gegen Preistreibereien, gegen Kartelle und Monopole, gegen die großen Handelsgesellschaften, die den Mittelstand erdrückten. In den großen sozial- und wirtschaftspolitischen [408] Kämpfen, die sich damals vornehmlich auf den deutschen Reichs- und Landtagen abspielten, deren Wogen aber auch um die Kirchen- und Universitätskanzeln der großen Moraltheologen der damaligen Zeit brandeten, in diesen Kämpfen nimmt Augsburg eine besondere Stellung ein. Entgegen den konservativen wirtschaftspolitischen Anschauungen, wie sie selbst in Nürnberg und Ulm schließlich die Oberhand behielten, ist der Rat der Stadt Augsburg für einen wirtschaftlichen Liberalismus eingetreten. Das war der Nährboden, den ein Jakob Fugger brauchte. Augsburg nahm einen Teil jener wirtschaftspolitischen Ideen von der Freiheit des Individuums in der Verfolgung seiner wirtschaftlichen Interessen vorweg, die sich voll erst im neunzehnten Jahrhundert durchsetzen sollte. Darum konnte auch Jakob Fugger gerade in Augsburg die Gestalt des großen Unternehmers unserer Zeit wenigstens im Umriß schon vorweg entwickeln.

Der Wortführer der neuen Augsburger Wirtschaftsgesinnung, der theoretische Vertreter und Verteidiger des Renaissancegeistes in der führenden Augsburger Handelswelt ist der Humanist Dr. Konrad Peutinger geworden. Mit diesem seinem juristischen Berater zusammen hat Jakob Fugger sich starken Einfluß auf die Wirtschaftspolitik Karls V. im Sinne eines Liberalismus zu verschaffen gewußt.

Einen weiteren Nährboden für das Wachstum des königlichen Kaufmanns stellte die Umwelt, die ihm die eigene Familie bot, dar. Jakob Fugger hat nicht von unten herauf den geschäftlichen Aufbau der Fuggerschen Handelsgesellschaft führen müssen. Vorgänger in der Familie waren ihm darin vorausgegangen. Er selbst repräsentiert bereits die dritte Generation tüchtiger Geschäftsmänner seiner Familie. Sein Großvater Hans war in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts aus dem Dorfe Graben auf dem Lechfeld in Augsburg eingewandert. Er hatte, zunächst als einfacher Weber, dann als Verleger von Webern und als Kaufmann, die geschäftliche Zukunft der Familie begründet. Sein Sohn Jakob der Ältere, der Vater Jakob Fuggers des Reichen, hatte nach ihm den Aufstieg der Familie glänzend weitergeführt. Kurz vor seinem Tod (1469) stand er schon auf der siebenten Sprosse in der Stufenleiter der reichen Augsburger seiner Zeit. Auch er saß noch in der Weberzunft, obwohl sicherlich die kaufmännische Tätigkeit, der Handel mit hausindustriell hergestelltem Barchent, bei ihm überwog.

Zu früh für seine meist noch unmündigen Kinder starb dieser ältere Jakob Fugger im Jahre 1469. Mutig ergriff seine Witwe das Steuer des glückhaften Schiffes der Familie. Es gelang der tapferen Frau mit Hilfe ihres ältesten Sohnes Ulrich und später durch die Unterstützung von dessen heranwachsenden Brüdern Georg und Jakob, das Fuggersche Vermögen sogar noch zu vermehren. Sieben Söhne hatte die wackere Fuggerin geboren, vier waren in jungen Jahren gestorben. Nur Ulrich, Georg und Jakob II., später zubenannt der Reiche, blieben am Leben. Da gab, um den Bestand der Firma möglichst sicherzustellen, Jakob II., der bereits die niederen Weihen empfangen hatte, die Wissenschaft und den priesterlichen Beruf preis, um Kaufmann zu werden.

[409] Wir dürfen annehmen, daß dem jungen Gottesgelahrten der Ruf aus der Studierstube in das Kontor nicht besonders angenehm gewesen ist. Aber später, wenn nicht sogleich, hat Jakob Fugger es als eine natürliche und berechtigte Notwendigkeit empfunden, daß in einer Familie, die zu geschichtlicher Größe emporsteigen will, das einzelne Familienmitglied sein eigenes Lebensschicksal dem Geschick der Gesamtfamilie unterzuordnen hat. Jakob Fugger war auch später immer so familiengemeinschaftlich eingestellt. Deshalb konnte er, bald zur Führung im Hause Fugger gelangt, auch von den übrigen Familienmitgliedern dieselbe hohe Auffassung vom Gesamtfamilieninteresse und dieselbe innerliche Verpflichtung dem Unternehmen gegenüber mit Unerbittlichkeit fordern.

Wann die Führerstellung Jakobs in der Fuggerschen Handelsgesellschaft endgültig besiegelt wurde, wird sich wohl kaum auf das Jahr genau feststellen lassen. Jedenfalls hatte er bereits hervorragenden Anteil daran, daß im Jahre 1494 die drei Gebrüder Ulrich, Georg und Jakob Fugger, nach Auflösung der älteren, als Erbengemeinschaft betriebenen Handelsgesellschaft der Fugger, für sich zu einer Offenen Handelsgesellschaft zusammentraten. Ein untrügliches Quellenzeugnis dafür, daß Jakob nicht lange darauf der Führer dieser Offenen Handelsgesellschaft, die nach dem ältesten der Brüder Ulrich Fugger und Gebr. hieß, geworden war, ist uns erst aus dem beginnenden sechzehnten Jahrhundert bekannt. Als Anfang des Jahres 1503 der Kanzler des Grafen Wilhelm von Henneberg an einen Verwandten der Fugger die Frage richtete, an welchen der Brüder er sich am besten wende, wenn er in geschäftliche Beziehungen zur Fuggerschen Handelsgesellschaft treten wolle, antwortete man ihm, er solle sich an Jakob halten, der sei der "rechte Schaffierer", ohne ihn unternähmen die zwei älteren Brüder nichts von Bedeutung.

So war Jakob die Seele des Fuggerschen Geschäftshauses geworden. Was immer an Bedeutendem nun in dem Fuggerschen Handelsverband geschah, muß als Jakobs Werk gelten. Gleichgültig, ob es sich dabei um die äußere Ausdehnung des Unternehmens oder um seine innere Kräftigung durch eine zweckentsprechende Familienpolitik handelte. Früh beginnt der Kampf dieses weitsichtigen Mannes gegen jene natürlichen Verfallsgefahren, die jede reiche Kaufmannsfamilie in ihren späteren Generationen bedrohen. Jakobs Gedanken waren insonderheit darauf gerichtet, über Todesfälle und Erbteilungen, über zukünftige Handelsabneigung und Separationswünsche einzelner Familienmitglieder der drei Gesellschafter hinweg das Unternehmen dem Fuggerschen "Stamm und

Jakob Fugger.
[416a]      Jakob Fugger.
Zeichnung von Hans Holbein d. Ä., um 1500.
Berlin, Kupferstich-Kabinett.
Namen" so lange wie möglich groß zu erhalten. Während dreier Jahrzehnte seines Lebens rang Jakob mit dieser im Grunde unlösbaren Aufgabe. Die Unbekümmertheit eines Emporkömmlings, eines Vertreters der ersten Generation, die sich im Schaffen für die Gegenwart gefällt, ohne sich groß um die Zukunft des emporgebrachten Geschäfts zu sorgen, diese Unbekümmertheit hat der hochgebildete Mann kaum verspürt. Dafür war er immer zu sehr weiten Gesichtspunkten zugewandt. Dafür lagen die [410] Zeiten des ersten Aufstiegs der Familie schon zu weit hinter ihm. Dafür besaß Jakob schon zu viel verantwortungsvolles, den künftigen Generationen verpflichtetes Bewußtsein, da er in einem der ersten Augsburger Kaufmannshäuser aufgewachsen war. Nicht nur auf die Größe, sondern auch auf die Dauer des Fuggerschen Unternehmens maßgebend einzuwirken, sah Jakob als seine Schicksalsbestimmung an. Auch die falsche Liebe mancher reichgewordener Väter blieb ihm fremd, die, der Enkel und Urenkel uneingedenk, zunächst einmal den Kindern den arbeitslosen Genuß eines harterworbenen Reichtums als vermeintliches Glück überlassen zu dürfen glaubt. Jakob Fugger hatte keine Kinder. Das ist für die Entwicklung nicht nur seiner eigenen Persönlichkeit, sondern auch der Fuggerschen Unternehmung von größter Bedeutung geworden. Denn dem Nepotismus, der übertriebenen Neffenliebe, einer häufigen geistigen Krankheit hochstehender, kinderloser Männer seines Zeitalters, hat Jakob Fugger keinen Tribut gezollt.

So konnte der große Kaufmann, kühl bis ans Herz hinan, all seine Sorge der gegenwärtigen und der zukünftigen Erhaltung der Größe des Fuggerschen Unternehmens widmen. Wie ein absoluter Herrscher hält er den Neffen gegenüber auch nach dem Tode ihrer Väter (Ulrich war 1510, Georg schon 1506 gestorben) fast brutal die Zügel der Regierung in seiner Hand. Selbst für die Zeit nach seinem eigenen Tode suchte Jakob die Familienpolitik noch in seinem Sinne zu lenken. Wie er sich nur als erster Diener des Fuggerschen Geschäftes fühlte, so sollten auch die Neffen und deren Nachkommen handeln. Alle männlichen Mitglieder der Familie sollten ihre Vermögen im Geschäft belassen und sich einer aristokratischen Führerschaft jeweils der zwei geschäftstüchtigsten unter ihnen unterstellen. Gewisse große Vermögenswerte, namentlich auch Grundbesitz, wurden in einer Art Geschäftsfideikommiß dem weiblichen Erbgang entzogen und den Mitgliedern der Fugger-Compagnie vorbehalten.

Das ist die eine große Linie der Jakob Fuggerschen Handelsverbandspolitik. Die zweite Linie ist mehr nach außen gerichtet und verläuft im wesentlichen als eine Politik gegenüber Verschwägerten und gegenüber alten, verdienten Handelsangestellten, sogenannten Faktoren. Sie beruht darauf, daß all diese nichtfuggerschen Elemente, die die natürliche Neigung hatten, in die Leitung des Unternehmens hineinzudringen, schroff abgewiesen wurden. Mit dieser Politik stellt sich Jakob Fugger in Gegensatz zu fast allen Handelsverbänden seiner Zeit. Charakteristisch für die meisten anderen großen süddeutschen Handelsgesellschaften ist die Tatsache, daß sich in ihnen entweder schon von vornherein Mitglieder verschiedener Familien zusammenfanden oder daß sie allmählich Verschwägerte und tüchtige Handelsdiener als Gesellschafter aufnahmen. In bewußter Politik hat Jakob Fugger dieses System, das zu fortwährenden Streitigkeiten innerhalb der Leitung des Handelsverbandes führen mußte, abgelehnt. Fremdes Blut war aus der Leitung des Fuggerschen Unternehmens grundsätzlich und ein für allemal ausgeschlossen. Auch in dieser Beziehung stellt das organisatorische Meisterwerk, das Jakob in dem Fug- [411] gerschen Handelsverbande schuf, etwas ganz Eigenartiges dar. Kaufmännische Zeitgenossen haben es als nachahmenswert erkannt und nachzumachen versucht, aber in voller Reinheit und Größe ist das Beispiel nicht erreicht worden.

Größeres noch als in der schwierigen Frage der Handelsverbandspolitik hat Jakob in dem geschäftlichen Ausbau seines Unternehmens geleistet. Dabei ist, wenn auch die alten Zweige Fuggerscher Handelstätigkeit, der Barchenthandel, der Handel mit italienischen Seidenstoffen, mit indischen Gewürzen usw., beibehalten und vergrößert wurden, doch die Neigung Jakobs zur Spezialisierung nach der Seite des Metall- und Geldhandels hin unverkennbar. Im Erzhandel und Bergbau sowie im großen Finanzgeschäft mit den Habsburgern führt schließlich der königliche Kaufmann von Augsburg die Fuggersche Compagnie auf eine weltgeschichtliche Höhe.

Tirol und Ungarn, die beiden größten Silber- und Kupferproduktionsstätten der Erde, ehe sich noch vor der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Minen Amerikas für den Welthandel öffneten, zogen schon lange vor Ablauf des fünfzehnten Jahrhunderts in wachsendem Maße die Unternehmungslust Jakob Fuggers vorwiegend an. Mochten auch die tatkräftigen eingeborenen Tiroler Bergwerks- und Hüttenunternehmer die Schwaben mit scheelen Augen ansehen, die Habsburgischen Herren des Landes wollten die Kapitalkraft und die Welthandelskunde der Augsburger Kaufleute nicht entbehren, wenn es galt, der montanindustriellen Entwicklung des Landes ein Tempo zu geben, das ihrem Geldbedürfnis einigermaßen entsprach. Das Haus Habsburg und sein Wille, zur Weltmacht aufzusteigen, bestimmt um die Wende des fünfzehnten Jahrhunderts den Lauf dieser Dinge, nicht die Eifersucht der Tiroler Unternehmer. So vermochte Tirol mit seinen Bodenschätzen ein Eckstein in dem Aufbau des Augsburger Reichtums jener Epoche zu werden. Die starken Grundlagen auch des Fuggerschen Vermögens wurden in den Tiroler Bergen gewonnen. Nur Ungarn kann in dieser Beziehung mit Tirol verglichen werden. Dort hat sich Jakob mit der einheimischen Familie Thurzo in einer besonderen, von der Fuggerschen und der Thurzoschen völlig getrennten Handelsgesellschaft, die den Namen "Ungarische Handelsgesellschaft" bekam, zur Ausbeute der Karpathenbergwerke zusammengetan. Es war nicht Zufall, sondern wirtschaftsorganisatorische Kombinationsgabe und genaue Kenntnis der Produktions- und möglichen Absatzverhältnisse, die Jakob Fugger zur Zusammenarbeit mit den Thurzo veranlaßte. Wie hinderlich wäre zum Beispiel die Konkurrenz der Thurzo dem Tiroler Kupfer auf dem italienisch-levantinischen Markt geworden, wenn Jakob durch die Thurzo keinen Einfluß auf die wachsende ungarische Produktion erhalten hätte, die eine noch viel reichere Ausbeute versprach als die Tiroler. Ein anderes kam hinzu: Nie und nimmer hätte die nationale Eifersucht der Magyaren dem fremden Händler allein die Ausbeute der wichtigsten Schätze des Landes gegönnt und erlaubt. So teilte der klug rechnende Augsburger Kaufmann mit einer im Lande gesessenen Familie den Gewinn, der ihm allein versagt [412] geblieben wäre. Wie so oft später im neunzehnten Jahrhundert vereinigte sich in Johann Thurzo und in Jakob Fugger einheimisches Bürgertum mit dem auswärtigen Kapitalisten zum Ausbau der Volkswirtschaft eines materiell zurückgebliebenen Landes. Wie so oft später fand sich aber auch in dem Bergwerkssachverständigen Johann Thurzo und in Jakob Fugger die Kunst des Erfinders mit der Finanzkraft des großen Kaufmanns und Geldmannes zu wirtschaftlichen Großtaten zusammen.

Von der größten Bedeutung wurde die Tatsache, daß Jakob Fugger die ungarische und die Tiroler Produktion zeitweise völlig beherrschte, für die Kupferpreispolitik dieses Wirtschaftsführers. Viele Jahrzehnte hindurch sollte hier der Lebensnerv seiner Tätigkeit liegen. Selbstverständlich hat Jakob immer einen so hohen Kupferpreis zu erreichen gesucht, wie der Markt es gestattete. Der Gedanke, daß das ein Verstoß gegen die ethische Forderung des gerechten Preises sein könne, lag ihm fern. Auch zu Kartellverabredungen, die den Zweck hatten, den Kupferpreis in die Höhe zu treiben oder doch zum mindesten auf der Höhe zu halten, hat Jakob Fugger seine Machtstellung in Tirol und Ungarn unbedenklich mehrmals benutzt. Ganz wohl ist freilich dem großen Kaufmann bei dieser Monopolpreis- und Kartellpolitik auch in der Zeit ihres vollen Erfolges nie gewesen. Er wußte, daß er hier der öffentlichen Meinung die breiteste Angriffsfläche bot. Mehrmals ließ sich Jakob deshalb durch kaiserliche Urkunden verbriefen, daß seine Kupferpreispolitik nicht als monopolistisch im Sinne der reichsgesetzlichen Monopolverbote angesehen werden sollte. Des öfteren mußte Jakob Fugger erfahren, wie nötig diese Rückendeckung war. Im Jahre 1523 wollte der Reichsanwalt gegen die Augsburger Monopolisten vorgehen. Er lud eine ganze Reihe der dortigen Großhandelsherren, Jakob Fugger an der Spitze, wegen Monopolvergehens vor das Reichsgericht. Es mag kein Tag der Freude für die führende Augsburger Familie gewesen sein, als Ihrer Römischen Kaiserlichen Majestät Kammergerichtsbote in der berühmten goldenen Schreibstube erschien und dem Führer des Hauses die Ladung feierlich überreichte. Mit fieberhafter Eile suchte Jakob Schutz vor dem nahenden Unheil. Jetzt mußte der Kaiser, dem der große Kaufmann so oft in schwerer Not beigestanden hatte, dem Kaufmann beistehen. In der Tat richtete Karl V. sofort ein energisches Schreiben an den obersten Reichsanwalt und befahl ihm, das Verfahren einzustellen.

So konnte Jakob ungestört seine Preispolitik auf dem Weltkupfermarkt weiterverfolgen. Ohne Zweifel hat er als Großindustrieller in Tirol und in Ungarn den größten Teil des Fuggerschen Gesellschaftsvermögens geschaffen, das sich vom Jahre 1494 bis zum Tode Jakob Fuggers im Jahre 1525 von zirka fünfzigtausend Goldgulden auf mehr als zwei Millionen Goldgulden vermehrte. Eine gewaltige Summe, wenn man bedenkt, daß ein Goldgulden einen Goldgehalt von mehr als acht Vorkriegsgoldmark hatte. Dabei ist die viel höhere Kaufkraft des Geldes im sechzehnten Jahrhundert noch gar nicht gerechnet. Die zwei Millionen Goldgulden [413] dürften mindestens fünfzig Millionen Vorkriegsgoldmark entsprochen haben. Gestützt auf solche Geldkraft, konnte Jakob als Bankier der Kaiser, Könige und Päpste auf den Gipfelpunkt seiner äußeren Macht und seines europäischen Ansehens steigen. Es gibt vielleicht kein Kaufmannshaus, das mit der Macht seines Geldes so nachdrücklich wie das Fuggersche für seine fürstlichen Geschäftsfreunde eingetreten ist. Namentlich der deutschen und der spanischen Habsburger Politik fand bei den Fuggern die stärkste Stütze. Unter Jakob liefen die goldenen Fäden des Habsburgischen politischen Systems in der Fuggerschen Schreibstube zum Schaltbrett zusammen. Wo immer dieses Herrscherhaus in jener Zeit durch Unterhandlungen oder in Kriegszügen seiner werdenden Großmacht Raum zu verschaffen suchte, trat ihm die Fuggersche Geldkraft helfend zur Seite. Ob die Habsburger die Waffen der Diplomatie und des Krieges gegen Karl VIII. und Franz I. von Frankreich oder gegen Venedig oder gegen die Türken trugen, überall stützten sie sich auf den fast unerschöpflichen Kredit Jakob Fuggers des Reichen. Mit Hilfe der umfassenden Organisation des Fuggerschen Wechselverkehrs überwies der große Kaufmann den Söldnerführern und Diplomaten Maximilians I. englische Hilfsgelder von Antwerpen nach Süddeutschland oder Italien. Auf demselben Wege wurden die reichen geldlichen Mittel, über die Karl V. in Spanien verfügte, rasch und sicher auf dem Punkte der Erde eingesetzt, wo sie der Habsburgischen Politik dienlich waren. Wenn Maximilian I., der letzte Ritter, in einer nicht selten abenteuerlichen Politik die reichen Hilfsmittel seiner Länder vergeudete, wenn seine unbezahlten Söldnerscharen den Gehorsam verweigerten, wenn die Finanzagenten des Kaisers keine Tür mehr wußten, an der sie Geld heischend anklopfen konnten, wenn alles für das Haus Habsburg verloren schien, dann blieb immer als letzte Zuflucht der große Fugger in Augsburg. Er gab nicht gern und namentlich niemals ohne Deckung. Ungemein schwierig war die Unterhandlung mit dem zähen und kühlen Rechner, aber wenn er schließlich zu helfen versprach, dann konnte man sich auf die pünktliche Durchführung seiner Finanzoperationen verlassen. Den Glauben an seine Zuverlässigkeit in geschäftlichen Dingen hat Jakob stets wie seinen Augapfel gehütet. In einem Briefe, den Ruy Fernandez, der Vorsteher der Königlich Portugiesischen Faktorei in Antwerpen, im Dezember 1519 aus Augsburg an König Manuel I. schrieb, ist die unbedingte geschäftliche Zuverlässigkeit Jakobs mit den folgenden Worten charakterisiert: Auf die mit dem Fugger eingegangenen Verträge könnte man wie auf Felsen bauen. Denn er sei ein Mann, der von dem, was er einmal versprochen habe, noch niemals zurückgetreten sei und niemals zurücktreten würde, selbst wenn er durch die Aufrechterhaltung seines Wortes zehn- oder zwanzigtausend Golddukaten in einer Stunde verlieren würde.

Durch seine häufigen Unterhandlungen mit den Finanzagenten der Krone, mit den kaiserlichen Räten und durch häufige Besuche der Habsburger und anderer hoher Persönlichkeiten in Augsburg wurde Jakob in die geheimsten Fragen der [414] Politik eingeweiht. Das ganz Europa umspannende System seiner Faktoreien, der ausgezeichnete Nachrichtendienst, den er einrichtete, die Größe seiner Geschenke, die manchen verschwiegenen Mund öffnete, gewährten Jakob Fugger jene sichere Kenntnis der treibenden Faktoren in der europäischen Politik seiner Zeit, die ihn Maßnahmen von erstaunlicher Voraussicht künftiger Machtverteilung treffen ließ. Es war keine nichtssagende Schmeichelei, sondern entsprach den Tatsachen, wenn der Rat von Nürnberg im Jahre 1519 an den großen Augsburger schrieb: er zweifle nicht daran, daß Jakob Fugger über jene ganz seltene Kenntnis der politischen Weltlage verfüge, die es ihm ermögliche, die Aussichten Karls I. von Spanien bei der deutschen Königswahl mit Sicherheit abzuschätzen.

Ohne Zweifel hat Jakob Fugger seine Kenntnisse der europäischen Lage ebenso für seine geschäftlichen Zwecke ausgenützt wie nur irgendein am Hof oder in den Ministerien gutangeschriebener Bankier des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts. Im Schatten der Habsburger zog er in das Gebiet ein, das er mit seiner Geldkraft den Habsburgern erobern half. Zusammen mit den Habsburgischen Interessen weiß er seine eigenen in den neugewonnenen Staaten zur Geltung zu bringen. So war es in den Niederlanden, so in Ungarn und Tirol. Nirgends besser als in Ungarn kann man es beobachten, wie sich der große Kaufmann den Imperialismus der Habsburger für sein starkes geschäftliches Ausdehnungsbedürfnis, für seinen eigenen Willen zur Macht dienstbar zu machen wußte. Alle Kräfte, die ihm zu Gebote standen, stellte der Fugger Kaiser Maximilian I. für den Erwerb von Ungarn zur Verfügung. Darum war es nicht allein ein glänzender Erfolg der Habsburger, sondern auch der Fuggerschen Politik, wenn der Kaiser auf dem Wiener Kongreß an das Ziel seiner ungarischen Wünsche gelangte. Glänzend wie ein Hauptbeteiligter tritt der große Kaufmann bei Gelegenheit dieser Zusammenkunft der Könige des europäischen Ostens auf. Nach allen Seiten hin verteilt er an die hochadligen Förderer seines Handels kostbare Geschenke. Kein Wunder, wenn in dem Handelsunkostenbuch der Firma der Wiener Kongreß mit mehr als zehntausend Goldgulden Spesen erschien. Aber Jakob Fugger wußte, was er tat. Neue mächtige Freunde waren zu den alten hinzugewonnen. Höher noch als bisher stieg der Ruf und der Kredit seines Hauses.

[408b-c]
Brief Jakob Fuggers
an den Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg

12. Februar 1519

  [Abschrift bzw. hochdeutsche Übersetzung folgt dem Faksimile.]

Brief Jakob Fuggers an den Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg

Brief Jakob Fuggers an den Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg
[408c]    Brief Jakob Fuggers an den Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg.
12. Februar 1519.
      (Berlin, Preuß. Staatsarchiv)       [Vergrößern]

Der hier im Faksimile wiedergegebene Brief ist ganz eigenhändig von dem großen Kaufmann geschrieben. Er beschäftigt sich in der Hauptsache mit der Kaiserwahl Karls V. und den damit zusammenhängenden Finanzgeschäften der Fugger, der Welser und einiger italienischer Bankiers. Eine Schriftübertragung des vielfach schwer lesbaren Originals hat A. Korzendorfer im Archiv für Postgeschichte in Bayern (1930) versucht. Wir drucken die dort ebenfalls gegebene hochdeutsche Übersetzung ab.

[80a] Abschrift bzw. Übersetzung:

Dem durchleuchtigisten und hochgebornen Fürsten und Herrn,
Herrn Joachim Marggraven zu Brandenburg, des hailigen
Römischen Reichs Ertz-Camerer und Churfürst etc
meinem genedigisten Herrn zu aigen Hannden

Mein hochgeborner Fürst und Herr

      Mein untertäniger williger Dienst ist für Euer kurfürstlichen Gnaden stets bereit. Gnädigster Herr, auf Euer Anfragschreiben, datiert Hall, am Tag Mariä Reinigung [2. Februar], ob die ganze Wechselsumme in der Angelegenheit König Karls bei mir und den Welsern eingetroffen ist, gebe ich Euer Gnaden folgenden Bericht:
      Zuerst, in welcher Höhe ich mich gegen E. f. G. verpflichtet habe, das hat seinen Bestand, da kann nichts fehlen. Außerdem sind mir heute durch die Räte und Kämmerer Seiner Majestät des Königs von Spanien fünf Wechsel – zwei auf mich und die auf Welser lautend über 110 000 und 33 000 rheinische Gulden – überantwortet worden, weiter drei andere Wechsel auf eine Anzahl welscher Kaufleute über 55 000 rheinische Gulden; die ganze Summe macht also 275 000 rheinische Goldgulden aus. Noch habe ich bei 153 000 Gulden und außerdem standen noch im Feuer über 126 000 Gulden, so daß es sich alles in allem um 454 000 rheinische Gulden handelt, wovon ich Euer Gnaden 100 000 Gulden zu bezahlen schuldig bin und außerdem das übrige, wie Euer kurfürstlichen Gnaden wohl wissen.
      Gnädigster Herr, ich habe vor einigen Tagen E. f. G. geschrieben und zwei gesiegelte Briefe mitgeschickt, die mir durch den Rat und Kämmerer der spanischen Majestät, Herrn Paul Armstorf, überbracht wurden. Der eine Brief betrifft die Heirat der Schwester König Karls mit dem Sohne Euer Gnaden, der andere Brief ist eine Bestätigung aller Handlungen, die der verstorbene Kaiser [Maximilian I.] und sein Schatzmeister vorgenommen haben. Die zwei Kopien habe ich mit meiner eigenen Hand geschrieben, damit Euer kurfürstliche Gnaden denselben desto mehr Glauben schenken mögen; mein gnädiger Herr Markgraf Casimir und Graf Mansfeld werden meinen Brief und die Kopien meiner Briefe Euer kurfürstlichen Gnaden selbst bringen. Ich meine, daß in allen diesen Angelegenheiten nichts unterlassen wurde. Diese meine untertänige Meinung habe ich in meinem Schreiben anzeigen wollen. Wenn ich E. kurf. Gnaden weiteren Dienst erweisen könnte, werde ich hierzu allzeit willig sein.
            Datum Augsburg 12. Februar 1519
Euer kurfürstlichen Gnaden untertäniger
Jakob Fugger m. p.

Beiblatt (jetzt auf die Anschriftseite geklebt)
Die Summe wie ich sie im Brief angegeben habe, ist um 33 000 Gulden höher; die ganze Summe macht also 487 000 rheinische Gulden aus.
 
Am stärksten offenbarte sich die Machtfülle Jakob Fuggers in dem Beistand, den er dem Hause Habsburg leistete, als es galt, dem Enkel Maximilians, König Karl I. von Spanien, dem späteren Kaiser Karl V., die deutsche Königs- und Kaiserkrone zu verschaffen. In dieser wichtigsten Angelegenheit der europäischen hohen Politik jener Zeit, in der Frage, ob die französischen Valois oder die Habsburger die deutsche Kaiserkrone tragen sollten, haben Geld und Kredit der Fugger vielleicht nicht unbedingt den Ausschlag gegeben, aber jedenfalls sehr stark dazu beigetragen, daß sich die Waage des Schicksals auf die Seite der Habsburger neigte. In den finanzpolitischen Geschäften, die mit der Wahl Karls V. zusammenhingen, ist Jakob Fugger zu jener europäischen Größe herangereift, die ihn zum erklärten [415] Führer seiner Standesgenossen machte. Seit er sich in klarer Erkenntnis der politischen Lage, mit vollem Bewußtsein der daraus folgenden geschäftlichen Folgen zum ersten Bankier auch Karls V. gemacht hatte, war seine Führerstellung in der europäischen Wirtschaftswelt nicht mehr zweifelhaft. Vergeblich hatte Bartholome Welser, der tüchtigste Kopf dieser nach den Fuggern bedeutendsten deutschen Kaufmannsfamilie, seine ausgezeichneten spanischen Verbindungen benutzen wollen, um während der Kaiserwahl mit den Habsburgern auf einen Schlag in größtem Maßstab in Geschäftsverbindung zu kommen. Vergebens hatten auch die großen genuesischen Bankiers dasselbe versucht. Jakob Fugger war allen derartigen Absichten der Konkurrenz zuvorgekommen. Unter den staunenden Augen der Bankwelt Europas hatte er sich fester als je bei den Habsburgern in den Sattel gesetzt. Außerordentlich war sein Ansehen unter der internationalen Kaufmannschaft seitdem noch immer gewachsen. Es war nicht übertrieben, wenn ein gleichzeitiger Augsburger Geschichtsschreiber stolz auf den großen Landsmann damals in die Worte ausbrach: "Jakob Fuggers Name ist in allen Königreichen und Landen, auch in der Heidenschaft bekannt gewesen. Kaiser, Könige und Fürsten haben zu ihm ihre Botschaft geschickt. Der Papst hat ihn als seinen lieben Sohn begrüßt und umfangen. Die Kardinale sind vor ihm aufgestanden. Alle Kaufleute der Welt haben ihn einen erlauchten Mann genannt und die Heiden sich ob ihm verwundert. Er ist eine Zierde des ganzen deutschen Landes gewesen." Tatsächlich stand in dem letzten Jahrfünft seines Lebens der geschäftliche Ruf Jakob Fuggers einzig da. Sein Kredit kannte kaum noch Grenzen. Schon zu seinen Lebzeiten beginnt die Legende seine Person und seinen Reichtum mit ihrem Gerank zu umgeben. Bei Luther treffen wir auf die ersten Spuren. Auch bei dem Reformator, der aus sozialen und religiösen Gründen dem großen Unternehmer feindlich gegenüberstand, bricht doch gelegentlich eine stolze Freude darüber durch, daß dieser mächtigste Kaufmann ein Deutscher war. In einem seiner Tischgespräche legt er dem Papst an die Kardinäle von Frankreich und England die Worte in den Mund: Ob ihre Könige auch vermöchten, drei Tonnen Goldes in einer Stunde zu erlegen. Sie sagten: "Nein." Da sprach der Papst: "Das vermag ein Bürger von Augsburg zu tun!"

In jahrzehntelangen regsten geschäftlichen Beziehungen hatte das Papsttum nach dieser Richtung die Geldmacht des Augsburger Welthauses kennengelernt. Als Pächter der römischen Münze, als Lieferanten von Metallen in die päpstlichen Arsenale, als Überweiser päpstlicher Einnahmen aus Nord- und Osteuropa, als Darlehnsgeber auf diese kirchlichen Einnahmen hin waren die Fugger tätig gewesen. Die Mißbräuche der Kurialen, der geistlichen Höflinge eines verweltlichten Papsttums, wie sie in Simonie und Ablaßhandel sich zeigten, fallen dabei wie dunkle Schatten auch auf Jakob Fuggers Bild. Schon zu Lebzeiten hat er auch aus anderen Gründen starke Angriffe erfahren. Da war die Konkurrenz, die ihm Rücksichtslosigkeit in seiner Geschäftsgebarung vorwarf. Da war der Adel, der [416] – vom Bürgertum vielfach an kultureller Bedeutung überholt – die Fugger als die Führer der Pfeffersäcke betrachtete und haßte. Da waren historische Mächte des alten Handels, mit denen eine so moderne Unternehmerfigur wie die Jakob Fuggers zusammenstieß. Die Hansa sah den Süddeutschen ungern in ihren Geltungsbereich in Ost- und Nordsee eindringen. Die kleine und mittlere Kaufmannschaft und viele Konsumentenkreise erblickten in Jakob Fugger den Führer der großen Handelsgesellschaften, die durch Monopole und Kartelle, durch Preistreiberei und unablässige Ausdehnung ihrer Zweigstellen den kleinen Mann schädigten. Manches war in diesen Anklagen berechtigt, vieles aber übertrieben. Ein beträchtlicher Teil der Abneigung weiter Kreise der damaligen Gesellschaft gegen Jakob Fugger beruhte zweifellos auf Mißgunst und Neid. Vielen war es unerträglich, daß sich in einer bisher unerhörten Weise in der Verfügungsgewalt eines Mannes so gewaltige Kapitalien ansammeln konnten. Ihnen gegenüber hatte Jakob Fugger sicher recht, wenn er einmal an seinen Freund, den Herzog Georg von Sachsen, schrieb: "Viele, wie der Welt Lauf, sind mir feind! Sagen, ich sei reich. Und bin reich von Gottes Gnaden, jedermann ohne Schaden." Aber auch diejenigen, die in volkswirtschaftlicher Verständnislosigkeit Jakob Fugger für die Preissteigerung seiner Zeit verantwortlich machten, sahen nicht die eigentlich treibenden Ursachen. Sie verkannten, daß hinter Jakob Fuggers Monopol- und Kartellbestrebungen anstachelnd – als "Promotor", wie man in der Sprache der modernen Wirtschaftspolitik sagt – die Finanznot des Staates stand. Jene Finanznot, die die Fürsten zwang, aus ihren Regalen in Erzen, in Gewürzen usw. durch monopolistische Übertragung an Kaufleute soviel wie möglich – ohne Konsumentenrücksicht – herauszuholen.

Die Fuggerei in Augsburg.
[407]      Die Fuggerei in Augsburg, eine Wohnsiedlung
für arme Bürger, 1519 von Jakob Fugger angelegt.

[Bildquelle: Margarete Schmedes, Berlin.]
Daß Jakob Fugger kein bedingungsloser Monopolist, kein hartherziger Manchestermann war, zeigt sein ausgesprochener Wohltätigkeitssinn, zeigen seine zahlreichen Stiftungen für Arme, Schwache und Kranke, zeigt besonders aber die Errichtung der Fuggerei, jener ältesten, großartigen Heim-Siedlung, durch die bis auf den heutigen Tag mehr als 100 arme Familien "ohne merkliche Beschwerd durch einen Hauszins ergötzt werden und ihre Behausung bequemlich gehaben und bewohnen mögen" (Aus der Stiftungsurkunde der Fuggerei 1516). In dieser Schöpfung wie auch in seinen anderen charitativen Werken hebt sich Jakob Fugger über die Sorge um das eigene Unternehmen und um die Zukunft seiner Familie hinaus in die Gedankenwelt der deutschen Volksgemeinschaft.

Jakob Fugger.
Jakob Fugger.
Porträt von Albrecht Dürer, ca. 1519.
[Nach wikipedia.org.]
Fragt man nach dem Geheimnis der unerhörten geschäftlichen Erfolge Jakob Fuggers, so steht das eine fest: Nicht riesige Spekulationserfolge oder glückliche Konjunkturgewinne sind die Marksteine auf seinem Weg zum reichsten Kaufmann seiner Zeit. Arbeit des Alltags war es, die im letzten Grunde den ungewöhnlichen Aufstieg dieses Mannes heraufgeführt hat. Ein ungewöhnlicher Fleiß kennzeichnet ihn von Jugend auf. Wochenlang, monatelang war er auf Reisen, um die Messen zu besuchen, um die Abschlüsse der Zweigniederlassungen zu prüfen, um die [417] schwierigen Unterhandlungen mit den Räten und Finanzbeamten der Habsburger zu führen. Keine Ermüdung, keine Arbeitsunlust scheint auch den Alternden ergriffen zu haben. Bis in die letzten Lebenstage hinein leitete er das Unternehmen der Fugger.

Zu dem Fleiß gesellte sich bei Jakob Fugger eine große wirtschaftliche Begabung, die in seinem erstaunlich sicheren Blick für kaufmännisch ausnutzbare Möglichkeiten gipfelte. Wie klar hat er die überragende Bedeutung des Bergbaus und des Erzhandels für die süddeutsche Wirtschaft seiner Zeit erkannt. Vor keiner finanziellen, politischen, technischen Schwierigkeit scheute er zurück, um sich dort breitzumachen. Welche Schwierigkeiten waren in Tirol, in Kärnten, in Spanien, besonders aber in Ungarn zu überwinden, bevor die Erze in die Kanäle des Welthandels geleitet waren. Da mußten Hüttenwerke errichtet, Straßen gebaut, Flüsse reguliert, streikende Bergarbeiter beruhigt werden, ehe der Abtransport der geförderten Erze reibungslos vor sich gehen konnte.

Wenn Jakob Fugger auf diese Weise mit Hilfe seines Organisationstalents dem Warenverkehr neue Wege bahnte, so war es gerade auch die organisatorische Begabung dieses Mannes, die ihn die Nachrichtenverkehrsmittel in den Dienst seines Geschäfts stellen ließ. Ein glänzend ausgebauter Fuggerscher Kurierdienst, dessen sich Kaiser und Könige nicht selten bedienten, eine ungewöhnlich starke Benutzung der damals zunehmenden geschriebenen Zeitungen und anderes setzten den Augsburger Handelsfürsten in den Stand, wirtschaftlich ausnutzbare Nachrichten zu erfahren und auszubeuten, ehe ein anderer daran denken konnte, das zu tun. Die vornehmen Verbindungen, die Jakob Fugger mit Hilfe eines ganz Europa umspannenden Netzes von fürstlichen Geschäftsbeziehungen unterhielt, gaben ihm neben einer wirtschaftlichen Macht jene mächtige gesellschaftliche Stellung, die vom Kaiser durch die Erhebung in den Grafenstand anerkannt wurde. Die Grundlage dieser Standeserhöhung bot der gewaltige Grundbesitz, den Jakob Fugger sich in Schwaben und sonst durch Kauf und durch pfandweise Abtretung kaiserlicher Herrschaftsgebiete erworben hatte. Diese Bodenwerte, fideikommissarisch festgelegt, wie sie durch Jakob Fugger waren, sicherten die Zukunft des Hauses in späterer Zeit, als fürstliche Schuldscheine in den Staatsbankrotten des sechzehnten und beginnenden siebzehnten Jahrhunderts wertlos wurden.

Die Zeit Jakob Fuggers ist die glücklichste und im ganzen gesehen die blühendste in der Geschichte des bedeutendsten deutschen Handelshauses. Hatte dieser große Kaufmann bereits seine Jugend in dem schönen, wenn auch noch nicht prunkvollen Rahmen eines festgefügten Bürgerhauses von überlokaler Bedeutung verlebt, so umstrahlte sein Alter der ganz helle Glanz des Fuggerschen Glückes. Der internationale Ruf eines unermeßlichen Reichtums ging ihm zur Seite. Nur äußerlich erreichte das Haus unter Anton, dem Neffen und Nachfolger Jakobs, seine höchste Blüte. An Kapitalkraft und Ausdehnung der Geschäfte nahm es noch immer bedeutend zu. 1546, am Höhepunkte der Kurve des Geschäftsvermögens, betrug [418] das Gesellschaftskapital fast fünf Millionen Goldgulden. Auch an politischer Macht und an Ansehen stand Anton dem großen Oheim nicht nach. Der deutschen und der spanischen Habsburger und anderer Fürsten Politik findet auch bei ihm noch die wichtigste Stütze. Die Entscheidung über den Schmalkaldischen Krieg und damit über das Schicksal der Reformation wie über manch anderen Kampf der hohen Politik Europas fällt zum nicht geringen Teil in der Anton Fuggerschen Schreibstube. Selbst die italienische Konkurrenz nannte den Augsburger Unternehmer den Fürsten der Kaufmannschaft.

Aber freilich – die innere Festigkeit und Stärke, die der Fuggerschen Gesellschaft unter Jakob dem Reichen eigen gewesen war, ging um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts verloren. Die Aufgabe, vor die das Schicksal Anton Fugger stellte, war zu gewaltig für ihn. Eine ganz überragende Unternehmerpersönlichkeit wie sein Oheim ist Anton Fugger nicht gewesen. Im fehlte die leidenschaftliche Begeisterung Jakobs für den Kaufmannsberuf und jene Gesinnung, der die Größe der Familie und ihrer Firma über alles ging. So vermochte Anton auf die Dauer nicht das von den Vorfahren Errungene groß zu erhalten und zu sichern. Namentlich in dem Finanzgeschäft mit dem großen europäischen Fürstentum seiner Zeit gelang es ihm nicht, eine Zurückhaltung durchzuführen, die notwendig gewesen wäre, um das Fuggersche Schiff später heil durch die Klippen der europäischen Krisen zu steuern. So spiegelt das Leben Anton Fuggers die Tragik eines nicht genial kaufmännisch begabten und nicht stark kaufmännisch interessierten Verwalters eines großen, im wesentlichen aus der Arbeit der vorigen Generation heraus weitergewachsenen Vermögens. Mit der Zeit vermochte Anton Fugger die Hochflut der Habsburgischen Darlehensforderungen nicht mehr genügend einzudämmen oder durch Vergrößerung und erhöhte Rentabilität des Warengeschäftes unschädlich zu machen. Am liebsten hätte er schon Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Gesellschaft, um deren Schicksal ihn je länger je mehr bangte, aufgelöst. Seine Verstrickung in das staatliche Finanzgeschäft machte das unmöglich. In der Hoffnung, die alten Darlehen zurückzuerhalten, mußte man neue Millionen in das bodenlose Faß der Habsburgischen Staatsfinanzen werfen. So verloren die Fugger nach Antons Tod (1560), als sein Sohn Marcus und andere Mitglieder der Familie die Führung innehatten, in den großen Staatsbankrotten – besonders den spanischen und niederländischen – des endenden sechzehnten und beginnenden siebzehnten Jahrhunderts ihre kaufmännische Bedeutung und den größten Teil ihres Reichtums. Nur der Teil wurde gerettet, den eine kluge Hauspolitik unter dem Vorantritt von Jakob Fugger dem Reichen in Grundbesitz festgelegt und damit dem Zugriff fürstlicher Finanzagenten entzogen hatte.




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