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Deutschland und der Korridor

 
Die reichsdeutschen Randgebiete
Heinz Rogmann

Die Folgen der Schaffung des Korridors zogen nicht nur die diesem Raum unmittelbar benachbarten sondern sämtliche reichsdeutsche Randgebiete des Ostens von Ostpreußen und Pommern bis Schlesien in Mitleidenschaft. Durch nichts wird die räumlich weit ausgreifende Bedeutung des Korridorproblems stärker beleuchtet als durch den Güterverkehr in der Nord-Süd-Nord-Achse, der seinen Umfang wesentlich auf die ostoberschlesische Massenerzeugnisse gründet, die Polen mit allen Mitteln auf den Weltmarkt wirft. Gehören die Provinzen Ostpreußen und Pommern sowie teils noch die Provinz Mark Brandenburg zu den unmittelbaren Anliegern des Korridors, so rückt der ostoberschlesische Güterverkehr zur und von der See zusammen mit Posen, das als Mittelstück die beiden Schwerpunkte
Schlesien unter den Diktatbestimmungen Schlesien unter den Diktatbestimmungen
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der Nord-Süd-Nord-Achse miteinander verbindet, auch Schlesien in den Problemkreis des Korridors. In der Tat ordnen die Folgen der Schaffung des Korridors sich in den größeren Folgenzusammenhang der Zerreißung des ostdeutschen Raumes schlechthin ein. Das innere Gewicht der Folgen der Versailler Grenzziehung belastete und belastet schicksalhaft das ganze Deutsche Reich, noch schwerer daran tragen die östlichen Provinzen, innerhalb dieser aber am meisten die Randgebiete der Grenze.

Schon die Technik der Grenzziehung ist bezeichnend für Geist und Gesinnung der neuen "Ordnung", die Versailles im Osten aufrichtete. Zu den bekanntesten Beispielen gehört [204] der ostpreußische Zugang zur Weichsel. Er besteht in einem einzigen vier Meter breiten Fahrweg bei Kurzebrack, der überdies von Polen kontrolliert wird und dessen Benutzung durch Ostpreußen Polen oft die größten Schwierigkeiten entgegengestellt hat. Üblicherweise zog man im Laufe langer Jahrhunderte dort, wo sich ein Fluß anbot, durch dessen Mitte die Grenze und gab beiden Anliegern vollen Anteil an der Nutzung des Flusses. Auch Artikel 30 des Versailler Diktats bestimmte grundsätzlich: "Wenn die Grenzen durch einen Wasserweg bezeichnet sind, so bedeuten die in den Beschreibungen des gegenwärtigen Vertrages gebrauchten Ausdrücke 'Lauf' oder 'Fahrrinne' bei nicht schiffbaren Flüssen die Mittellinie des Wasserlaufes oder seines Hauptarmes und bei schiffbaren Flüssen die Mittellinie der Hauptschiffahrtslinie." Im Korridorgebiet verlegte man die Grenze jedoch auf das ostwärtige Ufer, gliederte zu diesem Zweck sogar mehrere rechts der Weichsel gelegene deutsche
Die Weichselgrenze bei Marienwerder Die Weichselgrenze bei Marienwerder
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Dörfer in den polnischen Staat ein: die Weichsel sollte in ihrem ganzen Verlauf ein polnischer Strom werden. Was kümmerte es die damaligen Machthaber und Polen, daß sie damit die Weichsel, diesen einst so mächtigen und von Schiffen befahrenen Strom, der Versandung und Verkehrsverödung auslieferten! Was kümmerten sie die Überflutungen, denen das rechtsufrige reichsdeutsche Land ausgesetzt wurde, ohne daß dessen Bewohner oder Behörden in der Lage waren, an den Strom heranzukommen und Bett und Ufer in Ordnung zu bringen! Nicht weniger als achtmal zerschneidet die Versailler Grenze die Dämme. In Artikel [97] des Versailler Diktats aber hatte man Ostpreußen den freien Zugang zur Weichsel mit feierlichen Worten garantiert: "Die alliierten und assoziierten Hauptmächte erlassen gleichzeitig Vorschriften, die der ostpreußischen Bevölkerung den Zugang zur Weichsel und die Benutzung des Stromes für sie selbst, für ihre Güter und für ihre Schiffe unter angemessenen Bedingungen und unter vollster Rücksichtnahme auf ihre Interessen sichert." Die Grenzziehung ostwärts der Weichsel gegen Ostpreußen verstößt mithin gegen zwei klare Bestimmungen des Versailler Vertragswerkes selbst und hat nicht Ordnung sondern Unordnung bewirkt. Nur ein Beispiel für die Wirkung jener Grenzziehung sei angeführt. Der Hafen von Kurzebrack hatte früher einen lebhaften Verkehr. Der Umschlag im Jahre 1913 betrug 11.875 Tonnen ankommende und 1.908 Tonnen ausgehende Güter. In den Jahren 1920 bis 1923 fand ein geringer Verkehr noch statt, insbesondere durch Einfuhr von Rohweiden. Dieser wurde von Polen unterbunden, seit 1924 hat ein Verkehr nicht mehr stattgefunden. Ein weiteres Beispiel des unsinnigen Verlaufs der Versailler Ostgrenze bietet die Stadt Bischofswerder in Westpreußen. Man bestimmte als Reichsgrenze die Gemeindegrenze zwischen der Stadt und der mit ihr völlig verwachsenen Gemeinde Fittowo. So berührt die heutige Korridorgrenze unmittelbar die Häuser der Stadt und nimmt auf deren räumliche Entwicklungsbedürfnisse keine Rücksicht. Selbst der Friedhof wurde Polen zugesprochen, außerdem die Stadt von ihrem Bahnhof getrennt. Im Jahre 1913 gehörten 56 Ortschaften zum Kundenkreis der Geschäfte und Handwerker der Stadt, heute nur noch vier! Die Stadt Bischofswerder hat durch die Grenzziehung 90,7 v.H. ihres Einzugsbereiches verloren. Von einst 2.314 Menschen sank infolgedessen die Einwohnerzahl schon bis 1929 auf 2.007, die Zahl der Geschäfte von 24 auf 15, die der Handwerksbetriebe von 44 auf 17. Der Grundstückswert verminderte sich entsprechend. Ein Geschäftshaus, das vor dem Kriege mit 35.000 Mark gekauft worden war, wurde im Jahre 1928 mit 8.000 Reichsmark angeboten, ein anderes Geschäftshaus im Vorkriegswerte von 90.000 Mark wurde 1928 für 33.000 Reichsmark verkauft. Um die Stadt wieder an das Eisenbahnnetz anzuschließen, mußte eine 14,4 Kilometer lange Strecke mit einem Kostenaufwand von 1,35 Millionen Reichsmark gebaut werden. Für den Bau der Zufuhrstraße zum Bahnhof und für den Grunderwerb zum Bahnhofsbau wurde die Stadt allein [205] mit 41.000 Reichsmark belastet. Die Verhältnisse von Bischofswerder betreffen keinen Sonderfall sondern finden sich überall längs der neuen Ostgrenze. Lauenberg in Ostpommern, Tirschtiegel und Bentschen in der Provinz Mark Brandenburg, Neumittelwalde in Mittelschlesien, Beuthen und Ratibor in Oberschlesien seien hier nur als Beispiele genannt. Durch die Schaffung des Korridors wurde wie überall auch in Ostpommern das gesamte Eisenbahn- und [206] Straßennetz zerschnitten. Anstelle der kurzen Verbindung nach dem Osten, wohin der Kreis Lauenburg tendiert, sind die weiten Entfernungen nach den nächsten Großmärkten Stettin und Berlin getreten. Anstelle von früher 80 Kilometern bis Danzig müssen heute bis Stettin 290 Kilometer zurückgelegt werden. Auf der durch die Grenze zerschnittenen Eisenbahnstrecke Lauenburg-Karthaus verkehrten 1913 acht gemischte Züge mit 180 Achsen, heute findet kein Verkehr über die Grenze mehr statt. Auf der Hauptstrecke Berlin-Stettin-Danzig betrug die Verkehrsminderung schon 1928 60 v.H. der Züge und fast 33 v.H. der Achsen von 1913. Der Güterverkehr allein auf den Bahnhöfen Lauenburg, Goddentow und Groß-Boschpol im Versand war schon 1927 gegenüber 1913 um 47,9 v.H. zurückgegangen. Der Ausbau des an vier Kunststraßen und 41 Wegen zerrissenen Straßennetzes erforderte bereits bis zum Jahre 1929 einen Geldaufwand von fast 500.000 Reichsmark, die weiteren Kosten wurden auf über 800.000 Reichsmark veranschlagt. Unmittelbar und mittelbar infolge der Grenzziehung wurden Schulneubauten in einer Gesamtkostenhöhe von fast 740.000 Reichsmark erforderlich. - In Tirschtiegel in der früheren Grenzmark Posen-Westpreußen wird jedem offenbar, daß die Grenze mit dem Degen gezogen wurde. Während die Stadt auf deutscher Seite verblieb, wurden Bahnhof und Bahnlinie Polen zugeteilt. An einer Stelle läuft die Grenze mitten durch ein Gehöft. Der Friedhof der katholischen Gemeinde liegt auf polnischem Gebiet. - Bei Bentschen erforderte die Übereignung dieser Stadt sowie des Bahnhofs an Polen die Schaffung des Grenzbahnhofs Neu-Bentschen. Eine neue Ortschaft mußte geschaffen werden. Die Kosten gingen in die Millionen! - In Mittelschlesien sind Neumittelwalde und Glausche Musterbeispiele einer völlig unsinnigen Grenzziehung. Früher umfaßte der Wirtschaftsbereich von Neumittelwalde 63 Ortschaften mit 16.873 Einwohnern. Durch die Grenzziehung verlor die Stadt 51 Orte mit 15.245 Einwohnern, und nur zwölf Ortschaften mit 1.598 Einwohnern verblieben ihr; die Folgen dieses Verlustes von 90 v.H. des Wirtschaftsbereiches waren katastrophal. Im Jahre 1929 hatten Handwerker und Handelsbetriebe nur noch ein Fünftel bis ein Zehntel ihres Vorkriegsumsatzes. - Bei Glausche wurde die Grenze durch einen Hauptmann der Grenzkommission mit einem linearen Bleistiftstrich auf der Karte festgelegt. Mitten durch die Felder der Glauscher Bauern, deren Gehöfte beim
Widersinn der Willkürgrenze
Widersinn der Willkürgrenze: Ostpreußen ist der Zugang zur Weichsel gesperrt. Nur an bestimmten Tageszeiten ist es den Bauern und Fischern möglich, mit einem besonderen Ausweis zu ihren Äckern und zum Strom zu gelangen.
Deutschen Reich verblieben, zieht sich die seltsame Grenze dahin. Ein Drittel des Ackerlandes liegt nun in Polen. Beleihungen dieser Ackerstücke sind nicht möglich, zum Betreten bedürfen die Bauern, ihr Personal, ihr Vieh, ja sogar die Geräte besonderer Ausweise. An Sonn- und Feiertagen ist den Bauern das Betreten ihres Eigentums auf polnischer Seite überhaupt untersagt. Saatkartoffeln dürfen von reichsdeutscher nicht auf die polnische Seite gebracht sondern müssen in Polen eingekauft werden. Monatliche Untersuchungen des Viehbestandes durch einen polnischen Tierarzt sind Voraussetzung für die Verwendung des Viehs auf polnischer Seite zu Zug- oder Weidezwecken. Auf diese Weise sind den Bauern durch die Versailler Grenzziehung nicht nur große Erschwerungen in der Bewirtschaftung sondern auch hohe Kosten erwachsen. - Als ein Beispiel der unsinnigen Grenzziehung in Oberschlesien sei aus einer Vielzahl von Fällen zunächst das von Rudahammer herausgegriffen. An der einzigen großen bergsicheren Straße zwischen Hindenburg und Beuthen, auf der sich einst ein riesenhafter Personen- und Lastenverkehr abspielte, lag das Knappschaftslazarett Rudahammer. Dieses Lazarett wurde mit 14 anderen Polen zugesprochen. Die Zahlen der Belegschaften rechtfertigten weder diese noch andere Zuteilungen. Tatsächlich wurden auch diese Lazarette, während in Westoberschlesien bitterste Not herrschte und Lazarette neu gebaut werden mußten, in Ostoberschlesien nie voll belegt. Um das Lazarett zu Polen zu schlagen, wurde die deutsch-polnische Grenze in einem nördlich geschwungenen Bogen um das Lazarett [207=Karte] [208] herumgelegt. Dadurch wurden etwa eineinhalb Kilometer aus der wichtigen bergsicheren Straße herausgeschnitten. Die ungehinderte Benutzung dieser Straße durch deutsche Fahrzeuge wurde polnischerseits unmöglich gemacht. Infolgedessen mußte das Reich eine Umgehungsstraße mitten durch Bruchland bauen und auch die Straßenbahn dorthin verlegen. Waren schon die Baukosten ungeheuer groß, so verschlingen die hohen Kosten für die dauernde Unterhaltung der Straße weitere Mittel, die bei der durch die Grenzziehung hervorgerufenen angespannten Finanzlage der Kommunen und Kreise eine ungeheuere Belastung bedeuten. Gleichwie zum Hohn aber ließ Polen das Knappschaftslazarett verfallen, so daß es vor wenigen Jahren abgebrochen werden mußte. - Wir wollen noch das Beispiel der Delbrückschächte bei Hindenburg in Oberschlesien betrachten. Um die Schächte ist lange gekämpft worden. Sie wurden schließlich beim Deutschen Reich belassen. Jedoch blieben nur der Grubenhof und der nördlich gelegene Teil des Grubenfeldes beim Reich, den größten Teil des Grubenfeldes mit seinen kaum angegriffenen Kohlenfeldern aber erhielt Polen. Seitdem sind die Delbrückschächte gezwungen, für den Abbau wenigstens eines Teils des Polen zugefallenen Grubenfeldes alljährlich hohe Summen zu zahlen. Darüber hinaus schnitt die neue Grenze den Teil des Grubenhofes, auf dem sich die Anschluß- und Abstellgleise befanden, heraus. Für Polen waren die Gleise wertlos, die Delbrückschächte aber mußten Ersatzgleise bauen. Anstelle der Polen übereigneten Beamtenhäuser der Schächte mußten neue errichtet werden.

Jede Grenzziehung bringt Schäden mit sich, die bei den vielen sich überlagernden Interessen nicht restlos ausgeglichen werden können. Von ihnen ist in den vorstehenden Beispielen nicht die Rede gewesen, sie betreffen vielmehr Schäden, die vermeidbar gewesen wären. Sie gehören zu jener kaum übersehbaren Anzahl von Fällen, die an der ganzen Ostgrenze von Ostpreußen und Pommern bis Schlesien anzutreffen sind. Ihre Entstehung gründet sich auf Fehlentscheidungen infolge mangelnder Prüfung oder Unkenntnis der Verhältnisse, zweitens auf offensichtlich einseitige Bevorzugung Polens unter Hintansetzung der deutschen Lebensnotwendigkeiten oder drittens auf unzweideutig böswillige Grenzfestsetzungen, die, ohne daß damit ein
Die technische Verstümmelung Oberschlesiens Die technische Verstümmelung Oberschlesiens
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nennenswerter Vorteil für Polen erreicht werden sollte, Störungen deutscher Interessen absichtlich hervorrufen sollten. In den Beispielen traten bereits deutlich die Wirkungen hervor, die die Versailler Grenzziehung auf die reichsdeutschen Randgebiete ausgeübt hat und noch ausübt. Wir wollen nun die Folgen der widersinnigen Versailler Grenzziehung und der seitherigen Entwicklung in den Randgebieten zu mehreren Gruppen zusammenfassen, dabei von allen Besonderheiten absehen und nur das Grundsätzliche des Problems in den Vordergrund rücken.

Im Verkehrswesen prägt sich die Härte der Grenzziehung am schärfsten aus. Es sind nicht weniger als 68 Eisenbahnlinien, 144 Kunststraßen und 722 sonstige Landstraßen einfach zerschnitten worden. Als tote Stümpfe enden sie an der Grenze, von Unkraut überwuchert und mit Buschwerk bewachsen, mit der letzten Telegraphenstange, von der zerrissen der Draht herabhängt und im Winde spielt. Millionen haben Reich, Staat, Provinzen, Kreise und Gemeinden
Wege und Eisenbahnen sind von der Willkürgrenze 
zerschnitten
Wege und Eisenbahnen sind von der Willkürgrenze zerschnitten.

Der Widersinn der Willkürgrenze

Das Ende der Kleinbahn bei Kurzebrack.
Ende der Kleinbahn bei Kurzebrack

aufgewendet, um jene Stümpfe wieder miteinander zu verbinden und den reichsdeutschen Randgebieten den Wiederaufbau der Wirtschaft zu ermöglichen. Trotz allen Anstrengungen aber war es angesichts der Ungeheuerlichkeit der Schäden bis heute nicht möglich, das Aufbauwerk zu vollenden. Noch immer gibt es zahlreiche Orte, die seit der Versailler Grenzziehung keinen nahen Anschluß an die Bahn haben oder denen die Straßenverbindung zum Nachbardorf oder zur Kreisstadt fehlt. Die betroffene Bevölkerung ist gezwungen, ihre Produkte unter erschwerten Transportverhältnissen, die verteuernd wirken, abzusetzen oder die benötigten Güter unter den gleichen Erschwerungen heranzuholen. Der ganze wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhang [209] leidet darunter. Große Schwierigkeiten haben die durch die Grenzziehung verschlechterten Verkehrsverhältnisse auch in der ärztlichen Versorgung der abgelegenen Orte, hinsichtlich des Schulbesuchs, der Bekämpfung von Feuersbrunst und Überschwemmung sowie in vielen anderen Lebensbereichen mit sich gebracht.

Zerschnittene Straße bei Garnsee
Straße bei Garnsee.

Tote Verkehrswege

Bahn und Straße bei Neuhöfen.
Zerschnittene Bahn und Straße bei Neuhöfen

Ähnlich liegt es auf dem Gebiete des Meliorationswesens. Wie ostwärts der Weichsel sind auch an allen anderen Abschnitten der Ostgrenze der Landskultur große Schäden erwachsen. Allein an Meliorationsgenossenschaften wurden in den östlichen Provinzen 45 mit fast 75.000 Hektar Land durch die Grenze zerschnitten. Mangels Einigungswillens auf polnischer Seite konnten in vielen Fällen keine gemeinsamen Abmachungen über die Reinigung der Abflüsse zustandekommen, so daß zwangsläufig Versumpfungen großer Flächen beziehungsweise ungenügende Ent- und Bewässerungen des Bodens eintraten. Im Gebiet der Bartsch haben die von Polen vorgenommenen Regulierungen ungünstig gewirkt, weil sie nicht im Einvernehmen mit den angrenzenden deutschen Teilen des Flußgebietes erfolgt sind. Die Warthe- und Obraniederung wurde besonders dadurch geschädigt, daß auf polnischer Seite eine verwüstende Waldwirtschaft getrieben wurde, so daß die Niederschläge, die in jenen Waldflächen früher allmählich zu Tale kamen, jetzt plötzlich herunterströmen und die in den Niederungsgebieten unterhalb gelegenen Besitzungen viel mehr als früher unter dem schnell eintretenden Hochwasser zu leiden haben. Diese Beispiele aus vielen müssen hier genügen.

Die Versailler Regelung hat dem Grundsatz, eine Grenze durch möglichst wenig dicht besiedelte Gebiete, zum Beispiel große Waldflächen, zu ziehen, nicht Rechnung getragen. Es gibt keinen Abschnitt, in dem die neue Grenze nicht auf das Willkürlichste in die städtischen und dörflichen Einzugsbereiche eingreift und dadurch alte wirtschaftliche, kulturelle und verwandtschaftliche Zusammenhänge zerrissen hat.

Die Zerschneidung der früheren wirtschaftlichen Zusammenhänge kommt in mannigfaltiger Form vor. So wurde nicht selten das Wasserwerk oder Elektrizitätswerk von der zugehörigen Stadt getrennt oder umgekehrt. Im oberschlesischen Industriegebiet bestand eine einheitliche Wasserversorgung. Die sechs Wasserwerke waren untereinander verbunden. Durch die Teilung fielen vier Werke an Polen, das weit verzweigte, eng miteinander verbundenen Röhrensystem wurde zerschnitten. Teils wurden die Werke polnisch ohne die Leitungen, teils die Leitungen ohne die Werke. Schwierigkeiten in der Wasserversorgung der randdeutschen Bevölkerung waren hier wie in anderen Grenzgegenden die Folge. In gleicher Weise wurde das Elektrizitätswesen der Grenzzone betroffen. So mußte, um nur ein Beispiel zu nennen, für die Stadt Ratibor, die ihren Strom von der Polen zugeteilten Rybniker Steinkohlengesellschaft bezog, ein neuer Stromzuführungsweg angelegt werden. - Weit tiefer als diese Beeinträchtigungen mehr technisch-wirtschaftlicher Art griffen die Schädigungen in das Wirtschaftsleben der Randgebiete ein, die sich aus der Zerschneidung der Gemarkungen und Besitzungen ergaben. Die Bewirtschaftung des polnisch gewordenen Ackerteils unterlag fortan anderen Gesetzen als den bisherigen, und nur unter großen Kosten und Mühen konnte die Erhaltung und Fortführung der Bewirtschaftungseinheit gesichert werden. Nicht selten sind die neuen Schwierigkeiten größer gewesen als der gute Wille und die Leistungsfähigkeit des betroffenen randdeutschen Bauern oder
Der Wirtschaftsverlust Oberschlesiens Der Wirtschaftsverlust Oberschlesiens
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Gutsbesitzers. Er mußte sein Besitztum verschulden, es kam zur Zwangsvollstreckung, den weißen Stecken in der Hand verließ der Bauer Haus und Hof. - Besonders schwierig gestalteten sich die Verhältnisse im oberschlesischen Industriegebiet. Hier führt die Grenze nicht selten mitten durch die Anlagen hindurch, trennt die Rohstoffwerke von den Verfeinerungsbetrieben, die Arbeiterwohnungen von den Schächten, die [210-211=Abb.] [212] Betriebsgleise vom Werk. In mühseliger Aufbauarbeit mußten anstelle der zerrissenen neue Betriebszusammenhänge geschaffen werden. Viele Millionen wurden aufgewendet, inzwischen aber mußte die rasch zunehmende Zahl von Arbeitslosen den Widersinn der Grenze mit Hunger und Elend für sich und ihre Angehörigen bezahlen. - Die Grenzstädte, um die sich wie ein Zwangsgürtel die neue Grenze legte, waren in ihrer wirtschaftlichen Struktur, sei es in der Zahl der Handwerker, gewerblichen Betriebe oder der Kaufleute, auf einen in jahrhundertelanger Entwicklung gewachsenen Wirtschaftsbereich abgestellt. Oft boten sich den Grenzkommissionen weit entfernte ausgedehnte Waldgebiete zur Festlegung einer sinnvollen Grenze an, stattdessen aber zogen sie die Grenze, allen nationalpolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen zum Hohn, eng um die Stadt und trennten sie so von den ihr zugeordneten Dörfern. Einem großen Teil der berufstätigen Bevölkerung wurde daher der Erwerb genommen. Handwerker und Kaufleute verloren gleichermaßen einen großen Teil ihrer bisherigen Kunden. Gewinnung neuer Kundenkreise als Ersatz für das Verlorene war nicht möglich. Ein neuer Wirtschaftsbereich wäre nur im Hinterland zu gewinnen gewesen, hier aber war bereits alles durch die Städte des Binnenlandes versorgt, gleichsam in seiner wirtschaftlichen Versorgung gesättigt. Durch die Versailler Grenzziehung wurden an 60 seither randdeutsche Grenzstädte betroffen. In den am schlimmsten betroffenen Städten brachen große Teile der Wirtschaft endgültig zusammen, Zwangsversteigerungen und Abwanderung der Bewohner waren die weiteren Folgen. Aber auch in den Städten, die nur geringe Teile ihres früheren Hinterlandes verloren, büßte die Wirtschaft viel von ihrer alten Kraft ein und zwang einen entsprechenden Teil der Einwohner, in anderen Gebieten des Reiches nach einer neuen Existenz Ausschau zu halten. In den Fällen aber, in denen man, wiederum unter Mißachtung der nationalpolitischen, geographischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge, die Stadt an Polen gab und einen größeren oder kleineren Teil ihres dörflichen Einzugsbereiches beim Reiche beließ, hatten die Dorfbewohner zukünftig zum Absatz ihrer Erzeugnisse und zum Einkauf ihrer Bedürfnisse weitere Entfernungen als früher zurückzulegen. Nicht selten schienen die Schwierigkeiten unüberwindlich zu sein. In solchen Fällen zog der ländliche Bewohner es vor, seine Heimat zu verlassen und in die Binnengebiete des Reiches abzuwandern.

Aber auch die Zerschneidung vieler kultureller Zusammenhänge hat das Leben in den randdeutschen Gebieten erschwert. Schul- und Kirchengemeinden wurden zerrissen, wobei, wenn es nur irgendwie ging, die Schul- und Kirchengebäude Polen erhielt. Lediglich zu dem Zwecke, ein Schulgebäude noch in polnischen Besitz zu bringen, wurde die Grenze nicht selten in unnatürlicher Weise ausgebuchtet (zum Beispiel der später korrigierte Fall von Larischhof, der Fall Hindenburg O/S). Oft auch besaßen zwei oder mehr Nachbargemeinden nur eine einzige gemeinsame Kirche oder Schule. Fiel sie an Polen, so waren die Kinder fortan nicht mehr in der Lage, ihre alte Schule zu besuchen, sie mußten in das nächste reichsdeutsch gebliebene, aber stets entfernter gelegene Dorf zur Schule gehen oder jahrelang warten, ehe eine Ersatzschule errichtet werden konnte. Die Kirchgänger aber kamen, wenn sie die nun Polen zugefallene Kirche zum Gottesdienst aufsuchen wollten, oft vor verschlossene Schlagbäume. Nicht selten war der Friedhof von der Kirche durch die neue Grenze getrennt worden. In vielen Fällen verloren die randdeutschen Dörfer infolge der neuen Grenzziehung ihren Arzt, die Hebamme, die Apotheke, das Krankenhaus. Sogar der ärztlichen Hilfe über die Grenze hin haben polnische Grenzbeamte wiederholt das Verbot des Grenzübertritts entgegengestellt.

Sodann waren die Bewohner der betroffenen Gebiete durch zahllose verwandtschaftliche Bande miteinander verbunden. Nach der Versailler Regelung wohnte die [213-220=Fototeil] [221] Mutter auf reichsdeutsch gebliebener, die Tochter auf polnisch gewordener Seite oder umgekehrt, Vater und Sohn lebten nicht selten in getrennten Staaten. Gegenseitige Besuche waren meist nur über die offiziellen Zollübergänge hin erlaubt. Große Entfernungen legten sich so zwischen zwei beiderseits der Grenze belegene Gehöfte, wenn die unmittelbare Entfernung auch nur ein paar hundert Schritt betrug. Ein Engländer hat einmal einen solchen Fall untersucht, in dem statt der bisherigen 300 Schritt nach der Grenzziehung 64 Kilometer zurückgelegt werden mußten, wenn die beiderseitigen Bewohner sich besuchen wollten. Es sei viel leichter, von Dover nach Calais zu kommen, meinte er, als an der deutsch-polnischen Grenze von reichsdeutscher Seite in das nächste polnische Dorf, das nur 300 Schritt entfernt liege. Die Erschwerung der Verbindung zwischen den Verwandten dies- und jenseits der Grenze durch Polen charakterisiert sich als eine der zahlreichen Maßnahmen, durch die Polen den Verkehr zwischen den Deutschen zu beiden Seiten der Grenze erschwert und gehindert hat. Diesen Maßnahmen und anderen Schwierigkeiten suchte ein Teil der betroffenen Bevölkerung dadurch auszuweichen, daß er aus der Grenzzone abwanderte und sich in den Binnengebieten des Reiches eine neue Heimat suchte.

Die Art der Versailler Grenzziehung, die Zerreißung des Verkehrswesens, die wirtschaftlichen und kulturellen Erschwerungen, die feindselige Einstellung der polnischen Nachbarschaft sowie Schwierigkeiten in allen Bereichen des täglichen Lebens haben, wie wir gesehen haben, in erster Linie die Bevölkerung der randdeutschen Gebiete betroffen. In vielen Fallen büßten die Grenzbewohner infolge der neuen Verhältnisse ihre Existenz ein, oder es war ihnen aus Gründen, die erst durch die Grenzziehung entstanden, unmöglich gemacht, in der alten angestammten Heimat zu verbleiben. Sie mußten abwandern und sich in anderen Gegenden des Reiches oder in Übersee eine neue Heimat suchen. Viele von ihnen waren dazu auch infolge des riesigen Flüchtlingsstromes gezwungen, der sich seit der Abtrennung von Posen-Westpreußen und Ostoberschlesien unaufhörlich über die Grenzen ergoß und gerade in den randdeutschen Gebieten zu einer oft katastrophalen Überbesetzung der Berufe führte. Die randdeutschen Grenzgebiete haben seit Versailles unter einer bis dahin in diesen Ausmaßen unbekannten Wanderungsbewegung zu leiden, die nicht selten zu einer Abnahme der früheren Bevölkerungsbestandszahlen geführt hat. Der unheilvolle Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung der randdeutschen Gebiete gehörte zu den schlimmsten Erscheinungen, die durch Versailles ausgelöst wurden. An Hand der amtlichen preußischen und deutschen Statistik sind wir in der Lage, die durch Versailles bewirkte ungünstige Bevölkerungsentwicklung der randdeutschen Gebiete in ihrem ganzen Umfang zu erkennen. Vergleicht man die Entwicklung der Bevölkerungsbestandszahlen oder der Wanderungsziffern in den einzelnen Volkszählungsperioden von 1871 bis 1910 mit den entsprechenden Ziffern für die Volkszählungsperioden 1910 bis 1925 und 1925 bis 1933 (über die Periode 1933 bis 1939 sind diese Ergebnisse noch nicht veröffentlicht), so sieht man, daß in den meisten randdeutschen Kreisen nach dem Kriege die Bevölkerungsentwicklung gegenüber der Vorkriegszeit sich ungeheuer verschlechtert hat. Dabei tritt die Verschlechterung in der Volkszählungsperiode 1910 bis 1925 nicht so klar hervor, weil sie zum Teil durch die Flüchtlingsbewegung aus den abgetrennten Gebieten überdeckt wird. Um so eindeutiger prägt sie sich aber in der Periode 1925 bis 1933 aus. Wir nennen nur ein paar Beispiele. Im Vergleich der Volkszählungsperioden 1905 bis 1910 und 1925 bis 1933 erhöhte sich der Wanderungsverlust im v.H. der natürlichen Zunahme in den ostpreußischen Grenzkreisen Neidenburg und Osterode um 11,1 beziehungsweise 12,6 Punkte, im westpreußischen Kreis Rosenberg um 4,5, im ostpommerschen Grenzkreis Lauenburg um 54,4, in den grenzmärkischen Grenzkreisen Schlochau, Flatow, Meseritz um 26,6 beziehungsweise 42,4 beziehungsweise 31,6 Punkte, in den schlesischen [222] Grenzkreisen Fraustadt, Freystadt, Guhrau, Militsch, Gr. Wartenberg, Kreuzburg, Rosenberg um 70,3 beziehungsweise 93,1 beziehungsweise 85,9 beziehungsweise 17,0 beziehungsweise 40,2 beziehungsweise 69,2 beziehungsweise 12,6 Punkte. Infolge dieser durch die Versailler Grenzziehung verursachten Verstärkung der Abwanderung aus den Grenzgebieten haben manche Kreise sogar ihren früheren Bestand nicht halten können. Die Bevölkerungsdichte sank; von 1925 bis 1933 zum Beispiel im Kreis Bütow um 2, Flatow 1, Schwerin 2, Fraustadt 2, Guhrau 1, Militsch 1, Manslau 1, Kreuzburg 1, Rosenberg 2 Bewohner je 1 Quadratkilometer. Die polnische Propaganda übersieht angesichts dieser Tatsachen bei der Darlegung der Bevölkerungsverhältnisse in den ostdeutschen Gebieten geflissentlich den Umstand, daß die Bevölkerungsentwicklung durch die Versailler Grenzziehung außerordentlich negativ beeinflußt worden ist.

Wohin auch immer wir blicken mögen, Versailles hat im ganzen Verlauf seiner Ostgrenze die Verhältnisse in den randdeutschen Gebieten überaus stark beeinträchtigt und die Lebensmöglichkeiten der Bevölkerung vermindert. Gewiß hat das Deutsche Reich versucht, im Laufe der Nachkriegsjahre wenigstens die schlimmsten Schädigungen zu mildern. Neue Straßen und Eisenbahnen wurden gebaut, Schulen und Kirchen errichtet, die Produktionszusammenhänge wenigstens zum Teil wieder hergestellt und anderes mehr. Besonders seit der nationalsozialistischen Machtübernahme hat der Aufbau in den Ostgebieten und auch in den Randgebieten einen ungeahnten Aufschwung erfahren. Man denke nur an den Wirtschaftsaufbau in Ostpreußen, an die Leistungen in den ostpommerschen oder märkischen Grenzgebieten, an den Wirtschaftsaufschwung in der westoberschlesischen Industrie, als dessen weithin sichtbares Symbol der Adolf-Hitler-Kanal von neuer Initiative kündet. Die Erbhofgesetzgebung hat die Verdrängung des Bauern von seiner Scholle unmöglich gemacht, die agrarische Preisregulierung ihm die Fortsetzung seiner Wirtschaft gesichert, der Reichsarbeitsdienst hat die Flüsse und Bäche reguliert und anderes mehr. Im westoberschlesischen Industriegebiet stieg von 1933 bis 1938 die Kohlenförderung von 15.640.004 Tonnen auf 25.983.299 Tonnen, die Erzeugung von Koks von 859.588 Tonnen auf 2.014.206 Tonnen. Das sind gewaltige Ziffern gesteigerter deutscher Leistung auch in den Grenzgebieten. Der nationalsozialistische Tatwille hat ungeheure Anstrengungen gemacht, um wenigstens die augenscheinlichsten Schäden der Grenzziehung zu mildern. Bei Fortdauer der gegenwärtigen Grenze aber ist niemals die Beseitigung der strukturellen Schwierigkeiten möglich, die Versailles im Osten aufgerichtet hat. Sie sind unlösbar mit dem Verlauf der Grenze selbst verknüpft und können erst dann behoben werden, wenn das Problem als Ganzes bereinigt wird. Die Besitzzerschneidungen durch die Grenze, die Abschnürung der Eisenbahnlinien und des Straßennetzes, die Beeinträchtigung der Wasserläufe, der Abschluß der ostpreußischen Bevölkerung von der Weichsel, der mangelnde Wirtschaftsbereich der Grenzstädte, die ständig geringer werdenden westoberschlesischen Kohlenvorräte, angesichts derer seit Jahren schon Aussiedlungspläne der Bevölkerung diskutiert werden, die Unterbindung der natürlichen verwandtschaftlichen und kulturellen Verflechtung, das sind nur Stichworte aus der Reihe der Probleme, die auch trotz höchsten Bemühungen des Nationalsozialismus nicht gelöst werden können, wenn der Grenzverlauf unverändert bleibt. Angesichts dieser Tatsche wäre es unleugbar ein Fortschritt, durch die Lösung des Korridor-Danzig-Problems die Beseitigung jener strukturellen Schwierigkeiten anzubahnen, die sämtlichen randdeutschen Gebieten von Ostpreußen und Pommern bis Schlesien ihren harten Stempel aufprägen. Erst dann kann der deutsche Ostraum als Ganzes gesunden, wenn in seinen engeren Grenzgegenden durch eine sinnvolle Neuordnung die Voraussetzungen für dauerhaftes wirtschaftliches, soziales und kulturelles Aufblühen geschaffen sind.

[223] Die Wirkungen der Versailler Grenzziehung haben sich am schärfsten in den unmittelbaren Grenzgegenden geltend gemacht. Darum wurden sie in dieser Darstellung bewußt in den Vordergrund gerückt. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die östlichen Provinzen als solche Teile des großen ostdeutschen Wirtschaftsraumes bilden, der infolge der neuen Grenzziehung grundsätzlich zerschlagen worden ist. Ostpreußen ohne die unmittelbare Verbindung mit dem übrigen Reichsgebiet, Danzig ohne Einschluß in das Reich, Pommern, Mark Brandenburg und Schlesien ohne die Wiederherstellung der früheren Verkehrs- und Wirtschaftsbeziehungen stehen so lange unter der strukturellen, durch Versailles hervorgerufenen Verschlechterung ihrer Lage, als die Grenze in ihrem heutigen Verlauf fortbesteht. In der Darlegung "Die ostdeutsche Wirtschaftslandschaft und ihre Zerstörung durch das Diktat von Versailles" sowie in anderen Abschnitten dieses Buches ist das dazu Erforderliche gesagt. Es ist unbestreitbar, daß seit der nationalsozialistischen Machtübernahme auch in diesen Provinzen ein großer Aufschwung erfolgt ist, ebenso unbestreitbar aber ist, daß er längst nicht die Höhe wie in den von der Grenze abgelegenen Gauen des Reiches erreicht hat. Welcher unerhörten Anstrengungen hat es bis vor wenigen Jahren bedurft, um die überhöhten Arbeitslosenziffern der östlichen Provinzen durch Abgabe von Arbeitslosen an die Binnengebiete herabzumindern, wieviel Sonderhilfen durch das Reich waren erforderlich, um die Wirtschaftsbelebung in Ostpreußen, Pommern, in der Mark Brandenburg oder in Schlesien wenigstens auf eine mittlere Höhe zu bringen! Derartige Höchstanstrengungen sind auf unabsehbare Dauer nicht möglich, soll das Reich als Ganzes sich daran nicht erschöpfen. Die Zerschneidung organischer Zusammenhänge kann durch solche Anstrengungen allein nicht beseitigt werden. Hierzu bedarf es großzügiger und grundsätzlicher Lösungen, die das Problem als Ganzes erfassen und im Osten, etwa durch die Neuordnung im Korridor, wenigstens die schlimmsten strukturellen Störungselemente beseitigen.


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