Die Bewertung der Kolonien (Teil
2)
Das Jugendstadium der deutschen
Schutzgebiete
[40a]
Elfenbein-Karawane (Ostafrika).
[40a]
Strauße auf einer Farm in Ostafrika.
|
Wie wenig eine Ermittlung des status quo 1914 zu erschöpfen vermag, was
wir an den Kolonien verloren, erhellt aus mannigfachen Erwägungen. In
erster Linie ist davon auszugehen, daß der deutschen Verwaltung der
Schutzgebiete bis zum Kriegsausbruch überhaupt nur eine Dauer von im
Höchstfalle 30 Jahren beschieden war. Das Deutsche Reich, das um
Jahrhunderte hinter Portugal und Spanien, England, Frankreich und Holland in die
Reihe der Kolonialmächte eintrat, mußte mit der
Schutzgebietsverwaltung seines Pflegschaftssystems naturgemäß
erst eine Probezeit durchmachen, in der allerlei Erfahrungen zu sammeln und die
an gegenseitige Befehdung vielmehr als an irgend welche wirtschaftliche Arbeit
gewöhnten Stämme in ruhige Verhältnisse zu
überführen waren.
So stürmisch in der Zeit der gewaltig angeschwollenen deutschen
Auswanderung der Ruf gewisser politischer Kreise nach deutschen
Siedlungskolonien war, so wenig wollte es die große Mehrheit der
Volksvertreter einsehen, daß für die in raschem Schritte erworbenen
Schutzgebiete nun auch ein nicht geringes Maß materieller Opfer für
ihre vorläufige Entwicklung und Sicherstellung gebracht werden
müsse. Mit dem starken Nachlassen der deutschen Auswanderung wurden
auch weite Kreise im jungen Deutschland von jener "Kolonialmüdigkeit"
befallen, die im vorigen Jahrhundert längere Zeit selbst in England
geherrscht hatte. Als aber der Nachfolger Bismarcks [28] das Wort fallen
ließ: "Je weniger Afrika, desto besser", war die Welt doch schon in ein
Stadium der industriellen Entwicklung eingetreten, in dem sich sehr bald zeigen
mußte, daß der sichere Bezug tropischer und subtropischer Rohstoffe
aus Gebieten, in denen sich eigene Arbeitskraft oder wirtschaftliche
Führerschaft von Angehörigen der Bezugsländer entfallen
konnten, zusehends von höherem Werte wurde.
[8a]
Urwald in Gadja (Togo).
|
|
[8a]
Rodung im Urwald am Kamerunberg. |
[8b]
Alte Lianenhängebrücke über den Mungo (Kamerun).
[8b]
Epakobahn-Brücke (Südwestafrika).
[16a]
Bau der Mittellandbahn (Kamerun).
|
Die ersten beiden Jahrzehnte deutscher Kolonialpolitik waren eine Zeitspanne der
Experimente mit unausbleiblichen Rückschlägen und eine Zeit, in
der die wahre Bedeutung der Kolonialgebiete nur sehr vereinzelt eine halbwegs
angemessene Würdigung fand. Namentlich blieb die
Verkehrserschließung der Schutzgebiete unter den politischen
Einwirkungen der Koloniallauheit und der Kolonialmüdigkeit in dieser Zeit
so rückständig, daß auch die gesamte Wirtschaftsentwicklung
schwer darunter leiden mußte. Erst im Verlauf des dritten Jahrzehnts
deutscher Kolonialpolitik änderte sich das Bild wesentlich, zumal von dem
Augenblick an, in dem mit bemerkenswertem Erfolg das Bekenntnis zu kolonialer
Erschließungsarbeit zum Gegenstand eines Wahlkampfes für den
Reichstag gemacht worden war. Nach diesem Erfolge konnte nicht nur an die
Durchführung eines großzügig gedachten Programms
afrikanischer Verkehrspolitik herangetreten werden, sondern es mehrte sich auch
in erheblichem Maße die Bereitstellung deutschen Kapitals für
wirtschaftliche Unternehmungen in den deutschen Kolonien insgesamt. Aber wie
gering war die Zeitspanne von diesem entscheidenden Umschwung bis zum
Kriegsausbruch!
[29] Da koloniale
Pionierarbeit auf allen Gebieten Jahre der Vorbereitung braucht, bis die Erfolge in
nennenswertem Umfange sichtbar zu werden beginnen, ist es also klar, daß
der wirtschaftliche Kulturstand und die Ausfuhr der deutschen Schutzgebiete von
1914 durchaus noch nicht das Bild geben konnten, das sich bei ungestört
friedlicher Fortentwicklung etwa in unseren Tagen ergeben haben würde.
Inzwischen hat sich zudem auch die Wertsteigerung der tropischen und
subtropischen Rohstoffe weiter aufwärts bewegt, sind im alten deutschen
Kolonialgebiet neue Vorkommen von noch nicht voll erwägbarem Werte
festgestellt worden, ist es gerade auch der deutschen Wissenschaft gelungen,
Mittel für die Sanierung der Bevölkerung in schwer
gefährdeten Gebieten ausfindig zu machen, die für deren
wirtschaftliche Zukunft von geradezu entscheidendem Werte sind.
[55]
Wichtige Kolonialprodukte, an deren Lieferung die deutschen Kolonien beteiligt waren. Einfuhr nach Deutschland 1913 (Wert in Millionen Mark angegeben).
|
Amtliche Schätzungen
Nur unter allen aus diesen Erwägungen sich ergebenden Vorbehalten
können wir hier auszugsweise wiedergeben, was Schätzungen
kolonialinteressierter Kreise über den Wert der Kolonien von 1914
besagen.
Zwar sucht auch diese Berechnung in gewissem Grade Zukunftswerte
vorwegzunehmen, doch haben sich inzwischen viele Momente ergeben, die einen
beträchtlich höheren Ansatz der künftigen Bedeutung
kolonialer Rohstoffgewinnung und deutscher Rohstoffversorgung rechtfertigen.
Die damalige Schätzungsbasis war im wesentlichen die folgende:
[30] Das wirtschaftlich
wichtigste Ziel der deutschen Kolonialpolitik war, dem heimischen Markt von
den Rohstoffquellen und den tropischen und subtropischen Lebens- und
Genußmitteln aus eigenen Erzeugungsgebieten, wenn möglich, den
ganzen Bedarf, jedenfalls aber so viel zuzuführen, daß die deutsche
Volkswirtschaft aus ihrer Abhängigkeit vom Bezuge aus fremden
Ländern allmählich in möglichst weitgehendem Maße
befreit würde.
Dieses Ziel war für einige Einfuhrwaren, wie Sisalhanf, erreicht, für
andere Waren die Vorbedingungen: Anlage von Eisenbahnen, Arbeiten
landwirtschaftlicher und wissenschaftlicher Versuchsanstalten usw.
geschaffen, so daß sich Deutschland dem erstrebten Ziele
näherte.
Mit dem Verlust der deutschen Kolonialgebiete hat Deutschland es nicht mehr in
der Hand, die Produktion für die Ausfuhr in eigenem tropischen und
subtropischen Gebiete in solche Bahnen zu lenken und solchen Artikeln
zuzuwenden, die seinen besonderen Konsumtionsbedürfnissen entsprechen.
Insbesondere wird Deutschland durch den Verlust seiner Kolonien wirtschaftlich
und finanziell dadurch geschädigt, daß es ohne Besitz eigener
Kolonien seinen Einfuhrbedarf teurer bezahlen muß als beim Bezug aus
eigenen Schutzgebieten. Die Ware, die aus deutschen Kolonien dem heimischen
Markte zugeführt wird, stellt sich für die deutsche Volkswirtschaft
zumeist vorteilhafter als die aus fremden Produktionsgebieten gekaufte.
[31]
Die Entwicklung des Eisenbahnbaus in unseren Kolonien.
|
Dies ist zurückzuführen zunächst darauf, daß es in den
deutschen Kolonien keinen Protektionismus gab, weiter darauf, [31] daß die Transporte
durch direkte Verschiffungen, durch Vermeidung von Umschlag und Lagerung
verbilligt und daß preistreibende Faktoren der Spekulation, die beim
Bezuge auf den großen Weltwarenmärkten wirksam werden
können, vermieden wurden. Wesentlich ist ferner, daß im Verkehr
mit eigenen Schutzgebieten der Handel überwiegend in deutschen
Händen lag, in den Händen deutscher Unternehmer mit deutschen
Angestellten, daß überwiegend deutsche Schiffe den Transport
besorgten und deutsche Gesellschaften die Versicherungen übernahmen,
deutsche Banken den Zahlungsverkehr regelten.
[24a]
Beförderung von Baumwolle zur Verschiffung nach Deutschland (Togo).
|
Die deutsche Kolonialwirtschaft war im Interesse der Verbilligung der Rohstoffe
auch in vielen Fällen so organisiert, daß derjenige, welcher den
Bedarf an tropischen und subtropischen Lebens- und Genußmitteln oder
Rohstoffen hatte, [32] entweder selbst deren
Erzeugung in die Hand
nahm – so hatten deutsche Spinnereien eigene Pflanzungen
angelegt, deutsche Gerbereien im eigenen Betriebe in den Kolonien Mangroven
gewonnen usw. – oder an der Produktion finanziell beteiligt
war.
So zog die heimische Volkswirtschaft bei der Beschaffung von Waren aus eigenen
Kolonien Gewinn aus jeder Phase des Geschäfts, von der Produktion im
Schutzgebiet bis zur Einfuhr nach Deutschland. Nicht nur der Gewinn des
deutschen Importhauses floß der deutschen Volkswirtschaft zu. Was in
dessen Büchern als Unkosten erschien, war ebenfalls zum großen
Teil Gewinn der Heimat, Gewinn des deutschen Unternehmers draußen,
Gewinn der Reederei usw. und Verdienst der draußen und in der
Heimat tätigen Angestellten, der auch, wenn er drüben verdient
wurde, zum großen Teile der Heimat zugute kam. So lange Deutschland in
die Lage versetzt werden konnte, einen wesentlichen Teil seines Bedarfs an
kolonialen Rohstoffen und Lebens- und Futtermitteln aus eigenen Gebieten zu
decken, stand es auf dem Weltmarkt ganz anders da als bei vollständiger
Abhängigkeit vom Bezug dieser Bedarfsartikel aus fremden Gebieten.
Deutschlands Einfuhrbedarf (Mehreinfuhr) an Rohstoffen, Lebens- und
Futtermitteln, die aus tropischen und subtropischen Gebieten bezogen werden
können, betrug 1913 rund 5 Milliarden Mark. Von diesem Einfuhrbedarf
entfielen über die Hälfte auf Baumwolle, Wolle, Fette und Öle,
Häute und Felle sowie Hölzer, also auf Waren, bei denen
sämtlich die Einfuhr aus den deutschen Kolonien die besten Aussichten bot
und um ein Vielfaches der bis zum Kriegsausbruch gelieferten Mengen schon
[33] in den nächsten
Jahren gestiegen wäre. Auch unter den übrigen Waren befanden sich
stark überwiegend solche Artikel, für welche die Produktion der
deutschen Kolonien von großer und wachsender Bedeutung war, wie
Gerbstoff, Sisal- und anderer Hanf, Phosphat und Graphit, Mais, Hirse, Reis,
Tabak, Südfrüchte, Kakao usw. Kurz vor Kriegsbeginn waren
noch wichtige Funde gemacht worden, die eine reiche Ausbeute für den
heimischen Markt versprachen: Petroleum, seltene Erden wie Monazit, Glimmer
und Edelsteine, Eisenerze und Metalle wie Gold.
Die Schätzung setzte die in absehbarer Zeit zu erwartende Deckung des
deutschen Bedarfs an kolonialen Rohstoffen usw. auf mindestens ein
Drittel des Gesamtbedarfs an und schätzte den Vorteil, der Deutschland
aus diesem Bezug aus eigenen Kolonien gegenüber der Abhängigkeit
von fremden Märkten erwachsen würde, auf laufend jährlich
250 Millionen Mark. Ein entsprechender Verlust wurde bei der Ausfuhr
angerechnet. Auch im Handel mit eigenen Kolonien erfolgt der Zahlungsausgleich
in der Hauptsache in der Form von Waren. Für England glichen sich vor
dem Kriege die Einfuhr aus und die Ausfuhr nach seinen Kolonien fast
vollständig aus. Für Deutschland hätte sich das gleiche Bild
entwickelt.
Ebenso wie bei der Einfuhr und im ganzen aus den gleichen Gründen ist
auch bei der Ausfuhr der Verkehr mit eigenen Schutzgebieten vorteilhafter als der
Verkehr mit fremden Ländern und fremden Kolonien. Auch bei der
Ausfuhr sind der deutsche Kaufmann, der deutsche Reeder, Versicherer, Bankier
mit ihren deutschen Angestellten in ganz anderem [34] Umfange tätig,
wenn es sich um Export nach einem eigenen Schutzgebiet als wenn es sich um die
Ausfuhr nach fremden Ländern handelt. Der Schaden aus dem Verlust an
der Ausfuhr wurde in der Schätzung eben so hoch angesetzt wie die
[35]
Zunahme des in den ehemaligen deutschen Kolonien angelegten Kapitals
und der unter Kultur genommenen Ländereien.
|
Einbuße bei der Einfuhr, d. h. ebenfalls 250 Millionen Mark im Jahr.
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung auf dem
Weltmarkt war es nicht zu hoch gerechnet, wenn als Jahressumme des Verlustes,
wie er sich nach dem Kriege betrachten ließ, das Doppelte von jenen
500 Millionen Mark Gewinneinbuße an Einfuhr und Ausfuhr, also
1000 Millionen angesetzt wurden. Eine Kapitalisierung dieser Jahressummen mit
5 Prozent ergab einen Kapitalwert von 20 Milliarden Mark. Die Schätzung
schloß:
"Unberücksichtigt sind bisher geblieben:
- Die Schädigung, die der deutschen Volkswirtschaft aus dem
Verlust eigener, sehr gut geeigneter und entwicklungsfähiger Gebiete
für die Anlegung von Kapital erwächst.
- Der Verlust von geeignetem Land für die Ansiedlung von
Auswanderern.
- Die ungeheure Einbuße an ideellen Gütern, die mit dem Verlust
eigener überseeischer Güter untragbar verknüpft
ist.
Schlägt man für diese Schädigungen zu der oben errechneten
Kapitalsumme von 20 Milliarden
Mark – bescheiden – noch einmal die Hälfte
dazu, so erhält man als Wert der deutschen Kolonien... den Betrag von
30 Milliarden Mark."
Unberücksichtigt waren bei dieser Schadensberechnung die
wirtschaftlichen Werte, welche auf Kosten des Reiches [35] geschaffen worden
waren, wie Eisenbahnen, Wege, fiskalische Pflanzungen,
Gebäude usw.
Die theoretische Verteilung des geschätzten Betrages von 30 Milliarden
wurde dabei wie folgt vorgenommen:
Ostafrika |
10,5 |
Milliarden |
Mark |
Kamerun |
7,5 |
" |
" |
Togo |
0,9 |
" |
" |
Südwestafrika |
8,5 |
" |
" |
Neu-Guinea |
2,5 |
" |
" |
Samoa |
0,1 |
" |
" |
Was das Reich für die Kolonien geleistet hatte, geht aus folgender
Übersicht hervor:
|
[36-37] Die
Aufwendungen
des Reiches für die Schutzgebiete |
|
|
Deutsch-
Ostafrika
M |
|
Kamerun
M |
|
Togo
M |
|
Deutsch-
Südwestafrika
M |
|
Deutsch-
Neuguinea
M |
|
Samoa
M |
|
Im
ganzen
M |
|
1. |
Schutzgebietsanleihen (Nennbetrag am 1. April
1919) |
157 261
700 |
41 475
900 |
11 281
000 |
36 912
500 |
– |
– |
246 931
100 |
2a. |
Reichsanleihen für die Schutzgebiete, Darlehn
(Nennbetrag am 1. April 1919) |
– |
– |
6 752
948 |
36 805
909 |
– |
– |
43 558
857 |
2b. |
Reichsanleihen für die Schutzgebiete,
Zuschüsse (Nennbetrag am 1. April 1919) |
1 791
201 |
– |
– |
377 193
586 |
16 598
373 |
– |
395 583
160 |
3. |
Reichsgarantien für die Schutzgebiete (Stand am
1. April 1919) |
2 107
700 |
10 673
600 |
– |
– |
– |
– |
12 781
300 |
4. |
Sonstige Verbindlichkeiten für die Schutzgebiete
(Kapitalwert am 1. April 1919) |
7 294
800 |
– |
– |
– |
– |
– |
7 294
800 |
|
|
|
A. |
Summe der Verbindlichkeiten des
Reichs |
168 455
401 |
52 149
500 |
18 033
948 |
450 911
995 |
16 598
373 |
– |
706 149
217 |
1. |
Reichszuschüsse für die Schutzgebiete
zu Lasten des ordentlichen Reichsetats (bis 1913) |
112 625
760 |
46 791
692 |
3 545
533 |
217 348
168 |
17 892
024 |
1 698
807 |
399 901
984 |
2. |
Ausgaben der Kolonialverwaltung (bis 1917 bzw.
1918) |
21 244
719 |
12 997
899 |
3 313
667 |
10 960
793 |
4 310
644 |
306
532 |
53 134
254 |
3. |
Ausgaben der anderen Reichs-
verwaltungen (bis 1914 bzw. 1918) |
7 759
204 |
5 937
165 |
1 198
134 |
196 152
338 |
21 353
555 |
639
930 |
233 040
326 |
4. |
Dienst der Schutzgebietsanleihen, Reichsdarlehn und
Garantien, Nebenfonds im Kriege (bis 1918) |
33 449
520 |
10 252
601 |
4 932
494 |
17 850
969 |
– |
32
824 |
66 518
408 |
|
|
|
B. |
Summe der Ausgaben des
Reichs |
175 079
203 |
75 979
357 |
12 989
828 |
442 312
268 |
43 556
223 |
2 678
093 |
752 594
972 |
|
|
|
|
Gesamtbetrag der Aufwendungen des Reichs |
343 534 604 |
128 128 857 |
31 023 776 |
893 224 263 |
60 154 596 |
2 678 093 |
1 458 744 189 |
[38=Karte] [39]
Weitere Schätzungen
Eine andere Schätzung, an der wirtschaftliche Kolonialfachleute beteiligt
waren, ging wesentlich weiter in der Vorwegnahme der Zukunftswerte, indem sie
den voraussichtlichen Stand der Eingeborenenproduktion ein Menschenalter nach
dem Kriege zur Grundlage ihrer Schätzungen machte. Hiermit gelangte sie
zu folgenden Ergebnissen:
"I.
Deutsch-Ostafrika |
Eingeborenenbevölkerung vor dem Kriege |
7,65 Millionen |
Eingeborenenbevölkerung nach einem
Menschenalter |
10,2 "
|
|
Mill. Goldm. |
1. |
Ertrag der Arbeit der Eingeborenen zu 150 M. auf den Kopf |
1 530 |
2. |
Weiße Siedler nach einem Menschenalter 150 000. Ertrag der Arbeit
der weißen Siedler zu 600 M. auf den Kopf |
90 |
3. |
Gewinnung von Bodenschätzen (Glimmer, Gold, Eisen, Kupfer, Salz,
Soda, Kohle) |
10 |
|
|
|
|
insgesamt |
1 630 |
II. Deutsch-Südwestafrika |
1. |
Eingeborenenbevölkerung vor Ausbruch des Krieges 80 000; nach
einem
Menschenalter 106 000. Ertrag der Arbeit der Eingeborenen zu
150 M.
auf den Kopf |
Mill. Goldm.
16 |
2. |
Weiße Siedler nach einem Menschenalter 1 000 000. Ertrag der
Arbeit
der weißen Siedler zu 600 M. auf den Kopf |
600 |
3. |
Gewinnung von Bodenschätzen |
100 |
|
|
|
|
insgesamt |
716 |
[40] |
III.
Kamerun |
Eingeborenenbevölkerung vor Ausbruch des
Krieges |
4,15 Millionen |
Eingeborenenbevölkerung nach einem
Menschenalter |
5,5 "
|
|
Mill. Goldm. |
1. |
Ertrag der Arbeit der Eingeborenen zu 150 M. auf den Kopf |
825 |
2. |
Weiße Siedler nach einem Menschenalter 50 000. Ertrag der Arbeit
der weißen Siedler zu 600 M. auf den Kopf |
30 |
|
|
|
|
insgesamt |
855 |
IV. Togo |
Eingeborenenbevölkerung vor Ausbruch des
Krieges |
1,3 Millionen |
Eingeborenenbevölkerung nach einem
Menschenalter |
1,37 "
|
|
Mill. Goldm. |
Ertrag der Arbeit der Eingeborenen zu 150 M. auf den
Kopf |
205 |
|
|
|
|
insgesamt |
205 |
V. Südsee |
Eingeborenenbevölkerung vor Ausbruch des
Krieges |
0,6 Millionen |
Eingeborenenbevölkerung nach einem
Menschenalter |
0,2 "
|
Zuwanderung von Farbigen |
0,2 "
|
|
|
|
|
zusammen |
1,0 "
|
[41] |
(Südsee:) a.
Neuguinea |
Mill. Goldm. |
1. |
Ertrag der Arbeit der Eingeborenen zu 150 M. auf den Kopf |
150 |
2. |
Gewinnung von Bodenschätzen (Gold, Platin, Kupfer, Petroleum,
Kohle) |
100 |
|
|
|
|
insgesamt |
250 |
(Südsee:) b.
Inselgebiet |
1. |
Gewinnung von Bodenschätzen: jährliche Ausbeute von
Phosphaten etwa 400 000 t |
30 |
2. |
Gewinnung von Kopra (30 000 t) |
20 |
|
|
|
|
insgesamt |
50 |
(Südsee:) c.
Samoa |
1. |
Ertrag der Pflanzungen: 40 000 ha mit Kokospalmen, Kakao, Hevea (unter
Zuhilfenahme fremder Arbeiter) |
40 |
|
|
|
|
insgesamt |
40 |
|
|
|
|
insgesamt Südsee |
340 |
Rekapitulation der jährlichen Produktionswerte der
deutschen Kolonien nach einem Menschenalter:
Deutsch-Ostafrika |
1 630 |
Millionen |
Goldmark |
Deutsch-Südwestafrika |
716 |
" |
" |
Kamerun |
855 |
" |
" |
Togo |
205 |
" |
" |
Südsee |
340 |
" |
" |
insgesamt |
3 746 |
Millionen |
Goldmark |
Somit würden für die deutsche Volkswirtschaft aus der Leitung der
Produktion in den Kolonien und der Ausfuhr der Erzeugnisse jährlich
35 Prozent von 3,746 Milliarden, das ist [42] rund 1,31 Milliarden
Gold zu gewinnen sein. Die Ausfuhr nach den Kolonien würde den
gleichen Betrag ergeben, da einesteils die Tätigkeit des Handels die
gleichen Spesen und Verdienste bei der Verteilung der Industrieerzeugnisse in der
Kolonie haben dürfte, anderenteils die Erzeugung der Fabrikate in
Deutschland mindestens 10 Prozent ihres Preises für die Volkswirtschaft
abwirft, so daß an den 3,746 Milliarden Ausfuhr 1,31 Milliarden Gold
für Deutschland jährlich abfallen dürften.
Es ergibt sich daraus, daß in absehbarer Zeit die Kolonien der deutschen
Volkswirtschaft jährlich 2,62 Milliarden in Gold werden zuführen
können. Wird nun der Betrag von 2,62 Milliarden Gold zu 5 Prozent
kapitalisiert, so ergibt sich ein Zukunftswert der deutschen Kolonien von
52,4 Milliarden Gold.
Hiermit ist die Bedeutung der Schutzgebiete für Deutschland indessen nicht
erschöpft. Deutsches Kapital würde dort auch in solchen
Unternehmungen arbeiten, die der inneren Wirtschaft des Landes dienen. Ferner
erhalten die Siedlungsgebiete der Kolonien die sonst mit der Auswanderung
abfließenden großen Werte dem deutschen Nationalvermögen.
Auch der ungeheure ideelle Wert des Besitzes überseeischer Kolonien
für die Heimat ist zu beachten. Hierfür ist die Hälfte des oben
errechneten Betrages zuzuschlagen, so daß sich für die deutschen
Kolonien ein Anrechnungswert von
78,6 Milliarden Goldmark
ergibt."
Wieder eine andere Schätzung ging gleich der ersterwähnten
Schätzung von dem deutschen Einfuhrbedarf und dem entgehenden Vorteil
aus der deutschen Ausfuhr aus, rechnete aber [43] mit einem Zeitraum, in
dem nicht ein Drittel, sondern zwei Drittel des deutschen Bedarfs an tropischen
und subtropischen
Erzeugnissen aus den Kolonien hätten gedeckt werden können. Diese
Rechnung kam zu folgendem Ergebnis:
|
|
|
Deutschlands Einfuhrbedarf an kolonialen Rohstoffen betrug
1913: |
|
5 Milliarden Goldmark |
Hiervon würden in absehbarer Zeit die Kolonien
decken können: zwei Drittel: |
|
3,333 Milliarden Goldmark |
Die aus dieser Art der Bedarfsdeckung fließenden
Vorteile für die deutsche Volkswirtschaft sind mit 35 Prozent
berechnet, also mit: |
|
1 166 666 666 Goldmark |
Ein entsprechender Vorteil tritt bei der deutschen Ausfuhr
ein: |
|
1 166 666 666 Goldmark |
|
|
zusammen |
2 333 333 332 Goldmark |
Dieser Betrag kapitalisiert mit 5 Prozent ergibt: |
|
46⅔ Milliarden Goldmark |
Hierzu sind 50 Prozent zuzuschlagen für
Schädigungen infolge Verlust von Kapitalanlagemöglichkeiten,
Siedlungsland, ideellen und sonstigen Gütern, also: |
|
23⅓ Milliarden Goldmark |
Der ganze Anrechnungswert
beträgt: |
70 Milliarden Goldmark |
Hiervon entfallen auf: |
|
Ostafrika |
30,5 Milliarden Goldmark |
|
Kamerun |
16,0 Milliarden Goldmark |
|
Togo |
3,8 Milliarden Goldmark |
|
Südwestafrika |
13,4 Milliarden Goldmark |
|
Neu-Guinea und Samoa |
6,3 Milliarden Goldmark" |
[44] Nicht unerwähnt
will ich lassen das Ergebnis einer besonderen Abschätzung des Wertes von
Südwestafrika durch gründliche Kenner dieses Schutzgebietes, unter
ihnen des letzten Gouverneurs Dr. Seitz, die gegenüber den 13,4 Milliarden
der letzterwähnten und 8,5 Milliarden der ersten Schätzung auf die
Zahl von 36 Milliarden Mark gelangte, und zwar:
Diamanten |
15 |
Milliarden Mark |
(nach einer neueren, dem Gouverneur Seitz mündlich bekannt
gewordenen englischen Schätzung.) |
Gold |
3 |
"
" |
(mit Rücksicht auf neue 1918 gemachte Goldfunde.) |
Kupfer |
3 |
"
" |
(eine Schätzung, der auch
Reg.- und Bergrat Dugt zustimmt.) |
Eisen |
10 |
"
" |
(gering geschätzt mit Rücksicht auf die gewaltigen Eisenlager
im Kakaofeld und im Gebiet des mittleren Nanub.) |
Brauchbares Farmland |
5 |
"
" |
(auch diese Schätzung ist mäßig. Von den
82 Millionen Hektar Land als brauchbares Land angesetzt und der Hektar
mit dem darauf befindlichen lebenden und toten Inventar mit 100 M.
berechnet.) |
[45] Wenn nach dieser
Schätzung südwestafrikanischer Sachkenner das verlorene
Deutsch-Südwestafrika wesentlich wegen seiner Diamanten in einer
höheren Bewertung erscheint als in der vorhin wiedergegebenen
Aufstellung
Deutsch-Ostafrika, so muß bezüglich Ostafrikas der Vorbehalt
gemacht werden, daß die Bodenschätze dieses Gebiets noch nicht
erschöpfend erforscht waren. Am 18. Mai 1925 brachte die
Telegraphen-Union aus London die folgende Meldung an die deutsche Presse:
"Daily Mail berichtet
über neue Goldfunde im
Lupa-Fluß, im Livingstone-Gebirge und in den Flüssen Sira und
Luika. Die Regierung habe sich alle Rechte auf diese Vorkommen gesichert.
Gegenwärtig seien hundert Weiße und 1400 Eingeborene mit der
Ausbeutung der Goldfunde beschäftigt. Die Lage werde aber durch die
scharfen Quarantänevorschriften erschwert, weil in der Umgebung die
Schlafkrankheit und außerdem großer Mangel an Lebensmitteln
herrsche. Es handele sich um das größte alluviale Goldfeld in
Afrika."
Goldvorkommen in Deutsch-Ostafrika waren schon früher durch
Hauptmann Schloifer in Ausbeute genommen, und es ist sehr wohl
möglich, daß sie in weit größerem Maße
vorhanden sind, als selbst Schloifer damals angenommen hatte.
|