Teil 1: Die Grundlagen der
deutschen Wirtschaft.
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Die Entwicklung bis zur Machtübernahme B. Boden IV. Das deutsche Verkehrswesen a) Die deutsche Reichsbahn Die Eisenbahn ist das Verkehrsmittel, das von den Witterungseinflüssen und von der Bodenbeschaffenheit am wenigsten abhängt. Sie kann daher Höhen bis 4.800 Meter überschreiten und in weitgestreckte Wüsten eindringen. Sie befördert die Güter schnell, sicher und in großen Mengen. Gerade ihre Eignung zur raschen Massenbeförderung ist ein Vorzug, den ihr kein anderes Verkehrsmittel des festen Landes streitig machen kann.
Wie sehr die Eisenbahn den Verkehr gesteigert und verbilligt hat, mag daraus hervorgehen, daß um 1840 im heutigen Reichsgebiet jährlich etwa 1 Million Menschen reisten und die Kosten für 1 Tonne Güter je Kilometer etwa 27 Pfennig betrugen. Heute befördert die Reichsbahn jährlich etwa 2.000 Millionen Reisende; die durchschnittliche Fracht für 1 Kilometer und 1 Tonne liegt bei 5 Rpfg. Gegenüber der Vorkriegszeit sind die Verkehrsleistungen der Reichsbahn nicht unbeträchtlich gestiegen. Die beförderten Gütermengen waren erstmals im Jahre 1927 ein wenig höher als die des Jahres 1913, aber die tonnenkilometrischen Leistungen im Güterverkehr (Gütermenge mal Beförderungsweite) haben den Vorkriegsstand im Jahre 1929 um 331/3% überschritten. Die Zunahme der durchschnittlichen Beförderungsweite für eine Tonne Nutzlast dürfte zum Teil eine Folge der Konkurrenz der Kraftfahrzeuge sein, die heute für den Gütertransport im Nahverkehr von erheblicher Bedeutung ist. Der weitaus größte Teil des Eisenbahngüterverkehrs ist Inlandverkehr. Auf den Auslandsverkehr entfallen einschließlich des verhältnismäßig unbedeutenden Durchfuhrverkehrs von knapp 3 Milliarden Tonnen etwa 50 Millionen Tonnen.
An den beförderten Gütermengen haben die Schwergewichtsgüter Kohle, Steine und Erden einen besonders hohen Anteil. Für die Erzbeförderung spielt der Bahnweg in den letzten Jahren eine geringere Rolle [151=Abb.] [152] als der Wasserweg. Im Gegensatz zum Güterverkehr ist die Zahl der beförderten Personen in den letzten Jahren im Vergleich zu 1913 erheblich angewachsen. Die durchschnittliche Beförderungsweite hat sich hier aber nur wenig verändert. Es verdient unbedingt erwähnt zu werden, daß die Reichsbahn der größte deutsche Arbeitgeber ist, die das Arbeitsbeschaffungsprogramm der nationalsozialistischen Regierung wirksam unterstützt. Die Reichsbahn allein will durch ihren Plan 250.000 Volksgenossen Beschäftigung geben.
b) Die deutsche Binnenschiffahrt Der Bau der Eisenbahn hatte den Glauben geweckt, Kanäle seien überflüssig, und in der Tat sind in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnverkehrs fast in keinem Lande Kanäle gebaut worden. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erkannte man, daß beide Verkehrsmittel berufen sind, Hand in Hand ihre volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen: Die Schiffahrt in erster Linie als Zubringerin von Massentransporten zu und von den Seehäfen, die Eisenbahn als Sammlerin bzw. Verteilerin in den einzelnen Wirtschaftsbezirken sowie dann, wenn es sich um eilige Sendungen handelt.
Als Hauptvorzug der Schiffahrt gegenüber der Eisenbahn pflegte man die große Billigkeit zu nennen, die sich aus der Ersparnis an Raum (ein Kahn von mittlerer Größe faßt soviel Güter wie ein ganzer Eisenbahnzug von 50 Wagen), an totem Gewicht (macht bei Eisenbahnwagen ½ - 2/3, bei Kähnen nur 1/5 des Gesamtgewichtes aus) und an der Kraft (die Last auf dem Wasser erfordert nur 1/8 bis 1/10 der auf den Schienen nötigen Kraft) ergibt. Der Gütertransport auf dem Wasser empfiehlt sich wegen der niedrigeren Frachtsätze besonders für Schwergewichtsgüter, wenn diese in großen Mengen gleicher Art weite Strecken transportiert werden. Unter den Güterarten, die für den Transport auf den deutschen Binnenwasserstraßen hauptsächlich in Frage kommen, ist die Kohle als wichtigste zu nennen. Auf sie entfielen 1928 rund 38% der gesamten Beförderungsmenge. An zweiter Stelle folgten Erze mit einem Anteil von 15%. Weitere wichtige [153=Abb.] [154] Güter für den Wasserstraßenverkehr sind Erden, Getreide, Steine und Steinwaren, Eisen- und Stahlwaren, Düngemittel.
Neben dem Ausbau des Straßennetzes wird von der Reichsregierung hauptsächlich mit Hilfe des Arbeitsdienstes auch eine Vervollständigung des deutschen Wasserstraßennetzes angestrebt. Durch das Versailler Diktat wurden ja der deutschen Binnenschiffahrt außerordentlich schwere Wunden geschlagen, mußte doch auch ein großer Teil des deutschen Binnenschiffparks an die Entente abgeliefert werden. Heute ist der Bestand der deutschen Binnenflotte wieder ungefähr aufgefüllt, und es ist von großer Bedeutung, das deutsche Wasserstraßennetz, das in der Vorkriegszeit als das ausgezeichnetste und modernste der Welt galt, noch so auszubauen, wie es die Verkehrserfordernisse heute notwendig machen.
c) Die deutsche Seeschiffahrt Der Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte Die deutsche Seeschiffahrt gehört zu den Wirtschaftszweigen, die am stärksten und unmittelbarsten durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen betroffen sind. Die deutsche Kauffahrteiflotte war nach den Verlusten während des Krieges und nach den Ablieferungen auf Grund des Versailler Vertrages von der zweitgrößten Handelsflotte der Welt vor dem Kriege nahezu zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Dem zähen Wiederaufbauwillen und der wirtschaftlichen Kraft Deutschlands ist es zu verdanken, daß in der kurzen Zeit von 9 Jahren die deutsche Kauffahrteiflotte wieder zur Weltgeltung gekommen ist.
Nach wie vor ist der Ruhm deutscher Schiffahrtsbaukunst auf allen Meeren unbestritten. Statt der drei schönsten und größten Dampfer der Vorkriegszeit, "Imperator", "Vaterland" und "Bismarck", die uns der Feindbund genommen hat, lassen wir heute "Columbus", "Bremen" und "Europa" unter deutscher Flagge über den Nordatlantik fahren, die noch schneller laufen und bequemer gebaut sind als die drei geraubten Vorkriegsdampfer. Die beiden letzteren haben nacheinander das "Blaue Band des Ozeans" errungen, d. h. sie haben die Strecke Southampton-Newyork in der kürzesten Fahrzeit aller Schiffe zurückgelegt. Die Lage unserer Seeschiffahrt ist im Augenblick so, daß die gesamte deutsche Schiffahrt, wenn man von dem Rückgang des Welthandels überhaupt absieht, im wesentlichen dadurch zu leiden hat, daß der Hauptverkehr mit Ländern stattfindet, deren Valuta unterbewertet ist. Die letzte Steigerung dieser Schwierigkeiten erlebte die Handelsmarine infolge des Dollarsturzes. Dazu kommt natürlich, daß die deutschen Groß-Reedereien gegenüber den ausländischen, die jeweils aus Staatsmitteln unterstützt werden, vor allem dadurch belastet sind, daß ihnen die marxistische Wirtschaftsführung wie allen Großunternehmen soziale Lasten aufbürdete, die außerordentliche Erschwernisse nach sich zogen. Man darf nicht vergessen, daß infolge der geringen Ausnutzung der im Verkehr befindlichen Tonnage die Belastungen ganz außerordentlich hoch geworden sind.
Die Veränderungen in den Schiffsarten
Der Güterverkehr in der deutschen Handelsflotte
Hamburg und Bremen, die wichtigsten deutschen Seehäfen
d) Der deutsche Kraftfahrzeugverkehr Deutschlands Landstraßennetz ist den Vorkriegsverhältnissen nach gut ausgebaut. Es hat eine Länge von 206.000 Kilometer und übertrifft damit die Länge der Eisenbahnschienennetze um etwa das Dreifache. Mehr als die Hälfte (116.000 Kilometer) entfällt davon auf Preußen. Die Verkehrsmittel der Landstraße sind Fahrräder, Pferdegespanne, Straßenbahnen und Kraftfahrzeuge. Die ersten drei kommen nur für den Ortsverkehr in Frage; im Fernverkehr behauptet das Kraftfahrzeug als Alleinbeherrscher den Platz.
Ferner wird die Treibstoffindustrie eine ungeheure Anregung erfahren. Die Bestrebungen, die in Deutschland eine Förderung der eigenen Erzeugung in Treibstoffen bezwecken, werden einen neuen starken Impuls erhalten.
e) Der deutsche Luftverkehr [159=Abb.] [160] Wie im europäischen Eisenbahnnetz, so bildet auch im europäischen Flugnetz Deutschland das Kernstück. Das Hauptgewicht liegt auf den internationalen Linien, die fast alle Hauptstädte der europäischen Länder und ihre wichtigsten Wirtschaftsgebiete mit Berlin verbinden. Die Zahl der Luftlinien beträgt etwa 127, die Zahl der Flughäfen 90, von denen Berlin (18% des Verkehrs), Köln (13%), Hamburg (8%), München (7%), Frankfurt a. M. (5%) und Essen (4%) die wichtigsten sind.
f) Die deutsche Reichspost Die Reichspost unterhält zur Vermittlung des Post-, Fernsprech- und Telegraphenverkehrs rund 42.000 Postanstalten. Der Hauptzweig des Postverkehrs ist die Beförderung von Briefen und Paketen. Jeder Deutsche erhält pro Kopf und Jahr rund 125 Briefe. Ferner ist der Zeitungen- und Zeitschriftenversand der Reichspost sehr umfangreich. Es werden jährlich 1,8 Milliarden Zeitungsnummern an die Bezieher abgeliefert. Insgesamt befördert die Reichspost durchschnittlich täglich rund 25 bis 30 Millionen Sendungen aller Art, wovon etwa 2% aus dem Auslande kommen und über 4% nach dem Auslande gehen. In den letzten Jahren wurde die technische Ausgestaltung des Postbeförderungsbetriebes wesentlich gefördert, um eine raschere Verteilung und einen schnelleren Transport der Briefe und Pakete zu ermöglichen.
Ein weiterer Zweig des Postverkehrs ist der Geldverkehr, in dem rund 65 Millionen Postanweisungen und 125 Millionen Nachnahmesendungen erledigt werden. Es bestehen rund 1 Million Postscheckkonten, auf denen in den letzten Jahren 120 bis 150 Milliarden RM. umgesetzt wurden. Fernsprech- und Telegraphenverkehr haben in den letzten 50 bis 60 Jahren eine rasche Ausbreitung erfahren. Mit fast jedem Orte Deutschlands besteht eine Drahtverbindung, die die Übermittlung von Nachrichten in kürzester Frist ermöglicht. 400.000 Kilometer Kabel und Freileitungen sind im Betriebe der Reichspost. 3 Millionen Sprechstellen stehen zur Verfügung, aus denen innerhalb Deutschlands rund 2 Milliarden Orts- und Ferngespräche im Inland und 6-7 Millionen Ferngespräche mit dem Ausland geführt werden. In [161=Abb.] [162] neuerer Zeit wird der Sprechverkehr über drahtlose Funkverbindungen nach allen wichtigen Verkehrszentren der Erde ausgebaut. Aber auch die Kabelverbindungen ermöglichen einen Fernsprechverkehr mit fast allen größeren Wohnorten der Welt. Infolge des Ausbaues und der Verbilligung des Fernsprechverkehrs geht der Telegrammverkehr im Inland immer mehr zurück. Trotzdem werden aber in Deutschland 15 bis 20 Millionen Inlandstelegramme und 12 bis 15 Millionen Auslandstelegramme im Jahre befördert.
Der Funktelegraphenverkehr ist erst im Anfangsstadium seiner Entwicklung. Die Anzahl der Funktelegramme beträgt jährlich 2 bis 2,5 Millionen. Drei Funkstationen (Königswusterhausen, Nauen und Berlin-Zehlendorf) stehen dem Telegraphieverkehr zur Verfügung. Dazu unterhalten 34 Küstenfunkstellen den Verkehr mit den Schiffen auf hoher See. Jährlich werden rund 100.000 Telegramme mit Bordfunkstellen gewechselt. Auch den Funkverkehr mit den Flugzeugen pflegt die Reichspost, die hierfür 18 Flughafen-Funkstellen unterhält und dazu 14 Funkpeilstellen, um den Richtungsfunk für die Flugzeuge durchzuführen. Die Betriebseinnahmen der Reichspost aus Zweigen ihres Betriebes betragen in normalen Wirtschaftsjahren etwas über 2 Milliarden RM., von denen etwa zwei Drittel als Löhne und Gehälter an das Personal weitergehen. Gerade im Rahmen des Fernsprech- und Telegrammverkehrs will die deutsche Reichspost Erweiterungen größten Stiles vornehmen, um auch ihrerseits das Arbeitsbeschaffungsprogramm der nationalen Regierung wirksam zu fördern. Der größte Teil der von der Reichsbahn zur Verfügung gestellten Summen entfällt auf das Fernkabelwesen, für technische Einrichtungen (Selbstanschlußanlage, Fernämter, Verstärkerämter, Ausbau der Ortsnetze, der Fernleitungsnetze, des Fernkabelnetzes usw.).
Der jüngste Betriebszweig der Reichspost ist der Rundfunk. Er stellt weniger ein Verkehrsmittel als eine Vermittlungsstelle für Unterhaltung, Belehrung und Nachrichten dar. Rechnet man auf jeden Rundfunkteilnehmer nur zwei Mithörer, so kann man sagen, daß jeder fünfte Deutsche heute an den Rundfunk angeschlossen ist.
Die Reichspost hat den technischen Betrieb der 25 Sendestationen und außerdem die besonderen Funknachrichtensender, die zur regelmäßigen Verbreitung von Presse-, Wirtschafts- und Schiffsnachrichten dienen, zu verwalten. Zwischen den einzelnen deutschen Rundfunk-Sendestationen und auch mit Stationen des Auslandes sind eigene Verbindungskabel in einer Länge von mehr als 10.000 Kilometer verlegt worden, die eine unverzerrte Übertragung von Musik ermöglichen sollen. Der Betrieb des deutschen Rundfunks geschieht durch die einzelnen Sendegesellschaften, die den Rundfunkkommissaren der einzelnen Länder als Aufsichtsinstanz und schließlich als letzter Instanz dem Reichsrundfunkkommissar unterstehen, der dem Reichspropagandaministerium unterstellt ist. Die Nachrichten, die zu gewissen Zeiten durch den Rundfunk verbreitet werden, stammen aus einer Zentralstelle, der Drahtlosen-Dienst A.-G., die zu der Reichsrundfunkgesellschaft, der Dachorganisation der einzelnen Sendegesellschaften, gehört. [163=Abb.]
Nationalsozialistischer Wirtschaftsaufbau und seine Grundlagen Ein bildstatistischer Tatsachenbericht Dr. Paul Blankenburg und Max Dreyer |