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Olmütz
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Bericht Nr. 52
Lager Hodolein, Erschießung alter
Leute
Berichterin: Hermine Pytlik Bericht vom 5. 7. 1946
Ich war vom 4. 6. 45 bis
10. 6. 45 im
Lager Olmütz-Hodolein und wurde dort Zeuge, wie die Insassen des Olmützer
Altersheimes, die Anfang Juli ins Lager gebracht worden waren, ungefähr fünfzehn
Personen, in zwei Gruppen mit Pistolen von der Nationalgarde aus allernächster
Nähe erschossen wurden. Die Erschießung fand in den Abendstunden vor den
Fenstern meiner Baracke statt. Es waren durchwegs alte, kranke Leute im Alter von 65 bis 80
Jahren.
Bericht Nr. 53
Lager, Mißhandlungen
Berichter: Dr. Hein Bericht vom 5. 7. 1946 (Olmütz)
Ich wurde am 28. 5. 1945
in Olmütz von Revolutionsgardisten verhaftet, unter schweren
Kolbenschlägen ins Lager gebracht und mit Fußtritten in den Bunker geworfen, wo
ich bis 21. 6. vorigen Jahres auf der feuchten Erde, ohne Decke, bei geringster Verpflegung
bleiben mußte. Täglich wurde ich früh und abends von ungefähr acht
Tschechen mit Knüppeln, Stahlruten usw. verprügelt. Im Bunker war ich mit
einigen
anderen Deutschen eingesperrt, von denen drei elend zu Grunde gehen mußten, ohne
daß sich jemand um sie gekümmert hätte. Jede zweite oder dritte Nacht
wurde
ich mehrmals herausgeholt, in eine Baracke geführt und dort furchtbar mißhandelt.
Von diesen Mißhandlungen habe ich eine Reihe von dauernden
Körperschäden
erlitten. Am rechten Ohr bin ich taub, über den rechten Fuß habe ich nicht die
völlige Gewalt, ich bin nierenleidend, habe ständige Schmerzen im Rücken
und kann mich nur schwer aufrichten. Ich habe täglich Kopfschmerzen und zeitweise ein
Zittern in den Händen.
Bericht Nr. 54
Lager Hodolein, Vorenthaltung von Post aus
England
Berichterin: Walburga Lindenthal Bericht vom 6. 10. 1946 (Olmütz)
Ich war mit einem
ehemaligen kriegsgefangenen Engländer verlobt, der im Juni 1945
nach
England zurückkehrte und mir durch die Englische Gesandtschaft in Prag ein Zeugnis
zugehen ließ, wonach die tschechischen Behörden gebeten werden, mich in der
Behandlung besonders zu berücksichtigen. Trotzdem wurde ich im
Lager Olmütz-Hodolein 4 Monate lang zur Arbeit in einem Eisenwerk ohne Bezahlung
festgehalten. Die Post
meines Verlobten wurde mir häufig vorenthalten. Seit Mai 1946 habe ich überhaupt
keine Post mehr ausgefolgt erhalten, obwohl ich weiß, daß mein Verlobter mir
regelmäßig wöchentlich einen Brief schrieb.
Bericht Nr. 55
Lager Olmütz und Stefanau, Drangsalierung alter
Leute
Berichter: Hermann Komarek Bericht vom 1. 8. 1946 (Olmütz)
Ich war mit meiner Frau
vom 11. 7. bis 6. 10. 1945 im Lager Olmütz und Stefanau
interniert. Trotz unseres Alters (beide 63 Jahre alt) wurden wir dort sehr schlecht behandelt. Ich
wurde oft geschlagen nur aus Übermut der Posten. Die Verpflegung war so gering,
daß wir ununterbrochen hungerten. Wir wurden Anfang Oktober krankheitshalber
nachhause entlassen. Meine Frau war so verschwollen und mit eitrigen Wunden bedeckt,
daß sie sich nicht mehr erholte und Anfang November starb. Unterdessen war mein Haus
beschlagnahmt und vollkommen ausgeraubt worden. Mir hatten sie alle besseren Anzüge
und Schuhe genommen. Ich habe jetzt nur noch schadhafte Kleidung und 1 Paar zerrissene
Schuhe.
Bericht Nr. 56
Lager Hodolein, Mißhandlungen
Berichter: Dipl.-Ing. Kurt Domes Bericht vom 17. 1. 1951 (Olmütz)
Am 5. Mai 1945 fuhren
meine Frau und ich nach Hombock bei Olmütz. Am 7. Mai
marschierten die Russen ohne Widerstand in den Ort ein. Das war das langerwartete Signal
für alle Tschechen, um zu plündern und zu rauben. Radio Prag verlautbarte Tag
und
Nacht: "Znicte nemci na potkání, kde je naleznete!" Zu deutsch: Vernichtet die
Deutschen bei jeder Begegnung, wo ihr sie findet! Diese Mordaufforderung tat der
Staatspräsident Benesch persönlich in seiner Anfang Mai gehaltenen Rede
über den tschechischen Rundfunk.
Am 13. Mai um Viertel vor 12 Uhr Mittags wurde ich vom Polizeileutnant Blaha abgeholt. Auf
mein Zögern und den Hinweis, daß es Sonntag sei und daß ich mich morgen
melden werde, erwiderte er schroff: "Nein, das geht nicht, Sie müssen. sofort mitkommen,
ich befehle es!" Mit diesen Worten begann meine Leidenszeit. Auf der Polizeidirektion wurde
ich
von Partisanen übernommen. Diese Jugendlichen waren am meisten gefürchtet und
so bekamen auch wir vorerst 25 Hiebe und Stöße mit Gummikeilriemen und
Maschinengewehrkolben. Aus Nase und Mund blutend mußte ich nun mit neun
hinzugekommenen Leidensgefährten in eine Militärschießstätte bei
Olmütz marschieren. Unterwegs, bei Kloster Hradisch, erwartete uns ein Spalier von ca.
30
Personen, meist Frauen mit Knütteln bewaffnet und schlugen mit aller Kraft auf uns ein.
Diesen Sadismus kann man nur verstehen, wenn man erfährt, daß der tschechische
Rundfunk die Morde an Deutschen organisierte und völlige Straffreiheit
verkündete.
Die Amerikaner, die bis zur
Linie Pilsen-Prag vormarschiert waren, sahen überall tatenlos den bestialischen
Verbrechen
der Tschechen zu. Auf der Schießstätte angekommen, mußten wir uns den
Oberkörper entblößen, bekamen Krampen und Schaufeln zugeteilt und unter
dauernden Schlägen von Bewachungspersonal und Zuschauern mußten wir die
Leichen von 22 Männern und einer Frau ausgraben. Es wurde uns mitgeteilt, daß
auch wir erschossen und begraben werden, bis wir die Leichen geborgen hätten. Es kamen
immer mehr Tschechen hinzu, die an den allgemeinen Prügeleien an uns teilnahmen.
Plötzlich erschien ein Russe in Begleitung eines Tschechen, holte einen Mann aus unseren
Reihen, ging mit ihm hinter den Schießstand und nach einigen Minuten hörten wir
einen Schuß. Unseren Kameraden sahen wir nie mehr wieder. Als die Toten ausgegraben
waren, mußten wir die Leichen unter dauernden Mißhandlungen abwaschen, in
Särge legen und auf Lastwagen verladen, während ein Tscheche die ganze
Begebenheit filmte. Am Abend um 21 Uhr wurden wir trotz der Todesdrohung in
das Kriminal-Gefängnis von Olmütz eingeliefert, wo wir auf einem schmalen Gang,
mit dem Gesicht zur Wand Aufstellung nehmen mußten. Nun ging die Prügelei
wieder los. Hauptsächlich wurden Kopf und Gesäß traktiert, bis wir aus
Mund
und Nase bluteten. Anschließend wurden wir in enge Zellen gestoßen und
mußten einen Raum von 10 qm mit sechs Leidensgenossen teilen. Auf kaltem Betonboden
und ohne Decke mußten wir schlafen, mit den Schuhen als Kopfkissen. Ein offener
Kübel diente den Bedürfnissen und nur einmal in 24 Stunden wurde das Fenster 15
Minuten geöffnet. Die ersten zwei Tage bekamen wir überhaupt nichts zum Essen.
Am dritten Tag bekamen wir gänzlich fettlose Wassersuppe, die unsere Hauptmahlzeit
blieb.
Nach zwei Monaten, als ich mich nur noch an der Zellenwand aufrecht erhalten konnte,
wurde mir mitgeteilt, daß ich nachhause gehen könne, da gegen mich nichts
vorliege.
Ein Gefängnisaufseher führte mich in die Kanzlei und dort schrieb man einen
sogenannten Entlassungsschein, der aber nicht mir, sondern einem anderen Polizisten
übergeben wurde, der mich aufforderte, ihm zu folgen. Auf meinen Hinweis, daß
ich
doch entlassen sei und nachhause gehen könne, erwiderte er: "Sie kommen schon
nachhause, aber über das Konzentrationslager Hodolein." Nur wer das berüchtigte
Todeslager kannte, in dem nach vielseitigen Aussagen von Mai bis November 1945 über
3500 Deutsche zu Tode geprügelt wurden, kann meinen furchtbaren Schrecken verstehen.
Der Polizist führte mich in das Lager Hodolein und übergab mich dem
Lagerkommando. Ich wurde in Baracke 2 beordert und stand in der Aufnahmekanzlei einem
alten
Bekannten gegenüber. Er erklärte mir, daß ich während der Dauer der
Internierung unbedingt Titel und Rang verschweigen solle, da man gegen die deutsche
Intelligenz
rücksichtslos vorgehe. Es war Forstrat Ing. Cepe, ein Wiener im Alter von 60 Jahren, der
mich auf die Leiden, die mir nun bevorstanden, aufmerksam machte. Der Protektor des Lagers
war Dr. Rehulka aus Olmütz, Mitglied der
tschechischen christlich-sozialen Partei, ein fanatischer Chauvinist. Ich verbrachte in diesem
Lager volle elf Monate.
Das Lager Hodolein war ein Barackenlager mit einer dauernden
Belegschaft von ca. 3-4000 Internierten. Nach Todesfällen oder Entlassungen wurde die
Belegschaft dauernd durch Neuzugänge aufgefüllt, sodaß allein in diesem
Lager innerhalb eines Jahres, von Mai 1945 bis Mai 1946, ca. 17.000 Deutsche inhaftiert waren.
Die Aufseher, zum großen Teil Jugendliche übelster Sorte, waren die geborenen
Sadisten. Besonders unter dem Einfluß von Alkohol wurden die Gefangenen viehisch
mißhandelt. Ohrenbetäubender Lärm und Brüllen ließen uns fast
jede Nacht erzittern. Da wurde ein Kamerad aus unseren Reihen gerissen und den langen Gang
der Baracke hin und her gehetzt, mit Kupferkabeln, Keilriemen und Stöcken solange
traktiert, bis er liegen blieb. Blieb der Mißhandelte am Leben und erstattete er am
nächsten Tag eine Anzeige, so war es sicher, daß er die nächste Nacht nicht
mehr überlebte. Das Totprügeln geschah stets in der Zeit gegen Mitternacht, da
wurden dem Unglücklichen zuerst die Nieren losgeschlagen und er solange traktiert, bis
er
leblos liegen blieb. Einer der übelsten Totschläger dieses Lagers war der mir
bekannte Eisendreher Smetana
aus Olmütz-Neugasse.
Am 27. Oktober 1945 wurde ich aus dem Zimmer nach der Baracke 12 in das Wachzimmer
befohlen und von drei Jugendlichen unter Aufsicht des berüchtigten Smetana auf das
gemeinste traktiert, wobei sich alle drei im Schlagen abwechselten. Ein Zufall rettete mich aus
dieser furchtbaren Lage. Zwei Polizisten trafen mit einem Transport von ca. 30 Mann aus dem
Sudetenland ein. Ich bekam einen Fußtritt, daß ich wie ein Blatt Papier gegen die
Tür flog, während der Totschläger mich anbrüllte: "Du wirst Dich
morgen um 12 Uhr Nachts hier melden, da werden wir dich fertigmachen, bis du krepierst!"
Zerschlagen und am ganzen Körper zitternd kam ich in meine Baracke zurück und
konnte vor Schmerzen, Verzweiflung und Schrecken nicht mehr schlafen. Morgens meldete ich
mich sofort zur Arbeit, um in der Mittagspause mit Erlaubnis des Aufsehers einen mir
befreundeten Professor zu besuchen. Der tschechische Professor ging sofort zur Polizeidirektion
und sagte dem Polizeidirektor, er dulde die Mißhandlungen nicht, wenn ich etwas getan
hätte, so sei das Volksgericht zur Bestrafung zuständig. Daraufhin brüllte ihn
der Polizeidirektor an, er werde ihn einsperren lassen, wenn er sich für Deutsche einsetze.
Der Professor erwiderte, er möge ihn ruhig einsperren, aber er dulde unter keinen
Umständen, daß ein anständiger Mensch, den er kenne und für den er
garantiere, so mißhandelt werde. Diese Unterredung hatte doch Erfolg, denn als ich am
Abend aus der Arbeit kam und den Arbeitsschein abgab, sagte mir ein Polizist, ich möge
meine Sachen nehmen und mit ihm kommen. Er führte mich in die Polizeibaracke 6 und
sagte mir, daß mich hier niemand belästigen dürfe. Doch in der Nacht um 12
Uhr öffnete ein anderer Wachposten alle Zellentüren und fragte nach den Namen
der
Insassen. Ich nannte ihm einen falschen Namen. Der Posten knallte die Tür zu und schrie,
das Schwein sei nirgends zu finden. Vor der Baracke hörte ich den Totschläger
Smetana brüllen: "Diesen Hund werden wir solange suchen, bis wir ihn finden und dann
machen wir ihn fertig, diesmal entweicht er uns nicht." Sicherlich hatte die Wache von meiner
Intervention erfahren und wollte sich rächen. Am nächsten Morgen ging ich wieder
zur Arbeit und mittags zum Professor. Der Professor veranlaßte nun, daß ich von
einem Kloster als Diener angefordert wurde. Ich wurde auch sofort abgeholt. So entrann ich dem
sicheren Tode im Lager Hodolein.
Daß mein Schicksal doch nicht zu den Schlimmsten
zählte, erfuhr ich kurz darauf von meinem Schwager Stephan Wallaschek,
Schlossermeister, Olmütz, Blasiusplatz 23, der gleichzeitig in diesem Lager inhaftiert war.
In den ersten Wochen mußte er Blindgänger ausgraben und nachts wurde er mit
seinen Leidensgenossen gezwungen, in tiefer Hocke zu schlafen. Hinlegen war strengstens
verboten. Bei den täglichen Appellen wurde mit Riemen und Stöcken traktiert.
Nachts wurde er herausgeholt, über vier Stühle gebunden und solange geschlagen,
bis er regungslos war. Dann wurde er mit brennenden Zigaretten versengt und wenn er darauf
noch ein Lebenszeichen gab, bis zur völligen Bewußtlosigkeit geschlagen. Diese
Prozedur mußte er insgesamt viermal über sich ergehen lassen. Als sich mein
Schwager nur mehr mühsam mit den Händen an der Wand fortbewegen konnte,
wurde er vom Lagerrichter mit folgenden Worten entlassen: "Über Sie liegt hier nichts
vor,
schauen Sie, daß Sie nachhause kommen!" Mit losgeschlagenen Nieren, mit
ausgeschlagenen Zähnen und auf einem Ohr taub kam er dann nachhause. Noch nach
einem Jahr konnte er nicht mühelos einen Fußweg von einigen hundert Metern
bewältigen.
Im Nonnenkloster als Diener eingewiesen, wurde mir von der Oberin sofort gesagt, daß
ich
das Kloster nicht verlassen dürfe, da ich sonst in größter Lebensgefahr sei.
Der
tschechische Professor besuchte mich täglich, ebenso meine Frau, sodaß ich sie zum
ersten Male über meine Erlebnisse informieren konnte.
Infolge der Unterernährung erkrankte ich im Kloster und bekam ein Karbunkel von
Faustgröße am Gesäß, sodaß ich mich bald nicht mehr bewegen
konnte. Auf Anordnung des Arztes sollte ich operiert werden, jedoch nahm mich das
Krankenhaus mit dem Bemerken nicht auf, daß kein Deutscher behandelt werde. Ein
tschechischer Arzt schrieb auf die Rückseite des Krankenscheines: Deutsche nicht
angenommen! Mein ehemaliger Hausarzt behandelte mich dann völlig kostenlos und nach
sechswöchiger Krankheit wurde ich von einer Klosterschwester aus dem Kloster
gewiesen.
Nun wurde ich wieder in das Lager Hodolein eingewiesen und wandte mich in meiner Angst an
einen Pfarrer, der erreichte, daß ich in den Städtischen Bauhof als Arbeiter
eingewiesen wurde. Ich war zwar unter Aufsicht und mußte bei jedem Wetter zur Arbeit
ausrücken, wobei man mich als ehemaligen Stadtrat mit Vorliebe vor dem Rathaus
Straßenkehren ließ, aber wir wurden nicht mehr soviel mißhandelt wie im
Lager
Hodolein.
Eines Tages wurde ich von einem Geheimpolizisten wieder verhaftet und in den
Polizeibunker gebracht und am vierten Tag der Ungewißheit in das
Kriminalgefängnis zum zweiten Male eingeliefert. Ein Verwandter verständigte
meine Frau, die sich bei der Polizei erkundigte, was gegen mich vorliege. Dort erklärte
man
ihr, es liege gegen mich nichts von Bedeutung vor und ich werde sicherlich schon am
nächsten Tag entlassen werden. Monate der Gefängnishaft vergingen, auf Betreiben
meiner Frau nahm sich ein mir bekannter Rechtsanwalt des Falles an. Bei der Einsichtnahme in
meine Akten bei Gericht ersah er, daß tatsächlich gegen mich nichts vorlag und
erreichte meine Entlassung, nach sechsmonatiger Haft. Zu diesem Zeitpunkt war ich nun ohne
jeder konkreten Anschuldigung und nur wegen meiner nationalen Zugehörigkeit zum
Deutschtum über zwei Jahre inhaftiert, eingekerkert oder interniert.
Die vorliegende Schilderung meiner Erlebnisse in meiner Heimat entsprechen der Wahrheit. Ich
habe mich bemüht, sachlich und objektiv zu sein und wenn manches übertrieben
dargestellt erscheint, so mögen meine Leidensgenossen die Richtigkeit bestätigen.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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