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Pilsen

Bericht Nr. 57
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Erlebnisse im Kreisgerichtsgefängnis Pilsen
Berichter: Oskar Gellrich und Franz Reich Bericht vom 23. 11. 1945

Lage von PilsenHerr Altherr aus Wenussen bei Pilsen kam gleich nach seiner Einlieferung in die Korrektionszelle Nr. 23 und ist dort nach dreitägiger Behandlung seinen Qualen erlegen. Die Zeit dieses Geschehnisses ist der 15. bis 20. Mai [1945]. Die Häftlinge wurden unter Beaufsichtigung von Rotgardisten außerhalb der Anstalt beschäftigt. (Entfernen der Luftschutzdeckungen etc.) Unter fortwährendem Antreiben mit Gummiknüppeln wurden die Anlagen entfernt. Die Ziegelsteine mußten nur im "Marsch, marsch" weggetragen werden. Tritte in die Hoden und Schläge in die Nierengegend waren besonders gewählt und bewußt vorgeschrieben.

Verpflegung gab es: Für einen Tag 120 bis 150 g Brot, dazu am Morgen ein Topf schwarzer Kaffee, am Mittag entweder eine dünne Suppe oder eine unbekömmliche Tunke mit drei bis 4 Kartoffeln (klein). Am Abend wieder eine dünne Suppe. Die Zubereitung war miserabel, ungesalzen und daher ungenießbar.

Nach dem im Juni 1945 erlassenen Prügelverbot wurde die Behandlung etwas besser. In der Verpflegung hat sich jedoch nichts geändert. Das ist schon daraus zu sehen, daß in der Strafanstalt Bory eine Typhusepidemie ausgebrochen war, der auch Wärter zum Opfer gefallen sind. Wie viel deutsche Häftlinge zum Opfer gefallen sind, wird verschwiegen.



 

Bericht Nr. 58

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Strafanstalt Bory, Mai 1945 bis März 1946
Berichter: Karl Oberdörfer Bericht vom 3. 6. 1946 (Pilsen)

Lage von PilsenIch wurde am 6. Mai 1945 in Pilsen verhaftet. Bis 24. 5. wurde ich im Kreisgericht Pilsen, hierauf bis 19. 3. 46 in Bory gefangen gehalten. Verhaftungsgrund wurde mir keiner genannt. Verhört wurde ich zum ersten Male im April in dem Internierungslager Tremoschna, wohin ich von Bory gebracht wurde. Einen Verhaftungsgrund konnte mir auch Dr. Krofta, der mich verhörte, nicht angeben.

Im Kreisgericht Pilsen und in der Strafanstalt Bory wurde ich und die anderen Häftlinge täglich aufs Schwerste mißhandelt. Nur die wenigen Tage, an denen amerikanische Kommissionen kamen, blieben ohne Mißhandlungen. In Bory wurden wir von den Aufsehern täglich am Morgen in der Zelle geschlagen, hierauf einzeln in den Keller geführt, wo wir uns auf eine Bank mit 2 Leisten legen mußten. Der Kopf wurde uns zwischen die Leisten gepreßt und dann wurden wir von Aufsehern und von tschechischen Sträflingen mit Holzstöcken und Gummiknüppeln geprügelt, bis jeder bewußtlos wurde. Dann wurden wir in eine Ecke geworfen und mit kaltem Wasser übergossen. Samstag und Sonntag waren die Prügel immer am schlimmsten. Der linke Unterschenkel wurde mir so zerschlagen, daß die Wunden bis heute noch offen sind.

Die Verpflegung war völlig ungenügend. Ich nahm in Bory vom 24. 5. 45 bis 19. 3. 46 rund 34 kg ab. Auch die Waschgelegenheit war unzureichend. Es stand für 30 Mann nur ein Waschbecken mit ungefähr 8 Liter Wasser zur Verfügung. Bademöglichkeit war in der ganzen Zeit nur zweimal. Im August brach Flecktyphus aus, der ungefähr drei Monate dauerte. Es starben täglich 1-15 Mann. An einem Tag waren es 49. Ärztliche Hilfe bestand gar keine. Der Anstaltsarzt Dr. Nemecek kümmerte sich um die Deutschen nicht. Erst auf Veranlassung der amerikanischen Kommission wurden die deutschen internierten Ärzte eingesetzt.

Im Internierungslager Tremoschna waren die Verhältnisse etwas besser, doch haben auch dort Angehörige der tschechischen Miliz viele mißhandelt. Ich selber wurde einmal von einem auf dem Closett zu Boden geschlagen. Ich kann diese Aussagen beeiden.



 

Bericht Nr. 59

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Bericht einer deutschen Familie
Berichterin: Maria Schöber (Pilsen)

Lage von PilsenAm 7. Mai 1945 wurde ich mit meinem Mann aus unserer Wohnung geholt. Um ½10 Uhr erschienen vier Männer mit Peitschen und befahlen uns, sofort mitzugeben. Ich war im Schlafrock und durfte nur nur schnell ein Kleid anziehen, das mußte ich jedoch vor einem Soldaten tun. Mein Mann nahm seinen Luftschutzkoffer mit. Mit vielen anderen Deutschen wurden wir in die Strafanstalt Bory getrieben. Dort wurden die Frauen von ihren Männern getrennt. Ich habe meinen Mann nie wieder gesehen.

Zwei Tage später brachte man mir meines Mannes schmutzigen Kragen und zwei blutgetränkte Taschentücher sowie 300 Kronen von 18.000.

In Bory waren wir in einer Zelle für vier Menschen 35 Frauen mit Kindern und Säuglingen eingepfercht. Essen gab es nur einmal täglich, und das ganz wenig und schlecht.

Jede Nacht hörten wir das Schreien der Menschen, die geprügelt wurden, und die Schüsse von ungezählten Erschießungen.

Nach drei Wochen kam ich von dort fort und wurde nacheinander in folgende Lager gebracht: Pilsen-Karlov, Eisenach in Thüringen, von dort durch die Amerikaner wieder zurück nach Böhmen und zwar nach Pilsenetz, Dobran und nach Staab.

Unterkunft und Verpflegung in den Lagern war größtenteils menschenunwürdig. Oft Männer und Frauen durcheinander, keine Waschgelegenheiten, die Aborte in unmöglichen Zuständen, Schupfen und Baracken waren meistens so voll gepfropft mit Menschen, daß diese nur eng aneinander zu liegen vermochten. Strohsäcke oder andere Unterlagen und Decken nur für wenige vorhanden.

Todesfälle von Kindern und Erwachsenen waren an der Tagesordnung.

Die Verpflegung bestand durchwegs aus geringen Mengen trockenen Brotes, schwarzen Kaffee und dünnen Suppen.

Die Behandlung durch die Wachmannschaften war durchwegs sehr schlecht und menschenunwürdig. Ich mußte nur in Bory arbeiten - die jüngeren Frauen wurden an einen zwei Wegstunden entfernten Arbeitsplatz getrieben, mußten auf dem Schotter laufen und wurden mit Peitschen geschlagen, wenn sie diesem ausweichen wollten, oder wenn sie eine Arbeit nicht verrichten konnten.

Im September 1945 gelang es meiner Tochter, mich aus den Lagern frei und zu ihr zu bekommen.

Auf wiederholte Anfragen in Bory erhielt meine Tochter jedesmal die Antwort, der Vater sei gesund. Im Oktober 1945 erhielt ich die Erlaubnis, ihm ein Päckchen zu schicken und habe das getan. Dieses Päckchen kam jedoch im November zurück mit dem Vermerk: "Gestorben den 19. September". Meine Tochter bat dann nochmals, ihr wenigstens etwas über die Todesursache mitzuteilen. Darauf erhielt sie ein gedrucktes Formular mit dem Vermerk "Magenkrebs". Weiter konnten wir nichts erfahren.



 

Bericht Nr. 60

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Schwere Mißhandlungen,
Tod, Ruhr, Flecktyphus, Wassersucht

Berichter: Franz Pilfusek Bericht vom 7. 8. 1946 (Pilsen)

Lage von PilsenIch bin 55 Jahre alt, seit 1913 bei der Eisenbahn beschäftigt und politisch niemals tätig gewesen. Ich versah meinen Dienst bis 18. Mai 1945. Seit 6. Mai 45 wohnten amerikanische Soldaten in meinem Hause, mit welchen ich mich gut verstanden hatte.

Als ich am späten Nachmittag des 18. Mai ahnungslos mit meiner Familie im Garten saß, stürzten plötzlich drei jüngere tschechische Leute, darunter ein Gendarm, in meinen Hof und verhafteten mich ohne jeden Grund. Meine Frau brach bewußtlos an Ort und Stelle zusammen und ich wurde vor das Bürgermeisteramt eskortiert.

Als ich dort ankam, standen schon einige Kameraden mit blutigen Gesichtern und beschmutzten Kleidern da. Auf einmal stürzte sich ein jüngerer tschechischer Mann aus Kosolup namens Karl Petrikovic auf mich und schlug mich mit der Faust ins Gesicht. Es wurden noch einige Kameraden herbeigeholt, insgesamt 11 Mann. Dann kam ein größeres Lastauto, auf welches wir gezwungen wurden so rasch als möglich aufzusteigen. In Tuschkau-Stadt wurden noch weitere vier Kameraden zu uns geladen und dann ging es nach Pilsen zum Kreisgericht. Dort ungefähr gegen 20 Uhr angekommen, erwartete uns eine große Menschenmenge, welche beim Aussteigen auf uns einschlug.

Im Kreisgericht auf dem Korridor mußten wir uns mit den Gesichtern gegen die Wand stellen und vollkommen nackt ausziehen. Wir durften uns nicht umdrehen und keinen Laut sprechen. So mancher von uns wurde mit dem Gesicht gegen die Wand gestoßen, oder es gab Fußtritte, Hiebe mit Gummiknüppeln, mit Gewehren und dergl. von rückwärts.

Nach einer kurzen Aufnahme der Personalien in zwei Kanzleien wurden wir 8, 10 oder noch mehr Mann in einzelne Zellen gepfercht, ohne etwas zu essen zu erhalten, eingeschlossen und am nächsten Tag wurden wir auf die Gemeinschaftszellen aufgeteilt. Die Mißhandlungen und Prügeleien wurden weiter fortgesetzt. Die Verpflegung war sehr gering und schlecht. Es wurde zum Kochen muffig stinkendes Wasser verwendet und ohne jede Gewürze oder Salz die schlechten Speisen aus Trockengemüse und dergl. hergestellt.

Nach einer Woche wurden wir einige hundert Mann in Autobussen wieder in die Bory-Anstalt getrieben. Dort vom Kreisgericht in die Strafanstalt Pilsen-Bory geschafft. Dort waren die Mißhandlungen Prügeleien von den dortigen Angestellten Tag und Nacht an der Tagesordnung. Viele Leute sind an den Folgen dieser unmenschlichen, rohen Behandlung, ohne ärztliche Hilfe gestorben.

Es gab wochenlang nur zweimal täglich etwas zu essen und da sehr wenig. Später gab es dann Nachmittag einige Eßlöffel voll schwarzen Kaffee und wir wurden auch eingeteilt zu verschiedenen Arbeiten. Bei Nacht konnte man, gequält von Ungeziefer aller Art, nicht schlafen. Erst als wir bis zum Skelett abgemagert waren, wurde uns erlaubt, von den Angehörigen Pakete mit Eßwaren bis zu 3 kg zu empfangen.

Plötzlich brachen verschiedene Krankheiten, wie Wassersucht, Ruhr, Hunger-, Bauch- und Flecktyphus aus. Dann veranlaßte man, daß die internierten Ärzte die Behandlung aufnahmen. Leider war es zu spät, außerdem gab es keine Arzneimittel. Man sprach sogar in manchen Abteilungen von über 70% Toten. Ich selbst lag beinahe zwei Wochen bewußtlos mit hohem Fieber an Flecktyphus erkrankt.

So verbrachte ich mit mehreren Kameraden bis März 1946, einige auch noch länger, die Zeit in der grauenhaften Strafanstalt Bory. Von dort wurden wir dann in das Internierungslager nach Tremosna bei Pilsen überführt, von wo ich am 16. Juli 1946 nach bereits 14 Monaten als Kranker entlassen wurde. Mein Sohn, welcher nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft ebenfalls im Internierungslager in Tremosna war, wurde um eine Woche früher von dort entlassen, obwohl er sich beim Kreisgericht in Pilsen bemühte, mich zur gemeinsamen Aussiedlung frei zu bekommen. Dort wurde ihm wiederholt gesagt, daß ich in keinem Verzeichnis aufzufinden wäre, folgedessen keine Anzeige gegen mich vorläge.

Kurz nach meiner Verhaftung wurde meine Familie aus dem eigenen Hause vertrieben und das Haus von den Tschechen vollkommen ausgeplündert. Bei meiner Verhaftung wurde mir von einem tschechischen Gendarmen meine Taschenuhr und Taschenmesser abgenommen mit der Bemerkung, daß ich diese bei Rückkehr wieder erhalte.

Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß mein Sohn im Kreisaussiedlungslager, kurz vor dem Abtransport, verprügelt wurde u.zw. von einem tschechischen Gendarmen und wurde ihm sein Gummimantel, Lederhandschuhe und Stiefel abgenommen. Auf Grund einer Beschwerde bei dem dortigen Stabskapitän erhielt er seine Sachen wieder zurück.


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Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort