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[152]
Erstes Kapitel   (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen

B. Deutschlands Bemühen
um eine Verständigung mit Polen, 1933 bis 1939

Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins Einzelne gehende Dokumentation der Lage der Volksdeutschen in Polen als die in diesen Kapiteln gegebene finden Sie in dem Buch Die deutsche Volksgruppe in Polen 1934-39.
X. Weitere Deutsche Versuche
zur Verbesserung der Lage der Deutschen Volksgruppe
durch Deutsch-Polnische Besprechungen
(November 1937 bis März 1939)

Nr. 169
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswärtigen Amts

Berlin, den 25. November 1937

Der Polnische Geschäftsträger suchte mich heute aus anderem Anlaß auf, und ich benutzte die Gelegenheit, ihn unter Hinweis auf die vom Herrn Reichsminister dem Polnischen Botschafter Anfang November überreichte Notiz108 anläßlich der Abgabe der deutsch-polnischen Minderheitenerklärung daran zu erinnern, daß deutscherseits in dieser Aufzeichnung angeregt worden sei, regelmäßig wiederkehrende Aussprachen zwischen Vertretern beider Staaten über die in der Minderheitenerklärung behandelten Fragen stattfinden zu lassen. Auf diese deutsche Anregung sei eine Antwort noch nicht erfolgt. Diese Aussprache sollte dem Zweck dienen, die betreffenden Fragen zu entpolitisieren und im gemeinsamen Benehmen einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Unsere inneren Behörden erwögen der polnischen Minderheit gegenüber sehr positive Maßnahmen und erblickten in den vorgesehenen Aussprachen ein Instrument zur Fortführung der in der Minderheitenerklärung aufgestellten Richtlinien. Es wäre daher sehr erwünscht, wenn wir bald eine positive Antwort zu unserem Vorschlag erhalten würden, um an die praktische Arbeit herangehen zu können. Der Geschäftsträger bezeichnete dies auch seinerseits als erwünscht und versprach, demnächst eine Antwort erteilen zu wollen.109

Fürst von Bismarck




Nr. 170
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 30. Mai 1938

Die Erwartung, daß die Lage der deutschen Minderheit in Polen durch die gemeinsame Erklärung der Deutschen und der Polnischen Regierung über die Behandlung der beiderseitigen Minderheiten vom 5. November wesentliche Besserung erfahren würde, hat sich leider nicht erfüllt.

[153] In stärkerem Maße als früher ist der deutschen Volksgruppe in Polen im Verlauf des letzten halben Jahres die wesentlichste Grundlage ihrer Existenz, nämlich Grund und Boden, durch verschärfte Heranziehung zur Agrarreform sowie durch die Anwendung des seit dem 1. Juli 1937 verschärften Grenzzonengesetzes110 entzogen worden. In der Praxis wirken sich die Bestimmungen dieses Gesetzes dahin aus, daß in ganz Polnisch-Oberschlesien, im größten Teile Pommerellens und in einem erheblichen Teil der früheren Provinz Posen jeder Erwerb von Grundbesitz - auch im Erbgang - unterbunden wird. Nicht einmal Pacht- oder sonstige Nutzungsverträge werden genehmigt, wenn der Pächter oder Nutzungsberechtigte Volksdeutscher ist. Das bedeutet, daß der noch in deutscher Hand befindliche Grundbesitz, soweit er nicht schon von der Agrarreform erfaßt wird, spätestens beim Tode des jetzigen Eigentümers dem Deutschtum verlorengehen muß.

Abgesehen von der Verdrängung der Angehörigen der deutschen Volksgruppe von ihrem Grundbesitz werden deutsche Kaufleute und Unternehmer durch wirtschaftlichen Boykott brotlos gemacht, der durch den von der Polnischen Regierung geförderten Westverband organisiert wird.

Die deutsche Arbeiterschaft wird, insbesondere in Oberschlesien, mehr und mehr von ihren Arbeitsplätzen verdrängt, während gleichzeitig auf Grund der guten Beschäftigungslage der Werke nationalpolnische Arbeiter in verstärktem Maße eingestellt werden. In Ostoberschlesien waren bereits im vergangenen Jahre 70% der deutschen Arbeiter brotlos, die deutsche Jugend ist dort fast 100%ig ohne Lehrstelle.

Auf kulturellem Gebiet zeigt sich die Entdeutschungspolitik der Polnischen Regierung in der Schließung von Schulen und in wirtschaftlichem Druck auf die Eltern, die ihre Kinder in die deutsche Schule schicken.

Ich habe in allen vorerwähnten Fragen ständig bei der Polnischen Regierung nachdrückliche Vorstellungen erhoben, die weiter fortgesetzt werden, da die Polnische Regierung bisher unseren Wünschen kaum entsprochen hat. Hierbei habe ich immer wieder darauf hingewiesen, daß uns das Schicksal der deutschen Volksgruppe in Polen mit Sorge erfülle und daß die ständig unterschiedliche Behandlung der deutschen Minderheit in Polen naturgemäß eine Belastung unserer gutnachbarlichen Beziehungen zur Folge haben müsse. Ferner habe ich weisungsgemäß geltend gemacht, daß die polnische Minderheit im Reich überall in Arbeit und Brot steht, während die Deutschen in Polen trotz des auch dort erkennbaren wirtschaftlichen Aufschwungs lediglich wegen ihres Deutschtums ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt werden. Im übrigen sei der beste Beweis unseres guten Willens, auf dem Minderheitengebiet Beschwerden auszuräumen, unser wiederholter Vorschlag an die Polnische Regierung, von Zeit zu Zeit eine Aussprache von deutschen und polnischen Sachverständigen stattfinden zu lassen, eine Anregung, auf die die Polnische Regierung leider bisher nicht eingegangen sei.

Ich werde die Anregung einer Aussprache über die Minderheitenfrage weisungsgemäß weiter betreiben, würde aber dankbar sein, wenn auch seitens des Auswärtigen Amtes in gleichem Sinne auf die dortige Polnische Botschaft eingewirkt werden könnte.

von Moltke



[154]
Nr. 171
Der Reichsminister des Auswärtigen
an den Deutschen Botschafter in Warschau

Telegramm
Berlin, den 29. Juni 1938

Es wird hier ebenfalls für angezeigt gehalten, die Eingabe Polenbundes vom 2. Juni sowie dadurch verschärfte Spannung auf Minderheitengebiet zum Anlaß zu nehmen, um Polnische Regierung erneut Verhandlungen über Beschwerden beiderseitiger Minderheiten vorzuschlagen. Bitte daher tunlichst bald entsprechende Demarche bei Außenminister Beck unternehmen und hierbei folgende Gesichtspunkte verwerten:

Eingabe Polenbundes sei von Reichsregierung eingehend geprüft worden, die bereit sei, berechtigte Wünsche polnischer Minderheit zu erfüllen. Entgegenkommende Haltung Reichsregierung sei bereits in Abstellung einzelner Beschwerden sowie in Empfang polnischer Minderheitenvertreter durch Reichsinnenminister zum Ausdruck gekommen. Es könne uns aber nicht zugemutet werden, bei der weiteren Behandlung dieser Fragen Lage deutscher Minderheiten in Polen außer Betracht zu lassen, die nach unserer Auffassung weit größeren Anlaß zu Beschwerden biete. Vertreter polnischer Minderheit hätten Reichsinnenminister gegenüber zugegeben, daß sie auf wirtschaftlichem Gebiet keinerlei Anlaß zu Klagen hätten. Demgegenüber müsse festgestellt werden, daß Deutsche in Polen trotz des auch dort erkennbaren wirtschaftlichen Aufschwungs lediglich wegen ihres Deutschtums ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt würden.

Insbesondere habe negatives Ergebnis Verhandlungen Botschaft über Agrarmaßnahmen gegen deutsche Minderheit enttäuscht,111 in denen Polnische Regierung sich diskriminatorischen Standpunkt Westverbandes zu eigen gemacht habe, daß deutscher Anteil an Grundbesitz Prozentsatz deutscher Bevölkerung angeglichen werden müsse.

Auch Frage Handhabung Grenzzonenverordnung könne unmöglich auf sich beruhen bleiben, da in Kürze bereits Exmissionen deutscher Besitzer zu erwarten seien, denen Genehmigung zur Übernahme ererbter Grundstücke vor Jahresfrist versagt worden sei. Es sei zu befürchten, daß bevorstehende Vertreibung solcher Volksdeutscher von Haus und Hof ohnehin gereizte Stimmung deutscher Grenzbevölkerung auf das ungünstigste beeinflussen und wiederum zu ernsten Rückwirkungen für polnische Minderheit in Deutschland führen würde, wenn nicht rechtzeitig Abhilfe geschaffen werde.

Eine Quelle ständiger Beunruhigung deutscher Öffentlichkeit bildeten ferner fortgesetzte Entlassungen deutscher Arbeitnehmer in Ostoberschlesien sowie vom Westverband organisierter Wirtschaftsboykott. Anheimstelle auch, auf Nichterfüllung polnischer Gegenleistung für Genehmigung polnischen Gymnasiums in Marienwerder112 und auf rigoroses Vorgehen Schulbehörden gegen deutsche Schulen in Wolhynien hinzuweisen, wo von 7.500 schulpflichtigen deutschen Kindern 5.800 gar keinen oder nur mangelhaften Deutschunterricht genießen.

[155] Bitte Herrn Beck gegenüber ferner zum Ausdruck bringen, daß gespannte Lage in polnischen Westprovinzen durch Polenbund-Beschwerde und ihre Behandlung in polnischer Presse weiter verschärft worden ist. Deutsche Regierung verfolge diese Entwicklung, die unsere sonst gutnachbarlichen Beziehungen zu stören geeignet sei, mit Besorgnis und halte es für dringend geboten, ihr durch eine offene Aussprache entgegenzuwirken, um die durch Minderheitenerklärung eingeleitete Verständigung auf Minderheitengebiet fortzuführen. Sie rege daher an, die Beschwerden der Volksgruppen durch beiderseitige Sachverständige umgehend zu prüfen und nach Möglichkeit zu bereinigen.

Bitte Drahtnachricht über Aufnahme Ihrer Demarche.

Ribbentrop




Nr. 172
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 9. Juli 1938

Ich habe heute die Minderheitenfrage entsprechend der Weisung vom 29. v. M.113 bei Herrn Beck zur Sprache gebracht. Dabei wies ich besonders darauf hin, daß die Nichterfüllung der polnischen Gegenleistungen in dem Spezialabkommen über Marienwerder114 die Auswirkung der Minderheitenvereinbarung vom 5. November115 stark beeinträchtigt hätte. Die Tatsache, daß bis heute - also nach 10 Monaten - die Erlaubnis zum Weiterbau in Bromberg noch nicht erteilt worden sei, hätte naturgemäß in Deutschland den Eindruck entstehen lassen, daß auf polnischer Seite keinerlei Neigung vorhanden sei, die Grundsätze des 5. November in die Praxis umzusetzen. Ich habe ferner festgestellt, daß die Verhandlungen über die Agrarreform116 das einwandfreie Ergebnis einer differentiellen Behandlung der deutschen Minderheit gehabt hat, und ich habe schließlich mit besonderem Nachdruck dargelegt, daß die Beschwerde der polnischen Minderheit in Deutschland und die Art und Weise, in der sie von der polnischen Presse behandelt worden sei, in verschiedener Hinsicht außerordentlichen Schaden angerichtet habe. Gerade das, was wir mit der Vereinbarung vom 5. November hätten vermeiden wollen, wäre eingetreten: daß nämlich die Minderheitenfrage zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen geworden sei und daß sich hierdurch die Atmosphäre in Polen und besonders in den Minderheitengebieten außerordentlich verschlechtert habe.

Ich habe anschließend hieran festgestellt, daß wir bei der Weiterbehandlung der polnischen Minderheitenbeschwerde die Lage der deutschen Minderheit in Polen nicht außer Betracht lassen könnten und daß es uns zweckmäßig erscheine, statt uns gegenseitig in der Öffentlichkeit anzugreifen, eine freimütige [156] Aussprache über das Problem herbeizuführen. Unser Vorschlag ginge daher dahin, daß die zuständigen Referenten der beiden Innenministerien unter Assistenz von je einem Beamten der beiden Außenministerien zu periodischen Besprechungen zusammentreten möchten, um in offener Aussprache, ohne Störung durch die Presse, die verschiedenen Minderheitenprobleme zu prüfen. Wir ständen auf dem Standpunkt, daß - ebenso wie die periodischen Besprechungen in Wirtschaftsfragen und in Presseangelegenheiten ein günstiges Ergebnis gehabt hätten - auch das Problem der Minderheiten durch ein gleiches Verfahren gefördert werden könnte. Wir bäten daher die Polnische Regierung, diesen Vorschlag zu prüfen, der, wie wir hofften, dazu beitragen könnte, die durch die Minderheitenerklärung eingeleitete Verständigung weiter fortzuführen und hierdurch zugleich auch die politischen Beziehungen an einem wichtigen Punkte zu entlasten.

Herr Beck erklärte zunächst, daß er es außerordentlich bedauere, wenn die über Marienwerder getroffene Vereinbarung polnischerseits immer noch nicht restlos durchgeführt worden sei. Er habe das nicht gewußt und werde sofort das Notwendige veranlassen, damit diese Frage endlich bereinigt würde.117 Im übrigen sei auch er der Auffassung, daß die Behandlung der Minderheitenfragen durch die Presse eher schädlich als nützlich sei. Er habe seinerzeit, als die Berliner Minderheitenbeschwerde hier zu einer gewissen Pressehetze geführt habe, sofort eingegriffen, aber er gebe zu, daß es zu spät gewesen sei, um eine durchgreifende Wirkung zu erzielen. Auch er sei ein Freund offener Aussprachen und er glaube, daß das immer noch der beste Weg wäre, um in schwierigen Fragen vorwärts zu kommen. Er stehe deshalb unserem Vorschlage durchaus sympathisch gegenüber. Naturgemäß sei er nicht in der Lage, mir sofort eine definitive Antwort zu geben, da die Angelegenheit die Grenzen seines Ressorts überschreite. Er werde aber sobald als möglich - in der nächsten Woche ginge es wegen seiner Reise nach Riga leider noch nicht - dem Ministerpräsidenten, der ja gleichzeitig Minister des Innern sei, darüber Vortrag halten, und er könne mir schon heute zusagen, daß er unseren Vorschlag befürworten werde. Er behalte sich vor, zu gegebener Zeit darauf zurückzukommen.

Wenn die bisher ablehnende Haltung gegenüber dem Gedanken einer Minderheitenkommission sich anscheinend zu wandeln beginnt, so liegt das wohl daran, daß wir unsere Aktion diesmal in einem besonders günstigen Zeitpunkt eingeleitet haben. Das polnische Versagen in der Frage des gentlemen-agreement118 schien Herrn Beck doch recht unangenehm zu sein. Ebenso hatte er wohl auch selbst das Empfinden, daß die im Zusammenhang mit der polnischen Minderheitenbeschwerde eingeleitete Presseaktion nicht im Einklang mit den Absichten stand, die zu der Abmachung vom 5. November geführt haben. Auch die Tatsache, daß in der Frage der Agrarreform der polnische Verstoß gegen die Minderheitenerklärung einwandfrei feststeht, dürfte mit dazu beigetragen haben, Herrn Beck zu der Überzeugung zu bringen, daß in der Frage der Minderheiten jetzt eine freundliche Geste uns gegenüber notwendig sei. Im übrigen wird es sich aber empfehlen, die Erwartungen hinsichtlich einer grundsätzlichen Änderung der polnischen Minderheitenpolitik nicht zu hoch zu spannen.

von Moltke



[157]
Nr. 173
Der Deutsche Geschäftsträger in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 19. Juli 1938

Der Kabinettschef des Polnischen Außenministeriums Graf Łubieński bat mich gestern zu sich und teilte mir mit, daß Herr Beck, der für eine Woche auf Urlaub gegangen sei, ihn beauftragt habe, mir die Antwort auf den Vorschlag des Botschafters von Moltke betreffend den Zusammentritt einer Minderheitenkommission zu übermitteln. Die Antwort, die Graf Łubieński mir aus seinen Notizen vorlas, hat folgenden Wortlaut: "Die Polnische Regierung lehnt im Prinzip den Vorschlag des Kontaktes der Vertreter der inneren Verwaltungen der beiden Länder im Rahmen des Vorschlages von Herrn von Moltke nicht ab".

Wie schon aus der Fassung der Antwort hervorgeht, legt das Polnische Außenministerium Wert darauf, kein zu großes Empressement in dieser Angelegenheit zu zeigen. Auf meine Frage, wie er sich die weitere Entwicklung vorstelle, meinte Graf Łubieński, daß man wohl an Besprechungen im Laufe des Herbstes denke, nähere Mitteilungen könne er mir aber im jetzigen Stadium noch nicht machen.119

von Wühlisch




Nr. 174
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Telegramm
Warschau, den 11. Februar 1939

Entsprechend Weisung dortigen Telegramms vom 6. Februar war Polen mitgeteilt worden, daß für Minderheitenverhandlungen mit Einhaltung des von ihnen selbst vorgeschlagenen Termins vom 13. Februar gerechnet wird und daß wir erwarteten, Verhandlungsbasis nicht durch vollendete Tatsachen, insbesondere hinsichtlich Namensliste zur Agrarreform gestört zu sehen. Schon die Aufnahme dieser Mitteilung ließ erkennen, daß entgegen den bisher gegebenen Zusicherungen die Namensliste120 unseren der Polnischen Regierung mitgeteilten Wünschen voraussichtlich nur wenig Rechnung tragen wird. Heute ist nunmehr vom hiesigen Außenministerium mitgeteilt worden, daß die polnischen Vertreter erst am 16. oder 17. Februar in Berlin sein könnten, womit offenbar der Zweck verfolgt wird, die Minderheitenverhandlungen erst nach dem gesetzlichen Termin für Aufstellung der Namensliste (15. Februar) beginnen zu lassen. Es ist darauf erneut dem Polnischen Außenministerium mitgeteilt worden, daß wir bitten müßten, uns in Frage Agrarreform nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, worauf Sachbearbeiter ausweichend antwortete, [158] daß ihm Termin Veröffentlichung Namensliste nicht bekannt sei, daß er aber nach wie vor bemüht bleibe, unseren Wünschen Geltung zu verschaffen.121

Die Behandlung dieser Frage sowie auch sonstige Anzeichen lassen leider erkennen, daß die polnischen Ressorts nur mit innerem Widerstreben an die Minderheitenverhandlungen herangehen.

Moltke




Nr. 175
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswärtigen Amts
Berlin, den 28. Februar 1939

In den gestern nachmittag aufgenommenen deutsch-polnischen Minderheitenverhandlungen wurde zunächst der polnischen Seite ein Arbeitsprogramm vorgeschlagen und von dieser angenommen. Heute wurde sodann in die Besprechung der Punkte I (Grenzzonenfragen122) und II (Agrarreformfragen123) eingetreten.

Die Polnische Delegation zeigte äußerst wenig Bereitwilligkeit, in der Grenzzonenfrage zu konkreten Abreden zu gelangen.

Eine Besprechung der Agrarreform in dem Minderheitenausschuß bezeichnete die Polnische Delegation als nicht angebracht, da entsprechende Erörterungen bereits zwischen der Deutschen Botschaft in Warschau und dem Polnischen Außenministerium schwebten.124

Die Verhandlungen werden morgen vormittag fortgesetzt werden. Polnischerseits wurde die Absicht geäußert, schon morgen (1. 3. 39) abends nach Warschau zurückzukehren. Es wird versucht werden, die polnischen Herren zu weiterem Bleiben zu veranlassen, da eine grundsätzliche Erörterung des gesamten Programms in dieser kurzen Zeit unmöglich ist.

Bergmann




Nr. 176
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau

Telegramm
Berlin, den 4. März 1939

Deutscherseits wurde polnischen Vertretern gestern Abend folgendes Schlußcommuniqué vorgeschlagen:

"In der Zeit vom 27. Februar bis zum 3. März fand in Berlin die erste Aussprache zwischen Vertretern der Deutschen und der Polnischen Regierung über Fragen der deutschen Volksgruppe in Polen und der polnischen Volks- [159] gruppe im Reich statt. Die Besprechungen boten den Vertretern der deutschen und polnischen inneren Verwaltungen Gelegenheit zu einer unmittelbaren Fühlungnahme. Hierbei wurden die grundsätzlichen Fragen und einzelne Wünsche auf allen die Volksgruppen betreffenden Gebieten eingehend erörtert. Es bestand Einvernehmen darüber, daß diese Fragen und Wünsche durch die zuständigen Regierungen entsprechend dem beiderseitigen guten Willen geprüft werden sollen, um den berechtigten Interessen der Volksgruppen Rechnung zu tragen.

Die Besprechungen werden alsbald fortgesetzt werden."

Polnische Vertreter haben sich mit Wortlaut einverstanden erklärt mit Ausnahme letzten Satzes, für den sie folgende Fassung vorschlagen:

"Die Besprechungen werden wieder aufgenommen werden."

Botschafter Lipski hat heute Stellungnahme polnischer Vertreter gebilligt mit der Begründung, daß deutsche Formulierung Schlußsatzes Beunruhigung Volksgruppen hervorrufen könne.

Da auf Grund polnischer Haltung in hiesigen Besprechungen bestimmter Eindruck besteht, daß Polen sich weiterer Aussprache über Minderheitenfragen im Ausschuß entziehen wollen, bitte im Auftrage Reichsaußenministers, Herrn Beck um Einverständnis mit deutschem Text ersuchen. Bitte hierbei ausführen, daß Begründung Lipskis Befremden Reichsaußenministers hervorgerufen habe, da bei Vereinbarung Besprechungen in Warschau ausdrücklich alsbaldige Fortsetzung der Ausschuß-Besprechungen verabredet worden sei, um positive und konkrete Ergebnisse zu erzielen.

Bitte Drahtbericht.

Weizsäcker




Nr. 177
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Telegramm
Warschau, den 10. März 1939

Wegen Schlußsatzes Communiqué zu Minderheitenbesprechungen habe ich weisungsgemäß bei Herrn Beck interveniert. Herr Beck, der Inhalt Gesprächs mit Reichsminister bestätigte, war über Einzelheiten Communiqués nicht orientiert und stellte baldige Antwort in Aussicht. Im Auftrage des Ministers hat heute Kabinettschef Łubieński folgenden Vorschlag unterbreitet:

    1. Communiqué wird mit von polnischen Vertretern vorgeschlagenem Schlußsatz veröffentlicht.

    2. Kabinettschef gibt im Namen Außenministers Erklärung ab, daß Besprechungen unmittelbar nach Bekanntgabe Ergebnisses deutscher Volkszählung (also wohl Anfang Juni) wieder aufgenommen werden.

    3. Sollte dieser Vorschlag in Berlin nicht befriedigen, so wäre Außenminister Beck auch bereit, Angelegenheit noch einmal mit Polnischem Ministerpräsidenten zu besprechen. Persönlich bemerkte Graf Łubieński hierzu, [160] daß Widerstände im Innenministerium gegen unsere Fassung Schlußsatzes groß seien, da man sich über Zweckmäßigkeit Minderheitenbesprechungen noch kein endgültiges Urteil gebildet habe.

Ich möchte annehmen, daß, wenn wir auf erneute Befassung Ministerpräsidenten bestehen, es gelingen würde - allerdings nicht ohne Zeitverlust - eine unseren Wünschen mehr entsprechende Fassung Schlußsatzes durchzusetzen. An polnischer Einstellung hinsichtlich Zeitpunktes nächster Besprechung würde hierdurch aber nichts geändert werden.125

Moltke




Nr. 178
Der Reichsminister des Innern an das Auswärtige Amt
Berlin, den 4. März 1939

Die Verhandlungen über Minderheitenfragen, die am 27. Februar unter meiner Leitung mit den Vertretern der Polnischen Regierung begonnen wurden, sind gestern zum Abschluß gelangt. Ein ausführliches Protokoll über den Verlauf der Besprechungen werde ich demnächst übersenden.

Die Verhandlungen haben leider ein durchaus unbefriedigendes Ergebnis gehabt. Die Polen denken nicht daran, ihre Politik gegenüber der deutschen Volksgruppe irgendwie zu ändern. Sie mögen auf weniger wichtigen Gebieten zu kleinen Zugeständnissen bereit sein, in den das Leben der deutschen Volksgruppe berührenden Fragen sind sie jedoch bestrebt, ihre bisherige Entdeutschungspolitik mit allem Nachdruck fortzusetzen.

Im Auftrag
Vollert




108Vgl. Nr. 104, Anlage. ...zurück...

109Am 12. Januar 1938 teilte der Polnische Geschäftsträger mit, daß die deutscherseits angeregten periodischen Aussprachen von beiderseitigen Regierungsvertretern über Minderheitenfragen polnischerseits als verfrüht angesehen würden. ...zurück...

110Vgl. Nr. 88, Anlage, S. 93, Anm. [54]. ...zurück...

111Vgl. Nr. 160, Anm. [99]. ...zurück...

112Vgl. Nr. 111, 114, 115, 117 und 135. ...zurück...

113Vgl. Nr. 171. ...zurück...

114Vgl. Nr. 111, 114, 115, 117 und 135. ...zurück...

115Vgl. Nr. 101. ...zurück...

116Vgl. Nr. 160, Anm. [101] S. 146, Nr. 162 und Nr. 166, S. 149 Anm. [105]. ...zurück...

117Zu einer endgültigen Regelung der Angelegenheit ist es nicht gekommen. ...zurück...

118Vgl. Nr. 111, 114, 115, 117 und 135. ...zurück...

119Im Laufe der nächsten Monate ist die Botschaft noch wiederholt, aber immer vergeblich, auf die Angelegenheit zurückgekommen. Gelegentlich der Anwesenheit des Reichsministers des Auswärtigen in Warschau im Januar 1939 hat dieser die Frage der Minderheitenkommission erneut zur Sprache gebracht, worauf dann endlich eine Zusage erfolgte. Vgl. Nr. 202. ...zurück...

120Vgl. Nr. 162. ...zurück...

121Tatsächlich erschien am 15. Februar eine Namensliste, die wiederum in völligem Widerspruch zu den Zusagen der Minderheitenerklärung stand. Vgl. Nr. 163 ff. ...zurück...

122Vgl. Nr. 88, Anlage S. 93, Anm. [54]. ...zurück...

123Vgl. Nr. 156 ff. ...zurück...

124Vgl. Nr. 166. ...zurück...

125Von der Veröffentlichung eines Communiqués mußte abgesehen werden, da eine Einigung über die Fortsetzung der Verhandlungen nicht zu erzielen war. ...zurück...


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