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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 10: Nachrichtenwesen und Aufklärung   (Forts.)
Oberst Walter Nicolai

4. Der militärische Pressedienst.

Der Generalstab stand im Frieden in keiner Verbindung zur Presse. Wohl suchten hervorragende Vertreter der Presse den Chef des Generalstabs oder einzelne Ressortschefs auf, um sich über diese oder jene Frage zu informieren; auch beteiligten sich einzelne Generalstabsoffiziere an der Behandlung militärischer Fragen in der Presse. Weiter wurden die hauptsächlichsten deutschen Tageszeitungen im Generalstab verfolgt. Aber eine Stelle, welche den Verkehr mit der Presse dienstlich zu pflegen hatte, bestand nicht. Es sei denn, daß die Führung der Pressevertreter in den Kaisermanövern hierzu gerechnet wird, die alljährlich dem Chef der Abteilung III B zufiel.

Dem Kriegsministerium hatte der Reichstag bei der großen Heeresvorlage im Jahre 1913 die beantragte Presseabteilung abgelehnt. Es verfügte daher bei Kriegsausbruch nur über einen Pressereferenten, den Major Deutelmoser. Beim Reichsmarineamt war ein Pressedienst vorhanden, der sich in Vertretung der Flottenvorlagen Sachkenntnis erworben und durch Geschicklichkeit ausgezeichnet hatte. Dies war nicht ohne Eifersucht politischer Stellen geschehen, die deshalb das Bestreben des Kriegsministeriums, gleichfalls eine Presseabteilung zu erhalten, nicht unterstützt hatten. Die verschiedenen Reichs- und Staatsministerien beobachteten gleichfalls nur durch Pressereferenten die Presse und vertraten durch sie die Interessen des eigenen Ressorts. Nur das Auswärtige Amt verfügte in seiner Nachrichtenabteilung über einen Pressedienst größeren Umfangs. An der Spitze stand bei Kriegsausbruch der Geheimrat Hamann. Auch er versah in erster Linie die Aufgaben des eigenen Amtes, d. h. die Interessen der auswärtigen Politik. Eine gemeinsame Leitung der Pressereferenten der einzelnen Behörden durch ihn fand nicht statt. Die Beobachtung der ausländischen Presse wurde nicht vereinigt durch die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes, sondern, wie auch im Generalstab, von den einzelnen Auslandsabteilungen ausgeübt.

Die Presse selbst hatte nur wirtschaftliche Zweckverbände, mit denen die großen, die mittleren und die kleinen Zeitungen in wirtschaftlicher Konkurrenz standen. Als politisch zusammengeschlossen im Anschluß an die Partei konnte [497] nur die Presse der Sozialdemokratie und die des Zentrums gelten. Als demokratische Blätter waren Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung führend und infolge ihrer Kapitalskraft völlig selbständig. Die Rechtspresse war zahlreich, aber gerade deshalb häufig wenig kapitalkräftig und in gegenseitiger Konkurrenz. Jeder politische Zusammenschluß fehlte ihr. Die amtliche Presseleitung, die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes, bevorzugte fast ausschließlich die im Ausland verbreiteten, meist demokratischen und sozialdemokratischen Zeitungen. Es fehlte an einer Stelle, welche der Presse als innerpolitischem Machtfaktor ihr Interesse zuzuwenden verpflichtet war.

Unter diesen Umständen waren ausreichende Mobilmachungsvorarbeiten von keiner Seite getroffen worden. Das vom Reichskanzler in Verbindung mit dem Generalstab für den Kriegsfall vorbereitete "Merkblatt für die Presse" enthielt hauptsächlich einschränkende Bestimmungen als Grundlage der Zensur, begnügte sich in positiver Richtung aber mit allgemeinen Hinweisen. Der Generalstab empfand den Mangel ausreichender Verbindung zur Presse schon in den der Mobilmachung unmittelbar voraufgehenden Perioden der politischen Spannung und drohenden Kriegsgefahr und erst recht bei Ausspruch der Mobilmachung. Generaloberst v. Moltke sprach sich am 2. August 1914 dahin aus, daß eine enge Verbindung zwischen Kriegsleitung und Presse notwendig sei. Er bezeichnete die Presse als ein unentbehrliches Mittel der Kriegführung und befahl dem Chef der Abteilung III B, einen Pressedienst für die Oberste Heeresleitung herzustellen.

Die Interessen des Generalstabs bestanden in der Wahrung des militärischen Geheimnisses durch die Presse, in der umfassenden Unterrichtung der Presse über den Gang der militärischen Ereignisse und in der Berichterstattung über die Presse an den Generalstab. Besonders die beiden ersten Aufgaben waren dringend. Am 3. August 1914 fand eine Besprechung hierüber mit den auf Aufforderung des Generalstabs erschienenen Vertretern der Presse im Reichstag statt. Sie wurden an die militärische Geheimhaltung erinnert und unterrichtet, wie die Berichterstattung durch den Generalstab beabsichtigt war. Die Ausführungen hierüber schlossen: "Wir werden nicht immer alles sagen können. Aber was wir Ihnen sagen werden, ist wahr." Dies Wort haben Generaloberst v. Moltke und seine Nachfolger gehalten.

Die Sorge für die militärische Geheimhaltung fiel der Zensur zu. Sie wurde in der Heimat von den stellvertretenden kommandierenden Generalen und Festungsgouverneuren ausgeübt. Soweit sie im Felde notwendig war, lag sie in der Hand der jeweils interessierten Befehlshaber. Die so von vielen Stellen getrennt und darum verschieden ausgeübte Zensur führte sehr bald unerträgliche Zustände für die Presse herbei und zeitigte sich häufende Anfragen an den Generalstab über Auslegung der Bestimmungen und Verhaltungsmaßregeln im Einzelfall. Die Zensur der Presse war von jeher eine [498] undankbare Aufgabe. Jede Stelle, besonders der in erster Linie zuständige Reichskanzler, aber auch das Kriegsministerium, beide aus Rücksicht auf ihre parlamentarische Abhängigkeit, scheuten sich deshalb, sich mit ihr zu belasten. Auch aus der Presse erstanden nur Kritiker, aber keine zur Verantwortung bereiten Mitarbeiter. Dabei war Einheitlichkeit sowohl im Interesse der Presse wie aus sachlichen Gründen unbedingt geboten. Die Entwicklung forderte Handeln. Der Generalstab schuf deshalb in der seinem Pressedienst angegliederten "Oberzensurstelle" das Instrument, das allen politischen und militärischen Ressorts als ausführendes Organ in Zensurfragen zur Verfügung stand.

Für die Berichterstattung war ein täglicher Heeresbericht und für seine Übermittlung an die Presse das Wolffsche Telegraphenbureau in Aussicht genommen. Seine Ergänzung sollte er finden durch Kriegsberichterstatter, die von der Presse vorgeschlagen wurden, deren Anzahl aber von vornherein beschränkt sein mußte. Erweitert wurde die Auskunfterteilung an die Presse durch regelmäßige Wiederholung jener ersten Zusammenkunft von Pressevertretern im Reichstag, denen hier weiterer Aufschluß, auch vertraulicher Art, über die militärischen Vorgänge und Antwort auf Fragen erteilt wurde. An diesen "Pressebesprechungen" beteiligten sich von Anfang an das Kriegsministerium und die Marine, späterhin auch die politischen Behörden, so daß sie der Mittelpunkt der amtlichen Auskunfterteilung überhaupt wurden.

Auf diesen vom Generalstab geschaffenen Grundlagen baute sich allmählich ein Pressedienst auf, der im Herbst 1915 als "Kriegspresseamt" seine abschließende Form fand. Das Kriegspresseamt gliederte sich in eine Abteilung für die Inlandspresse, in eine solche für die Auslandspresse und in die Oberzensurstelle. Im Laufe der späteren Entwicklung trat noch eine Abteilung für Propaganda in Deutschland hinzu. Die Weisungen der Obersten Heeresleitung vermittelte dem Kriegspresseamt der Chef der Abteilung III B im Großen Hauptquartier.

Diese Entwicklung war im wesentlichen abgeschlossen, als Generalfeldmarschall v. Hindenburg und General Ludendorff die Oberste Heeresleitung übernahmen. Sie würdigten, wie ihre Vorgänger, die Bedeutung der öffentlichen Meinung in Deutschland und förderten darum den Ausbau des Pressedienstes. In Erkenntnis dessen, daß er in militärischer Hand unvollkommen bleiben mußte, nahmen sie mit Nachdruck, aber erfolglos, die Forderung auf, daß der Reichskanzler die Führung der öffentlichen Meinung übernehmen müsse. Aus Scheu vor den einer tatkräftigen Kriegführung abgeneigten politischen Parteien hat sich keiner der Reichskanzler hierzu entschlossen. Erst als die Führer dieser Parteien in das Kabinett eintraten, übernahm im Oktober 1918 der Staatssekretär Erzberger den von ihm seit langem bekämpften amtlichen Pressedienst. Die Einzelheiten dieser Entwicklung sind in dem bei E. S. Mittler, Berlin, erschienenen Buch Nachrichtendienst, Presse und Volks- [499] stimmung im Weltkrieg dargestellt. Im Rahmen des vorliegenden Werkes liegt nur der Pressedienst beim Feldheer.

Generalfeldmarschall v. Hindenburg hatte für die Presse großes Interesse und würdigte ihre Bedeutung im Kriege. Er erkannte ihre Verdienste und ihre durch die mangelhafte politische Führung entstandene schwierige Lage an. Ihr Versagen empfand er schmerzlich. Leichtfertige Verstöße gegen die Interessen der Kriegführung tadelte er scharf. Das zaghafte Auftreten der Behörden in der Heimat gegen schädliche Blätter verstand er ebensowenig wie den Verzicht auf die Führung der weit überwiegenden Mehrzahl derjenigen Blätter, die bereit waren, zur siegreichen Beendigung des Krieges beizutragen. Er wie General Ludendorff hielten sich dabei frei von Parteilichkeit.

General Ludendorff verlangte, nachdem seine erste Hoffnung auf Lösung der Aufgabe durch die Reichsregierung enttäuscht war, tatkräftiges Handeln wenigstens auf dem Gebiet des eigenen Pressedienstes. Er forderte, durch ihn schnell, kurz und umfassend über die Haltung der Presse unterrichtet zu werden, Aufmerksamkeit auf der Kriegführung drohende Gefahren und rechtzeitige Vorschläge für ihre Abwendung. Die größte Gefahr sah er in einem ungünstigen Einfluß der Presse auf die Kampfkraft der Truppen und in weiterem Umfang auf den Kriegswillen der Heimat. Einen Unterschied in der Bewertung für Heimat und Heer erkannte er nicht an, beides erachtete er als eins. Er legte Wert darauf, daß das Kriegspresseamt Einfluß weit mehr durch Aufklärung als durch die Zensur suchte. Er wünschte möglichst wenige, aber wohlüberlegte Anordnungen für die Zensur, forderte dann jedoch ihre strenge Durchführung. Durch die Beschäftigung mit politischen Fragen, die seine Stellung ihm auferlegte, wünschte er nicht in die öffentliche politische Erörterung gezogen zu werden. Er verlangte ein Einschreiten, wo dies geschah, und mußte bei politischen Behörden mehrfach in dieser Richtung vorstellig werden. Er war der Ansicht, daß er den Standpunkt der Obersten Heeresleitung zu politischen Fragen nur den Behörden gegenüber zu vertreten habe, lehnte jede öffentliche Stellungnahme ab und hat niemals durch den militärischen Pressedienst seine eigenen politischen Ansichten vertreten oder fördern lassen, es sei denn, daß er genötigt war, entstellenden Behauptungen entgegenzutreten. In diesem Falle geschah es offen unter des Generalfeldmarschalls oder seinem Namen. Das politische Spiel in der Presse war seiner offenen Art zuwider. Jedem Besucher aus Pressekreisen gegenüber beanspruchte er das persönliche Recht der freien Aussprache seiner persönlichen Ansichten.

Hiermit hielt auch der Generalfeldmarschall nicht zurück. Er wurde, wie den Reichsbehörden so auch der Öffentlichkeit gegenüber, nicht müde, zur Einigkeit und Entschlossenheit zu mahnen. Neben seiner Verantwortung gab ihm das allgemeine Vertrauen in seine Persönlichkeit ein Recht darauf. Jeden zustimmenden Gruß aus der Heimat wollte er beantwortet haben. Die Be- [500] arbeitung fiel verschiedenen Abteilungschefs zu. Der Generalfeldmarschall prüfte vor Absendung und hielt auf Klarheit und Offenheit des Standpunktes. Der Veröffentlichung seiner Antworten in der Presse stand er und der Pressedienst der Obersten Heeresleitung fern. Gegen Besuche von Pressevertretern verhielt der Generalfeldmarschall sich zurückhaltend. Das Getriebe der Presse lag ihm fern. Er scheute die Sensationslust und wollte persönlich nicht ihr Opfer werden. Zu unmittelbarem Verkehr mit der Presse war er nur bereit, wenn er überzeugt war, durch sie der Kriegführung zu nützen.

General Ludendorff hielt sich verpflichtet, jedem Gesuch nach persönlicher Auskunft, das aus Pressekreisen an ihn herantrat, sich zur Verfügung zu stellen, soweit die Zeit es ihm erlaubte. Zu Interviews war auch er schwer zu haben. Kritik, die ihm in der Presse entgegentrat, nahm er sehr ernst. Ebenso beachtete er Angriffe nur, soweit sie ihn in die Politik zogen oder das Vertrauen zur Obersten Heeresleitung mindern mußten. Persönlich waren sie ihm gleichgültig. Anerkennung durch die Presse freute ihn, ohne daß er sie suchte. Er sah darin eine Stärkung der Kriegführung und einen berechtigten Ausgleich für die Verantwortung, die ihm in zunehmendem Umfang vor der Öffentlichkeit zugeschoben wurde. Es war angeordnet, daß jedes Urteil und jede Erwähnung der Obersten Heeresleitung in der deutschen und in der Auslandspresse, ob Angriff, Anerkennung oder Ratschlag, zu melden sei.

Der Generalfeldmarschall las die Blätter seines persönlichen Geschmacks. Außerdem, wie die meisten Offiziere im Großen Hauptquartier, diejenige Zeitung, die am schnellsten aus der Heimat eintraf. General Ludendorff fand seiner Arbeitslast wegen nur Zeit für die letztere. Er erhielt aber einen täglichen gedruckten Auszug aus der deutschen Presse und auf Grund telegraphischer Berichterstattung des Kriegspresseamts täglichen Vortrag durch den Chef der Abteilung III B über das Wesentliche. Für die Auslandspresse fand er kaum Zeit. Er wandte ihr aber lebhaftes Interesse zu und unterschätzte ihre Bedeutung für die Kriegführung nicht. Die deutsche Presse lag ihm aber in jeder Beziehung näher. In ihr sah er in erster Linie eine Helferin zur siegreichen Beendigung des Krieges.

Die Unterrichtung S. M. des Kaisers aus der Presse war nicht Aufgabe des Pressedienstes der Obersten Heeresleitung. Sie geschah durch Vermittlung der in der Allerhöchsten Umgebung befindlichen Vertreter der Ressorts. Der Kaiser bewies für die Presse, auch für die ausländische, lebhaftes Interesse und nahm durch Anregungen zu den militärischen Ereignissen am Pressedienst der Obersten Heeresleitung dauernd Anteil. Besonders lebhaft trat Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz als Heeresgruppenführer für die Wahrung der militärischen Interessen durch die Presse und für die Darstellung der Kämpfe der ihm unterstellten Truppen ein. Ebenso war es bei den anderen, für den Geist der Truppen verantwortlichen Kommandostellen.

[501] Bei ihrer ersten und eigentlichen Aufgabe, der Berichterstattung durch die Presse, stellte die Oberste Heeresleitung sich von vornherein auf den Standpunkt, daß die Mitteilung operativer Vorgänge ausschließlich ihre eigene Aufgabe sei und in keiner Weise durch irgendwelche Organe der Presse erweitert werden dürfe.

Die amtliche Berichterstattung war zunächst auf den Heeresbericht beschränkt. Er wurde zuerst vom Generalquartiermeister v. Stein, nach seinem Ausscheiden aus dieser Stellung vorübergehend von der Abteilung III B und dann bis zum Kriegsende von der Operationsabteilung aufgestellt. Die Abteilung III B erhielt ihn zur Ausgabe an die Presse, die über den stellvertretenden Generalstab, seit 1917 über das Kriegspresseamt erfolgte. Es war nicht leicht, das Bedürfnis der Presse für gleichmäßige, rechtzeitige und zweckmäßige Zustellung des Heeresberichts zu befriedigen. Schließlich bildete sich als bestes Verfahren heraus, diesen vormittags gegen 11 Uhr abzuschließen, so daß er in den Abendzeitungen erschien und ihn - seit Oktober 1916 - in der Nacht durch eine kurze Meldung über den Tagesverlauf für die Morgenblätter zu ergänzen. Gleichzeitig wurde er funkentelegraphisch an den Fronten verbreitet und auf demselben Wege dem Gegner bekannt. Auf die gegnerische Darstellung der Ereignisse einzugehen, war nur in seltenen Fällen möglich. Dagegen unterließ der Gegner nicht, seine Heeresberichte auf die deutschen einzustellen. Er war dazu in der Lage, weil er Heeresberichte nach Bedarf, meist zwei bis drei täglich, veröffentlichte. Aber nicht nur dieser Umstand zwang, auf eine Konkurrenz mit den feindlichen Berichten von vornherein zu verzichten. Vor allem war es die Länge der Front, über die berichtet wurde, die zur Einschränkung zu deutschen Ungunsten führte. Während der englische Heeresbericht zeitweise nur über eine englische Front von 135 km zu melden hatte, mußte der deutsche die Vorgänge an der 2400 km langen Front, an der deutsche Truppen kämpften, umfassen. Während die einzelnen Heeresberichte der Gegner also auf Einzelheiten eingehen, den Kampf um einzelne Gehöfte, Waldstücke und Höhen in ihrem Sinne verwerten konnten, mußte der deutsche sich auf das Allgemeine und das Gesamtergebnis beschränken. Dies verlieh den feindlichen Heeresberichten oft starke propagandistische Wirkung und erweckte den Eindruck des Verschweigens auf deutscher Seite. Konnte der Heeresbericht auf Einzelheiten eingehen, so war es selbstverständlich, daß der verfügbare Raum den berechtigten Anspruch der Truppen befriedigte, ihre Heldentaten erwähnt zu finden. Dadurch entstand, als der Hang zur Kritik in der Heimat sich mehrte, leicht der Eindruck einseitiger Übertreibung. Es sei noch darauf hingewiesen, daß eine falsche Darstellung schon aus dem Grunde unmöglich war, weil die beteiligten Truppen den Heeresbericht erhielten. Irrtümer in der ersten Meldung von vorn über den Verlauf der Kämpfe sind vorgekommen und in den Heeresbericht übernommen. Sie ausdrücklich nach- [502] träglich festzustellen, war unnötig, da die weiteren Berichte sie von selbst erkennen ließen. In vielen Fällen konnte aus Rücksicht auf den Feind zu Vorgängen, die seine Berichte schon brachten, noch nichts gesagt werden. Über verlorene Gefangene, Geschütze und anderes Ungünstige brauchte der deutsche Heeresbericht so lange nichts zu enthalten, als die Veröffentlichung der feindlichen Heeresberichte in der deutschen Presse zugelassen war. Daß wir den eng bemessenen Raum auf die Erfolge der deutschen Waffen verwandten, war um so mehr geboten, als der Gegner seine Erfolge in einer Weise hervorhob, die dem endgültigen Ausgang aller Kämpfe nicht entsprach.

Die schädliche propagandistische Wirkung der feindlichen Heeresberichte auf das Inland und die deutsche Sache im Ausland gab Veranlassung, vom Jahre 1918 an den Heeresbericht durch einen täglichen amtlichen Wolff-Kommentar zu ergänzen.

Über den Heeresbericht, die Veröffentlichung der feindlichen Berichte und die Wiedergabe derjenigen der Verbündeten bestand dauernd Fühlung mit diesen. Wien war in bezug auf die Darstellung in der deutschen Presse empfindlich, ohne daß in der österreich-ungarischen Presse den Verdiensten der deutschen Waffen um die gemeinsame Sache immer ausreichend Rechnung getragen wurde. Dies erregte besonders den Unwillen der unter österreich-ungarischem Oberbefehl kämpfenden deutschen Truppen, die zumeist auf das Lesen der Presse dieses Verbündeten angewiesen waren. Die Oberste Heeresleitung machte sich zum Anwalt dieser Beschwerden. Im übrigen war sie frei von Empfindlichkeit und suchte das Bündnis auch durch die amtliche Berichterstattung zu fördern.

Die amtliche Berichterstattung an die Presse wurde späterhin durch zusammenhängende größere und fortlaufende Darstellung bei der Pressebesprechung durch das Kriegspresseamt ergänzt. In einzelnen Fällen, in denen zu erwarten war, daß freiwillige Maßnahmen der Obersten Heeresleitung vom Gegner als unter dem Druck seiner Waffen geschehen hingestellt werden würden, wie bei der Preisgabe von Geländeteilen vor Verdun und der Siegfriedbewegung, wurde die Presse vorher vertraulich unterrichtet, um die Freiwilligkeit der Operation vertreten zu können, wenn der Heeresbericht sie bekanntgab.

Amtliche Unterstützung fand der öffentliche Einblick in die Verhältnisse auf dem Kriegsschauplatz schließlich in der Förderung zahlreicher Reisen von Pressevertretern und Abgeordneten, bei denen nicht nur die Oberste Heeresleitung, sondern Oberkommandos, Truppenstäbe und die Truppen selbst besucht wurden. Offiziere der verbündeten Armeen waren ständig und bis zuletzt an den deutschen Kampffronten kommandiert. Spanische, Schweizer, niederländische, schwedische, norwegische und dänische Offiziere oder Offizierabordnungen, auch eine Abordnung schwedischer Unteroffiziere wurden an die Fronten [503] zugelassen oder eingeladen und damit die Berichterstattung im Ausland durch Sachverständige vervollständigt und erhärtet. Wie wenig dies dem Gegner genehm war, ging daraus hervor, daß eine chilenische Offizierabordnung, die ihren Weg nach Deutschland über Paris nahm, nicht über Frankreich hinaus gelangte.

Die beim deutschen Feldheer zugelassenen Militärattachees neutraler Staaten waren die ständigen Beobachter und Berichterstatter an ihre Regierungen. Die Wahrnehmung ihrer Interessen war dem Chef der Abteilung III B übertragen. Das Attacheequartier hatte zu Beginn des Krieges seinen Sitz am Standort der Obersten Heeresleitung. Späterhin, als der Schwerpunkt des Kampfes sich von der Westfront auch auf andere Fronten verlegte, siedelte es nach Berlin über. Von hier aus unternahmen die Militärattachees unter Führung eines ihnen ständig zugeteilten Offiziers Reisen an den Ort der jeweils stattfindenden Schlachten. Durch Kommandos einzeln zur Front wurde ihnen auch Einblick in den Dienst der Truppen und das sie besonders interessierende und von ihnen als vorbildlich und einzig dastehend bezeichnete Verhältnis zwischen Offizier und Mann bei der deutschen Armee gegeben. Ihrem Wunsch, an Kämpfen in der Front selbst teilzunehmen, konnte aus Rücksicht auf ihre persönliche Sicherheit nicht stattgegeben werden. Es ist bezeichnend, daß die Oberste Heeresleitung noch Ende September 1918 einer stärkeren schwedischen Offizierabordnung den Besuch der Kampffront im Westen gestattete. Auf der Rückkehr von dort Gäste des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg in Spa, gaben sie ihrer Zuversicht Ausdruck, daß das deutsche Feldheer, wie sie es vorn gesehen hatten, imstande sein werde, den Kampf mit dem Gegner erfolgreich zu bestehen. Selbst noch Mitte Oktober 1918 gestattete die Oberste Heeresleitung den neutralen Militärattachees eine Reise zu den fechtenden Truppen. Sie bestätigten, daß die Eindrücke, die sie dort gewonnen, wesentlich stärkere seien als die von der Entwicklung der Dinge in Deutschland. Vertreten waren durch Militärattachees Argentinien, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Italien, die Niederlande, Nordamerika, Norwegen, Peru, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien. Ein Teil der genannten Staaten schied mit ihrem Übertritt zur Entente aus. Die Militärattachees der Verbündeten waren dem Großen Hauptquartier besonders zugeteilt. Ihre Tätigkeit wurde durch die Ernennung von Militärbevollmächtigten wesentlich erweitert. Auch die Botschaft der russischen Räterepublik drängte 1918 sehr auf die Zulassung ihres Militärattachees, eines ehemals kaiserlich russischen Generalstabsoffiziers. Seine Zulassung wurde aber angesichts des vertrauensvollen Verhältnisses, das zwischen Militärbehörden und neutralen Militärattachees herrschte, und angesichts der revolutionären Propaganda der russischen Botschaft abgelehnt.

Die Zulassung ausländischer Journalisten erfolgte zuerst auf Grund von Vorschlägen des Auswärtigen Amtes. Unter General v. Falkenhayn traten hierbei Erscheinungen zutage, die zunächst eine Zurückhaltung der Obersten [504] Heeresleitung zur Folge hatten und dahin führten, daß für die in Deutschland befindlichen Pressevertreteter der Verbündeten und des neutralen Auslands unter Leitung des Kriegspresseamtes ein Zusammenschluß herbeigeführt wurde, der von den Ausländern als von den politischen Stellen bisher verabsäumt auf das wärmste begrüßt wurde und den Behörden die Gelegenheit gab, die ausländischen Pressevertreter planmäßig zu unterrichten und ihnen selbst einen Einblick in die Verhältnisse zu schaffen. Die Oberste Heeresleitung beschränkte sich nicht darauf, ihnen Reisen zur Front zu vermitteln, sondern sie regte auch Reisen zur Besichtigung kriegswichtiger Anlagen in der Heimat an und sorgte dafür, daß die fremden Pressevertreter und Militärattachees die Stätten deutscher Kultur, deutschen Gewerbefleißes und deutscher sozialer Fürsorge kennenlernten. Die Erfahrungen, die hierbei gemacht wurden, waren gute. Die Ausländer gaben ihrer Bewunderung für Deutschland unverhohlen und auch in ihren Berichten Ausdruck und bedauerten nur, daß es bisher so sehr verabsäumt worden sei, dem Ausland ein Bild vom deutschen Volk und Staat zu geben.

Es ist selbstverständlich, daß für die Wahrung des militärischen Geheimnisses bei allen derartigen Unternehmungen die notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden. Im übrigen fand die Durchführung der Aufklärung im Ausland, soweit der Kriegsschauplatz in Frage kam, ihre Grenze in der Belastung der Front. Bei den Stäben wurde vor allem die stark besetzte Zeit, kaum entbehrliche Offiziere und die für andere Zwecke notwendigen Verkehrsmittel, bei den Truppen die freie Zeit, Unterkunft und Verpflegung in Anspruch genommen. Infolgedessen war die Abneigung bei Stäben und Truppen gegen fremde Besucher groß. Das, was eingetauscht werden sollte, lag dem Verständnis der Truppen fern. Besonders starke Ablehnung fand der Besuch von Amerikanern, seitdem die Vereinigten Staaten den Feind durch Lieferung von Kriegsmaterial unterstützten. Bei jeder der Berichterstattung dienenden Zulassung auf den Kriegsschauplatz war die Zustimmung des in Frage kommenden Armeeoberkommandos Voraussetzung. Nur dieses konnte beurteilen, ob ein Besuch mit den Interessen der Führung und der Truppen vereinbar war. Erst mit der Zeit hat sich das Verständnis für die Notwendigkeit dieser Arbeit beim Heere vertieft.

Neben dieser umfangreichen Aufklärung des Auslands, die die Oberste Heeresleitung in die Hand zu nehmen gezwungen war, wurde die in der Heimat nicht vernachlässigt. Die amtliche Berichterstattung genügte nicht. Die Heimat wollte daneben vom Leben und Erleben der Truppen im Felde wissen. Dies zu schildern, war Aufgabe der Kriegsberichterstatter. Im Osten und im Westen bestand je ein Kriegsberichterstatter-Quartier unter Leitung eines dem Chef der Abteilung III B unterstellten Offiziers. Die Zahl der Kriegsberichterstatter mußte beschränkt sein. Ihre Auswahl erfolgte auf Vorschlag der Presse. Kriegs- [505] berichterstatter mit militärischer Bildung, wie England sie im Oberst Repington, Frankreich in Rousset besaßen, fehlten in Deutschland. Taktischer oder strategischer Betrachtungen mußten die Kriegsberichterstatter sich deshalb enthalten. Wohl wurden sie über die allgemeine Kriegslage unterrichtet, um den Zusammenhang der Ereignisse zu verstehen und in der Art ihrer Berichte nicht über das Ziel hinauszuschießen. Mehrfach nahm auch der Chef des Generalstabs des Feldheeres und der erste Generalquartiermeister ihre Dienste in Anspruch, um durch sie zur Öffentlichkeit zu sprechen. War dies ein Beweis des völligen Vertrauens, das zu den Kriegsberichterstattern ohne Rücksicht auf ihre politische Parteizugehörigkeit herrschte, so lag der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit doch mehr in einer nachträglichen und beschreibenden Schilderung der Ereignisse.

Die Dienstanweisung für die Nachrichtenoffiziere bestimmte: "Die Berichterstatter müssen zur richtigen Erfüllung ihrer Aufgabe das Leben der Truppe kennenlernen. Sie gehören nicht zum Nachrichtenoffizier, sondern zur Truppe selbst." Diese Weisung entsprach durchaus dem oft geäußerten Wunsch der Kriegsberichterstatter selbst, um so mehr, je eintöniger das Leben der Truppen in den erstarrten Fronten wurde und die Länge des Krieges die Möglichkeit, Neues zu bieten, immer mehr einschränkte. Sie drängten auf den Schauplatz der Ereignisse, wo erfolgreiche Abwehr oder siegreicher Angriff die deutschen Truppen in ihrer unübertroffenen Stärke zeigten. Unter dem Eindruck der gewaltigen moralischen Leistungen dort atmeten auch ihre Berichte Zuversicht und Stärke. In der Heimat und von Schwachmütigen wurde ihnen Schönfärberei vorgeworfen. Eine Verfügung vom April 1917 sagte darüber:

      "Berichte der Kriegsberichterstatter haben, wie der Obersten Heeresleitung bekannt geworden ist, teilweise dadurch bei der Truppe Mißstimmung erregt, daß sie Ereignisse und Einrichtungen in einer Art schilderten, die das Gefühl der Truppe verletzt. Dies ist der Fall, wenn der Schwere der Kämpfe oder der Entbehrungen nicht genügend Rechnung getragen wird. Eine Schönfärberei muß schon aus diesen Gründen vermieden werden. Sodann verlangt die Forderung wahrheitsgetreuer Berichte, daß die Kriegsberichterstatter sich nicht von dem Bestreben leiten lassen, alles in rosigstem Lichte zu schildern. Die Heimat verträgt die Wahrheit und würde durch unwahre Berichte nur das Zutrauen zur Kriegsberichterstattung verlieren. Schwarzfärberei ist aber ebensowenig angebracht. Es ist ferner erforderlich, daß dort, wo über Einrichtungen zu berichten ist, die unseren Truppen das Leben im Felde erleichtern, dies nicht in einer verallgemeinernden Art geschieht, so daß der Eindruck entstehen muß, daß die Truppen jeglicher Entbehrungen enthoben seien."

Diese Verfügung zeigt, daß die Kriegsberichterstatter alles weniger als zur Schönfärberei angehalten oder sonst beeinflußt wurden. In dieser Beziehung waren sie nicht durch eine Zensur ihrer Berichte eingeengt. Nur in bezug auf taktische und strategische Betrachtungen hatte der Rotstift des Zensors häufig zu wirken, da [506] sie auf diesem Gebiete nicht urteilsfähig waren. Auch hatten die Truppenkommandos dafür zu sorgen, daß sie nichts veröffentlichten, was der Truppe zum Schaden gereichen konnte.

Soweit deutsche Truppen in größerer Zahl bei den Verbündeten kämpften, wurden sie durch Kriegsberichterstatter begleitet, so im serbischen Feldzug und am Isonzo. Wo nicht ständige Berichterstattung stattfand, wurde sie wenigstens durch vorübergehende Abkommandierung von Kriegsberichterstattern auf alle Teile des ausgedehnten Kampffeldes deutscher Truppen sichergestellt. Auch in den Kriegspressequartieren der Verbündeten waren deutsche Zeitungen durch eigene Berichterstatter vertreten, deren Interessen sich die Oberste Heeresleitung besonders annahm.

Der nach dem Krieg einsetzenden Ansicht zuwider hatte das Verlangen der Truppe nach Berichterstattung über ihr Leben und ihre Taten einen Umfang, dem die verfügbaren Kriegsberichterstatter nicht entsprechen konnten. Infolgedessen führte die Oberste Heeresleitung im Jahre 1917 Offizierkriegsberichterstatter ein, die als Offiziere an den Kämpfen teilnahmen und besonders für die Heimatpresse der am Kampf beteiligten Truppen berichteten. Ihr Einsatz und ihre Anleitung geschah durch die dem Chef der Abteilung III B unterstellte Feldpressestelle, deren verdienstvoller und selbst kampferprobter Leiter der als Schriftsteller bekannte Hauptmann Walter Bloem war.

Ein Filmtrupp des Bild- und Filmamtes.
Ein Filmtrupp des Bild- und Filmamtes
auf dem Marsche durch Cormicy nordwestlich Reims
zu den vordersten Stellungen
zwecks Aufnahmen.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 263.
Der Generalstab tat also alles, um die amtliche Berichterstattung zuverlässig und schnell und die nebenher gehende, mehr beschreibende vielseitig und wahrheitsgetreu zu gestalten. Ergänzt wurde die Darstellung der Ereignisse durch das Bild. Der Umfang der Schlachthandlungen schloß im Unterschied zu früheren Kriegen eine Darstellung ganzer Schlachten durch das Bild aus und beschränkte sie auf die Wiedergabe einzelner Szenen. Stäbe und Truppen sahen die Anwesenheit der Kriegsmaler nur dann gern, wenn sie die Überzeugung gewannen, eine dem Ernst ihres Erlebens entsprechende Darstellung zu fördern. Dies war im allgemeinen durchweg der Fall. Dennoch haben sich nur wenige eigentliche Schlachtenmaler entwickelt. Bei den meisten überwog das reine künstlerische Interesse. Praktisch mehr geeignet war die Photographie und Kinematographie. Auch sie wurden in den Dienst des Krieges gestellt. Störend waren die oft vorwiegenden geschäftlichen Interessen. Andererseits bildeten sie den besten Anreiz zur Betätigung. Im letzten Kriegsjahre wurden diese Zweige der Berichterstattung durch das der militärischen Stelle beim Auswärtigen Amt angegliederte Bild- und Filmamt zusammengefaßt.

Die ganze militärische Arbeit für die Presse geschah letzten Endes aus Rücksicht auf den Einfluß, den die heimischen Zeitungen auf die Stimmung des Heeres hatten. Die Verbreitung der Heimatzeitungen beim Feldheer erfolgte im Postbezug oder durch die Feld- und Bahnhofsbuchhandlungen. Ver- [507] boten waren nur einige Blätter unabhängig-sozialdemokratischer Richtung. Über den Ausschluß bestimmter Zeitungen aus dem Feldbuchhandel verfügten die Armeeoberkommandos selbständig. Der Feldbuchhandel erbrachte Einnahmen, die der Wohlfahrt der Truppen zugute kamen. Dieser Umstand veranlaßte es, daß die Aufsicht über ihn nicht überall ausreichend war. Das Bedürfnis, die Zeitungen aus der Heimat schnell zu haben, konnte nicht ganz unberücksichtigt bleiben und führte zum Überwiegen der räumlich nächsten Blätter. Die Gesamtzahl aller zum Feldheer gehenden Zeitungen überstieg eine Million. Die Blätter, die Heeresangehörige selbst durch die Post bezogen, waren zum überwiegenden Teil solche nationaler oder parteiloser Richtung. Die sozialdemokratischen Blätter hatten nur einen verhältnismäßig geringen Bezieherkreis. Auch zu äußerst rechtsstehende Blätter bildeten eine kleine Minderheit. Dagegen hatten diese Minderheiten überzeugte, für die Richtung der Blätter werbende Leser. Ein Verlangen der Truppen nach ausgesprochen politischen Blättern hat die Statistik keinesfalls ergeben. Dagegen ergab die hohe Gesamtziffer der vom Feldheer bezogenen Heimatzeitungen die Bedeutung der Presse für den Geist des Feldheeres.

Das Leben der Truppe war von der Heimat in die besetzten Gebiete und auf die Kriegsschauplätze verlegt worden. Aus dem Bedürfnis, vor allem darüber zu erfahren, was sich hier ereignete, entstanden Feldzeitungen. In Belgien 4, im Verwaltungsgebiet des Oberbefehlshabers Ost 9, in Rumänien 2. Diese trugen in erster Linie dem Bedürfnis der politischen Verwaltung der besetzten Länder Rechnung. An Armeezeitungen entstanden auf dem westlichen Kriegsschauplatz 28, auf dem russischen 11, im Balkan 6 und in der Türkei 1. Die Dienstanweisung bestimmte:

      "Der Nachrichtenoffizier hat den Armeezeitungen besondere Unterstützung zu gewähren, da sie geeignet sind, den Truppen das ihnen erwünschte Nachrichtenmaterial auf schnellstem Wege zuzuführen und durch Aufnahme geeigneter Artikel und Schilderungen vom Kriegsschauplatz und aus der Heimat auf die Stimmung der Truppe günstig einzuwirken. Es ist erwünscht, daß den Leitern der Armeezeitungen Gelegenheit gegeben wird, viel an die Front zu kommen, um die Wünsche der Truppen an Ort und Stelle kennen zu lernen und neue Anregungen zu erhalten. Die Aufnahme politischer Aufsätze, die eine ganz bestimmte Richtung betonen und geeignet sind, gegenteilige Ansichten herabzusetzen, ist nach einer am 18. Oktober 1916 getroffenen Entscheidung des Generalquartiermeisters unerwünscht."

Auf dieser Grundlage spielten die Armeezeitungen im Leben der Truppe die Rolle der Lokalblätter in der Heimat. Sie behandelten Vorkommnisse in der engeren Heimat der zur Armee gehörenden Truppen, sorgten für Bekanntwerden besonderer Leistungen Einzelner oder einzelner Truppenteile, pflegten die geographische und geschichtliche Schilderung des Bereichs, in dem die Truppen lebten, die Gedenktage der Armee und das Andenken ihrer Helden, erläuterten [508] die notwendigen Maßnahmen für Verpflegung, Post, Urlaubserteilung, ermahnten zur Verschwiegenheit, warnten vor der Gefangenschaft und der Ausfragung durch den Feind, regten durch Beschreibung der Natur, des Sternenhimmels und durch Rätsel die Soldaten an, heiterten sie durch Humor auf und pflegten rein soldatischen Geist in jeder Beziehung. Mit diesem Inhalt konnten sie durch die heimischen Zeitungen nicht ersetzt werden. Die Angriffe, die in der Heimat gegen die Armeezeitungen erhoben wurden, gingen von parteipolitischer Einstellung aus und bekämpften den durch die Armeezeitungen gepflegten Geist. Die Oberste Heeresleitung nahm sich der Armeezeitungen deshalb besonders an. Ihr Organ zu diesem Zweck war die vorerwähnte Feldpressestelle. In den Schriftleitungen waren Stabsoffiziere, Hauptleute und Leutnants des aktiven und des Beurlaubtenstandes neben Feldgeistlichen, Unteroffizieren und Gefreiten vertreten. Die Lieferung gegen Bezahlung wurde sowohl von den Kommandostellen wie von der Truppe der kostenlosen vorgezogen, um den Eindruck der Beeinflussung zu vermeiden.

Sehr bald stellte es sich heraus, daß auch für die französische Bevölkerung im Operationsgebiet eine Zeitung erforderlich war. Von Holland aus fand durch Belgien ein Vertrieb aufreizender Schriften unter der französischen Bevölkerung statt, der durch Geheimdruckereien in Belgien und Nordfrankreich erweitert wurde. Es galt der Verhetzung der französischen Bevölkerung sowohl zur Sicherheit im Rücken des deutschen Heeres, wie im Interesse der französischen Bevölkerung selbst entgegenzuarbeiten. Zu diesem Zweck wurde Weihnachten 1914 die Gazette des Ardennes geschaffen, deren Aufbau ein mit dem Ausland vertrauter Offizier des Beurlaubtenstandes leitete und deren redaktionelle Leitung ein tapferer, für seine deutsche Heimat opferbereiter Journalist elsässischer Abstammung übernahm. Der Erfolg der Gazette, der sich in der weiten Verbreitung ausprägte, war erheblich, und der Nutzen für die deutsche Kriegführung wie für die französische Bevölkerung von beiden Seiten anerkannt. Ein ähnliches Zeitungsunternehmen in russischer Sprache wurde in Berlin ins Leben gerufen, fand aber hauptsächlich nur Verwendung unter den russischen Kriegsgefangenen.

So hatte der militärische Pressedienst im Laufe der vier Kriegsjahre eine Ausdehnung angenommen, die über das vom Generaloberst v. Moltke bei Kriegsbeginn Erwartete und Gewollte weit hinausging. Die Leistungen, die der Generalstab auf diesem, ihm bis zum Kriege wesensfremden Gebiet vollbracht hat, reihen sich würdig an die auf anderen Gebieten an. Sie waren nur möglich durch Unterstützung sachverständiger Kräfte, die der Generalstab heranzog und durch die überzeugungstreue Arbeit des Einzelnen. Beschränkt auf die Leitung durch militärische Hand blieb dem Pressedienst aber der wesentlichste, der politische Inhalt, versagt. Je mehr in der Heimat politische Strömungen die Oberhand gewannen, die dem Kampf entsagten, um so mehr [509] geriet der militärische Pressedienst nicht nur oft vor unlösbare Aufgaben, sondern mußte an den Zielen einbüßen, zu denen er geschaffen und unentbehrlich war.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte