Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 10: Nachrichtenwesen und
Aufklärung (Forts.)
Oberst Walter Nicolai
4. Der militärische
Pressedienst.
Der Generalstab stand im Frieden in keiner Verbindung zur Presse. Wohl suchten
hervorragende Vertreter der Presse den Chef des Generalstabs oder einzelne
Ressortschefs auf, um sich über diese oder jene Frage zu informieren; auch
beteiligten sich einzelne Generalstabsoffiziere an der Behandlung
militärischer Fragen in der Presse. Weiter wurden die
hauptsächlichsten deutschen Tageszeitungen im Generalstab verfolgt. Aber
eine Stelle, welche den Verkehr mit der Presse dienstlich zu pflegen hatte, bestand
nicht. Es sei denn, daß die Führung der Pressevertreter in den
Kaisermanövern hierzu gerechnet wird, die alljährlich dem Chef der
Abteilung III B zufiel.
Dem Kriegsministerium hatte der Reichstag bei der großen Heeresvorlage
im Jahre 1913 die beantragte Presseabteilung abgelehnt. Es verfügte daher
bei Kriegsausbruch nur über einen Pressereferenten, den Major
Deutelmoser. Beim Reichsmarineamt war ein Pressedienst vorhanden, der sich in
Vertretung der Flottenvorlagen Sachkenntnis erworben und durch
Geschicklichkeit ausgezeichnet hatte. Dies war nicht ohne Eifersucht politischer
Stellen geschehen, die deshalb das Bestreben des Kriegsministeriums, gleichfalls
eine Presseabteilung zu erhalten, nicht unterstützt hatten. Die verschiedenen
Reichs- und Staatsministerien beobachteten gleichfalls nur durch Pressereferenten
die Presse und vertraten durch sie die Interessen des eigenen Ressorts. Nur das
Auswärtige Amt verfügte in seiner Nachrichtenabteilung über
einen Pressedienst größeren Umfangs. An der Spitze stand bei
Kriegsausbruch der Geheimrat Hamann. Auch er versah in erster Linie die
Aufgaben des eigenen Amtes, d. h. die Interessen der auswärtigen
Politik. Eine gemeinsame Leitung der Pressereferenten der einzelnen
Behörden durch ihn fand nicht statt. Die Beobachtung der
ausländischen Presse wurde nicht vereinigt durch die Nachrichtenabteilung
des Auswärtigen Amtes, sondern, wie auch im Generalstab, von den
einzelnen Auslandsabteilungen ausgeübt.
Die Presse selbst hatte nur wirtschaftliche Zweckverbände, mit denen die
großen, die mittleren und die kleinen Zeitungen in wirtschaftlicher
Konkurrenz standen. Als politisch zusammengeschlossen im Anschluß an
die Partei konnte [497] nur die Presse der
Sozialdemokratie und die des Zentrums gelten. Als demokratische Blätter
waren Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung führend
und infolge ihrer Kapitalskraft völlig selbständig. Die Rechtspresse
war zahlreich, aber gerade deshalb häufig wenig kapitalkräftig und in
gegenseitiger Konkurrenz. Jeder politische Zusammenschluß fehlte ihr. Die
amtliche Presseleitung, die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes,
bevorzugte fast ausschließlich die im Ausland verbreiteten, meist
demokratischen und sozialdemokratischen Zeitungen. Es fehlte an einer Stelle,
welche der Presse als innerpolitischem Machtfaktor ihr Interesse zuzuwenden
verpflichtet war.
Unter diesen Umständen waren ausreichende Mobilmachungsvorarbeiten
von keiner Seite getroffen worden. Das vom Reichskanzler in Verbindung mit
dem Generalstab für den Kriegsfall vorbereitete "Merkblatt für die
Presse" enthielt hauptsächlich einschränkende Bestimmungen als
Grundlage der Zensur, begnügte sich in positiver Richtung aber mit
allgemeinen Hinweisen. Der Generalstab empfand den Mangel ausreichender
Verbindung zur Presse schon in den der Mobilmachung unmittelbar
voraufgehenden Perioden der politischen Spannung und drohenden Kriegsgefahr
und erst recht bei Ausspruch der Mobilmachung. Generaloberst v. Moltke
sprach sich am 2. August 1914 dahin aus, daß eine enge Verbindung
zwischen Kriegsleitung und Presse notwendig sei. Er bezeichnete die Presse als
ein unentbehrliches Mittel der Kriegführung und befahl dem Chef der
Abteilung III B, einen Pressedienst für die Oberste
Heeresleitung herzustellen.
Die Interessen des Generalstabs bestanden in der Wahrung des
militärischen Geheimnisses durch die Presse, in der umfassenden
Unterrichtung der Presse über den Gang der militärischen Ereignisse
und in der Berichterstattung über die Presse an den Generalstab. Besonders
die beiden ersten Aufgaben waren dringend. Am 3. August 1914 fand eine
Besprechung hierüber mit den auf Aufforderung des Generalstabs
erschienenen Vertretern der Presse im Reichstag statt. Sie wurden an die
militärische Geheimhaltung erinnert und unterrichtet, wie die
Berichterstattung durch den Generalstab beabsichtigt war. Die
Ausführungen hierüber schlossen: "Wir werden nicht immer alles
sagen können. Aber was wir Ihnen sagen werden, ist wahr." Dies Wort
haben Generaloberst v. Moltke und seine Nachfolger gehalten.
Die Sorge für die militärische Geheimhaltung fiel der Zensur zu. Sie
wurde in der Heimat von den stellvertretenden kommandierenden Generalen und
Festungsgouverneuren ausgeübt. Soweit sie im Felde notwendig war, lag
sie in der Hand der jeweils interessierten Befehlshaber. Die so von vielen Stellen
getrennt und darum verschieden ausgeübte Zensur führte sehr bald
unerträgliche Zustände für die Presse herbei und zeitigte sich
häufende Anfragen an den Generalstab über Auslegung der
Bestimmungen und Verhaltungsmaßregeln im Einzelfall. Die Zensur der
Presse war von jeher eine [498] undankbare Aufgabe.
Jede Stelle, besonders der in erster Linie zuständige Reichskanzler, aber
auch das Kriegsministerium, beide aus Rücksicht auf ihre parlamentarische
Abhängigkeit, scheuten sich deshalb, sich mit ihr zu belasten. Auch aus der
Presse erstanden nur Kritiker, aber keine zur Verantwortung bereiten Mitarbeiter.
Dabei war Einheitlichkeit sowohl im Interesse der Presse wie aus sachlichen
Gründen unbedingt geboten. Die Entwicklung forderte Handeln. Der
Generalstab schuf deshalb in der seinem Pressedienst angegliederten
"Oberzensurstelle" das Instrument, das allen politischen und militärischen
Ressorts als ausführendes Organ in Zensurfragen zur Verfügung
stand.
Für die Berichterstattung war ein täglicher Heeresbericht und
für seine Übermittlung an die Presse das Wolffsche
Telegraphenbureau in Aussicht genommen. Seine Ergänzung sollte er
finden durch Kriegsberichterstatter, die von der Presse vorgeschlagen wurden,
deren Anzahl aber von vornherein beschränkt sein mußte. Erweitert
wurde die Auskunfterteilung an die Presse durch regelmäßige
Wiederholung jener ersten Zusammenkunft von Pressevertretern im Reichstag,
denen hier weiterer Aufschluß, auch vertraulicher Art, über die
militärischen Vorgänge und Antwort auf Fragen erteilt wurde. An
diesen "Pressebesprechungen" beteiligten sich von Anfang an das
Kriegsministerium und die Marine, späterhin auch die politischen
Behörden, so daß sie der Mittelpunkt der amtlichen
Auskunfterteilung überhaupt wurden.
Auf diesen vom Generalstab geschaffenen Grundlagen baute sich
allmählich ein Pressedienst auf, der im Herbst 1915 als "Kriegspresseamt"
seine abschließende Form fand. Das Kriegspresseamt gliederte sich in eine
Abteilung für die Inlandspresse, in eine solche für die
Auslandspresse und in die Oberzensurstelle. Im Laufe der späteren
Entwicklung trat noch eine Abteilung für Propaganda in Deutschland hinzu.
Die Weisungen der Obersten Heeresleitung vermittelte dem Kriegspresseamt der
Chef der Abteilung III B im Großen Hauptquartier.
Diese Entwicklung war im wesentlichen abgeschlossen, als Generalfeldmarschall
v. Hindenburg und General Ludendorff die Oberste Heeresleitung
übernahmen. Sie würdigten, wie ihre Vorgänger, die
Bedeutung der öffentlichen Meinung in Deutschland und förderten
darum den Ausbau des Pressedienstes. In Erkenntnis dessen, daß er in
militärischer Hand unvollkommen bleiben mußte, nahmen sie mit
Nachdruck, aber erfolglos, die Forderung auf, daß der Reichskanzler die
Führung der öffentlichen Meinung übernehmen müsse.
Aus Scheu vor den einer tatkräftigen Kriegführung abgeneigten
politischen Parteien hat sich keiner der Reichskanzler hierzu entschlossen. Erst als
die Führer dieser Parteien in das Kabinett eintraten, übernahm im
Oktober 1918 der Staatssekretär Erzberger den von ihm seit langem
bekämpften amtlichen Pressedienst. Die Einzelheiten dieser Entwicklung
sind in dem bei E. S. Mittler, Berlin, erschienenen Buch
Nachrichtendienst, Presse und Volks- [499] stimmung im
Weltkrieg dargestellt. Im Rahmen des vorliegenden Werkes liegt nur der
Pressedienst beim Feldheer.
Generalfeldmarschall v. Hindenburg hatte für die Presse großes
Interesse und würdigte ihre Bedeutung im Kriege. Er erkannte ihre
Verdienste und ihre durch die mangelhafte politische Führung entstandene
schwierige Lage an. Ihr Versagen empfand er schmerzlich. Leichtfertige
Verstöße gegen die Interessen der Kriegführung tadelte er
scharf. Das zaghafte Auftreten der Behörden in der Heimat gegen
schädliche Blätter verstand er ebensowenig wie den Verzicht auf die
Führung der weit überwiegenden Mehrzahl derjenigen Blätter,
die bereit waren, zur siegreichen Beendigung des Krieges beizutragen. Er wie
General Ludendorff hielten sich dabei frei von Parteilichkeit.
General Ludendorff verlangte, nachdem seine erste Hoffnung auf Lösung
der Aufgabe durch die Reichsregierung enttäuscht war, tatkräftiges
Handeln wenigstens auf dem Gebiet des eigenen Pressedienstes. Er forderte,
durch ihn schnell, kurz und umfassend über die Haltung der Presse
unterrichtet zu werden, Aufmerksamkeit auf der Kriegführung drohende
Gefahren und rechtzeitige Vorschläge für ihre Abwendung. Die
größte Gefahr sah er in einem ungünstigen Einfluß der
Presse auf die Kampfkraft der Truppen und in weiterem Umfang auf den
Kriegswillen der Heimat. Einen Unterschied in der Bewertung für Heimat
und Heer erkannte er nicht an, beides erachtete er als eins. Er legte Wert darauf,
daß das Kriegspresseamt Einfluß weit mehr durch Aufklärung
als durch die Zensur suchte. Er wünschte möglichst wenige, aber
wohlüberlegte Anordnungen für die Zensur, forderte dann jedoch
ihre strenge Durchführung. Durch die Beschäftigung mit politischen
Fragen, die seine Stellung ihm auferlegte, wünschte er nicht in die
öffentliche politische Erörterung gezogen zu werden. Er verlangte
ein Einschreiten, wo dies geschah, und mußte bei politischen
Behörden mehrfach in dieser Richtung vorstellig werden. Er war der
Ansicht, daß er den Standpunkt der Obersten Heeresleitung zu politischen
Fragen nur den Behörden gegenüber zu vertreten habe, lehnte jede
öffentliche Stellungnahme ab und hat niemals durch den
militärischen Pressedienst seine eigenen politischen Ansichten vertreten
oder fördern lassen, es sei denn, daß er genötigt war,
entstellenden Behauptungen entgegenzutreten. In diesem Falle geschah es offen
unter des Generalfeldmarschalls oder seinem Namen. Das politische Spiel in der
Presse war seiner offenen Art zuwider. Jedem Besucher aus Pressekreisen
gegenüber beanspruchte er das persönliche Recht der freien
Aussprache seiner persönlichen Ansichten.
Hiermit hielt auch der Generalfeldmarschall nicht zurück. Er wurde, wie
den Reichsbehörden so auch der Öffentlichkeit gegenüber,
nicht müde, zur Einigkeit und Entschlossenheit zu mahnen. Neben seiner
Verantwortung gab ihm das allgemeine Vertrauen in seine Persönlichkeit
ein Recht darauf. Jeden zustimmenden Gruß aus der Heimat wollte er
beantwortet haben. Die Be- [500] arbeitung fiel
verschiedenen Abteilungschefs zu. Der Generalfeldmarschall prüfte vor
Absendung und hielt auf Klarheit und Offenheit des Standpunktes. Der
Veröffentlichung seiner Antworten in der Presse stand er und der
Pressedienst der Obersten Heeresleitung fern. Gegen Besuche von
Pressevertretern verhielt der Generalfeldmarschall sich zurückhaltend. Das
Getriebe der Presse lag ihm fern. Er scheute die Sensationslust und wollte
persönlich nicht ihr Opfer werden. Zu unmittelbarem Verkehr mit der
Presse war er nur bereit, wenn er überzeugt war, durch sie der
Kriegführung zu nützen.
General Ludendorff hielt sich verpflichtet, jedem Gesuch nach persönlicher
Auskunft, das aus Pressekreisen an ihn herantrat, sich zur Verfügung zu
stellen, soweit die Zeit es ihm erlaubte. Zu Interviews war auch er schwer zu
haben. Kritik, die ihm in der Presse entgegentrat, nahm er sehr ernst. Ebenso
beachtete er Angriffe nur, soweit sie ihn in die Politik zogen oder das Vertrauen
zur Obersten Heeresleitung mindern mußten. Persönlich waren sie
ihm gleichgültig. Anerkennung durch die Presse freute ihn, ohne daß
er sie suchte. Er sah darin eine Stärkung der Kriegführung und einen
berechtigten Ausgleich für die Verantwortung, die ihm in zunehmendem
Umfang vor der Öffentlichkeit zugeschoben wurde. Es war angeordnet,
daß jedes Urteil und jede Erwähnung der Obersten Heeresleitung in
der deutschen und in der Auslandspresse, ob Angriff, Anerkennung oder
Ratschlag, zu melden sei.
Der Generalfeldmarschall las die Blätter seines persönlichen
Geschmacks. Außerdem, wie die meisten Offiziere im Großen
Hauptquartier, diejenige Zeitung, die am schnellsten aus der Heimat eintraf.
General Ludendorff fand seiner Arbeitslast wegen nur Zeit für die letztere.
Er erhielt aber einen täglichen gedruckten Auszug aus der deutschen Presse
und auf Grund telegraphischer Berichterstattung des Kriegspresseamts
täglichen Vortrag durch den Chef der Abteilung III B
über das Wesentliche. Für die Auslandspresse fand er kaum Zeit. Er
wandte ihr aber lebhaftes Interesse zu und unterschätzte ihre Bedeutung
für die Kriegführung nicht. Die deutsche Presse lag ihm aber in jeder
Beziehung näher. In ihr sah er in erster Linie eine Helferin zur siegreichen
Beendigung des Krieges.
Die Unterrichtung S. M. des Kaisers aus der Presse war nicht Aufgabe des
Pressedienstes der Obersten Heeresleitung. Sie geschah durch Vermittlung der in
der Allerhöchsten Umgebung befindlichen Vertreter der Ressorts. Der
Kaiser bewies für die Presse, auch für die ausländische,
lebhaftes Interesse und nahm durch Anregungen zu den militärischen
Ereignissen am Pressedienst der Obersten Heeresleitung dauernd Anteil.
Besonders lebhaft trat Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz als
Heeresgruppenführer für die Wahrung der militärischen
Interessen durch die Presse und für die Darstellung der Kämpfe der
ihm unterstellten Truppen ein. Ebenso war es bei den anderen, für den Geist
der Truppen verantwortlichen Kommandostellen.
[501] Bei ihrer ersten und
eigentlichen Aufgabe, der Berichterstattung durch die Presse, stellte die Oberste
Heeresleitung sich von vornherein auf den Standpunkt, daß die Mitteilung
operativer Vorgänge ausschließlich ihre eigene Aufgabe sei und in
keiner Weise durch irgendwelche Organe der Presse erweitert werden
dürfe.
Die amtliche Berichterstattung war zunächst auf den Heeresbericht
beschränkt. Er wurde zuerst vom Generalquartiermeister v. Stein,
nach seinem Ausscheiden aus dieser Stellung vorübergehend von der
Abteilung III B und dann bis zum Kriegsende von der
Operationsabteilung aufgestellt. Die Abteilung III B erhielt ihn zur
Ausgabe an die Presse, die über den stellvertretenden Generalstab, seit
1917 über das Kriegspresseamt erfolgte. Es war nicht leicht, das
Bedürfnis der Presse für gleichmäßige, rechtzeitige und
zweckmäßige Zustellung des Heeresberichts zu befriedigen.
Schließlich bildete sich als bestes Verfahren heraus, diesen vormittags
gegen 11 Uhr abzuschließen, so daß er in den Abendzeitungen
erschien und ihn - seit Oktober 1916 - in der Nacht durch eine kurze
Meldung über den Tagesverlauf für die Morgenblätter zu
ergänzen. Gleichzeitig wurde er funkentelegraphisch an den Fronten
verbreitet und auf demselben Wege dem Gegner bekannt. Auf die gegnerische
Darstellung der Ereignisse einzugehen, war nur in seltenen Fällen
möglich. Dagegen unterließ der Gegner nicht, seine Heeresberichte
auf die deutschen einzustellen. Er war dazu in der Lage, weil er Heeresberichte
nach Bedarf, meist zwei bis drei täglich, veröffentlichte. Aber nicht
nur dieser Umstand zwang, auf eine Konkurrenz mit den feindlichen Berichten
von vornherein zu verzichten. Vor allem war es die Länge der Front,
über die berichtet wurde, die zur Einschränkung zu deutschen
Ungunsten führte. Während der englische Heeresbericht zeitweise
nur über eine englische Front von 135 km zu melden hatte,
mußte der deutsche die Vorgänge an der 2400 km langen
Front, an der deutsche Truppen kämpften, umfassen. Während die
einzelnen Heeresberichte der Gegner also auf Einzelheiten eingehen, den Kampf
um einzelne Gehöfte, Waldstücke und Höhen in ihrem Sinne
verwerten konnten, mußte der deutsche sich auf das Allgemeine und das
Gesamtergebnis beschränken. Dies verlieh den feindlichen Heeresberichten
oft starke propagandistische Wirkung und erweckte den Eindruck des
Verschweigens auf deutscher Seite. Konnte der Heeresbericht auf Einzelheiten
eingehen, so war es selbstverständlich, daß der verfügbare
Raum den berechtigten Anspruch der Truppen befriedigte, ihre Heldentaten
erwähnt zu finden. Dadurch entstand, als der Hang zur Kritik in der Heimat
sich mehrte, leicht der Eindruck einseitiger Übertreibung. Es sei noch
darauf hingewiesen, daß eine falsche Darstellung schon aus dem Grunde
unmöglich war, weil die beteiligten Truppen den Heeresbericht erhielten.
Irrtümer in der ersten Meldung von vorn über den Verlauf der
Kämpfe sind vorgekommen und in den Heeresbericht übernommen.
Sie ausdrücklich nach- [502] träglich
festzustellen, war unnötig, da die weiteren Berichte sie von selbst erkennen
ließen. In vielen Fällen konnte aus Rücksicht auf den Feind zu
Vorgängen, die seine Berichte schon brachten, noch nichts gesagt werden.
Über verlorene Gefangene, Geschütze und anderes Ungünstige
brauchte der deutsche Heeresbericht so lange nichts zu enthalten, als die
Veröffentlichung der feindlichen Heeresberichte in der deutschen Presse
zugelassen war. Daß wir den eng bemessenen Raum auf die Erfolge der
deutschen Waffen verwandten, war um so mehr geboten, als der Gegner seine
Erfolge in einer Weise hervorhob, die dem endgültigen Ausgang aller
Kämpfe nicht entsprach.
Die schädliche propagandistische Wirkung der feindlichen Heeresberichte
auf das Inland und die deutsche Sache im Ausland gab Veranlassung, vom Jahre
1918 an den Heeresbericht durch einen täglichen amtlichen
Wolff-Kommentar zu ergänzen.
Über den Heeresbericht, die Veröffentlichung der feindlichen
Berichte und die Wiedergabe derjenigen der Verbündeten bestand dauernd
Fühlung mit diesen. Wien war in bezug auf die Darstellung in der
deutschen Presse empfindlich, ohne daß in der
österreich-ungarischen Presse den Verdiensten der deutschen Waffen um
die gemeinsame Sache immer ausreichend Rechnung getragen wurde. Dies erregte
besonders den Unwillen der unter österreich-ungarischem Oberbefehl
kämpfenden deutschen Truppen, die zumeist auf das Lesen der Presse
dieses Verbündeten angewiesen waren. Die Oberste Heeresleitung machte
sich zum Anwalt dieser Beschwerden. Im übrigen war sie frei von
Empfindlichkeit und suchte das Bündnis auch durch die amtliche
Berichterstattung zu fördern.
Die amtliche Berichterstattung an die Presse wurde späterhin durch
zusammenhängende größere und fortlaufende Darstellung bei
der Pressebesprechung durch das Kriegspresseamt ergänzt. In einzelnen
Fällen, in denen zu erwarten war, daß freiwillige Maßnahmen
der Obersten Heeresleitung vom Gegner als unter dem Druck seiner Waffen
geschehen hingestellt werden würden, wie bei der Preisgabe von
Geländeteilen vor Verdun und der Siegfriedbewegung, wurde die Presse
vorher vertraulich unterrichtet, um die Freiwilligkeit der Operation vertreten zu
können, wenn der Heeresbericht sie bekanntgab.
Amtliche Unterstützung fand der öffentliche Einblick in die
Verhältnisse auf dem Kriegsschauplatz schließlich in der
Förderung zahlreicher Reisen von Pressevertretern und Abgeordneten, bei
denen nicht nur die Oberste Heeresleitung, sondern Oberkommandos,
Truppenstäbe und die Truppen selbst besucht wurden. Offiziere der
verbündeten Armeen waren ständig und bis zuletzt an den deutschen
Kampffronten kommandiert. Spanische, Schweizer, niederländische,
schwedische, norwegische und dänische Offiziere oder
Offizierabordnungen, auch eine Abordnung schwedischer Unteroffiziere wurden
an die Fronten [503] zugelassen oder
eingeladen und damit die Berichterstattung im Ausland durch
Sachverständige vervollständigt und erhärtet. Wie wenig dies
dem Gegner genehm war, ging daraus hervor, daß eine chilenische
Offizierabordnung, die ihren Weg nach Deutschland über Paris nahm, nicht
über Frankreich hinaus gelangte.
Die beim deutschen Feldheer zugelassenen Militärattachees neutraler
Staaten waren die ständigen Beobachter und Berichterstatter an ihre
Regierungen. Die Wahrnehmung ihrer Interessen war dem Chef der
Abteilung III B übertragen. Das Attacheequartier hatte zu
Beginn des Krieges seinen Sitz am Standort der Obersten Heeresleitung.
Späterhin, als der Schwerpunkt des Kampfes sich von der Westfront auch
auf andere Fronten verlegte, siedelte es nach Berlin über. Von hier aus
unternahmen die Militärattachees unter Führung eines ihnen
ständig zugeteilten Offiziers Reisen an den Ort der jeweils stattfindenden
Schlachten. Durch Kommandos einzeln zur Front wurde ihnen auch Einblick in
den Dienst der Truppen und das sie besonders interessierende und von ihnen als
vorbildlich und einzig dastehend bezeichnete Verhältnis zwischen Offizier
und Mann bei der deutschen Armee gegeben. Ihrem Wunsch, an Kämpfen
in der Front selbst teilzunehmen, konnte aus Rücksicht auf ihre
persönliche Sicherheit nicht stattgegeben werden. Es ist bezeichnend,
daß die Oberste Heeresleitung noch Ende September 1918 einer
stärkeren schwedischen Offizierabordnung den Besuch der Kampffront im
Westen gestattete. Auf der Rückkehr von dort Gäste des
Generalfeldmarschalls v. Hindenburg in Spa, gaben sie ihrer Zuversicht
Ausdruck, daß das deutsche Feldheer, wie sie es vorn gesehen hatten,
imstande sein werde, den Kampf mit dem Gegner erfolgreich zu bestehen. Selbst
noch Mitte Oktober 1918 gestattete die Oberste Heeresleitung den neutralen
Militärattachees eine Reise zu den fechtenden Truppen. Sie
bestätigten, daß die Eindrücke, die sie dort gewonnen,
wesentlich stärkere seien als die von der Entwicklung der Dinge in
Deutschland. Vertreten waren durch Militärattachees Argentinien,
Brasilien, Chile, China, Dänemark, Italien, die Niederlande, Nordamerika,
Norwegen, Peru, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien. Ein Teil der
genannten Staaten schied mit ihrem Übertritt zur Entente aus. Die
Militärattachees der Verbündeten waren dem Großen
Hauptquartier besonders zugeteilt. Ihre Tätigkeit wurde durch die
Ernennung von Militärbevollmächtigten wesentlich erweitert. Auch
die Botschaft der russischen Räterepublik drängte 1918 sehr auf die
Zulassung ihres Militärattachees, eines ehemals kaiserlich russischen
Generalstabsoffiziers. Seine Zulassung wurde aber angesichts des
vertrauensvollen Verhältnisses, das zwischen Militärbehörden
und neutralen Militärattachees herrschte, und angesichts der
revolutionären Propaganda der russischen Botschaft abgelehnt.
Die Zulassung ausländischer Journalisten erfolgte zuerst auf Grund von
Vorschlägen des Auswärtigen Amtes. Unter General
v. Falkenhayn traten hierbei Erscheinungen zutage, die zunächst eine
Zurückhaltung der Obersten [504] Heeresleitung zur
Folge hatten und dahin führten, daß für die in Deutschland
befindlichen Pressevertreteter der Verbündeten und des neutralen Auslands
unter Leitung des Kriegspresseamtes ein Zusammenschluß
herbeigeführt wurde, der von den Ausländern als von den politischen
Stellen bisher verabsäumt auf das wärmste begrüßt
wurde und den Behörden die Gelegenheit gab, die ausländischen
Pressevertreter planmäßig zu unterrichten und ihnen selbst einen
Einblick in die Verhältnisse zu schaffen. Die Oberste Heeresleitung
beschränkte sich nicht darauf, ihnen Reisen zur Front zu vermitteln,
sondern sie regte auch Reisen zur Besichtigung kriegswichtiger Anlagen in der
Heimat an und sorgte dafür, daß die fremden Pressevertreter und
Militärattachees die Stätten deutscher Kultur, deutschen
Gewerbefleißes und deutscher sozialer Fürsorge kennenlernten. Die
Erfahrungen, die hierbei gemacht wurden, waren gute. Die Ausländer gaben
ihrer Bewunderung für Deutschland unverhohlen und auch in ihren
Berichten Ausdruck und bedauerten nur, daß es bisher so sehr
verabsäumt worden sei, dem Ausland ein Bild vom deutschen Volk und
Staat zu geben.
Es ist selbstverständlich, daß für die Wahrung des
militärischen Geheimnisses bei allen derartigen Unternehmungen die
notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden. Im übrigen fand die
Durchführung der Aufklärung im Ausland, soweit der
Kriegsschauplatz in Frage kam, ihre Grenze in der Belastung der Front. Bei den
Stäben wurde vor allem die stark besetzte Zeit, kaum entbehrliche Offiziere
und die für andere Zwecke notwendigen Verkehrsmittel, bei den Truppen
die freie Zeit, Unterkunft und Verpflegung in Anspruch genommen. Infolgedessen
war die Abneigung bei Stäben und Truppen gegen fremde Besucher
groß. Das, was eingetauscht werden sollte, lag dem Verständnis der
Truppen fern. Besonders starke Ablehnung fand der Besuch von Amerikanern,
seitdem die Vereinigten Staaten den Feind durch Lieferung von Kriegsmaterial
unterstützten. Bei jeder der Berichterstattung dienenden Zulassung auf den
Kriegsschauplatz war die Zustimmung des in Frage kommenden
Armeeoberkommandos Voraussetzung. Nur dieses konnte beurteilen, ob ein
Besuch mit den Interessen der Führung und der Truppen vereinbar war. Erst
mit der Zeit hat sich das Verständnis für die Notwendigkeit dieser
Arbeit beim Heere vertieft.
Neben dieser umfangreichen Aufklärung des Auslands, die die Oberste
Heeresleitung in die Hand zu nehmen gezwungen war, wurde die in der Heimat
nicht vernachlässigt. Die amtliche Berichterstattung genügte nicht.
Die Heimat wollte daneben vom Leben und Erleben der Truppen im Felde wissen.
Dies zu schildern, war Aufgabe der Kriegsberichterstatter. Im Osten und im
Westen bestand je ein Kriegsberichterstatter-Quartier unter Leitung eines dem
Chef der Abteilung III B unterstellten Offiziers. Die Zahl der
Kriegsberichterstatter mußte beschränkt sein. Ihre Auswahl erfolgte
auf Vorschlag der Presse. Kriegs- [505] berichterstatter mit
militärischer Bildung, wie England sie im Oberst Repington, Frankreich in
Rousset besaßen, fehlten in Deutschland. Taktischer oder strategischer
Betrachtungen mußten die Kriegsberichterstatter sich deshalb enthalten.
Wohl wurden sie über die allgemeine Kriegslage unterrichtet, um den
Zusammenhang der Ereignisse zu verstehen und in der Art ihrer Berichte nicht
über das Ziel hinauszuschießen. Mehrfach nahm auch der Chef des
Generalstabs des Feldheeres und der erste Generalquartiermeister ihre Dienste in
Anspruch, um durch sie zur Öffentlichkeit zu sprechen. War dies ein
Beweis des völligen Vertrauens, das zu den Kriegsberichterstattern ohne
Rücksicht auf ihre politische Parteizugehörigkeit herrschte, so lag
der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit doch mehr in einer nachträglichen
und beschreibenden Schilderung der Ereignisse.
Die Dienstanweisung für die Nachrichtenoffiziere bestimmte: "Die
Berichterstatter müssen zur richtigen Erfüllung ihrer Aufgabe das
Leben der Truppe kennenlernen. Sie gehören nicht zum
Nachrichtenoffizier, sondern zur Truppe selbst." Diese Weisung entsprach
durchaus dem oft geäußerten Wunsch der Kriegsberichterstatter
selbst, um so mehr, je eintöniger das Leben der Truppen in den erstarrten
Fronten wurde und die Länge des Krieges die Möglichkeit, Neues zu
bieten, immer mehr einschränkte. Sie drängten auf den Schauplatz
der Ereignisse, wo erfolgreiche Abwehr oder siegreicher Angriff die deutschen
Truppen in ihrer unübertroffenen Stärke zeigten. Unter dem
Eindruck der gewaltigen moralischen Leistungen dort atmeten auch ihre Berichte
Zuversicht und Stärke. In der Heimat und von Schwachmütigen
wurde ihnen Schönfärberei vorgeworfen. Eine Verfügung vom
April 1917 sagte darüber:
"Berichte der Kriegsberichterstatter
haben, wie der Obersten Heeresleitung bekannt geworden ist, teilweise dadurch
bei der Truppe Mißstimmung erregt, daß sie Ereignisse und
Einrichtungen in einer Art schilderten, die das Gefühl der Truppe verletzt.
Dies ist der Fall, wenn der Schwere der Kämpfe oder der Entbehrungen
nicht genügend Rechnung getragen wird. Eine Schönfärberei
muß schon aus diesen Gründen vermieden werden. Sodann verlangt
die Forderung wahrheitsgetreuer Berichte, daß die Kriegsberichterstatter
sich nicht von dem Bestreben leiten lassen, alles in rosigstem Lichte zu schildern.
Die Heimat verträgt die Wahrheit und würde durch unwahre Berichte
nur das Zutrauen zur Kriegsberichterstattung verlieren. Schwarzfärberei ist
aber ebensowenig angebracht. Es ist ferner erforderlich, daß dort, wo
über Einrichtungen zu berichten ist, die unseren Truppen das Leben im
Felde erleichtern, dies nicht in einer verallgemeinernden Art geschieht, so
daß der Eindruck entstehen muß, daß die Truppen jeglicher
Entbehrungen enthoben seien."
Diese Verfügung zeigt, daß die Kriegsberichterstatter alles weniger
als zur Schönfärberei angehalten oder sonst beeinflußt wurden.
In dieser Beziehung waren sie nicht durch eine Zensur ihrer Berichte eingeengt.
Nur in bezug auf taktische und strategische Betrachtungen hatte der Rotstift des
Zensors häufig zu wirken, da [506] sie auf diesem Gebiete
nicht urteilsfähig waren. Auch hatten die Truppenkommandos dafür
zu sorgen, daß sie nichts veröffentlichten, was der Truppe zum
Schaden gereichen konnte.
Soweit deutsche Truppen in größerer Zahl bei den
Verbündeten kämpften, wurden sie durch Kriegsberichterstatter
begleitet, so im serbischen Feldzug und am Isonzo. Wo nicht ständige
Berichterstattung stattfand, wurde sie wenigstens durch vorübergehende
Abkommandierung von Kriegsberichterstattern auf alle Teile des ausgedehnten
Kampffeldes deutscher Truppen sichergestellt. Auch in den
Kriegspressequartieren der Verbündeten waren deutsche Zeitungen durch
eigene Berichterstatter vertreten, deren Interessen sich die Oberste Heeresleitung
besonders annahm.
Der nach dem Krieg einsetzenden Ansicht zuwider hatte das Verlangen der
Truppe nach Berichterstattung über ihr Leben und ihre Taten einen
Umfang, dem die verfügbaren Kriegsberichterstatter nicht entsprechen
konnten. Infolgedessen führte die Oberste Heeresleitung im Jahre 1917
Offizierkriegsberichterstatter ein, die als Offiziere an den Kämpfen
teilnahmen und besonders für die Heimatpresse der am Kampf beteiligten
Truppen berichteten. Ihr Einsatz und ihre Anleitung geschah durch die dem Chef
der Abteilung III B unterstellte Feldpressestelle, deren
verdienstvoller und selbst kampferprobter Leiter der als Schriftsteller bekannte
Hauptmann Walter Bloem war.
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Der Generalstab tat also alles, um die amtliche Berichterstattung
zuverlässig und schnell und die nebenher gehende, mehr beschreibende
vielseitig und wahrheitsgetreu zu gestalten. Ergänzt wurde die Darstellung
der Ereignisse durch das Bild. Der Umfang der Schlachthandlungen schloß
im Unterschied zu früheren Kriegen eine Darstellung ganzer Schlachten
durch das Bild aus und beschränkte sie auf die Wiedergabe einzelner
Szenen. Stäbe und Truppen sahen die Anwesenheit der Kriegsmaler nur
dann gern, wenn sie die Überzeugung gewannen, eine dem Ernst ihres
Erlebens entsprechende Darstellung zu fördern. Dies war im allgemeinen
durchweg der Fall. Dennoch haben sich nur wenige eigentliche Schlachtenmaler
entwickelt. Bei den meisten überwog das reine künstlerische
Interesse. Praktisch mehr geeignet war die Photographie und Kinematographie.
Auch sie wurden in den Dienst des Krieges gestellt. Störend waren die oft
vorwiegenden geschäftlichen Interessen. Andererseits bildeten sie den
besten Anreiz zur Betätigung. Im letzten Kriegsjahre wurden diese Zweige
der Berichterstattung durch das der militärischen Stelle beim
Auswärtigen Amt angegliederte
Bild- und Filmamt zusammengefaßt.
Die ganze militärische Arbeit für die Presse geschah letzten Endes
aus Rücksicht auf den Einfluß, den die heimischen Zeitungen auf die
Stimmung des Heeres hatten. Die Verbreitung der Heimatzeitungen beim
Feldheer erfolgte im Postbezug oder durch die
Feld- und Bahnhofsbuchhandlungen. Ver- [507] boten waren nur einige
Blätter unabhängig-sozialdemokratischer Richtung. Über den
Ausschluß bestimmter Zeitungen aus dem Feldbuchhandel verfügten
die Armeeoberkommandos selbständig. Der Feldbuchhandel erbrachte
Einnahmen, die der Wohlfahrt der Truppen zugute kamen. Dieser Umstand
veranlaßte es, daß die Aufsicht über ihn nicht überall
ausreichend war. Das Bedürfnis, die Zeitungen aus der Heimat schnell zu
haben, konnte nicht ganz unberücksichtigt bleiben und führte zum
Überwiegen der räumlich nächsten Blätter. Die
Gesamtzahl aller zum Feldheer gehenden Zeitungen überstieg eine Million.
Die Blätter, die Heeresangehörige selbst durch die Post bezogen,
waren zum überwiegenden Teil solche nationaler oder parteiloser Richtung.
Die sozialdemokratischen Blätter hatten nur einen
verhältnismäßig geringen Bezieherkreis. Auch zu
äußerst rechtsstehende Blätter bildeten eine kleine Minderheit.
Dagegen hatten diese Minderheiten überzeugte, für die Richtung der
Blätter werbende Leser. Ein Verlangen der Truppen nach ausgesprochen
politischen Blättern hat die Statistik keinesfalls ergeben. Dagegen ergab die
hohe Gesamtziffer der vom Feldheer bezogenen Heimatzeitungen die Bedeutung
der Presse für den Geist des Feldheeres.
Das Leben der Truppe war von der Heimat in die besetzten Gebiete und auf die
Kriegsschauplätze verlegt worden. Aus dem Bedürfnis, vor allem
darüber zu erfahren, was sich hier ereignete, entstanden Feldzeitungen. In
Belgien 4, im Verwaltungsgebiet des Oberbefehlshabers Ost 9, in
Rumänien 2. Diese trugen in erster Linie dem Bedürfnis der
politischen Verwaltung der besetzten Länder Rechnung. An
Armeezeitungen entstanden auf dem westlichen Kriegsschauplatz 28, auf dem
russischen 11, im Balkan 6 und in der Türkei 1. Die Dienstanweisung
bestimmte:
"Der Nachrichtenoffizier hat den
Armeezeitungen besondere Unterstützung zu gewähren, da sie
geeignet sind, den Truppen das ihnen erwünschte Nachrichtenmaterial auf
schnellstem Wege zuzuführen und durch Aufnahme geeigneter Artikel und
Schilderungen vom Kriegsschauplatz und aus der Heimat auf die Stimmung der
Truppe günstig einzuwirken. Es ist erwünscht, daß den Leitern
der Armeezeitungen Gelegenheit gegeben wird, viel an die Front zu kommen, um
die Wünsche der Truppen an Ort und Stelle kennen zu lernen und neue
Anregungen zu erhalten. Die Aufnahme politischer Aufsätze, die eine ganz
bestimmte Richtung betonen und geeignet sind, gegenteilige Ansichten
herabzusetzen, ist nach einer am 18. Oktober 1916 getroffenen Entscheidung des
Generalquartiermeisters unerwünscht."
Auf dieser Grundlage spielten die Armeezeitungen im Leben der Truppe die Rolle
der Lokalblätter in der Heimat. Sie behandelten Vorkommnisse in der
engeren Heimat der zur Armee gehörenden Truppen, sorgten für
Bekanntwerden besonderer Leistungen Einzelner oder einzelner Truppenteile,
pflegten die geographische und geschichtliche Schilderung des Bereichs, in dem
die Truppen lebten, die Gedenktage der Armee und das Andenken ihrer Helden,
erläuterten [508] die notwendigen
Maßnahmen für Verpflegung, Post, Urlaubserteilung, ermahnten zur
Verschwiegenheit, warnten vor der Gefangenschaft und der Ausfragung durch den
Feind, regten durch Beschreibung der Natur, des Sternenhimmels und durch
Rätsel die Soldaten an, heiterten sie durch Humor auf und pflegten rein
soldatischen Geist in jeder Beziehung. Mit diesem Inhalt konnten sie durch die
heimischen Zeitungen nicht ersetzt werden. Die Angriffe, die in der Heimat gegen
die Armeezeitungen erhoben wurden, gingen von parteipolitischer Einstellung aus
und bekämpften den durch die Armeezeitungen gepflegten Geist. Die
Oberste Heeresleitung nahm sich der Armeezeitungen deshalb besonders an. Ihr
Organ zu diesem Zweck war die vorerwähnte Feldpressestelle. In den
Schriftleitungen waren Stabsoffiziere, Hauptleute und Leutnants des aktiven und
des Beurlaubtenstandes neben Feldgeistlichen, Unteroffizieren und Gefreiten
vertreten. Die Lieferung gegen Bezahlung wurde sowohl von den
Kommandostellen wie von der Truppe der kostenlosen vorgezogen, um den
Eindruck der Beeinflussung zu vermeiden.
Sehr bald stellte es sich heraus, daß auch für die französische
Bevölkerung im Operationsgebiet eine Zeitung erforderlich war. Von
Holland aus fand durch Belgien ein Vertrieb aufreizender Schriften unter der
französischen Bevölkerung statt, der durch Geheimdruckereien in
Belgien und Nordfrankreich erweitert wurde. Es galt der Verhetzung der
französischen Bevölkerung sowohl zur Sicherheit im Rücken
des deutschen Heeres, wie im Interesse der französischen
Bevölkerung selbst entgegenzuarbeiten. Zu diesem Zweck wurde
Weihnachten 1914 die Gazette des Ardennes geschaffen, deren Aufbau
ein mit dem Ausland vertrauter Offizier des Beurlaubtenstandes leitete und deren
redaktionelle Leitung ein tapferer, für seine deutsche Heimat opferbereiter
Journalist elsässischer Abstammung übernahm. Der Erfolg der
Gazette, der sich in der weiten Verbreitung ausprägte, war
erheblich, und der Nutzen für die deutsche Kriegführung wie
für die französische Bevölkerung von beiden Seiten anerkannt.
Ein ähnliches Zeitungsunternehmen in russischer Sprache wurde in Berlin
ins Leben gerufen, fand aber hauptsächlich nur Verwendung unter den
russischen Kriegsgefangenen.
So hatte der militärische Pressedienst im Laufe der vier Kriegsjahre eine
Ausdehnung angenommen, die über das vom Generaloberst
v. Moltke bei Kriegsbeginn Erwartete und Gewollte weit hinausging. Die
Leistungen, die der Generalstab auf diesem, ihm bis zum Kriege wesensfremden
Gebiet vollbracht hat, reihen sich würdig an die auf anderen Gebieten an.
Sie waren nur möglich durch Unterstützung sachverständiger
Kräfte, die der Generalstab heranzog und durch die
überzeugungstreue Arbeit des Einzelnen. Beschränkt auf die Leitung
durch militärische Hand blieb dem Pressedienst aber der wesentlichste, der
politische Inhalt, versagt. Je mehr in der Heimat politische Strömungen die
Oberhand gewannen, die dem Kampf entsagten, um so mehr [509] geriet der
militärische Pressedienst nicht nur oft vor unlösbare Aufgaben,
sondern mußte an den Zielen einbüßen, zu denen er geschaffen
und unentbehrlich war.
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