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Totzau
(Kreis Kaaden)
Bericht Nr. 339
Mißhandlungen, Morde
Berichter: H. K. W. Bericht vom 1. 5. 1951
Beim Bürgermeister von
Totzau fanden sich am 25. 5. 1945 zwei kommunistische Kriminalpolizisten ein, um nach
dem Orts- und nach dem Kreisleiter der Kreisstadt Kaaden zu fahnden, die sich angeblich im
letzten Haus des Ortes versteckt haben sollten. Die beiden begaben sich zu dem bezeichneten
Haus Nr. 85 und erhielten die Auskunft, daß die Gesuchten nicht da wären.
Daraufhin drangen sie in alle Räume ein und stießen dabei auf den Neffen des
Hausbesitzers, Josef Kutt aus dem Nachbardorf Saar bei Duppau. Er wurde für verhaftet
erklärt und feuerte plötzlich Schüsse ab, die den einen der Kommunisten
töteten und den anderen verwundeten. Dann sprang er aus dem Fenster und floh. Der
Verletzte aber rannte blutend durchs Dorf. Als er beim Bürgermeister Alfred Schmidt
vorbei kam, stand dieser gerade im Hof. Der Kommunist schrie: "Warum haben Sie uns das
nicht
gesagt?" und schoß dem Bürgermeister in die Brust. (Noch am selben Abend wurde
er, nachdem ihn Frl. stud. med. Christl Müller verbunden hatte, nach Karlsbad ins
Krankenhaus geschafft. Er genas, verstarb aber kurz nach der Aussiedlung nach Sachsen.) Bei
der
Post angelangt, meldete der Kommunist den Vorfall dem nächsten tschechischen
Gendarmerieposten.
Am folgenden Tag mußte die gesamte Bevölkerung um 7 Uhr früh am
Kirchplatz antreten. Mit wüstem Geschrei der Tschechen wurden die Häuser
durchsucht, die Männer verprügelt, die brauchbaren Sachen gestohlen.
Am 2. Juni 1945, gegen 19 Uhr, rollten zwei Lastautos mit ca. 20 Soldaten der "tschechischen
Revolutionsgarde", bekleidet mit bunten Stücken deutscher Uniformen und roten
Halstüchern, durch das Dorf und hielten bei der Kirche. Gleich darauf kam der Befehl:
Alle
Dorfbewohner am Kirchplatz antreten!" Etwas verzagt fanden sich Männer, Frauen und
Kinder ein. Den Männern wurde befohlen, ihren Oberkörper zu
entblößen. Dann mußten sie, hinter ihnen die Frauen und Kinder, in
Dreierreihen antreten. Der Kommandant stand mit der Pistole vor ihnen, die anderen gingen mit
Maschinengewehren auf und ab. Nachdem der etwas angeheiterte Kommandant die letzten
Züge aus einer eben in der Kirche gestohlenen Weinflasche getan hatte, hielt er in
gebrochenem Deutsch eine Rede, in der er immer wieder brüllte: "Heute werdet ihr alle
erschossen! Ganz Sudetenland muß krepieren! Ich habe keine Angst, ich kann Blut sehen!
Alle werdet ihr erschossen!" Dabei wurden die Frauen herumgejagt, die Männer
gequält. Die Kinder weinten laut. Immer wieder erscholl es: "Heute werdet ihr alle
erschossen!"
Um diesen Reden gehörigen Nachdruck zu geben, mußten wieder alle antreten und
wurden zum letzten Haus des Dorfes geführt. Dort hatte man unterdessen Furchtbares
vollbracht. In diesem Häuschen Nr. 85 wohnte die Familie Bartl, die Ehegatten Johann
und
Marie und ihre Kinder Marie, Willi und Fritz von 17, 15 und 12 Jahren. Die fünf
Bewohner
des Hauses lagen, von zahllosen Schüssen durchbohrt, tot im Hausflur. Da es schon recht
dunkel geworden war, ordnete der Kommandant an, daß die Leichen mit Kerzen
beleuchtet
werden müßten und dann mußten alle, Männer, Frauen und Kinder,
vorübergehen und sich dieses schaurige Bild ansehen. Hierauf mußten die Leichen
außerhalb des Friedhofes verscharrt werden.
Eine ähnliche Tragödie ereignete sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 1945 auf
der etwa 20 Minuten vom Dorf entfernten Einschicht, Kottershof Nr. 80. Hier wohnte die
Familie
Sacher und der Gastwirt Klotz mit seiner Tochter Anna Bernt, geb. Klotz. Die Tschechen
erschossen, immer noch unter dem Vorwand, daß der Kreisleiter versteckt sei, das
Ehepaar
Oswald und Therese Sacher, den Bruder Oswalds, Konrad Sacher und den Besitzer des
Nachbarhauses und dessen Bruder: Josef und Ludwig Tobisch. Das einige Monate alte Kind des
Paares Sacher wurde nach ca. einem Jahr in der nahen Jauchegrube gefunden. Die Einzelheiten
dieser Mordtat wurden erst allmählich bekannt, denn die Überlebenden durften
unter
Todesandrohung nicht darüber sprechen. Noch in der gleichen Nacht mußte Anna
Bernt, geb. Klotz, Frau G. H. aus Chemnitz, die als Bombenflüchtling in diesem Hause
wohnte, und Frau Tobisch, die Gattin des Ermordeten, die Blutspuren verwischen und die
Leichen
im Garten begraben.
Am 5. Juni 1945 kamen schon in aller Frühe Autos mit tschechischem Militär. Sie
umzingelten das Dorf, sodaß es niemand mehr verlassen konnte, durchstreiften die Felder
und Wälder, drangen in die Häuser ein, mißhandelten und plünderten.
Vormittags brachten sie den Herrn Klotz geschleppt, der in den vorhergehenden
Schreckenstagen
den Verstand verloren hatte und behaupteten, bei ihm einen Revolver gefunden zu haben. Der
Kommandant brüllte: "Es wurden Waffen gefunden, ich lasse 20 erschießen!
Kommen nochmals Waffen zum Vorschein, muß das ganze Dorf dran glauben!" Vor der
Kirche stand ein Auto, das die Revolutionsgarde bis Mittag schon ganz mit geraubtem Gut
gefüllt hatte.
Um 3 Uhr nachmittag kam der Befehl: "Die ganze Bevölkerung beim unteren Gasthaus
antreten!" Auf dem Weg dorthin wurde die Bevölkerung geprügelt, die Frauen, die
nicht schnell genug laufen konnten, wurden angebrüllt: "Werdet ihr laufen, ihr deutschen
Schweine!" Nicht nur die Revolutionsgarde mißhandelte die Menschen, nein, auch
tschechische Zivilisten, die mit Reitpeitschen bewaffnet waren und in den.Sudetengau
gekommen
waren, um sich deutschen Besitz anzueignen. In all dem schrecklichen Durcheinander, das auf
der
Straße herrschte, marschierte Gendarmerie mit Maschinenpistolen auf. Peitschenhiebe und
Fußtritte hagelten auf die Frauen ein: "Laufen, deutsche Schweine!"
Ein Gendarmeriehauptmann verlas die Namen von sechs ehemaligen Parteitmitgliedern, die sich
auf der anderen Seite der Straße mit dem Gesicht gegen einen alten Holzschuppen stellen
mußten. Der Führer der ganzen Gruppe, ein tschechischer Kommissar, ging dann
durch die Reihen der deutschen Männer, zog jeweils einen von ihnen heraus, bis er das
gewünschte Maß, 20 an der Zahl, voll hatte. Er äußerte sich des
öfteren: "Ich will von der deutschen Sau nichts mehr wissen", oder "Du blonder Germane
kommst auch noch dran", wobei er durchwegs große, blonde Männer und Burschen
aussuchte. Erst wurde ihnen, während sie mit
dem Gesicht - Hände hoch - gegen den Schuppen standen, alles weggenommen, was sie
bei
sich trugen, dann zog man ihnen Schuhe und Stiefel aus. Unter Peitschenhieben,
Gewehrkolbenstößen usw. hatten sie die schwersten Mißhandlungen zu
erdulden.
Ein 17-jähriger Junge brach ohnmächtig zusammen. Mit einem Kübel kalten
Wassers wurde er wieder ins Leben zurückgerufen. An den Händen wurde er vom
Erdboden hochgezogen. Als man die Menschen so zwei Stunden mißhandelt und
gequält hatte, befahl ihnen der Kommandant, in Zweierreihen hintereinander anzutreten.
Dann standen sie uns gegenüber. Man zeigte uns einen ganz neuen, zerbrochenen
Revolver,
der angeblich gefunden worden war. Dann hielt der Kommandant eine kurze Ansprache und
erklärte, daß diese Männer im Namen der Tschechoslowakischen Republik
erschossen würden.
Maschinengewehre knatterten, einzelne Pistolenschüsse verhallten ... dann verzweifeltes,
unfaßbares Schreien von Frauen und Kindern.
Gisela Hanl, Totzau Nr. 59, schrieb dem Berichter: "Auch mein guter Mann,
Otto Hanl, im
dreißigsten Lebensjahr, Vater von zwei Kindern, wurde mit an die Wand gestellt. Schuhe
und Wertsachen wurden ihnen geraubt, zwei Stunden lang wurden sie auf das Schlimmste
mißhandelt. Es war kaum zum ansehen, aber trotzdem durften wir, ihnen
gegenüberstehend, keinen Blick von ihnen wenden. Wie sie sie schließlich halbtot
geprügelt hatten, gab einer den Befehl, sie hinzurichten. Im Blute lagen sie an der
Straße, wo wir in Gedanken von ihnen Abschied nehmen mußten. Für mich
wäre das Schicksal hart genug gewesen, aber ich mußte, nachdem das Maß
noch nicht voll war, mit meinen zwei Kindern wie alle anderen Ortsbewohner Haus und Hof und
die liebe Heimat verlassen, die jetzt einsam und verwüstet ist."
Frau Rosa Schmidt, Totzau Nr. 60, die damals schwanger war, berichtet: "Mein
Mann, Ernst
Schmidt, war gesund aus dem Lazarett heimgekehrt, wir erfreuten uns gerade vier Wochen
seiner
Anwesenheit. Auch er war glücklich, seine Lieben, besonders sein dreijähriges
Söhnchen Günther, wieder zu haben. Auch ich stand mit meinem Mann und
unserem
Söhnchen unter den Zitternden. Nun kam der furchtbare Augenblick. Ein Tscheche ging
durch die Reihen, maß mit stechenden, haßerfüllten Blicken die
Männer
und holte einen nach dem anderen heraus. Ich stand wie gelähmt und mir schien das Blut
in
den Adern zu stocken, als sich seine Blicke auf meinen Mann richteten, als man auch ihn
wegriß von seiner Familie und ihn mit Kolbenstößen und Peitschenhieben
einhertrieb.... Es ist nicht zu beschreiben, welcher Kummer und welcher Schmerz mir auf der
Seele lastete, als ich mit meinem Jungen von der Stelle ging, wo mein lieber Mann einen
solchen
Tod gefunden hatte. Und als ich von meiner Heimat Abschied nehmen mußte, galt mein
letzter Besuch seiner Ruhestätte."
Frau Rosa Schmidt ist heute leidend. Sie konnte sich von dem körperlichen und seelischen
Zusammenbruch nicht mehr erholen. Nach schwerer Feldarbeit hat sie von Zwillingen
entbunden,
der Junge starb gleich und das Mädchen verlor sie nach 6 Monaten.
Die Totenliste:
1. Paul Heinze
2. Josef Otto Hanl
3. Ernst Schmidt
4. Erich Leger
5. Josef Kauer
6. Wenzel Leger
7. Willibald Zörkler
8. Josef Kräupel
9. Johann Bärtl
10. Emil Meinlschmidt I
11. Emil Meinlschmidt II
12. Friedrich Schulz
13. Erich Pagelkopf
14. Josef Endisch
15. Josef Zörkler
16. Willi Klotz
17. Josef Zengler
18. Franz Schmidt
19. Rudolf Klotz
20. Erich Schmidt
Die Toten des Hauses 85:
1. Johann Bartl
2. Marie Bartl [Mutter]
3. Marie Bartl [Tochter]
4. Willi Bartl
5. Fritz Bartl
Die Toten des Kotterhofes:
1. Oswald Sacher
2. Konrad Sacher
3. Resi Sacher
4. das kleine Kind Elfriede
5. Josef Tobisch
6. Ludwig Tobisch
Nach langem Bitten durfte man die 20 Erschossenen auf dem Ortsfriedhof begraben. Sie
wurden auf drei Wagen geladen, der sie dorthin fuhr. Eine Blutstraße zeigte noch lange
den
Weg an. Es wurde ein Massengrab ausgeschaufelt und die Toten hineingelegt. Kein Hügel
durfte von einem Grab künden, alles mußte eingeebnet werden und die
Grasstücke mußten wieder so darauf eingeschichtet werden, wie sie
herausgestochen
wurden.
Trautenau
Bericht Nr. 340
KZ, Erschießung von 20-30 Menschen,
Juni 1945
Berichter: N. N. Bericht vom August 1950
Ich bewohnte in Trautenau mit
meiner Gattin ein Eigenheim und betrieb seit 1926
ein Agentur- und Kommissionsgeschäft. Politisch habe ich mich niemals
betätigt.
Am 8. 5. 1945 wurde in den Parterre-Teil meines Hauses
eine 26-köpfige russische Wachmannschaft einquartiert, die sich
verhältnismäßig rücksichtsvoll benahm und anderntags
frühzeitig
wieder abging.
Wenige Tage später machten sich
tschechische SNB-Partisanen unangenehm bemerkbar. Es waren zumeist Studenten und
"Intelligenzler" aus der Gegend von Neupaka und aus Prag, die bald Hausdurchsuchungen oder
Vernehmungen durchführten, oft mehrmals am Tage. Ich beherrsche die tschechische
Sprache sehr gut und konnte ihnen leicht Rede und Antwort. stehen. Da ich schon seit mehreren
Monaten an einem schweren Darmleiden laborierte, mußte ich zumeist das Bett
hüten. Trotzdem ich eine tschechisch geschriebene ärztliche Bescheinigung
vorwies,
wurde ich etwa Mitte Mai 1945 zeitig früh aus dem Bett gerissen und mit
Kolbenstößen zur Mitarbeit an der Niederreißung der deutschen
Straßensperren gezwungen. An einem der nächsten Arbeitstage mußte ich auf
Befehl eines
aufsichtsführenden SNB-Mannes auf ein an einem Arbeitswagen angeheftetes Hitlerbild
mit einer Spitzhacke einschlagen und "Heil Hitler" bei jedem Hieb ausrufen. Dafür bekam
ich einen schweren Fußtritt in den Hintern und fiel zu Boden. Mein After blutete deshalb
sehr stark, doch ich wurde mit Kolbenstößen zum Weiterarbeiten gezwungen. Erst
nach Abtragung mehrerer großer Straßensperren und anderer
Aufräumungsarbeiten wurde ich und meine Arbeitskameraden entlassen. Es hatte sich
verschiedenes, lichtscheues Gesindel und auch bolschewistische Soldaten, besonders
nachtsüber, unangenehm bemerkbar gemacht, weshalb wir Deutschen vom
"Národní
Výbor" aufgefordert wurden, Nachtwachen zu halten. Dazu Bestimmte bekamen einen
Ausweis
und eine Armbinde. Dazu mußten wir deutschen Männer und Frauen für die
Russen anstrengende Trag- und Schleppdienste leisten.
So kam der 19. Juni 1945, ein Dienstag heran. Eine amtliche Zuschrift langte ein mit der
Mitteilung, daß meine 83jährige Mutter am heutigen Tage aus einer nahen Stadt des
ehemaligen Protektorates zu mir ausgesiedelt werde. Ich war glücklich darüber,
habe
sie aber nie wiedergesehen. Sie starb 1½ Jahre darauf elend und notleidend, in einer Stadt
an der Ostsee. Um die Mittagstunde erschienen drei sich als Geheimpolizisten legimitierende
Männer (Zizka, Dolccal, ?) und verlangten die Besichtigung meines Hauses. Nach
oberflächlicher Inaugenscheinnahme verließen sie das Haus. Kaum eine Stunde
nach
ihrem Abgang forderten
mehrere SNB-Männer Einlaß und hießen mich und meine Frau, uns für
einen 2-3-tägigen auswärtigen Arbeitsdienst, binnen einer Viertelstunde
bereitzustellen. Wir wurden unter Drohungen und Kolbenstößen zur Eile
gedrängt. Wir zogen unsere älteste Kleidung an, verstauten einige Notwendigkeiten
rasch in einen Rucksack und schon schoben uns
die SNB-Männer zur Türe hinaus. Sie führten uns zu einem unweit (beim
Wehrbezirkskommando)
bereitstehenden Gefangenen-Lastkraftwagen und stießen uns mit
Kolbenstößen
hinein. Eine Menge Bekannter, Frauen und
Kinder (von 2-15 Jahren) standen bereits im Wagen. Bald wurde der überfüllte
Wagen geschlossen und fuhr mit uns nach dem etwa 13 km entfernten tschechischen
Städtchen Eipel. In Eipel angekommen, wurden wir in einem alten verfallenen und
verwahrlosten Theatersaal auf schmutzigen und unzureichenden Strohsäcken
untergebracht.
Eine Menge bereits am Abend zuvor auf dieselbe Weise hergebrachter Trautenauer empfing uns
hier. Es dürften
etwa 200-250 Personen auf solche Art zusammengetrieben worden sein. Decken und
Nahrungsmittel hatten die wenigsten.
Angekleidet, je 2-3 Personen auf einem Strohsack, verbrachten wir die Nacht und noch einige
Nächte. Eine Wasserleitung stand uns nicht zur Verfügung und nur ein Abort. Zwei
Tage wurden wir ohne jedwede Verpflegung gelassen, konnten uns aber in
Nachbarhäusern
Wasser holen. Erst am dritten Tage wurden uns täglich drei "Mahlzeiten" gereicht,
bestehend aus schwarzem Kaffee, Wassersuppe und einem Schnittchen trockenen Brotes.
Dafür mußten wir Männer gleich am ersten Morgen Schwerstarbeiten im
Orte
verrichten, während die Frauen die Straßen, öffentliche Aborte und
Räumlichkeiten zu reinigen hatten. Am dritten Tage unseres
tschechischen KZ-Aufenthaltes wurden sämtliche Männer zu Erdaushubarbeiten
für einen uns zugedachten Barackenbau herangezogen, während in unserer
Abwesenheit die meisten Frauen in der näheren oder weiteren Umgebung Eipels zu
Bauern
als Mägde abgegeben wurden oder sonst
als Dienst- und Arbeitskräfte an die tschechische Bevölkerung verteilt [wurden].
Die
Eipler
Bevölkerung erging sich vielfach in unflätigen Beschimpfungen gegen uns.
Stöße und Schläge von Seiten der uns
beaufsichtigenden SNB-Partisanen, öfter auch seitens der zivilen Tschechen, waren zu
erdulden. Morgens um 6 Uhr wurden wir zur Arbeitsstätte geführt und
mußten, mit kaum einstündiger Mittagspause (heißes Wasser [Suppe?] mit
einem kleinen, kaum handflächengroßen Brotstückchen), bis in den
späten Abend hinein arbeiten. Wir erlebten es aber auch, daß uns mitfühlende
tschechische Zivilisten Lebensmittel in geeigneten Augenblicken zusteckten. Am 21. 6. 1945, es
war ein Donnerstag, hörten wir zufällig davon, daß unsere Frauen an Bauern
als Hilfskräfte zugeteilt worden seien. Ich fragte den tschechischen Aufseher
(Hlásek, ca.
60 Jahre) sehr höflich, ob das wahr sei, denn meine Frau habe meine wenigen
Habseligkeiten in ihrer Tasche. Hlásek fuhr mich an und sagte, daß mich das einen
Dreck anginge. Er rief sich
einen SNB-Mann herbei und erklärte ihm, ich hätte gesagt, was hier
geschähe,
wäre Barbarismus, er möge mich für Samstag zur Auspeitschung
aufschreiben. So geschah es, trotz des höflichen Hinweises auf die Unwahrheit dieser
Behauptung.
Wegen der mir am Samstag bevorstehenden Auspeitschung, die der im Lager berüchtigte
Podzimek in grausamster Art vollzog, hatte ich eine schlaflose Nacht und sann auf Flucht. Am
Freitagnachmittag spielte bei offenem Fenster
der SNB-Kaserne laut ein Radio. Die Sendung wurde plötzlich unterbrochen und der
Sprecher des Senders Prag sprach: "Pozor, pozor, pozor!" dann etwa: "die Bevölkerung
wird
von der Regierung aufgefordert, die Verfolgungen der Deutschen einzustellen." Dieser Ruf
erging
dreimal hintereinander. Das Radio wurde daraufhin ausgeschaltet und
zwei SNB-Leute traten aus der Kaserne zu unserem Aufseher Hlásek heraus und
erwähnten
diese Meldung vom Prager Sender, daß derlei Verfügungen doch nur für das
Ausland bestimmt wären, denn sie, die SNB hätten andere Direktiven. Bald darauf
setzte ein starker anhaltender Wolkenbruch alles unter Wasser, doch wir mußten knietief
im
Wasser stehend und völlig durchnäßt weiterarbeiten. Ing. Effenberger suchte
unter einem nahen Dachvorsprung Regenschutz. Der Aufseher Hlásek trieb ihn
zurück und
ließ ihn ebenfalls zur morgigen Auspeitschung aufschreiben. In der folgenden Nacht
erwogen wir (Ing. Effenberger und ich), wie wir der Auspeitschung entgehen könnten und
einigten uns darauf, gleich beim Weckruf uns zur Krankenvisite anzumelden, denn täglich
wurde nur eine sehr beschränkte Anzahl zur ärztlichen Untersuchung zugelassen.
Es
gelang uns, vorgemerkt zu werden. Als dann beim folgenden Aufruf der tschechische Aufseher
Hlásek zur Auspeitschung unsere Namen aufrief, meldeten wir ihm unseren Abgang zur
Krankenuntersuchung. Hlásek drohte uns nach unserer Rückkehr mit umso
härterem
Strafvollzug. Ein Wachtposten führte uns zum Kreisarzt Dr. P., der uns
alle (7-8 Personen) nach vierstündigem Warten dann eingehend untersuchte. Wir
erfuhren,
daß wir alle krank und nur zu leichter Arbeit zu verwenden seien. Der junge Leiter des
Arbeitsamtes sagte uns, für leichte Arbeiten hätte er genügend Leute, am
besten sei es, uns heim nach Trautenau zu entlassen. Wir baten darum und er entsprach dem.
Hier
erfragten wir auch die Adressen unserer bei Bauern arbeitenden Frauen. Man hieß uns, ins
Wohnlager zu gehen, wohin uns die Entlassungsscheine gebracht wurden. Des Kameraden
Lehrer
Amlers Frau war im selben Dorfe (Libnatov) beschäftigt, wo sich meine Frau
befand, etwa 4-5 km entfernt von Eipel. Mit ihm, der gleich mir entlassen worden war, floh ich
unverzüglich, Seitenwege benützend, um ja Hlásek nicht zu begegnen, in
der
Richtung nach Libnatov. Wir fanden unsere Frauen in mutloser Verfassung an. Ich besprach
mich mit meiner Frau und drängte in sie, sich raschmöglichst zur
amtsärztlichen Untersuchung zu melden. Auch sie wurde zwei Tage darauf entlassen. Der
Bauer meiner Frau wies
mir noch einen Abkürzungsweg nach Trautenau und im Verein mit Amler und dessen
freigegebener Frau eilten wir der Heimat zu. Als Erstes hörte ich von mir begegnenden
Bekannten, daß mein Haus sogleich nach unserem Abgange am 19. 6. 45 ausgeraubt
worden sei und am selben Tage der Geheimpolizist Zizala darin Einzug gehalten habe und mit
seinen Angehörigen unter Benützung meiner Möbel dort wohne.
Ich fand im
Hause meiner Kontoristin ein kleines Stübchen, wo mich zwei Tage darnach auch meine
Frau fand. Mit Hilfe wohltätiger Freunde, die uns mit Nahrungsmitteln und einiger
Bekleidung unterstützten, verbrachten wir dort drei Monate. Nach Beschlagnahme dieses
Hauses lebten wir weitere drei Monate in einer Dachbodenkammer und dann bis zu unserer
Aussiedlung die letzten 2½ Monate bei einem alten Manne.
Es war etwa Ende Juli oder
Anfang August 1945, als ich meinen früheren deutschen Tabaktrafikanten Herrn
Morawek
fragte, ob er mir etwas zum Rauchen beschaffen könnte. Herr Morawek wohnte nicht weit
von mir in seinem kleinen Haus oberhalb des Judenfriedhofes, war jetzt tagsüber vom
Hause fort und kam erst am späteren Nachmittag zurück. Deshalb ersuchte er mich,
gegen 19 Uhr in seine Wohnung zu kommen. Ich war rechtzeitig gekommen, aber Herr M. hatte
sich verspätet und kam erst um 20 Uhr heim. Nach dieser Zeit durfte sich kein Deutscher
auf der Straße sehen lassen. Dieser Tag war regenschwer und düster und ich wollte
meinen Heimweg über den Schützenhausgarten nehmen, damit ich ungesehen
meine
Wohnung erreichen konnte. Ich wartete nur noch den kurzen aber starken Regenguß ab.
Ich
erreichte beinahe den Ausgang des Schützenhausgartens und hatte nur wenige Schritte
nachhause. In diesem Augenblick vernahm ich rasch herankommendes Motorengeräusch,
zögerte beim Zaungebüsch und erschrak heftig, als ich merkte, daß ein
gedecktes Lastauto zum Schützenhausgartentor einlenkte. Ich drückte mich schnell
ins regennasse Gesträuch. Das Lastauto hielt vor der Veranda des zerstörten
Schützenhauses, in meinem Blickfeld, und sogleich entstiegen dem
Fahrzeug 5-7 SNB-Männer, hoben die rückwärtige Plane hoch, zogen etwas
heraus, das ich als menschliche, gefesselte, halb entkleidete Körper erkannte. Fast wortlos
zog man rasch und rücksichtslos Körper um Körper solch
Unglücklicher, die sich krümmten und jedenfalls geknebelt waren, hervor, warf sie
zu Boden, und unter "rychle, rychle" schleiften
sie die SNB-Männer hinter das Schützenhaus zu der ehemaligen
Schießstätte. Es waren
mindestens 21-23 menschliche Körper und nur Männer, wie ich erkennen konnte.
Gleich darauf krachten, zweimal hintereinander folgend, Maschinengewehrsalven, einige
Einzelschüsse, und schon schleppten
die SNB-Männer eiligen Laufes die Leichen herbei warfen sie wortlos zurück in das
Lastauto, dessen Lenker zurückgeblieben war, verdeckten es wieder rückseits und
fuhren rasch dem Stadtinnern zu. Erst als es schon recht dunkel war, wagte ich den Lauf zu
meiner Wohnung. Es blieb äußerst gefährlich, über das Geschehene
jemanden Mitteilung zu machen. Erst nach einigen Tagen erwähnte
die Rot-Kreuz-Schwester Helene Demuth, daß sie gehört habe, im
Schützenhaus sollen
an die 15-20 deutsche Männer erschossen worden sein. Hunderte Selbstmorde wurden
bekannt, ganze Familien brachten sich um (siehe beiliegenden Brief, den meine Frau im
Kohlenkübel beim
Bauer in Libatnov fand und dann in Trautenau hörte, daß sich die ganze Familie das
Leben genommen hatte). Jeder Deutsche bangte um sein und seiner Familie
Leben.
Brief einer durch Selbstmord geendeten Familie aus Trautenau
(Gisi Seidlová)
Pan Jan Celba, rolník
Libnatov 38
Freitag, 15. 6. 45
Liebe Gisi!
Soeben Dein Schreiben vom Mittwoch erhalten. Pech, Müller und Schinkmann und
Frauen,
sowie viele andere mußten heute ihre Wohnungen verlassen. Vielleicht kommen wir auch
an die Reihe und es wird nicht so viel Zeit sein, Dich abzuholen. Die Lage ist trostlos und es
bleibt nichts anderes übrig, als ein Ende zu machen. (Anm.: Ab hier eine andere
Schrift.)
Liebes Giserl! Heute sind vom Ort 72 Amtswalter mit ihren Frauen und Kindern fortgeschafft
worden. Vermögen und Wohnung sind sofort beschlagnahmt. Jetzt kommt die
Frauenschaft
an die Reihe. Papa und ich sind alt und krank, wir können uns in der Fremde nicht mehr
das Brot verdienen. Darum fasse Mut und folge uns. Wir sind dann alle mit unserem Walter
vereint.
Gott verzeihe uns die große Sünde. Es bleibt uns kein anderer Ausweg. Wenn mir
Zeit bleibt, gehe ich Sonntag nochmals zur Beichte.
Wir haben Dich unendlich geliebt und wollten nur Dein Bestes. Gott gib, daß wir uns im
Jenseits wieder sehen.
Verzeihe diese unselige Tat.
Deine Eltern.
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