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Freiwaldau
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Bericht Nr. 179
Widerrechtliche Beschlagnahme
Berichterin: Ida Fröhlich Bericht vom 7. 9. 1946
Meine Tochter Anna Pische
hatte als gelernte Schneiderin von der Zollbehörde
Freiwaldau
die schriftliche Bewilligung zur Ausfuhr ihrer Nähmaschine. Außerdem hatte sie
noch eine schriftliche Bestätigung des Národní Výbor in
Zuckmantel, daß ihr die Mitnahme gestattet war. Ein Gendarm kontrollierte beim
Verlassen
Zuckmantels unsere Papiere und fand sie in Ordnung und der Wirtschaftskommissar versah die
Papiere mit seinem Stempel und ließ die Nähmaschine passieren. Im
Aussiedlungslager nahmen sie meiner Tochter die Papiere ab und beschlagnahmten die
Nähmaschine mitsamt dem Zubehör. Als sich meine Tochter beschwerte, wurde sie
grob abgewiesen. Auch mein eigener Einspruch war wirkungslos und wurde grob abgewiesen.
Die Nähmaschine war eine versenkbare Singermaschine, im Jahre 1935 gekauft und hat
den Tschechen jedenfalls sehr gut gefallen.
Ich kann diese Aussage beeiden.
Bericht Nr. 180
Leidensweg einer Künstlerin
Berichterin: G. M. Bericht vom 9. 10. 1946 (Freiwaldau)
Ich bin von Beruf
Konzertpianistin, staatlich geprüfte Musikpädagogin. Ich
mußte mir im letzten Jahr den Lebensunterhalt als Barspielerin verdienen, um mich, meine
Mutter und meine beiden Kinder durchzubringen. Während dieser Zeit wurde ich von den
Tschechen in schlimmster Weise behandelt. Im Lokal selbst war ich immer wieder den
Anflegelungen durch das tschechische Publikum ausgesetzt. Zurufe wie: "Deutsche Hure, spiel"
waren an der Tagesordnung. Am Nachhausewege wurde ich wiederholt von Tschechen
belästigt und auch mehrmals vergewaltigt und durch Fußtritte verletzt. Wiederholt
drangen Tschechen in der Nacht in die Wohnung ein, einige Male drückten sie die
Fensterscheiben ein, um festzustellen, ob ich allein war. Durch Delogierung
aus meiner 7-Zimmerwohnung bin ich um alle meine Sachen gekommen. Im Aussiedlungslager
wurde mir von den wenigen geretteten Sachen noch ungefähr ¼ abgenommen.
Meinen Konzertflügel, einen mit der goldenen Medaille prämiierten
Försterflügel Modell III, durfte ich nicht mitnehmen, obwohl ich ihn nachweisbar
zur
Ausübung meines Berufes brauche.
Bericht Nr. 181
Schwere Mißhandlungen im landwirtschaftlichen
Arbeitseinsatz
Berichterin: Else Müller Bericht vom 23. 8. 1946 (Freiwaldau)
Ich wurde vom Arbeitsamt
Freiwaldau zu landwirtschaftlichen Arbeiten in Brusy bei Prerau
beim
Bauern Franz Gavenda verpflichtet. Dort hatten ich
und mein 12-jähriger Junge eine Hölle. Als ich die Annäherungsversuche des
Bauern zurückgewiesen hatte, wurde ich und mein Junge vom Bauern täglich
geschlagen und von der Bäuerin maßlos beschimpft und drangsaliert. Dabei
mußten wir täglich 16 Stunden pausenlos schwerste Arbeiten verrichten, obwohl der
Bauer wußte, daß ich herz- und schilddrüsenleidend bin. Ich zog mir bei der
Arbeit auch einen schweren Leistenbruch zu. Nach Weihnachten beschwerte ich mich beim
Bürgermeister, was noch schwerere Mißhandlungen zur Folge hatte. Da mir zu einer
Beschwerde die Gendarmerie unerreichbar war,
veranlaßte ich meinen 12-jähr. Jungen, in einem Brief an seinen Vater unsere
unerträgliche Lage zu schildern, in der Hoffnung, daß bei der Zensur der Inhalt des
Briefes der Gendarmerie zur Kenntnis kommen werde. Es erschien auch tatsächlich bald
darauf ein Gendarm, der mir mitteilte, daß ein Brief mit diesem Inhalt nicht
befördert
werden dürfe, aber gleichzeitig auch dem Bauern Vorhaltungen wegen unserer
Behandlung
machte. Darauf wurden die Mißhandlungen von Seiten des Bauern noch verschärft.
Darauf meldete ich mich zum Arzt, von dem ich ein Zeugnis über völlige
Arbeitsunfähigkeit erhielt. Vom Arbeitsamt wurde ich trotzdem zu Gavenda
zurückgeschickt, der mir von nun ab die Zwischenmahlzeiten entzog und mir noch
schwerere Arbeiten, jetzt auch sonntags aufbürdete. Am 8. 5. lief ich nach abermaligen
schweren Mißhandlungen davon und wandte mich wieder an das Arbeitsamt Prerau, das
mich nun einem anderen Bauern zuwies, wo die Verhältnisse erträglicher waren.
Während des Aussiedlungstransportes wurden ich und mein Sohn in
der Station Prag-Maleschowitz von einem Bahnhofsposten aufs Schwerste mißhandelt. Ich
wurde von ihm aus dem Waggon gerissen und so geschlagen, daß ich unter den Zug
rollte.
Während meiner 10½monatigen Abwesenheit bin ich um fast alle meine Sachen
gekommen. Mein Aussiedlungsgepäck erhielt ich von meiner Schwester.
Bericht Nr. 182
Lager Jauernig und Adelsdorf
Berichter: Alfred Latzel Bericht vom 9. 9. 1947 (Freiwaldau)
Meine
Heimat ist das Ostsudetenland, früher als Österreichisch Schlesien ein
Kronland der österreichisch-ungarischen Monarchie. Der Kreis Freiwaldau ist
Siedlungsland des Bistums Breslau und war schon 1284 nach dem liber fundationis mit
Deutschen besiedelt, "soweit eines Menschen Gedenken reicht". Seit 1523 sind meine Vorfahren
urkundlich nachweisbar im Kreis Freiwaldau als Vögte, Bauern und Landwirte gesessen,
das heutige Familiengut in Barzdorf erwarb mein Urgroßvater Josef Latzel, der
bahnbrechend in der
Landwirtschaft Österreich-Ungarns durch den Aufbau der österreichischen
Zuckerindustrie wirkte. Auf seinem 1846 erworbenen Freigute baute er in rascher
Aufeinanderfolge eine Mahlmühle, eine Kartoffelbrennerei, eine Ölmühle,
1850 eine der ersten österreichischen Zuckerfabriken mit Kokerei und Gasanstalt. Die
Landwirtschaft war mustergültig und richtunggebend, vor bereits 90 Jahren war der Hof
drainiert und wurde mit englischen Dampfpflügen bearbeitet. Eine Landwirtschaftsschule
wurde von ihm gegründet, und weitere Zuckerfabriken in Mähren und
Oberschlesien
errichtet. Durch alle Generationen wurde der Hof vergrößert und verbessert und war
1945 mit 225 ha neben größeren Höfen im Kreis noch immer an der Spitze in
Umsatz und Marktleistung. Unter bischöflicher Landesverwaltung war der Hof in unsere
Familie, später unter österreichischer Landeshoheit und blieb auch 1919 nach
abgeleisteter Vermögensabgabe im tschechischen Staate in der Familie. 1945 wurde er
mit
einem Federstrich enteignet, und die Familie von Haus und Hof als Bettler vertrieben. Im Herbst
1938, als auf die Propaganda aus dem Reich die "Massenflucht" einsetzte, verließ ich als
einziger Gutsbesitzer nicht den Hof. Als die Russen 1945 das Sudetenland und die Tschechei
befreiten, blieb ich ebenso am Hof. Ich wurde verfolgt, verließ aber die Heimat und den
Hof
freiwillig nicht. Er wurde nach starken Betriebsmittelverlusten nach bestem Können und
Gewissen weiter bewirtschaftet, und am 20. 6. 1945 wurde von Ostrau aus ein Nationalverwalter
über den enteigneten Betrieb eingesetzt. Er ist Bauernsohn aus Kreisen der tschechischen
Volkspartei und [so] hat mein Betrieb in seiner Person eine der wenigen Ausnahmen gefunden,
wie
dies aus der beigelegten Abschrift eines seiner Briefe an mich zu entnehmen ist, welche ich als
Zeugnis für die Ansichten eines bürgerlichen Tschechen über die
Verhältnisse in unserer Heimat beilege. Sie sollen auch Beweis meiner
persönlichen,
objektiven Einstellung zu den heute herrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen dienen,
da
gerade mein Urteil nicht durch böswillige oder durch Unkenntnis hervorgerufene
Zugrunderichtung meines Betriebes getrübt ist.
Im Juli 1945 wurde ich von bürgerlich-tschechischer Seite gewarnt, daß meine
Verhaftung und Verbringung ins KZ bevorstehe, und daß ich versuchen solle,
durchzukommen, um mich nicht den Quälereien der Partisanen als Lagerposten
auszusetzen. Aber auch diesmal lehnte ich ab, die Heimat zu verlassen, unter der
ausdrücklichen Erklärung, daß ich seit 1945 die Heimat ebensowenig
freiwillig verlassen werde wie im Herbst 1938, da ich weder politisch noch sozial
Befürchtungen zu haben brauche. Mitte August wurde ich von der tschechischen
Gendarmerie angeblich auf höheren Befehl verhaftet, und unter dem Vorwand,
Wertsachen
verborgen zu haben, zu "einer kurzen, gerichtlichen Einvernahme" in die nächste Stadt
abgeführt. Ich hatte aber bereits während des Protokolls mein Begleitschreiben zur
Einlieferung in das KZ Jauernig, das in der Schreibmaschine eingespannt war, unbeachtet
gelassen. Bis zur Tür des Gemeindekerkers in Jauernig ließ man mich im Unklaren.
Ein deutscher Kommunist war Kerkermeister. Die Zustände waren schon hier
unbeschreiblich, in winzigen Zellen Berge von Menschen, die nicht einmal auf den
Steinfliesen liegen konnten, ja nicht einmal durften.
Am nächsten Morgen begannen
die ersten Prügelszenen durch widerlich vertierte Tschechen, von deutschen Denuntianten
sekundiert, sie feierten die ersten Orgien, die ich hörte. Außer dünnster
Wassersuppe gab es nur Prügel. Das Ungeziefer und die Erwartung auf noch Schlimmeres
ließen keinen Schlaf aufkommen, ich war in dünnen Sommerkleidern, ohne Mantel
oder Decke, wie ich eben vom Feld gekommen war, die Taschen waren durch den deutschen
"Antifaschisten" vollständig ausgeplündert worden. Nach vier Tagen wurde
angetreten, und der Marsch in das KZ II des Kreises begann. Es befand sich am Stadtrand und
bestand aus ehemaligen Arbeitsdienstbaracken. Mein Schwiegervater, Dr. Erich Lundwall,
früher Gutsbesitzer in Weissbach bei Jauernig, war deutscher Lagerführer, auf dem
alle Verantwortung und Haftung für alle Insassen ruhte, und hatte er als einer der ersten
schon im Juni den Stacheldraht um das Lager bauen geholfen. Das Lager stand unter dem
Kommando des Stabswachmeisters Anton Pec der tschechischen Gendarmerie, die Posten waren
kommunistische Partisanen, die als arbeitsscheue Elemente in russischen Diensten gestanden
haben und jetzt belohnt wurden. Ein tschechischer Gendarmerieschüler, den ich
später mal als Posten am Arbeitskommando hatte, nannte sie Verbrecher, die
unzählige tschechische Gendarmen ermordet haben, als dieselben versuchten, Ordnung in
die chaotischen Verhältnisse zu bringen. Er selbst würde, wenn die Wahlen
kommunistisch ausfallen würden, die Uniform ausziehen, und in den Straßengraben
werfen, und dann - geradewegs ins Reich gehen, wo es ihm gut gegangen sei. Die Gendarmerie
verlor mit fortschreitender Zeit immer mehr an Ansehen und Macht und war den Partisanen
ausgeliefert. Nationale Momente traten bei der Bewachungsmannschaft erst in zweiter Linie in
den Hirnen dieser Untermenschen in Erscheinung.
Sie trugen Phantasie-Uniformen, meist Uniformstücke nationalsozialistischer
Organisationen durcheinander, die "Feinen"
trugen möglichst SS-Uniform. Alle trugen den
roten Emaille-Sowjetstern an Kappe oder Bluse und eine rote Armbinde mit den Buchstaben
KTOF (Koncentracní Tábor Okres Frývaldov, Konzentrationslager Kreis
Freiwaldau). Dies als Beweis dafür, daß man regelrechte Konzentrationslager
eingerichtet hatte, deren Bestand dem Ausland gegenüber abgestritten wurde.
Handfeuerwaffen und Peitschen jeder Art vervollständigten ihre Ausrüstung. Ein
Kommissar in russischer Uniform stand über allem. Ein grauenhafter Sadist, der mit
Messern die Konturen der an der Tür stehenden oder am Boden gefesselten liegenden
Häftlinge auswarf, um die Verhöre mit Nachdruck zu versehen, und der nachts die
Zivilbevölkerung
in richtiger SS-Uniform provozierte und terrorisierte.
Von den Schrecken des Lagers hatte ich vor meiner Verhaftung schon gerüchteweise
gehört, jede Verbindung mit meinem Schwiegervater war abgerissen, die Lagermenschen
waren ausgeschaltet für ihre Angehörigen und die Umwelt. Die ganze Gegend
zitterte mit uns um diese Ärmsten. Wurde versucht, einem Häftling ein Stück
Brot oder Arbeitskleidung zuzustecken, so bekam der Betreffende Prügel. Ich habe einen
Menschen später in der Krankenstube gesehen, dem der verlängerte Rücken
zerfleischt war, die Haut und das Fleisch waren bis zu 15 cm lang und mehrere cm tief
aufgeplatzt.
Die Schreckenstage des 9. Juli und 12. August im Lager waren vorüber. In dem
ersten Fall hatte man eine Schießerei nachts am Zaun provoziert und die Insassen
beschuldigt, Befreiungsversuche gemacht zu haben. Die unbeschreiblichsten Prügelszenen
über den ganzen Tag, bei Streichung aller Mahlzeiten setzten ein, Panzer, die gerade an
die
polnische Nachbargrenze gekommen waren, fuhren auf und schossen wahllos durch die
Baracken.
Im anderen Falle waren zwei Jungen von 15 und 16 Jahren vom Arbeitskommando
durchgegangen und waren von ihrem eigenen, deutschen kommunistischen Vater ins Lager
zurückgebracht worden, da überall bekannt gemacht worden war, daß auf
Beherbergung die Todesstrafe stehe. Diese beiden Buben wurden im wahrsten Sinne des Wortes
langsam zu Tode gequält. Sie wurden vor versammeltem Lager langsam und mit Bedacht
und nicht etwa an einem Tage gefoltert und schnitt man ihnen mit einem Taschenmesser auf
beide
Seiten des Hintern Hakenkreuze ein. Erst am folgenden Tage wurden sie hinter dem Zaun an die
Waldecke geführt und unter zwangsweisem Beisein von je zwei Häftlingen aus
jeder
Baracke erschossen und an Ort und Stelle verscharrt. Die Hinzuziehung eines Priesters oder
spätere Exhumierung und Verbringung auf den Friedhof kamen nicht in Frage, dagegen
beobachtete der deutsche Arzt des Krankenhauses, der auch hin und wieder in das Lager zu
schweren Krankheitsfällen und gelegentlichen Besuchen zugelassen wurde (wobei aber
oft
die Kranken willkürlich von den Posten von der Krankenstubentür fortgetrieben
wurden), wie der Postenaufseher und stellvertretende Lagerkommandant Nachnahmepakete mit
Totenschädeln (Kcs 600.-) per Stück deklariert an anatomische Institute aufgab, da
das Geld für Schnaps ja nie ausreichte.
Bei der Einlieferung in das Lager mußten wir uns alle nackt bis auf die Hosen ausziehen
und wurden stundenlang unter "Auf und Nieder" bis zur Erschöpfung unter
Peitschenhieben
und Kolbenstößen herumgetrieben. Als besondere Auszeichnung wurden dann
einige, auch ich war dabei, von dem oben erwähnten Kommissar ausgesucht, der
mir kurz vorher ein Muttergottesmedaillon, das ich bei der Kontrolle aus Versehen behalten
hatte,
vom Hals gerissen und auf die Erde geschleudert hatte. Nach solcher Überhitzung des
Körpers wurden wir in den Baderaum getrieben, dort wurden wir fast eine Stunde unter
die
von der Wand mit eiskaltem Gebirgswasser strahlende Brause gestellt, der Kopf wurde
ständig durch Peitschenhiebe in die gewünschte Lage gebracht, damit das Wasser
in
Nase und Ohren fließen mußte. Dann wurden wir, ein Posten mit Maschinenpistole
stand dauernd dabei, mit heißem Tee [Teer?] begossen, mußten vor drei Posten
treten,
wozu
die größten und stärksten Prügler ausgesucht wurden, einige Stufen
unter ihnen und auf Kommando schlugen sie gleichzeitig von verschiedenen Seiten mit geballter
Faust auf Kopf und Hals, so daß man wie ein Bündel in die Ecke flog, und man
mußte immer wieder bis zur Erschöpfung zu derselben Prozedur herankriechen.
Dann
wurde man mit langen, schweren und auch kurzen, siebenteiligen Peitschen geschlagen, bis der
ganze Körper blutunterlaufen war oder eine offene Wunde. Schrecklich waren die
Schläge auf die Geschlechtsteile mit einem spanischen Rohr, ein Kamerad hatte dieselben
auch über drei Wochen noch vollständig blau und wurde deshalb auch nicht zum
Arzt vorgelassen, obwohl er dem Posten in seiner Angst beteuerte, er wisse nicht, wieso dies
alles
so blau sei. Dann wurden wir in die Strafzelle des Lagers, die gefürchtete Basse gesperrt,
die sich hinter der Wachstube der Posten befand, und in der man Tag und Nacht ihrer
Willkür ausgesetzt war. An der Wand fanden wir Blutspritzer und unter der Pritsche lag
ein
total durchblutetes und vereitertes Hemd und eine ebensolche Unterhose eines unserer
Vorgänger: gegen Abend ging die Prozedur weiter, man hatte inzwischen herausgefunden,
daß ich willkürlich in diese Gruppe gesteckt worden war und ich wurde für
diesen Tag von weiteren Mißhandlungen ausgeschlossen. Die vier anderen mußten
sich an die Zellenwand stellen und wurden so lang mit den kurzen Peitschen auf die Augen
geschlagen, bis alle acht Augen vollständig zugeschwollen waren, immer wieder
mußten sie ausrufen: "Wir danken
dem Führer!", riefen sie es nicht, so wurden sie geschlagen, und riefen sie es, wurden sie
erst recht geschlagen. Widerlich bis zum Erbrechen, und ich kam mir schandbar vor, davon
ausgeschlossen zu sein, da sich später auch ebenso die Unschuld dieser
Unglücklichen herausstellte. Drei Wochen verbrachte ich das erste Mal in dieser Zelle,
zeitweise bei nur einer Mahlzeit, ohne um unser weiteres Schicksal zu ahnen. Nach einem Tage
Lagerarbeit öffnete ich auf der allgemeinen Baracke nachts das Fenster, da ich ein im
Schlafraum stehendes Blechgefäß neben dem Fenster benutzen mußte. Ein
Posten hatte es gesehen, war durch das Fenster hereingesprungen und nach weiteren
Prügeln mußte ich sofort wieder in die Zelle zurück.
Ein alter Mann von 67
Jahren wurde eines Abends hereingebracht, er war beim Holzfällkommando (es
mußte um das Lager im Umkreis von 500 m für Fluchtversuche ein Schußfeld
kahl geschlagen werden) beschuldigt worden, Fluchtabsichten zu haben. In tiefer Kniebeuge
mußte er in der engen Zelle herumspringen, ein Posten sprang ihm auf den Rücken,
preßte seinen Hals mit den Knien zusammen und schlug ihn mit beiden Fäusten auf
den Kopf, bis er zusammenbrach. Daraufhin mußte ein anderer, aber ein junger
stämmiger Bursche, den sie als Heimkehrer von der Straße weggefangen und
einfach
ins KZ gesteckt. hatten, dasselbe mitmachen, nur dauerte es bei ihm entsprechend länger.
Der alte Mann war vollkommen gebrochen, murmelte Tag und Nacht Gebete und war von
Todesahnungen erfüllt. Sie haben ihn dann auch unter der Beschuldigung, die Flucht
eines Kameraden über beide Stacheldrähte gut geheißen zu haben, obwohl er
das betreffende Gespräch, das am Klosett belauscht worden war, wegen seiner
Schwerhörigkeit gar nicht verfolgen konnte, in der Wachstube, nur durch eine
Bohlenwand
von uns getrennt, langsam ertreten. Es war entsetzlich, diese tierischen Schreie zu hören,
die immer leiser wurden und mit einem Stöhnen und Röcheln endeten. So endete in
dieser Wachstube auch ein anderer älterer Mann, der totgeschlagen und zertreten wurde.
Alle wurden ohne Priester im Wald hinter dem Lager verscharrt. Der deutsche Arzt sollte
gezwungen werden, eine natürliche Todesursache festzustellen, was er aber ohne
Exhumierung der Leiche ablehnte. Derselbe Arzt sollte auch gezwungenermaßen einen
anderen Insassen durch Verabreichung einer Injektion beseitigen. Aber es kam nicht dazu, sein
Schwiegervater war in der ersten Republik als Tscheche Legationsrat in Prag, er sagte mir,
daß er und seine Kreise sich eine "Befreiung" der CSR allerdings anders vorgestellt
hätten.
Im "Bad" hatte man mir am Einlieferungstag bei der "Aufnahmeprüfung" das
linke Trommelfell durchgeschlagen, aber das Ohr hatte bisher nicht geeitert wie anderen, nur das
Gehör hatte ich verloren. Daher bekam ich von einem "Spezialisten" nach drei Wochen
noch eine abgezirkelte Ohrfeige mit der hohlen Hand, die durch den Luftdruck das Ohr zur
Eiterung brachte. Wochenlang ging ich dann mit dem eiternden Ohr auf das
Außenkommando, bis mich die Kameraden zum Arzt brachten, der zufällig im
Lager
anwesend war. Ich mußte augenblicklich in das Krankenhaus gebracht und operiert
werden,
der Eiter hatte bereits die Beinhaut des Knochens gefressen und war schon in den Knochen
gedrungen. Die Operation gelang dem Nichtfachmann für solche Spezialfälle. 48
Stunden später wäre der Eiter im Gehirn gewesen, und ich läge in der
Waldecke hinter dem Lager. Das hätte ja nichts geschadet und niemand war da, der es
gewagt hätte, dagegen einzuschreiten. Nicht einmal ein Tscheche. Menschenleben
spielten
ja keine Rolle, aber die Rechnung des Krankenhauses und des Arztes wurde vom Lager nicht
bezahlt, sie wurde dem Zwangsarbeiter meines enteigneten Hofes vorgelegt.
Auf 5.5 qm lagen wir sechs Mann am Fußboden der Zelle ohne Überjacke, Mantel
oder Decke, die verboten waren, das Fenster mußte in kalten Nächten offen, an
heißen Tagen unter dem Pappdach geschlossen sein. Wir wurden zu Bedürfnissen
ganz nach Willkür herausgelassen, niemand traute sich wegen der zu erwartenden
Prügel für die Störung der Herren Posten zu klopfen. In ein Zahnputzglas,
das
für alle diente, mußten alle ihren Wunsch ratenweise erledigen und den Inhalt unter
Ängsten zum Fenster hinaus entleeren, bis man uns auch dies unter
Prügelandrohung
verbot. Später wurde uns eine Flasche zugesteckt, und jeder durfte nur den
nötigsten
Druck ablassen. Man muß dies längere Zeit mitgemacht haben, um diese Qualen zu
verstehen. Alles war verklebt vom Blut und Eiter der Wunden oder dem aus den Ohren
fließenden Eiter, die Luft war zum Umsinken, ein Kamerad wurde regelmäßig
ohnmächtig, wenn er aufstand und zum Fenster wollte. Ich hatte meinen Hut in der Zelle,
er
war unser Notklosett, aber nicht wasserdicht, sodaß wir teilweise im Nassen lagen.
Einigen Insassen gelang es, unter Lebensgefahr vom Arbeitsplatz zu entkommen, einigen
über den doppelten Stacheldraht zu klettern, und einigen durch Durchschneiden der
Drähte zu entkommen. Jedesmal gab es zur Strafe den ganzen Tag Prügel für
alle Insassen oder Märsche im Lager bis zu 20 Stunden ohne Pause, ohne die geringste
Nahrung. Jeder solange, bis er liegen blieb, auch Invalide und Kriegsversehrte mußten in
der ersten Zeit mitmachen. Nasse Kleider oder Schuhwerk durften nach der Rückkehr
vom
Arbeitskommando nicht in der Baracke aufgehängt werden, sie wurden von den Posten
durchs Fenster in den Graben geworfen. Ungezählte Abende, oft auch mitten in der Nacht,
gab es "Antreten", wobei man oft nur halbbekleidet zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung
herausmußte. Nach wiederholtem An- und Abtreten mußte man dann oft
stundenlang
stehen. Es kam auch vor, daß "Damenbesuch" zu diesem Schauspiel eingeladen wurde, der
dann noch hetzte und sich über die alten Leute lustig machte, die nicht mehr
mitkonnten.
Im Mai 1946 entstand ein Kampf zwischen den Leitern der beiden KZ im Kreise um die
Auflösung eines der beiden Lager und die Überführung der Insassen in das
andere Lager. Jedes hatte große Vorräte unterschlagener Lebensmittel, die unserer
Küche nicht ausgefolgt worden waren, und die nun hätten mitgegeben werden
sollen,
jeder bangte um seine Stellung und die damit verbundenen Vorteile. Wir wurden
schließlich
auf Lastwagen verladen. Der größte Teil der ersparten Lebensmittel aber nicht, und
wurden in das KZ I Adelsdorf bei Freiwaldau überführt, ein ehemaliges
Kriegsgefangenenlager. Es war voll Ungeziefer, am ersten Sonntag fing ich aus meinem Bett
147
Wanzen und aus der Decke 94 Flöhe. Nach dem Einleben erfuhren wir die Greuel, die in
diesem Lager vorgekommen waren, die z. T. noch erfindungsreicher waren, am
unmenschlichsten
in einem Teillager oben im Wald, von wo man die Todesschreie und Schüsse unten im
Dorf
nicht hören konnte. Die Unmenschlichkeit dieses Lagers war derart, daß sogar von
tschechischer Seite in Prag davon Anzeige über die Zustände erstattet und das
Lager
über Nacht liquidiert wurde. Es wurden u. a. dort eines Tages jeder sechste Mann nach
Abzählen auf Befehl des Verantwortlichen über beide Lager des Kreises ohne
Bekanntgabe des Grundes erschossen, ohne Rücksicht auf die Person, ohne
Rücksicht auf sein "Vergehen", das ja monatelang nach der Einlieferung noch nicht zur
Verhandlung gekommen war, ja manchen war es 15 Monate nach der Verhaftung noch nicht
gesagt worden, warum sie überhaupt da waren. Der einzige Grund war oft der, daß
man deutsche Eltern hatte. Ein Arzt, der in diesem Waldlager Insasse war, war nur noch eine
eiternde Wunde am ganzen Körper und kroch mühsam am Boden dahin, gehen
konnte er schon lange nicht mehr. Andere mußten ihm die eiternden Wunden auslecken,
mußten die Exkremente essen, sie mußten sich gegenseitig die Geschlechtsteile
ablecken. Der
kommunistische Lagerleiter-Stellvertreter Wiesner, der mit seinem Chef, dem
Lagerkommandanten Stabswachtmeister Grenar in fortwährendem Machtkampfe lag,
hatte
sich bei einem Motorradunfall im Suff das Knie zerschlagen, er ließ sich aber auf einer
Tragbahre zu den deutschen Erschießungen in den Wald hinauf tragen, um das Blut der
deutschen Schweine fließen zu sehen. Eine Reihe der Ärmsten in diesem Lager
hängte sich des Nachts an den Balken der Baracken auf, weil sie einfach diese Torturen
weder körperlich noch seelisch weiter ertragen konnten.
Ich hatte anfangs Jänner den Besuch eines Vetters im Lager Jauernig erhalten. Er hatte
1933 als Gegner Hitlers seine Heimat verlassen müssen und war über England nach
USA gegangen und kam als Amerikaner, Offizier und Beamter des CIC, 1945 zurück. Erst
nach wiederholten Vorstellungen wurde er als alliierter Offizier in das Lager eingelassen, das
bisher nur durch Russen betreten werden durfte. Unser kurzes Gespräch stand unter
Kontrolle, auch war ich zu überrascht und erschüttert, daß es noch jemand
gab,
der sich um einen zu kümmern traute, man hatte ja jede Hoffnung aufgegeben. Noch am
selben Tage wurde ich von der Gendarmerie, die sich im allgemeinen der Sozialdemokratie
näherte, ohne Vorliegen des Protokolles verhört und dann gefragt, warum ich
überhaupt da sei. Wenn ich das gewußt hätte! Erst durch weitere Protokolle
im
Feber und März erfuhr ich dann an Hand der Protokolle d. h. Verleumdungsanzeigen von
der tschechischen Gendarmerie, daß ich auf Anzeigen deutscher Kommunisten, wie
auch so viele andere, verhaftet worden war. Die Anschuldigungen waren inzwischen durch
Zeugeneinvernahmen entkräftet worden, aber trotzdem wurde ich bis zur Aussiedlung als
Arbeitstier,
das Kcs. 50.- täglich einbrachte, in Haft behalten. In vielen Fällen hat die
tschechische Gendarmerie, deren Beamten oftmals schon vor 1938 in unseren Dörfern
tätig waren, und die die Bevölkerung kannte, bei den Verhören der Insassen
denselben mitgeteilt, wer von den guten Deutschen sie zur Anzeige gebracht hatte, immer ein
bewährter "Antifaschist", also im sudetendeutschen Falle ein Kommunist oder ein
Untermensch aus persönlichen Rachegefühlen. Noch im August 1946 wurden
Zeugenaussagen durch Prügel bis zur Bewußtlosigkeit erzwungen, beim Aufwachen
mußte das fertige Protokoll, ohne daß es vorgelesen oder gar übersetzt wurde,
unterschrieben werden. Schubweise gingen die Insassen daraufhin vom Lager ins
Gerichtsgefängnis in Freiwaldau, und von da an das Kreisgericht in Troppau, wo ihnen
dann der Prozeß vom "Volksgericht" gemacht wurde. Die Resultate sind bekannt. Mein
Schwiegervater bekam, 59 Jahre alt, 18 Jahre Zwangsarbeit in Mürau bei Hohenstadt,
dem
Gefängnis für Schwerstverbrecher im alten Österreich. Viele meiner
Kameraden bekamen lebenslänglich oder hohe Freiheitsstrafen und wurden in Waldlager
oder Kohlengruben gesteckt.
Als Zeugen für diese meine Erlebnisse in den tschechischen KZ führe ich nicht nur
eine Anzahl meiner ehemaligen Leidensgenossen an, die ebenfalls als Ausgewiesene in den
Westzonen leben und deren Namen und Anschriften ich jederzeit angeben kann, sondern auch
den
ehemaligen Privatsekretär Seiner Eminenz Kardinal Bertram von Breslau Dr.
Münch, der mich damals nach meiner Operation öfter im Krankenhaus besuchte,
und
mit dem deutschen Arzt, einen ehemaligen Mitschüler von mir, in enger Verbindung
stand.
Wirtschaftliches
Ich habe eingangs die Entwicklung durch ein kurzes Bild über meinen ehemaligen
Gutshof
gestreift. Ebenso blühend waren unsere Bauernhöfe, unser Gewerbe, unsere
Industrie. Als Arbeitsmann
auf den KZ-Kommandos habe ich den anfangs langsamen Verfall in allen Phasen miterlebt. Es
gab noch Deutsche in allen Dörfern und Städten, die mit der Berufsarbeit vertraut
waren, die Betriebe waren fundiert, Reserven vorhanden. Dann ging es rapid bergab, heute
versteppt im wahrsten Sinne des Wortes unsere Heimat durch Unkenntnis, Arbeitsunwillen und
Bosheit, getreu den Worten des Herrn Präsidenten Benes, daß es besser sei, die
Disteln wachsen auf den deutschen Feldern, als daß sie von Deutschen weiter bebaut
würden. Ich habe auf Bauernhöfen, im Wald und in der Industrie gearbeitet, ich
habe
geholfen, Wohnungen zu plündern und nachts Maschinen ausgebaut und gestohlen, damit
sie in der Inventur vor der Aussiedlung des Besitzers nicht mehr erscheinen. Schlosser,
Straßenkehrer und in der Hauptsache Grubenarbeiter, an und für sich alles ehrliche
Berufe, aber vollkommen berufsfremd, bekamen unsere blühenden Bauernhöfe. Sie
säten den Hafer im Herbst, brachten den Heuwender, um Kartoffel damit zu roden, sie
lebten vom Schwarzschlachten und Schnaps. Das Getreide wurde naß eingefahren, es ging
kaum durch die Dreschmaschinen, und ein Großteil der Körner blieb im Stroh. Auf
Einwände und bei langsameren Einlegen der Garben in die Maschine wurde einem gesagt,
daß es für den "Neubauern" ja reiche. Das Parteiabzeichen und die politische
Gesinnung schützte ihn immer wieder. In der Holzindustrie wurde z. B. eimerweise das
Wasser auf die Holzwolle vor der Pressung geschüttet, das Holz wurde nicht nur im Wald
verkauft, es wurde noch an der Bahnrampe zum 2. Male schwarz verkauft, es war nach
mehrmaligem Verkauf sogar gestohlen, bis es verladen werden sollte. An der Schleifmaschine
für Blattsägen polierte ein tschechischer Arbeiter am Tage drei bis vier Blatt
unsauber, während sein von der Maschine verdrängter Vorgänger ca. 300
Blatt poliert hatte. In einer Leinenweltfirma, die ihre Filiale in USA hat, ging es ebenso rapid
bergab.
Als der US-Vertreter das erste Mal nach dem Krieg wieder herüber kam und die
Verbindung aufnehmen wollte, die Chefs, die Direktoren sprechen wollte, wurde ihm mit
Verlegenheit erklärt, daß dieselben im KZ seien und deren Frauen durfte er nicht
sprechen. Zur Kalkulation mußte der Deutsche aus dem KZ geholt werden. Die
Lieferungen
mußten dann später fehlerhaft storniert werden, das Liefersoll von 1945 wurde 1947
noch nicht erfüllt, für den Rest aber Preise von 1947 verlangt. Der
Geschäftsverkehr wurde von USA abgebrochen. Inzwischen ging die Aussiedlung aber
weiter, die Arbeitskräfte fehlten von Woche zu Woche mehr. Die Gutsbetriebe wurden
verstaatlicht, vom Staat an eine kommunistische Gesellschaft verpachtet, die vom Staat das
gesamte Inventar zu lächerlichen Preisen übernahm. Ich habe diese Inventur auf
meinem Hof nach der Haftentlassung gesehen, sogar eine Abschrift als Beweismittel erhalten.
Eine große Hofherr-Schrantz-Dreschmaschine (1250 mm Trommel), 1944 für
ca. Mark 7000.- geliefert, wurde 1945 mit Kcs 6000.-, also zu einem Zehntel des Wertes
eingesetzt, ein alter Landauer (geschlossener Kutschwagen) dagegen, dem man das Dach
zerschnitten und die Fenster zerschlagen hatte, wurde
mit Kcs 7000.- "bewertet". Also nirgends auch nur das Geringste von einer Sachkenntnis
getrübt. Unser Dorf hatte 2300 deutsche Einwohner, vor 1919 nicht einen Tschechen.
1938
nur ein paar Finanzer, Gendarmen und einen "Minderheitenlehrer". 1938 bis 1945 nicht einen
Tschechen. Heute leben dort knapp 600 Tschechen, die die Arbeit in dem 2300 ha großen
Dorf leisten sollen. Viele Wirtschaften liegen brach, ja ganze Gebirgsdörfer liegen
unbewohnt, sind unbebaut, das Vieh ist abgetrieben, die Häuser verfallen und werden
ihrer
Bestandteile beraubt. Im Frühjahr 1947 waren ungezählte Hektar Kartoffel und
Rüben nicht geerntet, in ungezählten Scheuern nicht gedroschen, ungezählte
Kartoffelmieten wegen unsachgemäßer Winterdecke erfroren, sodaß trotz der
abnorm guten Ernte in den Städten Kartoffelnot bestand. Mein Betrieb hat zu neun
Gespannen nur fünf Taglöhner, nicht einen einzigen verläßlichen
Knecht. Beide noch verbliebenen Zugmaschinen sind durch unsachgemäße
Behandlung nicht einsatzfähig. Die wenigen vorhandenen Arbeitskräfte reichen
einfach nur dazu aus, das Futter in den Stall und die Kartoffel in die Brennerei zu fahren. Die
Partie slowakischer Minderarbeiter (der Hof arbeitet seit 1893 als intensiver
Zuckerrübenbetrieb ständig mit diesen fleißigen Akkordarbeiterinnen), die
sich
der Verwalter aus eigener Initiative selbst angeworben und geholt hat, durfte heuer laut Prager
Ministerialerlaß nicht mehr auf den Kolchosen im Sudetengau arbeiten, und das
Arbeitsamt
gab den Vertrag einfach nicht weiter. Dafür wurden aber 6 Familien Bulgaren am Hof
angesiedelt.
Bericht Nr. 183
Lager Thomasdorf und Adelsdorf, Morde und
Mißhandlungen
Berichter: Karl Schneider Bericht vom 15. 9. 1946 (Freiwaldau)
Ich war 14½ Monate im Lager Thomasdorf interniert. Eingeliefert
wurde ich am 15. 6. 45.
Mir wurde zur Last gelegt, im Jahre 1938 einen Tschechen erschossen zu haben. Ich wurde auf
das Schwerste und Grausamste mißhandelt. In 4 Wochen wurde ich 16mal einzeln zu
verschiedenen Zeiten der Nacht verprügelt. Dabei wurden Gummiknüppel,
Peitschen, Ketten, Kanthölzer usw. verwendet. Ich bin jedesmal solange geschlagen
worden, bis ich bewußtlos war. Durch Fußtritte wurden mir 3 Rippen eingetreten,
außerdem wurden mir die Zähne eingeschlagen und das Schienbein verletzt. Wenn
ich zu Boden fiel, wurde rechts und links von meinem Kopf in den Boden geschossen, ein
Wolfshund auf mich gehetzt usw.
[Abb. vom Scriptorium hinzugefügt; Karte aus:
Zuckmantler Heimatbrief, Folge 143, September 2004, S. 98.]
Am 1. 8. 1945 wurde ich in das Lager Adelsdorf
überführt, wo ich ebenfalls mißhandelt wurde. Am 17. 8. mußte mich
Franz Schubert aus Niklasdorf ohrfeigen, da er es nicht stark genug tat, erhielt er einen Schlag
ins Gesicht, daß er tot umfiel. In derselben Nacht wurde auch Kamerad Schiebl zu Tode
geprügelt und der 16jähr. Knoblich aus Hermannstadt nach grausamen
Quälereien, die ganze Nacht hindurch, erschossen. Am 20. 7. bereits war durch eine
Zeugenaussage meine Unschuld erwiesen worden. Mein erstes Verhör fand aber erst am
10. 8. 1946 statt, worauf ich dann entlassen wurde.
In Thomasdorf bin ich auch Zeuge der
furchtbaren Martern des Dr. Pawlowsky aus Freiwaldau gewesen, der am 30. 8. 1945 seinen
Verletzungen erlegen ist. Am 1. 8. 1946 erlitt ich beim Verladen von Holz einen Unfall, durch
den
mir zwei Zehenkapseln zerschlagen wurden. Ich erhielt überhaupt keine ärztliche
Hilfe. Der Fuß wurde weder eingerichtet noch geschient. Ich bin heute noch im Gehen
behindert.
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