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Freiwaldau
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Bericht Nr. 184
Lager Thomasdorf, Lagerbeschreibung
Berichter: Karl Froning Bericht vom 4. 1. 1949
Am 25. 7.
[1945] wurde ich mit einem Transport in das Konzentrationslager Thomasdorf
gebracht.
Dieses war ein ehemaliges Russenlager meiner Verwaltung und mitten im Walde, im
sogenannten Vietseifen gelegen. Es galt als Straflager. Was das zu bedeuten hatte, sollten wir
bald
genug erfahren. Warum aber gerade wir dorthin kamen, blieb den meisten von uns
unergründlich, wie auch sonst so Manches in der neuerstandenen "Zweiten Republik".
Insgesamt hatten die Tschechen im Kreise 4 derartige Lager: Jauernig, Adelsdorf und
Thomasdorf für Männer sowie Biberteich bei Freiwaldau für Frauen. Das
Lager in Jauernig war ein ehemaliges RAD-Lager, das Lager in Adelsdorf
ein ehemaliges Engländer-Lager der Firma Weihönig.
Nach dem Eintreffen mußten wir uns im Lagerhof anstellen und unsere mitgebrachten
Sachen nebst Tascheninhalt zur Untersuchung vor uns ausbreiten. Messer, Wertsachen,
Streichhölzer, Rauchwaren und überhaupt alles, was den Tschechen gefiel, wurde
uns abgenommen und zwar ohne Bescheinigung. Bei dieser Untersuchung begannen sofort die
Prügeleien. Ich hörte, wie der Lagerkommandant Wiesner einen hinter mir
stehenden
Gefangenen, der vorher stark geprügelt worden war und offenbar blutete, anschrie:
"Deutsches Blut ist kein Blut, ist Schweinejauche". Das Lager war von einem doppelten
Stacheldrahtzaun umgeben, vor dem Zaun befand sich ein Gebäude für die Wache,
die aus sogenannten Partisanen und einigen jüngeren Gendarmen bestand.
Lagerkommandant war der schon erwähnte Wiesner, sein Vertreter ein gewisser Opichal,
beide Partisanen. Das Lager hatte nach unseren Grundsätzen eine
Belegungsmöglichkeit für etwa 100 russische Kriegsgefangene, die Tschechen
hatten
es mit über 200 Deutschen belegt. Unter den Gefangenen waren
zahlreiche über 60-jährige, verschiedene waren 70 Jahre und älter. Sehr viele
wußten überhaupt nicht, mit welcher Begründung man sie eingesperrt hatte.
Kriegsverbrecher oder Parteigrößen waren bestimmt nicht unter uns, aber es
genügte im allgemeinen irgend eine Anzeige oder auch nur die einfache Tatsache,
daß man Deutscher war.
Auch Konzentrationslager-Haft im Dritten Reich bot keinen sicheren Schutz. Wir hatten
manchen
unter uns, der auf diese Weise beides kennen lernte.
Die Hauptbaulichkeiten bestanden aus einer großen Baracke, in der die Gefangenen auf
Holzwollsäcken zweistöckig übereinander schliefen, Spinde oder
Schränke fehlten. Daneben gab es noch eine kleinere
etwas bessere Schlaf-Baracke - der frühere
Eßraum - eine Küchenbaracke, Friseurstube und Krankenstube. Waschen
mußten wir uns im Freien, an einer offenen Wasserinne, während unsere
Wäsche in einer besonderen Waschbaracke gewaschen wurde. Werkstätten
für
Schneider, Schuster, Schmiede und Schlosser befanden sich vor dem Lagerzaun. Sehr viel
konnten
wir dort aber nicht arbeiten lassen, da die Handwerker nur sehr wenig Material hatten und dies
auch noch meistens für die Bedürfnisse der Wachmannschaft gebraucht wurde.
Sofort nach der Einlieferung wurden uns die Köpfe kahl geschoren. Eine ärztliche
Betreuung gab es nicht, Wunden und Geschwüre, unter denen wir sehr litten, behandelte
in
aufopfernder Weise der Lazarett-Gehilfe Brosig, früher Masseur
am Prießnitz-Sanatorium in Freiwaldau-Gräfenberg. Schwerere Fälle,
Phlegmonen und
Blutvergiftungen kamen ins Krankenhaus nach Freiwaldau. Ab und zu erschien auch ein
jüngerer Militärarzt, aber nur um den Tod eines Gefangenen festzustellen. Die
Verpflegung war ausgesprochen kärglich. Die mittägliche Hauptmahlzeit bestand
in
der Hauptsache aus Kartoffeln und altem Dörrgemüse, mitunter wurden abends
Überreste des Mittagessens noch zusätzlich ausgegeben; sonst gab es morgens und
abends Kaffee und eine ganz unzureichende Brotration.
Etwa um 5 Uhr wurde geweckt, dann war Frühsport und nach dem Kaffeetrinken ging es
zur Arbeit, die für den größten Teil der Gefangenen in der Anlage einer
neuen
Waldstraße bestand. Die Arbeit, bei der es auch keine Sonntagsruhe gab, war an sich
schon
recht anstrengend, verschärfend kamen hinzu, die ganz unzureichende Verpflegung und
Unterbringung, sowie eine ausgesprochene sadistische Behandlung. Eigentlich jeden Abend
während des tschechischen Sprachunterrichtes, der im Freien stattfand, manchmal auch
schon beim Frühsport, griffen sich die beiden erwähnten Lagerkommandanten
einzelne Leute heraus zu besonderen Übungen wie Dauerlauf, Robben,
Froschhüpfen, Exerziermarsch etc. Zur Abwechslung mußten sich auch zwei
gegenüber stellen und gegenseitig ohrfeigen, oder wenn es geregnet hatte, das
Schmutzwasser vom Boden aufsaugen und dem Gegenüber ins Gesicht spucken. Dann
wurde nach Leibeskräften geohrfeigt, was sehr vielen den Verlust des Trommelfelles
einbrachte, oder mit Hundepeitschen, Stöcken und Latten geprügelt. An einem
Morgen, meiner Erinnerung nach am 14. August, mußten wir in größerer
Anzahl, darunter auch ich, während des Frühsports mit entblößtem
Oberkörper vor dem genannten Opichal antreten und wurden dabei mit einem
Ochsenziemer stark geprügelt. Ein älterer 60 bis 70jähriger Gefangener
wurde
besonders stark geschlagen und mußte nach etwa 10 bis 15 Hieben
jedesmal "dekují" - ich danke - sagen. Da er aber das "dekují" nach Ansicht des
Opichal nie richtig aussprach, bekam er hinterher immer noch 10 bis 15 Hiebe, ein Vorgang, der
sich ungefähr 6 mal wiederholte. Wie der Mann hinterher aussah, kann man sich
vielleicht
vorstellen. Ein anderes Mal nahm Opichal mich wegen
meiner Partei- und SA-Angehörigkeit besonders vor. Seiner Aufforderung, Hitler zu
beschimpfen, kam ich nicht nach mit der Begründung, Hitler sei immerhin
Staatsoberhaupt
des Deutschen Reiches gewesen. Daraufhin drohte er, mich mit seiner Pistole in den Fuß
zu
schießen. Ich erwiderte ihm, mir sei durchaus klar, daß er augenblicklich die Macht
dazu habe. Darauf hin ließ er mich nach einigen Beschimpfungen in Ruhe.
Eine Zeitlang beliebte Opichal, das Essen persönlich auszugeben, wobei auch wieder ein
jeder beim Empfang "dekují" sagen mußte. Wer das nach seiner Ansicht nicht
richtig machte, bekam kein Essen oder Ohrfeigen. Ein älterer, wohl etwas
schwerhöriger und aufgeregter Gefangener schüttete bei dieser Gelegenheit Opichal
einmal das heiße Mittagessen versehentlich in die Stiefel. Er wurde anschließend
und
in den nächsten Tagen halb tot geprügelt.
Eines Tages mußten die Alten und Invaliden antreten, angeblich sollten sie entlassen
werden.
Sie konnten lange Zeit im Lagerhof stehen und warten, wurden dann stark geprügelt und
blieben doch im Lager. Anfang August kam ein Teil der Lagerinsassen ins Lager Adelsdorf, von
wo zum Austausch andere Gefangene nach Thomasdorf kamen. Die trafen bei Dunkelheit in
strömenden Regen ein und erhielten zum Empfang bei der schon erwähnten
Durchsuchung sehr viel Prügel.
Sehr viel Schläge und Ohrfeigen gab es regelmäßig beim Antreten, wenn
angeblich die Richtung nicht stimmte oder irgendeiner der Gefangenen die nur tschechisch
gegebenen Kommandos nicht oder falsch verstanden hatte. Auch wenn die Stiefel nach Ansicht
Opichals und seiner Helfershelfer nicht sauber geputzt waren, gab es 15 und mehr
Stockhiebe.
Ab und zu fiel es den Tschechen ein, uns des Nachts, manchmal sogar mehrmals des Nachts, auf
dem Lagerhof antreten zu lassen. Hiebei stellten sich dann die Partisanen und Gendarmen vor
die
Barackentüren und prügelten erst einmal aus Leibeskräften in die sich
herausdrängende Menge der Gefangenen. Dann wurden die vorher genannten
Übungen durchgeführt, nur in sehr viel schärferer Form; gewöhnlich
waren die Tschechen dabei stark betrunken. Sehr beliebt war es auch, die Gefangenen mit
Peitschen auf dem Lagerhof herumzujagen und ihnen dann plötzlich ein Bein zu stellen
oder den Gewehrlauf zwischen die Beine zu stoßen. Wer aus Erschöpfung
liegen blieb - und das tat mancher - wurde so lange geprügelt, bis er wieder aufstand. War
er ohnmächtig, wurde er mit heißem und kaltem Wasser begossen bis er wieder zur
Besinnung kam. Verbände von zum Teil schwer eiternden Wunden wurden
rücksichtslos abgerissen. Als Abschluß derartiger Nachtübungen, die
meistens
stundenlang dauerten, mußten wir ein dreifaches "Sieg Heil" auf unseren Führer
Adolf Hitler ausbringen.
Zu einer Schilderung, die auch den Außenstehenden diese nächtlichen Szenen
miterleben läßt, reicht meine Feder nicht aus. Es ist mir auch zweifelhaft, ob eine
menschliche Feder überhaupt dazu in der Lage ist. Obwohl ich selbst leidliche Nerven
habe, auch einigermaßen elastisch den geschilderten Übungen körperlich
ziemlich gewachsen war und die ganze Behandlung letzten Endes ohne nachhaltige
Schäden überstanden habe, erschienen doch auch mir später noch mitunter
im
Traume diese gespenstischen Bilder mit dem Umherjagen der Gefangenen, dem Klatschen der
Peitschen, dem Stöhnen und Wimmern der Geschlagenen und
dem heiseren "honem, honem"-Schreien der betrunkenen Tschechen, das alles nur dürftig
erhellt von dem Licht
einiger Stall-Laternen. - Am schlimmsten mißhandelt wurde der Freiwaldauer Arzt Dr.
Pawlowsky. Bei seiner Überführung ins Lager mußte er nach
zuverlässigen Mitteilungen dem Zuge vorangehen und dabei ein Schild tragen mit der
Inschrift: "Das verdanken wir unserem Führer". Im Lager selbst hatte er kaum eine ruhige
Minute und wurde letzten Endes richtig zu Tode geprügelt. Er lag in der Baracke ziemlich
dicht neben mir und kroch eigentlich jeden Abend vollkommen beschmutzt,
durchnäßt, blutüberkrustet und mit Striemen bedeckt, mühsam auf
seinen Strohsack. Eine Zeit lang war er auch in meiner Arbeitskolonne. Abgesehen von seiner
angina pectoris litt er auch an einem sehr schmerzhaften Geschwür am
Gesäß,
was die Tschechen offensichtlich wußten und ihn daher mit Vorliebe dorthin traten. Wie
mir
glaubwürdig berichtet wurde, hat Opichal an seinem nackten Körper brennende
Zigaretten ausgedrückt. Ich selbst sah, wie er über den Lagerhof geschleift wurde
und irgend eine schmutzige Masse von der Erde essen sollte. Als er bat, ihm dies zu erlassen,
wurde ihm die Masse, die sein eigener Kot gewesen sein soll, in den Mund geschmiert. Am 13.
8.
sah ich ihn noch draußen antreten, nur mit einer kurzen schwarzen Turnhose bekleidet,
wie
er mit Wunden und Striemen bedeckt vor Schwäche taumelnd zusammenbrach. Des
Nachts
ist er dann in der Krankenstube gestorben.
Er hat diese ganzen unsagbaren Quälereien schweigend und in vorbildlicher Haltung
getragen und die Tschechen
haben aus ihm - auch in den Augen seiner
politischen Gegner - einen Märtyrer gemacht. Zur Krönung ihres Verhaltens
zwangen sie nach glaubwürdigen Mitteilungen seine im Lager Biberteich befindliche
Assistentin, nach seinem Tode Trauerkleidung anzulegen.
Einfach erschlagen wurde am 5. 8. 1945 der Landwirt Böhm
Adolf aus Ober-Lindewiese, während der Holzhändler Raschke schon vor meinem
Eintreffen sich in seiner Verzweiflung erhängt hatte. Diese 3 Toten wurden oberhalb des
Russenfriedhofes formlos im Walde verscharrt. Besonders stark mißhandelt wurde auch
der
kleine und körperlich recht unbeholfene Steinmetzmeister Sohmen aus Saubsdorf, der
schließlich richtig blöd geschlagen wurde. Als Folge der Mißhandlungen hatte
er außer seinem zerschlagenen Trommelfell auch noch eine große eiternde Wunde
am
Hals, bei der die Sehnen schon bloß lagen und die zu verbinden für den einen
vorhandenen Sanitäter mit seinem geringen Verbandsmaterial schwer genug war.
Trotzdem
wurde auch hier der Verband wiederholt rücksichtslos heruntergerissen. Am 27. Juli
entfloh
während der Außenarbeit ein gewisser Vater aus Hermannstadt. Daraufhin erhielten
noch am selben Tage die übrigen 10 Angehörigen des Kommandos je 200
Stockhiebe und darüber auf die nackten Fußsohlen, was wir mit ansehen
mußten. Geschlagen wurde mit dicken Latten, wenn sie zersplittert waren, wurden sie
durch
neue ersetzt. Die so Geprügelten konnten naturgemäß wochenlang nicht
gehen,
mußten aber trotzdem bei jedem Antreten, tagsüber wie nachts, dabei sein. Wie
Hunde kamen sie dann auf allen Vieren angekrochen und wurden dabei häufig noch
weiter
geprügelt. Die Namen dieser so Mißhandelten sind:
Brosig, Viehhändler, Oberlindewiese;
Dittrich, Schlosser, Böhmischdorf;
Hackenberg, Niederlindewiese;
Hofmann, Gastwirt, Weidenau;
Kuchar, Zuckmantel;
Nietsche, Waldaufseher, Böhmischdorf;
Siegel, Waldarbeiter, Obergrund;
Siegel, Waldarbeiter, Obergrund;
Spielvogel, Angestellter, Sandhübel;
und ein zehnter, dessen Namen ich nicht mehr feststellen kann. Am Schluß dieser
Prügelei, durch die zumindestens Spielvogel zum lebenslänglichen Krüppel
geschlagen wurde, erklärte der Kommandant Wiesner: "Wenn noch einmal einer
ausreißt, dann lasse ich euch alle erschießen.
Am nächsten Tage habe ich schon wieder 200 Neue im Lager." Sehr häufig sah sich
eine etwa 17jährige Tschechin, die das Verhältnis von Opichal und Genossen
gewesen sein soll, diese Mißhandlungen an und zwar mit offen zur Schau getragener
Freude, führte dabei auch wohl die Listen und rief die Namen auf.
Ab und zu fanden in dem Lager Durchsuchungen statt, bei denen die Tschechen stahlen, was
ihnen paßte. Auch die kleinen Sendungen von Lebensmitteln und Wäsche, die
Angehörige hie und da bringen durften, wurden in großem Umfange gestohlen. Mir
stahl man auf diese Weise einen guten Pullover. Als der Buchhalter Kasper aus Zuckmantel
einmal ein kleines Päckchen, das seine Frau ihm in 2 mal 30 km Fußmarsch
gebracht
hatte, von Opichal in Empfang nehmen wollte, wurde es ihm wohl gezeigt, aber nicht
ausgehändigt. Statt dessen erhielt er verschiedene der bekannten Ohrfeigen. Einer der
Partisanen mit Spitznamen Sherif oder so ähnlich genannt, wollte eines Tages meine
Schnürstiefel haben, da seine zu schlecht waren. Zu meinem Glücke paßten
ihm aber meine Stiefel nicht.
Am 15. August sollte das Lager nach Adelsdorf verlegt werden. In der Nacht vom 14. zum
15. begann plötzlich draußen eine starke Schießerei, die bis zum
Morgengrauen
anhielt. Ähnliches hatten wir zwar in früheren Nächten erlebt, aber nicht in
solchem Umfang und von solcher Dauer. Am anderen Tage wurden während der
Räumungsarbeiten gegen drei Uhr nachmittags sechs Gefangene, darunter auch solche,
die
schon mit einem Vorkommando nach Adelsdorf gegangen waren, unter starker Bedeckung
von Partisanen und Gendarmen in den Wald geführt. Kurze Zeit darauf hörten wir
in
der Nähe mehrere Salven. Nach etwa einer halben Stunde
wurde ein Gefangenen-Kommando mit Schaufeln und Hacken in den Wald geführt.
Angehöriger dieses Kommandos war u. a. Waldaufseher Emil Locker. Die Namen der
Erschossenen sind:
Buschmann, Maler, Friedeberg;
Dr. Franke, Rechtsanwalt, Freiwaldau;
Hanke Rudolf, Bürgermeister, Alt-Rohtwasser;
Klimesch, Kraftfahrer, Zuckmantel;
Reinelt, Sekretär, (Invalide) Groß-Krosse;
Seifert Gustav, Eisenindustrie, Böhmischdorf.
Verscharrt wurden sie im Walde einige hundert Meter vom Lager entfernt, links oberhalb der
Straße unmittelbar vor dem Wildzaun. Den Befehl zum Erschießen soll der
Kapitän Novak in Freiwaldau gegeben, er soll auch die Namen der zu
Erschießenden
fernmündlich durchgesagt haben. Nach welchen Gesichtspunkten er die Todesopfer
ausgesucht hat, haben wir nie ergründen können. Der Kommandant Wiesner, der
wegen eines Beinbruches damals an sich keinen Dienst machte, war trotzdem bei der
Erschießung anwesend. Wie mir verschiedentlich, darunter auch von Frauen
glaubwürdig mitgeteilt wurde, hat Wiesner später im Lager Adelsdorf, besonders
wenn er angetrunken war, wiederholt die Sprache auf diese Erschießung gebracht, den
Hergang geschildert und erklärt, er sei unschuldig daran, er habe nur einen schriftlichen
Befehl des Kapitän Novak ausgeführt, zu seiner Sicherheit sich diesen
vervielfältigen lassen und die Urschrift eingemauert.
Zu diesen Toten kommen noch diejenigen hinzu, die an den Folgen der Mißhandlungen im
Krankenhaus in Freiwaldau starben. Es sind dies:
Kintscher, Gemeindesekretär, Weißwasser, 57jährig;
Ludwig, Advokatursbeamter, Freiwaldau, 70jährig;
Seifert, Dachdecker oder Spengler, Friedeberg;
Watzlawek, Oberlehrer i. R., Schwarzwasser, 70jährig.
Es starben im Krankenhaus ferner:
Lux, Freiwaldau;
Pelz, Landwirt, Jungferndorf;
Streit, Landwirt, Neudorf.
Unter weiterer Hinzurechnung der vier bis zum 20. 8. noch in Adelsdorf Erschlagenen,
über
die weiter unten berichtet wird, beträgt die Zahl der Toten 20, das ist bei einer
Belegstärke von etwa 200 rund 10 v. H. und die in einem Zeitraum von ungefähr 4
Wochen.
Am Abend des 15. August wurden wir in das
Lager Adelsdorf
geführt und dort zunächst in Notunterkünften untergebracht. Der
Lagereingang lag an der Dorfstraße, über dem Tor war ein großes Schild mit
der tschechischen und russischen Aufschrift: Koncentracní tábor
(Konzentrationslager). Später wurde das Schild entfernt und die Lagerbezeichnung
wiederholt geändert in Arbeitslager,
Internierungslager, Internierten-Sammelpunkt u. ä. Die Baracken waren leidlich, wenn
auch zugig und feucht; verschiedentlich wurden neue errichtet. Die Belegung war ebenfalls
reichlich stark, wenn auch nicht so wie in Thomasdorf; je zwei Mann hatten ein schmales Spind.
Decken gab es im allgemeinen nur eine, wer eine zweite haben wollte, mußte sich eine
solche von zu Hause schicken lassen. In der kalten Jahreszeit durften die Baracken etwa von 17
bis
21 Uhr geheizt werden; leider war das Brennmaterial ziemlich knapp. Hinsichtlich der
Schneider,
Schuster und sonstigen Handwerker galt grundsätzlich dasselbe wie in Thomasdorf.
Wir "Thomasdorfer", die wir neben der aufgenähten Lagernummer ein A trugen, durften
mit den alten "Adelsdorfern", die ein B trugen, nicht sprechen und überhaupt nicht
zusammen kommen, mußten länger arbeiten und genossen auch sonst eine
unterschiedliche Behandlung. Diese bestand darin, daß die nächtlichen
Übungen sich noch häufiger wiederholten, wir praktisch überhaupt nicht
mehr
zur Ruhe kamen und es nicht einmal mehr wagten, nachts Kleider und Stiefel auszuziehen.
Einmal wußte ich am andern Tage nicht mehr, wie ich nach zwei derartigen
Nachtübungen, bei denen ich im übrigen nicht einmal
außergewöhnlich
mißhandelt wurde, wieder auf meinen Strohsack gekommen war.
Eines Nachts wurde ich aus der Übung heraus zu einer Gruppe Tschechen gerufen und ein
brutal aussehender Mann
mit einem Sowjet-Stern fragte mich nach Namen und Beruf. Als ich beides nannte, erhielt ich
einen derartigen Schlag ins Gesicht, daß ich zwei Schneidezähne verlor.
Späterhin stellte ich fest, daß der Schläger der Kommissar von Buchelsdorf
und Adelsdorf, Mader, gewesen war; angeblich soll er Berufsboxer gewesen sein und ein
Register
von 16 bis 20 Vorstrafen gehabt haben. Nach Aussehen, Benehmen und Schlagkraft erscheint
dies
nicht unglaubwürdig. Ein andermal nahm man bei mir vom Prügeln sofort Abstand,
als ich erklärte, ich sei Reichsdeutscher, sei erst seit 1939 im Sudetengau und hätte
mit den 38er Vorgängen nichts zu tun; tags darauf hatte ich mit derselben
Erklärung
nochmals Erfolg.
Während dieser Übungen und im Anschluß daran wurden erschlagen:
Knoblich, 15jährig, am 19. oder 20. 8. 45;
Schniebel, Arbeiter, Niklasdorf, am 16. 7. 45;
Schubert, Holzwarenerzeuger, Niklasdorf, am 16. 8. 45.
In der Nacht vom 19. zum 20. August entstand während der Nachtübung
plötzlich wieder eine große Schießerei, die Beleuchtung wurde ausgeschaltet
und wir mußten lange Zeit mit erhobenen Händen dastehen, bis man uns gegen
Morgen in die nächste Baracke jagte. Dem Briefträger Nitsche aus Reihwiesen
wurde dabei der Knöchel durchschossen, während er in der Notbaracke auf der
Pritsche lag. Die Verletzung war im Sommer 1946 noch nicht ausgeheilt. An andern Morgen
erschien der Kapitän Novak, ließ uns antreten, ging prüfend die Reihen durch
und suchte sich, ohne dabei ein Wort zu sagen, sechs Mann heraus, deren Namen der Velitel
Hansl aufschrieb. Offensichtlich war auch hier wieder ein Erschießen geplant, es kam aber
nicht mehr dazu, weil das Lager mit dem 21. 8. von der Gendarmerie übernommen wurde.
Immerhin dauerte es noch einige Tage, bis der neue Kommandant, ein sehr
korrekter Gendarmerie-Wachtmeister, der meines Wissens H. hieß, eintraf.
Während
dieser Zeit wurde eines Nachts mein Nebenmann, der Lebensmittelhändler Fial aus
Freiwaldau, von einem Partisanen in deutscher Fliegerbluse mit tschechischen Wappen am
linken
Ärmel von seinem Lager geholt, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Fial war
auch Ortsgruppenleiter gewesen und schon vorher durch Tritte in den Unterleib schwer
mißhandelt worden. Ob er erschlagen, erschossen oder von dem Kommissar Mader
erwürgt wurde, welche Rolle die beiden Kriegsgefangenen H. und Z. aus Mannheim bzw.
Berlin beim Tode des Fial gespielt haben und wo man ihn dann verscharrt hat, haben wir mit
Sicherheit nicht feststellen können; angeblich soll die Leiche unter den
Holzstößen am Ende des Lagers liegen. Genaueres dürfte der damalige
Lagerführer Schieche wissen. Dieser wurde im Herbst 1945 entlassen, angeblich hatte er
sich als Tscheche bekannt, wurde aber dann wieder eingesperrt, war längere Zeit
Lagerführer in Jauernig, kam im Mai 1946 nach Adelsdorf und im Juli oder August vors
Volksgericht in Troppau.
Zu den nächtlichen Schießereien, besonders zu der letzten, erfuhr ich später
in
Freiwaldau durch einen älteren Gendarmen, den ich von Jauernig her kannte, daß es
sich hierbei um Überfälle durch den Werwolf gehandelt habe. Ich hatte den
Eindruck, daß der Gendarm dieses einfältige Märchen, das auch der
"Hranicar" verbreitet haben soll, wirklich glaubte. Die Wahrheit ist, daß die
Schießereien durch Nervosität oder Betrunkenheit der Posten entstanden,
wahrscheinlicher aber mit Absicht in Szene gesetzt wurden, um einen Vorwand für
Vergeltungsmaßnahmen zu haben. Bezeichnend ist auch, daß im Anschluß an
die letzte Schießerei in Adelsdorf mehrere kleine Bauern in der Nähe des Lagers mit
ihrer Familie einfach eingesperrt wurden, obwohl sie mit der ganzen Sache bestimmt nichts zu
tun
hatten. Die auf diese Weise leer gemachten Höfe wurden dann von den Lagerinsassen
zu Nutz und Frommen der Partisanen "bewirtschaftet".
Mit der Übernahme des Lagers durch die Gendarmerie verschwanden allmählich
die
Unterschiede zwischen den
A- und B-Leuten und es hörten vor allem die Prügeleien, wenigstens
grundsätzlich auf. Immerhin wurde der Mühlenbesitzer Schroth noch im Januar
1946
im Anschluß an die Abendvisite schwer geohrfeigt. Der Lagerleitung schien dieser Vorfall
allerdings sehr unangenehm gewesen zu sein. Die Täter wurden angeblich auch bestraft.
Im
Frühjahr 1946 wurde der Stabsleiter Schindler aus Freiwaldau bei einem Verhör in
der Lagerkanzlei von Wiesner und seinen Helfershelfern schwer mißhandelt. Schindler
war
beim Hereinschmuggeln von Brot ins Lager ertappt worden. Beim Eintreten des
Lagerkommandanten hörten die Mißhandlungen sofort auf.
Im März 1946 wurde Franz Stöhr aus Niklasdorf, damals Putzer beim
Arbeitsinspektor Kopriva, von diesem und zwei Gendarmen fast zu Tode geschlagen. Kopriva
beschuldigte Stöhr, ihm ein Paar lange Stiefel gestohlen zu haben. Eine Behauptung, die
sich nachträglich als vollkommen unbegründet herausstellte. Auch sonst kam wohl
noch der eine oder andere Fall vor, wie z. B. der des Hauptmanns a. D. Hackenberg aus
Freiwaldau, der als Folge der Prügeleien späterhin an
Gleichgewichtsstörungen litt.
Ab und zu fanden auch hier Barackendurchsuchungen statt, bei denen ebenfalls alles
mögliche beschlagnahmt und gestohlen wurde, nicht nur Rauchmaterial, das dann die
Posten rauchten, sondern auch Lebensmittel und Wertgegenstände, wie z. B. mir eine
kleine Büchse Fleisch und ein vergoldeter Manschettenknopf.
Die Verpflegung wurde besser, Kartoffeln waren durchweg reichlich, Gemüse und
Graupen
wenig, vielleicht einmal in der Woche gab es etwas Fleisch, hier und da auch etwas Margarine
oder Marmelade; zu Weihnachten und Ostern wurden sogar einige Kuchen gebacken. Brot war
leider sehr knapp und dazu vielfach unerhört schlecht. Manchmal waren scheinbar stark
verunreinigte Mehlrückstände, vielfach aber wohl auch Roßkastanienmehl
mit
verbacken. Auf eine energische Beschwerde unseres Lagerarztes Dr. Hajek, der sich
überhaupt in jeder Weise für uns einsetzte, wurde das Brot wieder besser. Kaffee,
Ersatz natürlich, gab es immer reichlich, vielfach stand er auch außerhalb der
Mahlzeiten zur Verfügung, morgens und abends war er durchweg mit Zucker
gesüßt. Trotzdem war die Verpflegung unzureichend und einseitig, zumal von den
an
sich schon sehr knappen uns zugebilligten Sätzen ein großer Teil mit ziemlicher
Sicherheit in die Taschen bezw. in die Magen der Partisanen und Gendarmen ging. Den
Nachweis
hierfür zu erbringen, war natürlich für uns kaum möglich.
Mit Nahrungsmangel im eigenen Land konnte unsere kärgliche Ernährung in keiner
Weise begründet werden, denn die Tschechen selbst aßen und tranken recht gut,
schlachteten schwarz nach Belieben, verfütterten in großem Umfange Lebensmittel
an Schweine und waren, soweit es um ihre eigene Verpflegung ging, überhaupt recht
großzügig, wie wir ja bei der Außenarbeit, insbesondere auch der meinen,
genügend beobachten konnten. Wohl durchweg gewährten aber die tschechischen
Familien den bei ihnen beschäftigten Gefangenen eine ausreichende bis gute
Zusatzverpflegung, wovon auch die Partisanen einschließlich Novak und Wiesner keine
Ausnahme machten. In den letzten Monaten wurde übrigens eine angemessene
Zusatzverpflegung durch den Arbeitgeber nicht nur stillschweigend erwartet, sondern sogar
unmittelbar gefordert.
Besonders erwähnt werden muß in diesem Zusammenhange aber die Haltung der
deutschen Bevölkerung, die uns trotz strenger Verbote und der Gefahr schwerer
Bestrafung
nach Kräften mit Lebensmitteln aushalf, häufig genug auf Kosten ihrer eigenen
ebenfalls recht bescheidenen Versorgung. Nur durch eine derartige erlaubte und auch unerlaubte
Zusatzverpflegung war es überhaupt möglich, den Lageraufenthalt ohne
allzugroße Gesundheitsschäden zu überstehen.
Die ärztliche Betreuung wurde in Adelsdorf dadurch viel besser, daß fast immer ein
ebenfalls eingesperrter deutscher Arzt, manchmal sogar mehrere zur Verfügung standen.
Verbandsmaterial und Arzneimittel waren aber auch hier sehr knapp. Die Hauptkrankheiten
waren Furunkel, und Kreislaufstörungen mit Anschwellen der Glieder usw.
Es starben im Lager:
Dittmann, Gastwirt, Gr. Kunzendorf;
Ehrlich, Landwirt, Gr. Krosse;
Harwiger, Bahnbeamter, Zuckmantel;
Harmann, Kaufmann, Niklasdorf;
Mader, Oberlehrer, Buchelsdorf;
Seidel, Gastwirt, Dittershof.
Im Laufe des Sommers 1946 wurde auch endlich eine Zahnstation eingerichtet, die aber
hauptsächlich zur unentgeltlichen Behandlung der tschechischen Wachposten und der
Angehörigen diente, wir durften uns höchstens einen schmerzenden Zahn ziehen
lassen. Die Waschgelegenheit war nur mäßig, da die Wasserversorgung für
die
zeitweise 500 Mann starke Belegschaft nicht ausreichte. Wöchentlich einmal konnte eine
recht primitive Duschgelegenheit mit warmen Wasser benutzt werden. Angenehm empfunden
wurde die Einrichtung einer finnischen Sauna, die sonntags zur Verfügung stand. Sehr
stark
war die Floh- und Wanzenplage, die erst im Spätsommer 1946 durch ein von der UNRRA
geliefertes weißes Pulver amerikanischer Herkunft stark
vermindert wurde. - Die Behandlung wurde mit der Übernahme durch die Gendarmerie,
wie bereits bemerkt, wesentlich menschlicher, wechselte aber sehr; manchmal war sie milder,
manchmal schärfer. Mit Vorliebe sperrten die Tschechen die im allgemeinen zweimal
monatlich gestattete Zubringung kleiner Mengen Lebensmittel durch Angehörige.
Besonders gern geschah
dies als Kollektiv-Strafe, wenn ein Häftling entflohen war, was hin und wieder vorkam.
An
und für sich war ein Entfliehen besonders von den auswärtigen
Arbeitsstätten
keineswegs schwierig und ein Entkommen auch aussichtsreich; von etwa 6 Flüchtlingen
wurde nur einer wiedereingebracht. Trotzdem kamen Fluchtversuche nur
verhältnismäßig selten vor, da die meisten ihre Angehörigen nicht den
Vergeltungsmaßnahmen der Tschechen aussetzen wollten, und diese uns zudem wieder
erzählten, daß in Kürze mit einer Auflösung der Lager zu rechnen sei.
Schließlich erschien auch das polnisch
besetzte Gebiet - und nur dieses kam
praktisch in Frage - nicht gerade als sonderlich verlockendes Ziel.
Rauchen, Lesen, Schreiben, Karten- oder auch Schachspielen, Besuch in anderen Baracken,
Hereinbringen von Lebensmitteln ins Lager, Sprechen mit der deutschen Bevölkerung,
und
vieles andere war streng verboten. Vielfach kümmerten sich die Tschechen aber nicht
allzu
sehr um die Durchführung ihrer zahllosen Anordnungen, es sei denn, daß sie wieder
einmal schlechter Laune oder betrunken waren.
Am 16. 10. 1945 erschien noch einmal der Kapitän Novak und versprach uns in
längerer Rede die Einrichtung einer Kantine und beim Arbeitseinsatz eine Entlohnung von
täglich drei Tschechenkronen, das ist etwa 30 Pfennig. Von beiden haben wir aber nie
etwas zu sehen bekommen, obwohl immerhin für die Kantine ein schönes Schild
gemalt und für die von jedem Gefangenen geleisteten Arbeiten sehr eingehende
Nachweisungen geführt wurden. Der Arbeitgeber hatte im übrigen je
Gefangenentagewerk 70-90 Tschechen-Kronen zu bezahlen; es wäre interessant, einmal
festzustellen, wohin dieses Geld geflossen ist. Wir haben es nie ergründen
können.
Etwa Mitte Oktober 1945 wurde einmal von dem Pfarrer von Thomasdorf im Lager katholischer
Gottesdienst gehalten; predigen durfte er aber später nicht mehr. Weihnachten und Ostern
und auch sonst gelegentlich fanden durch Gefangene so eine Art
primitiver Kabarett-Vorführungen statt. Im November 1946 hörte auch das
Kurzscheren der Kopfhaare auf.
Der innere Lagerdienst, Arbeitseinteilung usw. wurde durch einen deutschen Lagerdienst
geregelt.
Ing. Klaus versah dieses recht schwierige und dabei auch noch recht undankbare Amt mit
unermüdlicher Hingabe. Verschiedene Gefangene, die die tschechische Sprache
beherrschten, waren in der Lagerkanzlei beschäftigt; hierfür wie für die
übrigen Lagerarbeiten, wie Küche, Kartoffel schälen, Handwerker,
Wäscher, Friseure usw. waren täglich etwa 70 bis 80 Mann eingesetzt. Die
übrigen, soweit sie nicht krank oder arbeitsunfähig waren, gingen auf die
verschiedensten Außenarbeiten im Walde, in Fabriken, in die Landwirtschaft, in
Privathaushaltungen usw. Am stärksten waren die verschiedenen Waldkommandos, die
zum Holzeinschlag auf zum Teil sehr entlegenen Arbeitsplätzen eingesetzt wurden. Auf
dem Heimweg mußten sie vielfach Brennholz mitbringen und dies, um das den Tschechen
offenbar zu teure Pferdegespann zu sparen, auf großen Wagen zu 20 und mehr Mann
selbst
hereinziehen.
Ich selbst war ungefähr ein dreiviertel Jahr auf der Gendarmerie-Station und auf der in
dem früheren Altvater-Sanatorium
eingerichteten Gendarmerie-Schule zu Freiwaldau beschäftigt. Das dort eingesetzte
Kommando war durchschnittlich 12 bis 15 Mann stark, meist Handwerker der verschiedensten
Berufe; ich selbst war mit 2 anderen Kameraden als eine Art Hausbursche mit Zerkleinern und
Herbeischaffen von Holz für die Küche, Bedienen der
Zentralheizung, Aus- und Einräumen, sowie Reinigung von Zimmern beschäftigt.
Die Arbeit war im großen und ganzen nicht schwer, die Zusatzverpflegung leidlich, die
Behandlung erträglich, eine Aufsicht bei der Arbeit war praktisch nicht vorhanden.
Bei den übrigen Kommandos lagen die Verhältnisse ähnlich, nur das
sogenannte Grubenholz-Kommando, das für eine Firma Grubenholz anfuhr, und auch
verlud, sowie das Kommando bei der Firma Regenhardt & Raymann in Freiwaldau galten als
ziemliche "Schinderkommandos"; mit am beliebtesten waren die allerdings immer nur
kurzfristigen Kommandos in Haushaltungen und zwar wegen der gewöhnlich recht guten
Zusatzverpflegung. Sehr ins Gewicht fiel auch die fast bei allen Kommandos gegebene
Möglichkeit, mit seinen Angehörigen und überhaupt mit der
Außenwelt
Verbindung aufzunehmen. Ein Nachteil der Außenarbeiten, besonders der
Waldkommandos, war der auf die Dauer doch recht erhebliche Verbrauch an Wäsche,
Kleidung und Schuhwerk; da die Tschechen nicht einmal genügend
Ausbesserungsmaterial, geschweige denn neue Bekleidung und Schuhwerk lieferten, ging auch
dies ganz überwiegend zu unseren Lasten. Die Arbeitsleistung war nach Lage der Dinge
im
allgemeinen nur gering, zumal auch die Arbeitszeit verhältnismäßig kurz war.
Um 7 Uhr Abmarsch aus dem Lager, Arbeitsbeginn bei meiner Arbeitsstelle etwa um 8 Uhr, eine
Stunde Mittagspause, zwei kleinere Pausen für 2. Frühstück und Vesper und
um 4 Uhr Arbeitsschluß. Zu Außenarbeit mußte eine gelbe Armbinde mit
schwarzem Hakenkreuz getragen werden und zwar für die Abteilung A am linken,
für die Abteilung B am rechten Ärmel; das war schließlich noch der einzige
Unterschied zwischen den beiden Gruppen A und B. Einen Vorteil hatte die
Zugehörigkeit
zur Gruppe A aber doch gehabt, da um den 1 September 1946 ein großer
Teil der B-Leute in die Kohlengruben kamen, wo es
ihnen arbeits- und verpflegungsmäßig sehr schlecht ging. Viele dieser Verschickten
kamen nach einiger
Zeit als arbeitsunfähig wieder zurück, um
dann wochen- und monatelang in der Krankenstube zu liegen.
Zur Begründung und Bemäntelung ihres Verhaltens behaupteten die Tschechen in
ihrer Propaganda, die Deutschen hätten sich ihnen gegenüber unerhörte
Greuel
zu schulden kommen lassen, während sie vor Humanität geradezu trieften. So war
schon im Lager Thomasdorf eine Todesanzeige für das Dritte Reich angeheftet, die
scheinbar witzig oder satirisch sein sollte, in Wirklichkeit geschmacklos und albern war. In
Adelsdorf wurde
dann Propaganda-Material über deutsche Konzentrationslager aufgehängt und im
Februar 1946 mußten wir in Freiwaldau eine große Wanderausstellung mit
Photographien und Dokumenten eines deutschen Kommunisten über uns ergehen lassen.
Diese Methoden verfehlten aber den Gefangenen gegenüber vollkommen ihren Zweck, da
die Herkunft der Aufnahmen vielfach stark fragwürdig erschien, der Vortragende ziemlich
übel beleumundet war, die meisten von uns genug von diesen Greueln selbst gesehen und
am eigenen Leib erfahren hatten, aber durch die Tschechen und der bereits mehrfach
erwähnte Wiesner, der nach längerem Krankenlager und einer Gastrolle im
Untersuchungsgefängnis in Brünn Ende Februar als zweiter Lagerkommandant
wieder auftauchte, verschiedentlich erklärte, es käme garnicht darauf an, es wieder
so
zu machen wie in Thomasdorf. Dasselbe drohte uns auch mehrmals der Arbeitsinspektor
Kopriva.
Mitunter behaupteten die Partisanen auch, die uns zuteil gewordene Behandlung sei eine
Vergeltung und nichts im Vergleich zu dem, was sie selbst in deutschen Konzentrationslagern
erlebt hätten. Da sie aber durchwegs recht wohlgenährt aussahen und einen
reichlich
langen Haarschnitt trugen, war es offensichtlich, daß man sie schlimmstenfalls in der
Rüstungsindustrie eingesetzt hatte, wo sie nach eigenen Geständnissen recht gut
verdient hatten.
Welch schlechtes Gewissen die Tschechen, auch die Partisanen, in Wirklichkeit hatten und wie
unsicher sie sich im Grunde ihres Herzens fühlten, zeigten wiederholt die Fragen, was
wohl
werden würde, wenn die Deutschen wiederkämen, die Erklärung nach
Deutschland auswandern zu wollen und die Bitte, ihnen eine Bescheinigung über gute
Behandlung der Deutschen zu geben. In der Unterhaltung bedauerten sie mitunter das Schicksal
der Deutschen, erklärten alles aber mit den noch nicht geendeten revolutionären
Zuständen, die sie leider auch nicht ändern könnten und übten dabei
manchmal sogar eine erstaunlich scharfe Kritik an den Maßnahmen ihrer Regierung, dies
alles aber meist nur unter vier Augen. Kamen andere Tschechen hinzu, wurde die Unterhaltung
und insbesondere der Ton sofort geändert, da sie eingestandenermaßen
fürchteten, als Deutschfreunde oder Kollaboranten angezeigt oder eingesperrt zu
werden.
Außer den Bildern von Benesch und Masaryk sah man häufig auch das Bild von
Stalin und die Sowjetfahne neben den Fahnen der Republik. Bilder anderer ausländischer
Staatsmänner sah ich nie, kleinere amerikanische und wohl auch englische
Papierfähnchen hie und da. Die Zahl der Sowjetfahnen schien aber, wenigstens in
Freiwaldau und Umgebung, nach und nach doch erheblich abzunehmen; war das
Verhältnis ursprünglich etwa 1:1 so war es später nurmehr etwa 1:10. Der
Sowjetstern an der Brust der meisten Partisanen blieb allerdings, häufig genug im trauten
Verein mit um den Hals getragenen Kreuzen und Medaillen.
Die Partisanen liebten es überhaupt, sich auf etwas merkwürdige Art zu
schmücken und benutzten die für uns eingerichteten Schneiderwerkstätten
zur
Gestaltung immer schönerer Uniformen, sei es in Anlehnung an russische Vorbilder, sei
es,
was offenbar noch beliebter war, in schlichtem Schwarz und Schnitt der SS. Dafür
konnten
sie aber vielfach nicht mit ihren Waffen umgehen. Natürlich hatten sie auch einen
Verband
ehemaliger Partisanen und politisch Verfolgter, Vorsitzender in Freiwaldau war der
berüchtigte Kapitän Novak. Im übrigen waren ihre Verdienste um die Zweite
Republik, sofern man Stehlen und Plündern sowie die Mißhandlungen und
Tötung wehrloser Deutscher nicht als solche ansieht, wohl nur recht fragwürdig.
Jedenfalls erklärte mir nach meiner Freilassung einmal ein Tscheche, der es ja wohl
wissen
mußte, daß von diesen ganzen Partisanen kaum einer mit der Waffe in der Hand
gekämpft oder auch nur nennenswert Sabotage getrieben hätte. Die wenigen
wirklichen Kämpfer und Saboteure hätten die Deutschen ziemlich alle
gehängt
und
was jetzt noch als Partisan herumlief, hätte bestenfalls erst im letzten Augenblick, als
nichts
mehr zu riskieren war, zum Gewehr gegriffen, vorher hübsch brav gearbeitet, gut verdient
und sich vor dem wirklichen Krieg gedrückt.
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