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Bodenbach
Bericht Nr. 129
Prügeleien, Schändungen von Frauen
und Mädchen
Berichter: N. N. Bericht vom 23. 5. 1946
Ich bewohnte mit meiner Frau
und meinen beiden
Söhnen eine 3-Zimmerwohnung in Bodenbach. Bis zum 5. September 1945 blieben wir
von Verfolgungen - abgesehen von Belästigungen - verschont. Meine Anstellung hatte ich
schon vorher verloren, da die Anstalt, bei der ich durch Jahre hindurch beschäftigt war,
mittlerweile aufgelöst worden war. Ich hatte Unterkommen als Bauhilfsarbeiter gefunden,
ebenso mein jüngerer Sohn.
An dem genannten Tag nun - keines von uns
war zuhause - brach eine Untersuchungskommission der
tschechischen "Swoboda-Armee" unter Führung eines Kapitäns die Wohnung auf.
Die Durchsuchung der Wohnung war noch im Gange, da kam ich mit meiner Frau zufällig
nachhause. Betten, Schränke und Kästen waren durchwühlt, ihr Inhalt lag in
heilloser Unordnung, zertrampelt, zerknüllt, beschmutzt und verstreut auf dem
Fußboden. Sofort setzte unser Verhör ein. Ich wurde beschuldigt, mit einem
Hauptmann J. (den Namen hörte ich zum erstenmal) in Verbindung zu stehen, für
den ich angeblich Schmuck,
Gold und Perser-Teppiche versteckt habe. Ich versuchte sofort, die Haltlosigkeit
der Beschuldigung darzutun - vergeblich! In Nachtkästchen und Nähschatullen
suchte man die versteckten Perserteppiche, um die es sich in der Hauptsache drehte. Bespuckt,
geschlagen, geboxt, gestoßen wurde ich, um die Preisgabe des Versteckes der Teppiche
von
mir zu erzwingen. Wie sollte ich! Ich wußte ja überhaupt nicht, wer Teppiche wo
verborgen hatte. Der Kapitän, also ein immerhin höherer Offizier, spuckte mir
selbst
unter unflätigen Beschimpfungen ins Gesicht, trat nach mir mit den Stiefelabsätzen
und erniedrigte sich sogar so weit, die Zunge nach mir zu blecken. Da alle Quälereien zu
nichts führten, verhaftete man mich und meine Frau. Vorher aber mußte auch noch
meine alte Schwiegermutter eine wüste Durchsuchung ihrer in K. gelegenen Wohnung
über sich ergehen lassen, die mit dem gleichen negativen Erfolg endigte. Da
man mich - auch meine Frau - zu dieser Hausdurchsuchung mitschleppte, war es
natürlich,
daß ich neuerlichen Mißhandlungen ausgesetzt war. Dabei tat sich insbesondere der
Chauffeuer des Kapitäns hervor. Auch bei meiner Schwiegermutter fanden sich keine
Perserteppiche. Nun wurde ich mitsamt meiner Frau in das Auto des Kapitäns gebracht.
Wir waren beide nicht ausreichend bekleidet, um gegen den Luftzug bei der nun einsetzenden
Fahrt nach Böhmisch Kamnitz, einem ca. 20 km von Bodenbach entfernten
Städtchen
im Kreise Tetschen, geschützt zu sein. Dort befand sich die
Kommandantur der Swoboda-Truppe. Wir wurden in die Villa Hübel (Besitztum eines
Textilfabrikanten) gebracht. Später erfuhr ich, daß diese Villa einen traurigen
Ruf als GPU-Kerker gewonnen hatte.
Inzwischen war es Abend geworden. In der Villa herrschte
geschäftiges Treiben. In den prachtvoll ausgestatteten Räumen tafelten die
Offiziere.
In den Nebenräumen zechten Unteroffiziere. Nach ungefähr einer Stunde
übergab mich der Kapitän zwei alkoholisierten Unteroffizieren, beide groß
wie
Hünen. Diese
hießen mich - meine Frau mußte inzwischen
weiter warten - in den Keller hinabsteigen. Was sich dort unten abspielte ist fast nicht zu
beschreiben. Als ich auf die erste Frage, ob ich ein Deutscher sei, mit "ja" antwortete, hieb mir
der
eine Unteroffizier die Faust ins Gesicht. Es regnete Schläge und Stöße auf
Nase und Mund. Ich verlor dabei fast sämtliche Zähne im Unterkiefer. Mehrmals
stürzte ich zusammen, wurde wieder emporgerissen und neuerlich geschlagen. Ich blutete
aus Mund und Nase. Da raubten mir Schläge mit dem Gummiknüppel über
den Hinterkopf, Nacken und Rücken minutenlang die Besinnung. Durch Tritte,
Schläge und Püffe kam ich wieder zum Bewußtsein. Nun mußte ich
mich entkleiden. Mit Lederkoppel, Gummiknüppel und Peitsche bearbeiteten nun die
beiden Unteroffiziere meinen Rücken, meine Lenden, Oberschenkel und Waden. Ich
konnte
fast nicht mehr sprechen, doch deutete ich immer wieder an, daß ich ja nichts wissen
könne, weil ich ja die gesuchten Perserteppiche nie gesehen und nie besessen habe.
Endlich, nachdem ich halb bewußtlos geprügelt war, und mein Körper von
oben bis unten mit blutunterlaufenen Striemen (wie nachher meine Frau feststellte) bedeckt war,
ließen die beiden Unholde von mir ab. Wenige Minuten darauf stieß man meine
Frau,
die man gezwungen hatte auf der Kellertreppe Hörzeuge meiner Folterung zu sein, zu mir
in
den Keller herab. Ohne Lager, ohne Licht, ohne einen Bissen Verpflegung (wir hatten seit Mittag
nichts mehr genossen), ohne Decken, mußten wir in dem finsteren, feuchtkalten, dumpfen
Keller die Nacht verbringen. Ich selbst konnte mich fast nicht bewegen, so zerschlagen war ich.
Meine Frau fror, da sie nur leicht angezogen war. Zudem quälte uns die
Ungewißheit,
welchem Schicksal unser Sohn verfallen war. Möglicherweise überzeugte meine
Beharrlichkeit, von den gesuchten Teppichen nichts zu wissen; am nächsten Morgen
wurden wir nämlich aus dem Keller geholt, wieder in ein Auto gebracht und nach
Bodenbach zurückbefördert, allerdings nicht in unsere Wohnung, sondern in das
Polizeigefängnis. Dort verbrachte ich 7, meine Frau 3 Wochen. Wiederholt stellte selbst
die
Polizei fest, daß weder Anklage gegen uns erhoben, noch auch ein Protokoll
aufgenommen
wurde. Ein Verhör fand nicht statt. Auch wurde kein Gerichtsverfahren eingeleitet, so
daß es auch zu keiner Verurteilung kam. Behandlung und Verpflegung im
Polizeigefängnis war den Verhältnissen entsprechend als gut zu bezeichnen.
Die Polizei bestätigte mir selbst, daß ich weder eine strafbare Tat verübt,
noch
auch politischer Betätigung beschuldigt werden könnte. Um die Gefängnisse
zu räumen (in B. saßen über 70 Häftlinge in 3 Zellen, die für je
2
Häftlinge eingerichtet waren!), verschickte die Polizei jene Häftlinge, denen nichts
Schuldbares nachgewiesen werden konnte, ins Innere der Tschechei zur Erntearbeit. Darunter
war
auch ich. Vor dem Abtransport sagte man uns, wir brauchten keine Lebensmittelkarten, keine
Decken und
keine Geschirre - wir fänden alles in reichlichem Maße an unseren
Arbeitsstätten vor,
unser Einsatz würde ohnedies nur 10-14 Tage dauern, dann wären wir frei und
könnten uns ungehindert wohin immer bewegen. Auch versprach man uns, daß wir
in leerstehenden Wohnungen untergebracht würden. Für die Dauer unseres
Einsatzes
genössen unsere Familien Wohnschutz in der Heimat.
Am Einsatzort, einer Zuckerfabrik in V., angekommen, merkten wir sofort die Hohlheit der
Versprechen. Pistolen und Gummiknüppel waren der Empfangsschmuck, den unsere
"Wärter" angelegt hatten. Ein menschenunwürdiges Lager in einem nassen
Kellerraum wurde uns zugewiesen. Strohsäcke ohne Decken waren auf eiserne
Zuckertransportwägen geworfen worden. Von der Decke troff Wasser, an den
Wänden träufelte es herab und bildete Pfützen auf dem steinernen
Fußboden. Die Zugangstür wurde abgesperrt, so daß wir wieder wie
Häftlinge gefangen saßen. Proteste wurden höhnisch quittiert, wir seien
Deutsche, da sei alles gut genug für uns. Am Morgen trieb man uns mit
Gummiknüppel und Pistole
zur Arbeit. 10-12 Stunden mußten wir nun jeden Tag Rüben gabeln. Für die
meisten war es eine ungewohnte, dabei zu schwere Arbeit. Die Verpflegung war zwar gut, aber
höchstens für ein dreijähriges Kind ausreichend. Später wurden
Behandlung, Unterkunft und Verpflegung etwas besser, um gegen das Ende unseres Einsatzes
hin
fast befriedigend bezeichnet werden zu können.
Nach 3 Wochen war die Arbeit in der
Zuckerfabrik beendet. Nun sollten wir nachhause entlassen werden. Schon gerüstet zur
Abreise, empfingen wir plötzlich die Nachricht, daß wir noch einen Sondereinsatz
absolvieren müssen. Es handle sich angeblich nur um acht Tage. Wir hätten auf
zwei
Meierhöfen, die mit der Rübeneinbringung im Rückstande seien,
auszuhelfen.
Und schon wurden wir auf die landesüblichen Fuhrwerke verladen und fort gings. Ich kam
mit 5 anderen Leidensgenossen nach Vlacice. Schon unterwegs hörten wir von von der
Feldarbeit heimkehrenden Deutschen, Vlacice sei die Hölle. Wir meinten aber, schlimmer
als in
V. könne es auch nicht sein. In Vlacice bestand ein Lager deutscher Internierter, das
einem
Partisanen unterstellt war. Diesem Lager wurden wir 6 zugewiesen. Die Unterbringung spottete
jeder Beschreibung. Die Lager waren verlaust und verwanzt. Flöhe gab es Armeen! Die
Liegestätten befanden sich in ehemaligen Stallgebäuden. Türen und Fenster
fehlten, Öfen und Lampen wären Luxus gewesen. Decken besaß fast
niemand,
beim
Schlafen auf dem halbfaulen Stroh war mir mein Mantel der einzige Schutz. Wasser
gehörte zu den Kostbarkeiten. Geliefert wurde es nur von einer Lache am Hofe, die
gleichzeitig das Freibad der Gänse und Enten war. Nichtsdestotrotz wurde es auch von
den
Menschen zum Kochen und Waschen benützt. Die Notdurft mußten Frauen und
Männer einträchtig nebeneinander auf freiem Feld verrichten. Die Verpflegung
bestand aus: 200 g Brot täglich, mittags Kartoffelsuppe oder trockene Kartoffel ohne jede
Zugabe, abends und morgens einen sehr fragwürdigen schwarzen Kaffee. Gearbeitet
mußte bei
jedem Wetter 12-15 Stunden täglich werden. Nach 3 Wochen war mein
Körpergewicht auf 46 kg gesunken (normal betrug es 66 kg). Das Erschütterndste
in
diesem Lager war das Schicksal der hierher verschlagenen deutschen Frauen. Es
läßt
sich im knappen Rahmen dieses Berichtes nicht schildern, was sich im Lager von Vlacice vor
unserer
Ankunft zugetragen hatte und welche Folgen wir selbst noch beobachten konnten. Ohne
Wäsche, ohne Kleidung, nur angetan mit Lumpen und irgendwo aufgehobenen
Uniformstücken, recht- und schutzlos der Willkür preisgegeben, Freiwild für
sinnliche und physische Gier - so lebten diese armen Frauen, immer hoffend, daß auch ihre
Leidenszeit zu Ende gehen möchte.
Unser Aufenthalt in Vlacice dauerte 3 Wochen. Heute bin ich geborgen in der Gastfreundschaft
der
Hessen und beginne langsam wieder ein Mensch zu werden.
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