I. Allgemeines 5. Die Kolonien im Weltkrieg Bei Begründung des deutschen Kolonialreichs in Afrika und der Südsee hatte Bismarck ausgesprochen, daß im Kriegsfalle unsere kolonialen Besitzungen auf den europäischen Schlachtfeldern verteidigt werden würden. Daran war in der Folgezeit festgehalten worden. In den deutschen Schutzgebieten wurden nur soviel an Schutz- und Polizeitruppen gehalten, wie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Kolonien selbst erforderlich war. Für einen wichtigen Teil der deutschen Kolonien in Afrika schien außerdem die Neutralität durch die Kongoakte vom 26. Februar 1885 gesichert. In dieser hatten sich die unterzeichnenden Mächte, darunter Deutschland, England, Frankreich und Belgien, verpflichtet, ihre guten Dienste zu leisten, daß das Gebiet des konventionellen Kongobeckens, zu dem Deutsch-Ostafrika und beträchtliche Teile von Kamerun gehörten, im Kriegsfalle den Gesetzen der Neutralität unterstellt werden sollte. Es zeigte sich jedoch bald nach Kriegsbeginn, daß Deutschlands Feinde entgegen der Kongoakte den Krieg auch in jene Gebiete hineintrugen. Wie der später veröffentlichte diplomatische Schriftwechsel zwischen den beteiligten Mächten zeigte, war dafür England maßgebend. Alle deutschen Kolonien, ob unter die Kongoakte fallend oder nicht, wurden von weit überlegenen feindlichen Truppen angegriffen.
In Deutsch-Neuguinea stand dem stellvertretenden Gouverneur, Geheimen Oberregierungsrat Haber, an militärisch einigermaßen verwendungsfähigen Kräften nur eine schwache Expeditionstruppe zur Verfügung, die nach Kriegsausbruch von 120 auf etwa 300 Mann gebracht wurde. Australien stellte dagegen Angriffsabteilungen aller Waffen auf, denen gegenüber die deutschen Kräfte überhaupt nicht in Betracht kamen. Im Lauf des August wurden im Inselbereich von Neuguinea die deutschen Funkstationen zerstört oder in Besitz genommen. Mitte September forderte der feindliche Befehlshaber zu Verhandlungen auf. Es wurde die Zusage erreicht, daß das wirtschaftliche Leben in der Kolonie nicht gestört werden sollte und die deutschen Beamten freies Geleit in die Heimat erhielten. Daraufhin wurde der Widerstand eingestellt und die Polizeitrupps dem Gegner übergeben. Im Oktober und November besetzten die Japaner die Karolinen, Marianen und die Marshallinseln.
Der Kommandeur der Schutztruppe, Major Zimmermann, ordnete zunächst das Zusammenziehen von Teilen an der Küste, im Nordwesten, Norden, Osten und Süden an. Bis Ende Oktober konnten die Engländer und Franzosen das Küstengebiet besetzen. Über die Landgrenzen kamen sie dagegen nur sehr langsam vorwärts, da die Geländeverhältnisse die Verteidigung begünstigten. Anfang 1915 war der größte Teil der Kolonie noch in deutscher Hand; im Osten gelang es sogar, die Franzosen ein Stück weit zurückzuwerfen. Auch die im April von der Küste her unternommene Offensive gegen Jaunde blieb ohne Erfolg. Dagegen wurde der Norden allmählich von den Gegnern besetzt. Der dadurch entstehende Druck veranlaßte, daß das Schwergewicht der deutschen Verteidigung in dem Raum Jaunde–Ebolowa verlegt werden mußte. Im Sommer begann ein neuer konzentrischer feindlicher Angriff; immer enger zog sich der Kreis, obwohl es im August nochmals gelang, die Franzosen im Osten zurückzuwerfen. Gegen Jahresende aber wurden nach erbittertem deutschen Widerstand schließlich von Westen her die Höhen vor Jaunde genommen. Die Kampfkraft der Schutztruppe und der Munitionsbestand näherten sich ihrem Ende. So beschloß der Gouverneur den Abmarsch nach Spanisch-Muni; der Oberhäuptling von Jaunde schloß sich mit seinem Volke an. Mitte Februar 1916 überschritt die Schutztruppe mit 600 Weißen und 6000 eingeborenen Soldaten die Grenze. Schwache, noch im äußersten Norden bei Mora haltende Teile mußten kapitulieren. Die feindliche Übermacht zählte gegen Ende der Feindseligkeiten etwa 15 000 Mann mit 34 Geschützen.
Aus der Südafrikanischen Union wurden die regulären englischen Truppen Anfang August nach Europa abbefördert. Die Union erbot sich aber, mit ihren eigenen Kräften, der sogenannten "Defence Force", in die deutsche Kolonie einzufallen, was in London bereitwillig angenommen wurde. Für die nunmehr eingeleiteten Operationen standen starke Kräfte zur Verfügung. Im ganzen setzte man nach amtlichen englischen Quellen allmählich über 67 000 Weiße und über 33 000 farbige Hilfstruppen ein. Der Kriegsplan entsprach den deutschen Erwartungen. Er sah Landungen in Swakopmund und Lüderitzbucht sowie einen Vorstoß über die Südgrenze vor. Die beiden letzteren Unternehmungen begannen bereits im September. Gleichzeitig aber erfolgten in den ehemaligen Burenkolonien Aufstände, denen sich auch eine bei Upington gebildete Burenabteilung, die zu dem Vorstoß herangezogen werden sollte, anschloß. Die Offensive über den Oranje konnte schon nahe der Grenze zum Stehen gebracht, dem Angriff von Lüderitzbucht her bei Aus Widerstand geleistet werden. Bis zum Jahresende hatte der Gegner keine wesentlichen Erfolge errungen. Durch einen Unglücksfall jedoch hatte die Schutztruppe ihren Kommandeur, Oberstleutnant v. Heydebreck, verloren. Das Kommando übernahm der aus dem Hereroaufstande bekannte Oberstleutnant Franke, nachdem er wegen Ermordung eines deutschen Beamten durch Portugiesen eine Strafexpedition gegen diese an die Nordgrenze der Kolonie durchgeführt hatte. Mitte Januar 1915 landeten starke feindliche Truppen unter General Botha in Swakopmund und traten im Februar den Vormarsch längs der Bahn an. Dadurch kamen die deutschen Kräfte [40] im Süden in Gefahr, im Rücken gefaßt zu werden, während gleichzeitig neue Unternehmungen bei Aus, am Oranje und über die Südostgrenze, wo die Burenaufstände niedergeschlagen waren, drohten. Oberstleutnant Franke entschloß sich daher, nach Norden abzumarschieren. Der Feind drängte heftig nach und die Bastards, deren Gebiet durchquert werden mußte, erhoben sich. Dennoch gelang es, die Truppe ohne stärkere Einbuße nach Windhuk zu bringen. Infolge wirksamen deutschen Widerstandes erreichte General Botha erst Anfang Mai Karibib. Die Schutztruppe ging nun in den Raum Kalkfeld–Waterberg, während Botha wegen Nachschubschwierigkeiten die Operationen erst im Juni wieder aufnehmen konnte. Franke wich der Übermacht auf Otavi aus, wo es Anfang Juli zu heftigen verlustreichen Kämpfen kam. Da völlige Einschließung und Aushungerung drohte, brach der Gouverneur die Feindseligkeiten ab und übergab die Schutztruppe dem weit überlegenen Gegner.
Der Anfang 1914 zum Kommandeur der Schutztruppe ernannte Oberstleutnant von Lettow-Vorbeck schlug im Gegensatz zu diesen Richtlinien die Vereinigung starker Kräfte in der Gegend des Kilimandjaro vor, wofür er unter anderem geltend machte, daß damit eine geeignete Basis für eine eigene Offensive gegen Britisch-Ostafrika gegeben sei, durch die einem englischen Angriff an anderer Stelle am besten zu begegnen wäre. Durch energisches Vorgehen würden sicher viele feindliche Kräfte und Kampfmittel gebunden, die auf dem europäischen Kriegsschauplatz ausfallen würden. Ich vermochte diesem Plan nicht zuzustimmen, da seine Ausführung zu einer En[t]blößung der Kolonie von Truppen geführt hätte, die ich aus den weiter unten erörterten Gründen nicht für angängig hielt. Ich sandte im Mai 1914 den Antrag des Kommandeurs mit meinem Begleitbericht zur Entscheidung an den [41] Staatssekretär des Reichskolonialamts. Eine Antwort traf bis zum Kriegsbeginn nicht ein. Ich bestimmte als Inhaber der obersten Militärgewalt, daß die bisherigen Richtlinien maßgebend zu sein hätten: Defensive mit Offensivstößen, Nichtverteidigung der Küstenplätze. Für meine Entscheidung war hauptsächlich die Rücksicht auf die Eingeborenenverhältnisse maßgebend. Noch vor acht Jahren hatte in einem beträchtlichen Teil der Kolonie ein umfassender Eingeborenenaufstand getobt, zu dessen Niederwerfung die Kräfte der gesamten Schutztruppe aufgeboten werden mußten. Seitdem war es zwar gelungen, durch eine feste und gleichzeitig wohlwollende, die Anschauungen der Eingeborenen berücksichtigende Verwaltung den Frieden ohne Gewaltmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Aber niemand konnte wissen, in welchem Maße es gelungen war, das Vertrauen und die Anhänglichkeit der Eingeborenen zu erlangen. Ein größerer Aufstand und selbst eine passive Resistenz der Eingeborenenbevölkerung hätte aber die gesamte Kriegführung lahmgelegt. Denn wir waren knapp 6000 Weiße (Frauen und Kinder eingeschlossen) unter fast acht Millionen Schwarzen und hingen von der Mitwirkung unserer Eingeborenen als Askari, als Träger und als Kriegslieferanten ab. Wenn tatsächlich den ganzen Krieg durch die Eingeborenen in Treue zur deutschen Sache standen, so beruhte das einerseits auf den Erfahrungen, die sie im Frieden mit der deutschen Verwaltung und überhaupt mit uns Deutschen gemacht hatten; andererseits auf der Aufrechterhaltung einer zweckmäßigen Eingeborenenverwaltung auch während des Krieges durch die erfahrenen und den Eingeborenen vertrauten Beamten. Dies wäre bei Entblößung der Kolonie von Truppen nicht möglich gewesen. Die Haltung der Engländer unmittelbar vor Kriegsausbruch ließ recht fraglich erscheinen, ob die Neutralität des Schutzgebietes gewahrt bleiben würde. Bei Eintreffen der Nachricht von der Verkündung der "Drohenden Kriegsgefahr" ordnete ich daher vorbereitende Maßnahmen zur Verteidigung, nach Eingang der Nachricht über den Mobilmachungsbefehl am 2. August die Einberufung des Beurlaubtenstandes und die Unterstellung der verfügbaren Teile der Polizei unter die Schutztruppe an. Der auf einer Dienstreise abwesende Kommandeur wurde zurückgerufen. Er versammelte die an der Mittellandbahn erreichbaren Teile bei Pugu, die im Norden stehenden Truppen bei Moschi. Bis Ende August waren 18 Feld-, 3 nur aus Weißen bestehende Schützenkompanien, eine [42] Feldbatterie sowie einige weitere Formationen zu mobiler Verwendung bereit. Auch in Britisch-Ostafrika wurden die im Lande befindlichen Kräfte mobil gemacht; dort trafen ferner bereits Mitte August Truppen aus Indien ein. Die erste feindliche Handlung erfolgte seitens der Engländer am 8. August durch Beschießung des Funkturms von Daressalam von See her. Am 13. August nahmen sie auf dem Njassasee den deutschen Regierungsdampfer weg und machten die Besatzung zu Gefangenen. Die weitere Gefechtstätigkeit beschränkte sich zunächst auf Patrouillenunternehmungen an der Nordgrenze. Anfang November aber landeten die Engländer starke Truppen bei Tanga, dem Hafenplatz im Norden, der zugleich der Endpunkt der Usambabahn war. Oberstleutnant v. Lettow konnte jedoch unter Ausnutzung der Bahn rasch Verstärkungen heranführen und nach heftigem Kampf mit nur 1000 Mann den vielfach überlegenen Gegner1 schlagen. Dies war der erste große Sieg der deutschen Truppen. Im Januar 1915 folgte ein weiterer Erfolg bei Jassini, einem Grenzort weiter nördlich an der Küste, von wo ebenfalls ein Einfall drohte; dort wurde eine stark befestigte feindliche Stellung genommen. Die Engländer bauten nun von der Ugandabahn her eine Zweigstrecke in der Richtung auf Moschi vor, um eine sichere Nachschublinie für weitere Unternehmungen zu haben. Deutsche Versuche, dieses Vorhaben zu stören, hatten keine nennenswerten Erfolge. Auch westlich des Victoriasees und weiter südlich mit den Belgiern kam es zu Kämpfen, ebenso an der Grenze nach Rhodesien. Bis Ende 1915 aber blieb das Schutzgebiet dank einerseits der ausgezeichneten Führung und der Hingabe der Truppe, dank andererseits der Treue der Eingeborenen ziemlich vollständig in unserer Hand. Durch zweckmäßige Behandlung der Eingeborenen war es gelungen, diese nicht nur ruhig, sondern auch willig zu erhalten, die deutsche Kriegführung zu unterstützen. Sie dienten nicht nur als Askari (Soldaten), sondern leisteten in ungeheurer Zahl Trägerdienste. Sie konnten auch veranlaßt werden, den Anbau von Nahrungsmitteln in erheblich größerem Umfange zu betreiben, als sie es gewohnt waren. Das wurde wesentlich dadurch erreicht, daß die Zivilverwaltung durch die bewährten und von ihnen geschätzten Beamten unter meiner unmittelbaren Leitung aufrechterhalten [43] blieb; auch die Rechtsprechung wurde in der im Frieden üblichen Art durchgeführt. So gewöhnten sich die Schwarzen rasch an die neuen Anforderungen, die an sie gestellt werden mußten und sind trotz der auch für sie schweren Zeit völlig zuverlässig geblieben. Da wir zu Wasser und zu Lande völlig von der Außenwelt abgeschnitten waren – nur zweimal erreichte je ein deutsches Hilfsschiff mit Hilfsmitteln für die Kriegführung die ostafrikanische Küste, im April 1915 die "Rubens" unter Kapitänleutnant z. S. Christiansen die Mansabucht bei Tanga im Norden, und im März 1916 die "Marie" unter Kapitän Sörensen die Sudibucht im Süden –, so waren wir ganz auf uns selbst gestellt auch wegen Ersatzes solcher Bedarfsartikel, die wir im Frieden über See eingeführt hatten. Es wurden Häute herangeschafft, Leder gegerbt, Schuhe angefertigt, Kleidungsstoffe vermittels Handspinnerei und Handweberei hergestellt, außerdem Wachskerzen, Seife, Benzin, Petroleumersatz, Gold- und Messingmünzen, auch das für die Malariabekämpfung in den Tiefengebieten wichtige Chinin gefertigt. Die Beschaffung all dieser Dinge und noch mancher anderer mußte improvisiert werden und das wäre ohne die Arbeitswilligkeit der Farbigen nicht möglich gewesen. Wir haben im Kriege die Früchte unserer langjährigen humanen Eingeborenenpolitik geerntet und Leistungen erzielt, denen die Gegner nichts Gleichwertiges zur Seite stellen können. Im Jahre 1916 änderte sich die militärische Lage. Im Frühjahr begann eine große, hauptsächlich durch Truppen der Südafrikanischen Union unter General Smuts durchgeführten Offensive. Der Gegner verfügte auch über moderne Kampfmittel wie Flugzeuge, Panzerwagen und dergleichen. Der Schwerpunkt des Angriffs lag im Kilimandscharogebiet und Oberst v. Lettow mußte allmählich längs der Nordbahn zurückgehen. Bald war durch einen Vorstoß des Gegners nach Süden auch die Mittellandbahn gefährdet, doch gelang es dem Kommandeur durch zweckmäßige Truppenverschiebungen, den Stoß aufzufangen. Ende Juli aber erreichte General Smuts doch die Mittellandbahn, wodurch die Verbindung mit dem Westteil der Kolonie, in welchem General Wahle den militärischen Befehl führte, verloren ging. Ein feindlicher Angriff beiderseits der Uluguruberge dagegen mißlang, da Lettow es verstand, die getrennten Teile des Feindes vereinzelt zu schlagen. Inzwischen hatten britisch-belgische Kräfte Tabora genommen und auch von Rhodesien rückte der Gegner vor, doch konnte Wahle in [44] der Gegend von Mahenge durchbrechen und sich mit dem Kommandeur vereinigen. Da die feindlichen Truppen unter Tropenkrankheiten zu leiden hatten und übermüdet waren, kam es zu einem Stillstand der Operationen. General Smuts bot Kapitulation unter ehrenvollen Bedingungen an, die ich indessen ablehnte. Der konzentrische feindliche Vormarsch hatte nicht zur Vernichtung der Schutztruppe geführt. Immerhin war der größte Teil der Kolonie nunmehr in Feindeshand. Die Engländer landeten Kräfte auch an dem südlichen Teil der Küste, und als neue Gegner überschritten die Portugiesen den Rowuma. Der hier führende Kapitän zur See Looff, warf sie jedoch wieder über den Grenzfluß zurück. Der Kapitän war Kommandant unseres erfolgreichen Kreuzers "Königsberg" gewesen, der unter seinem Kommando am 20. September 1914 den englischen Kreuzer "Pegasus" vernichtete. Die "Königsberg" hatte dann im Rufijifluß gelegen, war von weit überlegenen englischen Seestreitkräften blockiert und am 11. Juli 1915 nach schwerstem und verlustreichem Kampfe und nach Erschöpfung aller Verteidigungsmöglichkeiten auf Befehl des schwerverwundeten Kommandanten gesprengt worden. Kapitän Looff war dann mit der übriggebliebenen Besatzung der "Königsberg" zu den Landverteidigungskräften der Kolonie getreten, zu denen schon früher die Besatzung des Vermessungsschiffs S. M. S. "Möwe" unter Korvettenkapitän Zimmer getreten war. Anfang 1917 mußte Oberst v. Lettow unter dem verstärkten Druck der Engländer weiter nach Südosten ausweichen. Die feindlichen Truppen, die jetzt unter dem Oberbefehl des Burengenerals van Deventer standen, drängten nach. Es kam zu zahlreichen Gefechten und im Oktober zu einer Kampfhandlung von den Ausmaßen der Schlacht von Tanga bei Mahiva. Wenngleich es gelang, den Gegner auch hier zu schlagen, so zog sich der Ring doch immer enger und Mitte November schien die Einkreisung vollendet. Da entschloß sich der Kommandeur unter Zurücklassung aller nicht voll Kampffähigen mit einer nur noch kleinen, aber entschlossenen Truppe in die portugiesische Kolonie Mozambique einzubrechen. Ich begab mich zu dieser Truppe und blieb bis zum Kriegsende bei ihr. Ende November wurde der Rowuma überschritten. Nach Überwindung einer menschen- und nahrungsarmen Zone und Niederwerfung des portugiesischen Widerstandes konnten wir uns während der Regenzeit in guten Verpflegungsgebieten halten. Nach deren Ende aber machte sich der britische Druck wieder fühl- [45] bar. Die Truppe zog weiter nach Süden ab. Am 1. Juli 1918 war Nhamacurra nördlich des portugiesischen Hafens Quelimane erreicht. Dann erfolgte der Rückmarsch. Es kam zu wiederholten verlustreichen Gefechten, bis Ende September der Rowuma wieder durchquert wurde und wir damit in unsere Kolonie zurückkehrten. Wir marschierten östlich des Njassasees nach Norden, überall von den Schwarzen freudig begrüßt. Uns in der Kolonie zu halten, waren wir jedoch zu schwach. Daher wurde nach Rhodesien abgebogen. Dort mußte in der ersten Novemberhälfte der Feind noch zweimal geworfen werden; das letzte Gefecht fand am 12. November statt. Am 13. überbrachte uns der Feind die Mitteilung vom Abschluß des Waffenstillstandes in der Heimat. In diesem war die bedingungslose Räumung Ostafrikas festgelegt worden. Wir waren noch 155 Deutsche mit 1200 schwarzen Askari und 2000 schwarzen Trägern. Die kleine Truppe war unbesiegt und kampffähig. Dies Ergebnis war nur möglich dank der hervorragenden Führung, dank der Tapferkeit und Hingabe der Deutschen und dank der Treue unserer Eingeborenen, die alle Gefahren, Entbehrungen und Strapazen mit uns geteilt und den Krieg mit uns durchgehalten hatten. Die weiteren Vorgänge bilden keinen Ruhmestitel für die Engländer. Obwohl nur bedingungslose Räumung vereinbart war, mußten die Truppen in Abercorn die Waffen abgeben, die nur den Europäern belassen wurden. Nach Rückkehr nach Daressalam wurden außer General v. Lettow und mir alle Offiziere und Mannschaften trotz aller Proteste in Gefangenenlagern hinter Drahtgitter untergebracht. Mitte Januar 1919 endlich konnte die Heimreise nach Deutschland angetreten werden.
Im ostafrikanischen Feldzug betrug auf deutscher Seite die Höchstzahl der Truppen 3000 Deutsche und rund 12 000 schwarze Askari. Ihnen standen feindliche Truppen von ungeheurer zahlenmäßiger Überlegenheit gegenüber, die zudem ungleich besser mit Waffen und Kriegsgerät aller Art ausgerüstet waren. Nach den in der Encyclopaedia Britannica 1929 gemachten Angaben betrug die Zahl der in Ostafrika eingesetzten britischen Truppen, aus englischen, südafrikanischen, indischen und sonstigen farbigen Truppen bestehend rund 114 000, die der belgischen Truppen rund 12 000. Nicht eingerechnet sind dabei die Besatzungen der britischen Kriegsschiffe und die portugiesischen Truppen.
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