[109-110=Trennbläter] [111]
Das Jahr 1937
Das Jahr 1937 begann mit einer im Hinblick auf die
deutsch-englischen Beziehungen höchst charakteristischen
grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen dem Außenminister
Eden und dem Führer, deren im folgenden wiedergegebene wichtigste
Partien keines weiteren Kommentars bedürfen. Besondere Beachtung
verdient ein Telegramm des deutschen
Geschäftsträgers in London,
das deutlich den Kurs der von der britischen Regierung gesteuerten
planmäßig feindseligen Pressepolilik erkennen
läßt.
Schluß der Unterhausrede des britischen
Außenministers Eden vom 19. Januar 1937
Ich möchte nun einige Worte über die allgemeine internationale Lage
sagen. Ich bitte dringend um die Aufmerksamkeit des Hauses, weil das, was ich
zu sagen habe, vielleicht von größerer Bedeutung ist, als was
gewöhnlich von einem Staatssekretär des Äußeren im
Verlauf einer Debatte gesagt wird. Ich werde morgen nach Genf abreisen, um
einer der drei ordentlichen Ratstagungen beizuwohnen. Wir werden dort einer
geradezu erschreckenden Tagesordnung gegenüberstehen, die allen
Kritikern zum Trotz an sich schon die wichtige Rolle zum Ausdruck bringt, die
der Völkerbund in internationalen Angelegenheiten spielt. Unsere Aufgabe
wird es sein zu versuchen, diese Rolle zu unterstreichen und zu erweitern. Aber
ehe ich zu jener Tagung abreise, möchte ich gewisse Bemerkungen an das
Haus richten. In Reden, die ich kürzlich vor dem Unterhause und im Lande
gehalten habe, habe ich versucht, die Ziele unserer gegenwärtigen
Außenpolitik und die Mittel, durch welche jene Ziele erreicht werden
könnten, zu umreißen. Ich werde nicht versuchen, jene Reden zu
wiederholen, aber in der ersten Rede, die ich im neuen Jahr gehalten habe, sind
gewisse Faktoren, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Die Regierung
Seiner Majestät ist augenblicklich damit beschäftigt, die
Wiederaufrüstung ihrer drei Waffengattungen durchzuführen.
Obwohl wir der Überzeugung sind, daß dies ein
unumgängliches Mittel für die Erreichung unseres Zieles ist, so ist es
nicht unser Ziel selbst. Dies bleibt, wie ich früher festgestellt habe, durch
Verhandlungen zu einer europäischen Ordnung zu gelangen und die
Autorität des Völkerbundes zu stärken. Wir sind bereit, an
dem gemeinsamen Werk der politischen [112] Befriedung und wirtschaftlichen
Zusammenarbeit mitzuwirken. Wenn dies Werk von Erfolg gekrönt sein
soll, bedarf es der Mitarbeit aller, und wenn dieses erreicht wird, kann es bei
niemandem in diesem Hause oder sonstwo einen Zweifel darüber geben,
daß wir ein besseres, gesünderes und gedeihlicheres Europa in einer
Welt des Friedens schaffen können.
Wie kann das geschehen? Die Welt muß nicht nur ihre
Rüstungsausgaben verringern, weil diese ihren Lebensstandard schon
herabsetzen, sondern sie muß die Möglichkeiten wirtschaftlicher
Zusammenarbeit lernen, so daß der Lebensstandard gehoben werden kann.
Lassen Sie uns nie vergessen, daß unser Ziel in diesem Lande das
Wohlergehen aller sein muß; damit meine ich sowohl die Hebung des
Lebensstandards in den Ländern, in denen er heute niedrig ist, und seine
Besserung dort, wo er heute verhältnismäßig hoch ist. Wir sind
bereit, dabei mitzuhelfen, daß erhöhte wirtschaftliche
Möglichkeiten geschaffen werden; dies sollte jedoch nach unserer Ansicht
unter einer Bedingung geschehen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit und politische
Befriedung müssen Hand in Hand gehen. Wenn wirtschaftlicher und
finanzieller Aufschwung nur zu erhöhten Rüstungen und politischen
Störungen führt, wird der Sache des Friedens eher geschadet als
genützt. Andererseits wird eine neue und freiere wirtschaftliche und
finanzielle Zusammenarbeit, die sich auf feste und gut angelegte politische
Verpflichtungen gründet, eine mächtige Hilfe für die
Herstellung einer einheitlichen Zielsetzung in Europa sein. Letztes und
höchstes Ziel allen ehrlichen politischen Strebens in jedwedem Lande
muß die Hebung des Lebensstandards sein. Wir sind heute durch die
Wissenschaft gut genug darüber unterrichtet, daß das geschehen
kann, wenn es in einer Atmosphäre des Friedens und gegenseitigen
Vertrauens unternommen wird. Indem wir uns dieser Aufgabe zuwenden,
erkennen wir gewisse Dinge nicht an. Wir erkennen nicht an, daß Europa
vor der Alternative einer Diktatur der Rechten oder Linken steht. Wir erkennen
nicht an - und lassen Sie mich das ganz klar
herausstellen -, daß die Demokratien der Nährboden für
den Kommunismus sind. Wir sehen sie eher als sein Gegenmittel an. Wir finden
uns nicht damit ab, Europa fieberhaft rüsten zu sehen unter den
widerstreitenden Zeichen rivalisierender Ideologien. Es gibt einen besseren Weg.
Wir kennen ihn, und wir wünschen ihn zu beschreiten.
Und so muß ich diesen Überblick mit einigen Worten über
Deutschland abschließen. Die Zukunft Deutschlands und die Rolle, die es in
Europa spielen wird, ist heute die Hauptfrage für ganz Europa. Diese
große Nation von 65 000 000 Menschen im Herzen unseres Kontinents hat
die Rasse und den Nationalismus zu einem Glaubensbekenntnis erhoben, das mit
derselben Inbrunst ausgeübt wird, mit der es verkündet wird. Die
ganze Welt fragt sich gegenwärtig, wohin diese Lehren Deutschland
führen sollen, wohin sie uns alle führen. Werden sie ihm die Stellung
einer Großmacht in der Mitte Europas zurückgeben, die die Achtung
der anderen großen und kleinen Mächte genießt und die
mannigfachen Gaben ihrer Bevölkerung dazu benutzt, Vertrauen und
[113] Wohlergehen wiederherzustellen in einer Welt,
die Kämpfe und Gegensätze herzlich satt hat und die
Rückkehr zu den normalen Bedingungen für Arbeit und
Gemeinschaft leidenschaftlich herbeisehnt? Oder werden sie Deutschland zu einer
Verschärfung der internationalen Gegensätzlichkeiten und zu einer
Politik noch größerer wirtschaftlicher Isolierung führen?
Europa fragt sich heute ernstlich, welches die Antworten auf diese Fragen sind:
denn Europa kann sich nicht weiterhin einer immer unsicherer werdenden Zukunft
entgegentreiben lassen. Es kann sich nicht zwischen akuten nationalen
Rivalitäten und in starkem Gegensatz stehenden Ideologien zerreißen
lassen, und es kann nicht hoffen, am Leben zu bleiben, ohne Wunden
davonzutragen, die während einer Generation nicht verheilen. Es steht in
Deutschlands Macht, eine Wahl zu beeinflussen, die nicht nur sein eigenes,
sondern auch das Schicksal Europas entscheiden wird. Wenn es die volle und
gleiche Zusammenarbeit mit anderen Nationen wählt, dann gibt es
niemanden in diesem Lande, der nicht von ganzem Herzen dazu beitragen wird,
Mißverständnisse zu beseitigen und den Weg zu Frieden und
Wohlergehen zu ebnen.
Aber es ist müßig, sich einzubilden, daß wir die Übel, an
denen wir leiden, durch reine Linderungsmittel beheben könnten; auch
keine lokalen Heilmittel werden genügen. Es darf keine Vorbehalte oder
Ausflüchte seitens irgendeiner
Nation - welche Ideologie und welche Regierungsform sie auch
bevorzugt - in ihrer Zusammenarbeit mit anderen und im Verzicht auf jede
Art von Einmischung in die Angelegenheiten anderer geben. Wir können
die Welt nicht durch Pakte oder Verträge heilen. Wir können sie
auch nicht durch politische Glaubensbekenntnisse, welcherart sie auch immer sein
mögen, heilen. Wir können sie nicht durch Reden heilen,
mögen sie noch so himmelanstrebend und friedvoll sein. Es muß ein
unmißverständlicher Wille zur Zusammenarbeit da sein. Dieser Wille
wird auf sehr bestimmte Art zum Ausdruck
kommen - durch Ablehnung der Lehre nationaler Exklusivität und
Anerkennung jedes europäischen Staates als potentiellen Partners eines
allgemeinen Abkommens, durch Herabsetzung der Rüstungen auf ein
Maß, das für die notwendigen Bedürfnisse der Verteidigung
ausreicht und nicht darüber hinaus, und durch Annahme solcher
internationaler Einrichtungen zur Beilegung von Konflikten, die den
Völkerbund zu einem Segen für alle und zu niemandes Knecht
machen.
Diese Dinge müssen jetzt zu Anfang des neuen Jahres klar festgestellt
werden. Wir selbst haben keinen größeren Wunsch als den der vollen
Zusammenarbeit mit anderen; und dabei machen wir keine Ausnahmen. Wo
immer dieser gleiche Wunsch sich kundtut, werden wir ganz darauf eingehen, und
wir werden für das größtmögliche Zusammenhalten in
dem Glauben arbeiten, daß es von der großen Mehrheit des Volkes
jeder Nation im Grunde des Herzens leidenschaftlich gewünscht wird.
(E: Parliamentary Debates. Bd. 319,
Sp. 105ff. [Scriptorium merkt an: im Original
"93ff."] - D: Monatshefte für Auswärtige Politik, 1937,
S. 66ff.)
[114]
Aus der Reichstagsrede des Führers vom 30.
Januar 1937
Ich möchte an dieser Stelle meinen wirklichen Dank aussprechen für
die Möglichkeit einer Antwort, die mir geboten wurde durch die so
freimütigen wie bemerkenswerten Ausführungen
des Herrn englischen Außenministers.
Ich habe diese Ausführungen, wie ich glaube, genau und richtig gelesen. Ich
will mich natürlich nicht in Details verlieren, sondern ich möchte
versuchen, die großen Gesichtspunkte der Rede Mister Edens
herauszugreifen, um meinerseits sie entweder zu klären oder zu
beantworten.
Ich will dabei zuerst versuchen, einen wie es mir scheint, sehr bedauerlichen
Irrtum richtigzustellen. Nämlich den Irrtum, daß Deutschland
irgendeine Absicht habe, sich zu isolieren, an den Geschehnissen der
übrigen Welt teilnahmslos vorbeizugehen oder daß es etwa keine
Rücksicht auf allgemeine Notwendigkeiten nehmen wolle.
Worin soll die Auffassung, Deutschland treibe eine Isolierungspolitik, ihre
Begründung finden?
Soll diese Annahme der Isolierung Deutschlands gefolgert werden aus
vermeintlichen deutschen Absichten, dann möchte ich dazu folgendes
bemerken:
Ich glaube überhaupt nicht, daß jemals ein Staat die Absicht haben
könne, sich bewußt an den Vorgängen der übrigen Welt
als politisch desinteressiert zu erklären. Besonders dann nicht, wenn diese
Welt so klein ist wie das heutige Europa. Ich glaube, daß, wenn wirklich ein
Staat zu einer solchen Haltung Zuflucht nehmen muß, er es dann
höchstens unter dem Zwang eines ihm selbst aufoktroyierten fremden
Willens tun wird.
Ich möchte Herrn Minister Eden hier zunächst versichern, daß
wir Deutsche nicht im geringsten isoliert sein wollen und uns auch gar nicht als
isoliert fühlen. Deutschland hat in den letzten Jahren eine ganze Anzahl
politischer Beziehungen aufgenommen, wieder angeknüpft, verbessert und
mit einer Reihe von Staaten ein - ich darf wohl
sagen - enges freundschaftliches Verhältnis hergestellt. Unsere
Beziehungen in Europa sind von uns aus gesehen zu den meisten Staaten normale,
zu einer ganzen Anzahl von Staaten sehr freundschaftliche. Ich stelle hier an die
Spitze die ausgezeichneten Beziehungen, die uns vor allem mit jenen Staaten
verbinden, die aus ähnlichen Leiden wie wir zu ähnlichen
Folgerungen gekommen sind...
Allein auch wirtschaftlich gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür,
zu behaupten, daß Deutschland sich der internationalen Zusammenarbeit
etwa entzöge. Es ist ja doch wohl umgekehrt. Wenn ich so die Reden
mancher Staatsmänner in den letzten Monaten übersehe, dann kann
nur zu leicht aus ihnen der Eindruck entstehen, als ob etwa eine ganze Welt darauf
warte, Deutschland mit wirtschaftlichen Gefälligkeiten zu
überschwemmen und nur wir verstockte Isolierungspolitiker an diesen
Genüssen nicht teilnehmen wollen.
Ich möchte zur Richtigstellung dessen ein paar ganz nüchterne
Tatsachen anführen:
[115] Erstens: Seit Jahr und Tag müht sich das
deutsche Volk ab, mit seinen Nachbarn bessere Handelsverträge und damit
einen regeren Güteraustausch zu erreichen. Und diese Bemühungen
waren auch nicht vergeblich, denn tatsächlich ist der deutsche
Außenhandel seit dem Jahre 1932 sowohl dem Volumen als auch dem
Werte nach nicht kleiner, sondern größer geworden. Dies widerlegt
am schärfsten die Meinung, daß Deutschland eine wirtschaftliche
Isolierungspolitik betriebe.
Zweitens: Ich glaube aber nicht, daß es eine wirtschaftliche
Zusammenarbeit der Völker auf einer anderen Ebene, und zwar von Dauer
geben kann als auf der eines gegenseitigen
Waren- und Güteraustausches. Kreditmanipulationen können
vielleicht für den Augenblick ihre Wirkung ausüben, auf die Dauer
aber werden die wirtschaftlichen internationalen Beziehungen immer bedingt sein
durch den Umfang des gegenseitigen Warenaustausches. Und hier ist es ja nun
nicht so, daß die andere Welt etwa mit ungeheuren Aufträgen oder
Perspektiven einer Steigerung des wirtschaftlichen Austauschverkehrs
aufzuwarten in der Lage wäre, dann, wenn ich weiß nicht was
für Voraussetzungen sonst erfüllt sein würden.
Man soll doch die Dinge wirklich nicht noch mehr komplizieren, als sie es an sich
schon sind. Die Weltwirtschaft krankt nicht daran, daß Deutschland sich
etwa an ihr nicht beteiligen will, sondern sie krankt daran, daß in die
einzelnen Produktionen der Völker sowohl als auch in deren Beziehungen
zueinander eine Unordnung gekommen ist. Beides hat nicht Deutschland
verschuldet. Am wenigsten das heutige nationalsozialistische Deutschland. Denn
als wir zur Macht kamen, war die Weltwirtschaftskrise wohl noch schlimmer als
heute.
Ich befürchte allerdings, den Worten Mister Edens entnehmen zu
müssen, daß er als ein Element der Ablehnung internationaler
Beziehungen von Seiten Deutschlands die Durchführung des neuen
Vierjahresplanes ansieht.
Ich möchte daher darüber keinen Zweifel aufkommen lassen,
daß der Entschluß, diesen Plan durchzuführen, keine
Änderung zuläßt. Die Gründe, die uns zu diesem
Entschluß veranlaßten, waren zwingende. Und ich habe in der letzten
Zeit nichts entdecken können, was uns irgendwie von der
Durchführung dieses Entschlusses hätte abzubringen
vermögen.
Ich nehme nur ein praktisches Beispiel:
Die Durchführung des Vierjahresplanes wird durch die synthetische
Erzeugung von Benzin und Gummi allein eine jährliche
Mehrförderung von 20 - 30 Millionen Tonnen Kohle in
unserem Lande sicherstellen. Das heißt aber die Beschäftigung von
vielen Zehntausenden von Kohlenbergarbeitern für die ganze Zukunft ihres
Lebens. Ich muß mir wirklich die Frage erlauben: Welcher Staatsmann
würde in der Lage sein, mir im Falle der Nichtdurchführung des
deutschen Vierjahresplanes die Abnahme von 20 oder 30 Millionen Tonnen
Kohle durch irgendeinen anderen Wirtschaftsfaktor außerhalb des Reiches
zu garantieren? Und darum handelt es sich.
[116] Ich will Arbeit und Brot für mein Volk.
Und zwar nicht vorübergehend durch die Gewährung meinetwegen
von Krediten, sondern durch einen soliden, dauernden Produktionsprozeß,
den ich entweder in Austausch bringen kann mit Gütern der anderen Welt
oder in Austausch bringen muß mit eigenen Gütern, im Kreislauf
unserer eigenen Wirtschaft.
Wenn Deutschland durch irgendeine Manipulation diese 20 oder 30 Millionen
Tonnen Kohle in der Zukunft auf den Weltmarkt werfen wollte, so würde
dies doch nur dazu führen, daß andere Länder ihre bisherige
Kohlenausfuhr vermutlich senken müßten. Ich weiß nicht, ob
ein englischer Staatsmann z. B. ernstlich eine solche Möglichkeit
für sein Volk ins Auge fassen könnte. Dies aber ist das
Entscheidende.
Denn Deutschland hat eine ungeheure Zahl von Menschen, die nicht nur arbeiten,
sondern auch essen wollen. Auch der übrige Lebensstandard unseres
Volkes ist ein hoher. Ich kann die Zukunft der deutschen Nation nicht aufbauen
auf den Versicherungen eines ausländischen Staatsmannes über
irgendeine internationale Hilfe, sondern ich kann sie nur aufbauen auf den realen
Grundlagen einer laufenden Produktion, die ich entweder im Innern oder nach
außen absetzen muß! Und hier unterscheide ich mich vielleicht in
meinem Mißtrauen von den optimistischen Ausführungen des
englischen Außenministers...
Sollte aber - ich muß auch dies
untersuchen - die Ursache für die Meinung, Deutschland treibe
Isolierungspolitik, etwa unser Austritt aus dem Völkerbund sein, dann
möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Genfer Liga niemals ein
wirklicher Bund aller Völker war, daß eine Anzahl großer
Nationen ihr entweder überhaupt nicht angehörten oder schon vor
uns den Austritt vollzogen hatten, ohne daß deshalb jemand behaupten
wird, diese betrieben eine Isolierungspolitik.
Ich glaube also, daß Mister Eden in diesem Punkt die deutschen Absichten
und unsere Auffassungen sicherlich verkennt. Denn nichts liegt uns ferner als, sei
es politisch oder wirtschaftlich, die Beziehungen zur anderen Welt abzubrechen
oder auch nur zu vermindern. Im Gegenteil, das Umgekehrte ist richtiger.
Ich habe
es so oft versucht, zur Verständigung in Europa einen Beitrag zu
leisten, und habe besonders oft dem englischen Volke und seiner Regierung
versichert, wie sehr wir eine aufrichtige und herzliche Zusammenarbeit mit ihnen
wünschen. Und zwar wir alle, das ganze deutsche Volk und nicht zuletzt
ich selbst!
Ich gebe aber zu, daß in einem Punkt eine tatsächliche und, wie mir
scheint, unüberbrückbare Verschiedenheit zwischen den
Auffassungen des englischen Außenministers und unseren besteht.
Mister Eden betont, daß die britische Regierung unter keinen
Umständen wünsche, Europa in zwei Hälften zerrissen zu
sehen.
Ich glaube, diesen Wunsch hatte wenigstens früher in Europa anscheinend
niemand. Heute ist dieser Wunsch nur eine Illusion. Denn tatsächlich ist die
Zerreißung in zwei Hälften nicht nur Europas, sondern der Welt eine
vollzogene Tatsache.
Es ist bedauerlich, daß die britische Regierung nicht schon früher
[117] ihre heutige Auffassung vertreten hat,
daß eine Zerreißung Europas unter allen Umständen vermieden
werden müsse, denn dann wäre es nie zum Versailler Vertrag
gekommen. Dieser Vertrag hat tatsächlich die erste Zerreißung
Europas eingeleitet: nämlich die Aufteilung der Nationen in Sieger und
Besiegte und damit Rechtlose.
(Verhandlungen des Reichstags, Bd. 459, S. 11
ff.)
Telegramm des deutschen
Geschäftsträgers in London
an das Auswärtige Amt vom
1. Februar 1937
Während Londoner Sonntagspresse unter spontanem Eindruck der
Führerrede in Überschriften fast durchweg positive Momente der
Rede stark hervorhob, folgt heutige Londoner Presse, mit Ausnahme durchaus
positiv eingestellter Daily Mail, den gestern vom Foreign Office ausgegebenen
Losungen, die sie zum Teil durch eigene Zutaten ergänzt. Wegen der vom
Außenministerium ausgegebenen Richtlinien verweise ich auf die nur zur
Information gegebene DNB.-Meldung vom 1. Februar morgens. Ergebnis ist,
daß heutige Presse fast durchweg der Meinung Ausdruck gibt, daß
Führerrede keine Förderung in gegenwärtiger politischer Lage
bedeute und daß positive Momente bagatellisiert und den meisten Punkten
eine abträgliche Deutung gegeben wird. Erklärungen über
Reichsbahn und Reichsbank und über Kriegsschuldfrage finden so gut wie
keine Beachtung.
Woermann
(Aus den Akten des Auswärtigen Amtes.)
Die in den Ausführungen des britischen Außenministers zutage
getretenen Äußerungen des Mißtrauens und der
Verdächtigung gegen Deutschland sollten auch für das Jahr 1937
bestimmend bleiben. Von deutscher Seite wurden immer wieder
Vorstöße in Richtung einer grundsätzlichen, auf dem
Flottenabkommen und einem Westpakt aufzubauenden Verständigung
unternommen, bei der in irgendeiner Weise auch die Kolonialfrage hätte
geregelt werden müssen.
Aus der Rede des Botschafters von Ribbentrop in
Leipzig
vom 1. März 1937
Die Einteilung der Welt nach dem Kriege in Sieger und Besiegte brachte auch ihre
Einteilung in die Nationen der "Habenden" und der "Habenichtse", wie ein
britischer Staatsmann dies im vorigen Jahre ausdrückte. Es ist nun ein
durchaus natürlicher und verständlicher Vorgang, wenn die
Nationen, die nichts haben, den Allesbesitzenden mit Unzufriedenheit und die
Besitzenden den Nichtbesitzenden mit Mißtrauen gegenüberstehen.
Diese Unzufriedenheit und dieses Mißtrauen können aber wiederum
nur dadurch beseitigt werden, daß die besitzenden Nationen zu einem
Arrangement mit den Besitzlosen [118] kommen, das, wenn es auch diese nicht zu den
Reichen dieser Erde macht, so doch ihnen einen gewissen Ausgleich bietet.
Versailles
hat Deutschland, einen der einst wohlhabendsten Staaten der Erde, in
die Front der Besitzlosen gedrängt. Man hat Deutschland seinerzeit
unvernünftigerweise seine gesamten mobilisierten Werte genommen und so
eine Ungleichheit des Besitzstandes auf allen Gebieten geschaffen, die letzten
Endes niemals von Dauer sein kann, und die heute für ein gut Teil der
Unruhe in der Welt verantwortlich zu machen ist.
Es liegt aber im Interesse aller Staaten, diese Unruhe in der Welt zu beseitigen
und daher einen Ausgleich zwischen den besitzenden und den besitzlosen
Nationen zu finden.
Was die Lösung der Kolonialfrage angeht, so hat der Führer in seiner
Rede vom 30. Januar
erklärt, daß "die Forderung nach Kolonien in
unserem so dicht besiedelten Lande sich als eine selbstverständliche immer
wieder erheben wird", und hat gleichzeitig die Gründe, die für die
Zurückhaltung der ehemaligen deutschen Kolonien von dem Auslande
vorgebracht werden, schlagend widerlegt. Wenn man heute die Mantelnote des
Versailler
Vertrages nachliest und feststellt, wie dort die Verwandlung der
deutschen Kolonien in Mandatsgebiete wörtlich begründet wird mit
"den Raubzügen auf den Welthandel, die Deutschland von seinen Kolonien
aus betrieben hat", und mit der Unfähigkeit, Kolonien zu verwalten, so wird
uns heute so recht klar, unter welch krankhafter Haßpsychose und mit welch
fadenscheinigen Gründen der deutsche Kolonialbesitz liquidiert wurde. Ich
glaube, daß jeder Vernünftigdenkende heute diese Argumentierung
der damaligen Zeit kaum mehr für möglich halten wird und ferner
glaube ich, daß auch jeder Unvernünftige kaum behaupten wird,
daß diese seltsame Begründung des Präsidenten Wilson,
daß "eine freie, weitherzige und unbedingt unparteiische Schlichtung aller
kolonialen Ansprüche gefunden werden müsse", zu vereinbaren ist.
Ausschließlich vertrauend auf die Wilsonschen Zusagen hat aber das
deutsche Volk seinerzeit die Waffen niedergelegt.
Deutschland beansprucht grundsätzlich das Recht auf Kolonialbesitz, wie
dies auch jeder anderen, selbst der kleinsten Nation der Welt, zusteht, und
muß jegliche Argumentation, die ihm dieses Recht streitig machen will, in
aller Form zurückweisen.
Im übrigen: England, Japan, Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Spanien,
Portugal, alle diese Länder haben Kolonien und zum Teil Kolonialreiche,
die meist um ein Gewaltiges größer sind als die Mutterländer.
Deutschland mit seiner auf engstem Raume zusammengedrängten
großen Bevölkerung braucht Kolonien mehr als irgend jemand.
Ausgerechnet Deutschland aber soll keine Kolonien besitzen?
Ebenso abwegig aber wie die Gründe, mit denen Deutschland die Kolonien
weggenommen wurden, ist auch die Begründung, die man dann und wann
in der ausländischen Presse liest, wonach Deutschland eine imperialistische
Kolonialpolitik treiben und seine Kolonien zu strategischen Stützpunkten
ausbauen würde. Abgesehen davon, daß [119] militärisch gesehen an sich jede Kolonie
für Deutschland von vornherein eine verlorene Position bedeutet, ist wohl
der zwischen
Deutschland und England abgeschlossene Flottenvertrag der
schlagendste Beweis gegen solche Behauptungen. Ich darf im übrigen in
diesem Zusammenhang an die seinerzeitige Erklärung des Führers
erinnern, daß mit dem Besitz von Kolonien sich keine Erhöhung der
deutschen Flottenforderung ergeben würde.
(DNB. vom 2. März 1937.)
Aus dem Bericht des Botschafters von Ribbentrop
vom 14. Februar 1937 über seine Aussprache
mit dem stellvertretenden Außenminister Lord Halifax
Ich habe Halifax zum Schluß unserer Aussprache nochmals mit allem Ernst
vorgestellt, daß meiner Auffassung nach die Gestaltung des
deutsch-englischen Verhältnisses bestimmend für die
zukünftige gesamte Weltentwicklung sei. Mr. Baldwin habe mir ja einmal
erklärt, Deutschland und England seien die beiden stärksten und
männlichsten Nationen der Welt; wir dürften nie wieder
kämpfen, denn ein nochmaliger Kampf zwischen uns würde ein
Kampf bis zum bitteren Ende sein. Dies sei durchaus auch die Auffassung des
Führers und Reichskanzlers. Mir schiene daher die Frage der Beziehungen
dieser beiden großen Völker zueinander von so überragender
Bedeutung zu sein, daß bei klarer Erkenntnis der Dinge alle anderen
Probleme dagegen verblassen müßten. Die diplomatische Sicherheit
zwischen unseren beiden Ländern könnte meiner Auffassung nach
letzten Endes nur durch zwei Dinge, nämlich durch die klare Festlegung der
gegenseitigen vitalen Interessen zur See und zu Lande garantiert werden. Die erste
Frage sei durch das Flottenabkommen
gelöst, die zweite Frage
könnte durch einen Garantievertrag für die low countries und
vielleicht darauffolgende weitere westliche Friedenssicherungen geregelt werden!
Damit seien die nach menschlichem Ermessen zwischen unseren Ländern
überhaupt möglichen Sicherungen getroffen. Durch Schaffung dieser
Garantien fiele aber jeder wirkliche Kriegsgrund zwischen England und
Deutschland fort. Hüten müßten sich die beiden Völker
aber, je wieder in einen Krieg hineingezogen zu werden, in dem sie sich für
Interessen, die sie nicht vital berühren, als Feinde gegenüberstehen
würden. Deutschlands Politik liege klar in dieser Richtung, während
ich in England immer noch starke Kräfte sähe, die sich zu einer
solchen Erkenntnis in keiner Weise durchgerungen hätten. Einmal werde,
früher oder später, auch England sich entscheiden müssen.
Einen Mittelweg werde es meines Erachtens nicht geben, und ich hoffte nur,
daß die sprichwörtliche Nüchternheit britischer
Staatsmänner nicht zu lange zögern möchte, den den wahren
britischen Interessen entsprechenden Entscheid zu treffen. Halifax schienen diese
Gedankengänge stark zu interessieren, und er sagte mir zum Schluß,
daß er [120] weiter mit mir
über diese Fragen sprechen möchte, da er ähnliche Gedanken
habe. Inwieweit dies wirklich der Fall ist, bleibt abzuwarten.
Ribbentrop
(Aus den Akten des Auswärtigen
Amtes.)
Nachdem die Grundzüge einer auf dem
Locarno-Gedanken beruhenden Friedensgarantie im Westen deutscherseits bereits
in dem Memorandum an die Signatarmächte des
Locarno-Paktes vom 7. März 1936 entwickelt worden waren, versuchte
eine deutsche Note vom 12. März 1937 noch einmal, Verhandlungen auf
dieser Grundlage anzubahnen. Inzwischen war jedoch der Locarnogedanke von
britischer Seite längst aufgegeben worden. An die Stelle einer an die
Locarno-Tradition anknüpfenden, trotz aller Schwierigkeiten im Bereich
des Möglichen liegenden Friedensgarantie im Westen war der
anspruchsvolle, mit allen ungelösten Problemen Europas belastete Plan
einer "Gesamtregelung" getreten, ein Plan, der für Deutschland schon
deshalb undiskutabel war, weil er die unausweichliche Revision der deutschen
Ostgrenzen - einschließlich der österreichischen
Frage - zu vereiteln suchte.
Nach der wenig ermutigenden Aufnahme, welche die deutsche Note vom 12.
März in England gefunden hatte, mußte auch die britische Note vom
23. Juli 1937, die zudem noch in einem durch die spanische Krise beschwerten
Augenblick abgesandt wurde, ohne Ergebnis bleiben. Daß Deutschland
auch damals die Hoffnung auf das Zustandekommen einer Friedensregelung im
Westen nicht aufgegeben hatte, geht ausdrücklich aus der deutschen
Garantieerklärung über die Unverletzlichkeit Belgiens vom 13.
Oktober 1937 hervor, in der der Abschluß eines "zur Ersetzung des Paktes
von Locarno bestimmten Vertrages" erwähnt wird.
Überwiegend wird allerdings keine Täuschung mehr darüber
möglich sein, daß England einen neuen Westpakt überhaupt
nicht gewollt hat, daß es den unmöglichen und ganz utopischen
Begriff der "Gesamtregelung" benutzt hat, um eine im Bereiche der
realpolitischen Möglichkeit liegende Einigung über die ganz
konkrete Frage der Friedensorganisation im Westen zu vereiteln.
Auch die Versuche Neville Chamberlains, der am 28. Mai 1937 als Nachfolger
Baldwins das Amt des Premierministers angetreten hatte, mit Deutschland ins
Gespräch zu kommen, können über die damals längst
feststehende Grundhaltung der Londoner Regierung nicht hinwegtäuschen.
Sicherlich trieb Neville Chamberlain eine Politik, die sich in manchen Nuancen
von der Politik eines Eden oder Churchill unterschied. Aber die Nuancen blieben
geringfügig gegenüber der gemeinsamen kompakten Grundlage der
Feindseligkeit und eines Mißtrauens, das sich nur aus den eigenen
Absichten und Zielen der britischen Politik erklären läßt. Es
war nur ein Unterschied in der Methode, nicht aber in der Zielsetzung. Nur so
läßt sich der Ausgang der beiden von Chamberlain selbst angeregten
Fühlungnahmen mit Deutschland erklären, die im Jahre 1937
versucht wurden. Der erste Versuch, der für den 20. Juli 1937 vorgesehene
Besuch des Reichsministers von Neurath in London, scheiterte bekanntlich
schon [121] im Stadium der
Vorbereitung. Die im schroffen Widerspruch zu dem das Londoner
Nichteinmischungsabkommen bedingenden Geiste der Solidarität zwischen
den Kontrollmächten stehende Reaktion Englands durch den
Überfall rotspanischer Flugzeuge und Unterseeboote auf die deutschen
Panzerkreuzer "Deutschland" und "Leipzig" schuf eine Atmosphäre, die
für eine grundsätzliche, freundschaftliche Aussprache denkbar
ungeeignet war, so daß der Reichsaußenminister seinen Besuch
abzusagen genötigt war. Es war bezeichnend, daß selbst Chamberlain
in seiner ersten Unterhausrede als Premierminister am 25. Juni sich verpflichtet
fühlte, in geradezu alarmierenden Worten auf die von der britischen
Pressehetze heraufbeschworenen Gefahren einer katastrophenhaften Entwicklung
der internationalen Lage hinzuweisen.
Aus der Unterhausrede des britischen
Premierministers Chamberlain vom 25. Juni 1937
Das ist alles, was ich im Augenblick zu sagen habe, und ich möchte mit
einem sehr ernsten Appell an diejenigen schließen, die verantwortliche
Stellen sowohl in unserem Lande als auch im Auslande
innehaben - ich schließe dabei die Presse und die Mitglieder dieses
Hauses ein -, ihre Worte sehr sorgfältig zu wägen, ehe sie sich
über diese Angelegenheit äußern, und die Folgen im Auge zu
behalten, die sich vielleicht aus irgendeiner voreiligen oder unbedachten
Redewendung ergeben könnten. Ich habe gelesen, daß es im
Hochgebirge zuweilen vorkommen kann, daß eine unvorsichtige Bewegung
oder selbst nur ein plötzlicher lauter Ausruf eine Lawine in Bewegung
setzen kann. Das ist genau die Lage, in der wir uns heute finden. Ich glaube,
daß der Schnee, obgleich er vielleicht gefährlich gelagert ist, sich
noch nicht in Bewegung gesetzt hat, und wenn wir alle Vorsicht, Geduld und
Selbstbeherrschung üben können, wird es uns vielleicht noch
möglich sein, den Frieden Europas zu retten.
(E: Parliamentary Debates. House of Commons. Bd.
325, Sp. 1549. - D: Eigene Übersetzung.)
Aus der Rede des Führers auf dem
Gauparteitag in Würzburg
vom 27. Juni 1937
Wir haben nichts anderes verlangt, als daß den Machthabern in Valencia
wenigstens durch eine gemeinsame Kundgebung aller beteiligten
Kontrollmächte gezeigt wird, daß sie es nicht mehr mit einer, sondern
mit allen Mächten zu tun haben. Aber selbst diese bescheidene Aktion war
nicht mehr durchführbar. Daraus können Sie ersehen, was wir
Deutschen zu erwarten hätten, wenn wir jemals das Schicksal des Reiches
den Händen derartiger Institutionen oder solchen Abmachungen ausliefern
würden.
[122] Davon aber kann man in London
überzeugt sein: die Erfahrungen, die wir dieses Mal gemacht haben, sind
für uns eine Belehrung, die wir niemals mehr vergessen werden!
Wir werden von jetzt ab in solchen Fällen doch lieber die Freiheit, die
Unabhängigkeit, die Ehre und die Sicherheit der Nation in unsere eigenen
Hände nehmen und uns selbst beschützen! Und Gott sei Dank, wir
sind heute auch stark genug, um uns selbst schützen zu können!
Wir haben aus diesem Vorgang Konsequenzen gezogen, die für die ganze
Zukunft wirksam sein werden. Redensarten in Parlamenten oder von
Staatsmännern werden uns in Zukunft nicht mehr einnebeln können.
Wir haben einen Angriff erlebt, seine Behandlung gesehen und sind dadurch
geheilt für immer. Ich hatte getan, was man pflichtgemäß tun
mußte. Es wurde versucht, und heute kann niemand mehr in der Welt
erklären, daß wir böswilligerweise irgendwie voreingenommen
seien gegen kollektive Abmachungen.
Nein! Hätte sich diese kollektive Abmachung vom 12. Juni bewährt,
hätte man es sich vielleicht überlegen können, ob man nicht
doch noch weiter geht. Nachdem sich aber selbst diese kleinste Abmachung in der
Praxis als undurchführbar erwies, soll das für uns nun eine Warnung
sein, eine ähnliche Enttäuschung eines Tages nicht vielleicht in
einem schlimmeren Fall noch einmal zu erleben.
Jede Katze kann sich einmal die Pfoten verbrennen und jeder Mensch einmal
Fehler machen, aber nur Narren tun das gleiche zweimal! Weder ich noch die
deutsche Nation haben nun Lust, sich ein zweites Mal in eine solche Gefahr zu
begeben.
(DNB. vom 28. Juni 1937.)
Gleichwohl dachte die Reichsregierung nicht daran, die gleichzeitig laufenden
Flottenverhandlungen zu unterbrechen. Es kam vielmehr am 19. Juli 1937 in
London zur Unterzeichnung eines weiteren, qualitativen Flottenabkommens, das
eine wertvolle und für das englische System der Flottenverträge
außerordentlich wichtige Ergänzung der
deutsch-englischen Flottenverständigung bildete. Selbst
Außenminister Eden konnte nicht umhin, "den staatsmännischen
Geist" der deutschen Außenpolitik in diesem Punkte anzuerkennen.
Aus der Unterhausrede des britischen
Außenministers Eden
vom 19. Juli 1937
Da ich die heute bestehenden Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit der Staaten
kenne, möchte ich der verdienstlichen und staatsmännischen Haltung
der deutschen und der sowjetrussischen
Regierung - es ist reizvoll, sie beide in einem Atemzug nennen zu
können - Anerkennung zollen, die durch den Abschluß von
Flottenabkommen mit England vor einigen Tagen freiwillig dem System der
qualitativen Begrenzung und des Austausches von Informationen, das im
Londoner [123] Flottenvertrag
festgelegt worden ist, beigetreten sind. Ich möchte mich über dieses
Thema, das noch morgen vom Marineminister behandelt wird, nicht weiter
auslassen, aber ich finde, daß ihre Bereitwilligkeit, auf dem Gebiet der
Seerüstungsbeschränkung mit uns zusammenzuarbeiten, ein sicherer
Beweis dafür ist, daß es bei beiderseitigem gutem Willen und
gegenseitigem Verstehen nicht unmöglich ist, auch die schwierigsten
Probleme zu lösen.
(E: Parliamentary Debates. House of Commons. Bd.
326, Sp. 1809. [Scriptorium merkt an: im Original
"1817."] - D: Monatshefte für Auswärtige Politik,
1937, S. 523.)
Trotz dieses abermaligen bedeutenden Entgegenkommens der deutschen
Politik in der Flottenfrage dauerte die
antideutsche Pressehetze in England an.
Telegramm des deutschen
Geschäftsträgers in London
an das Auswärtige Amt vom
11. August 1937
Wie aus DNB.-Berichten dort bekannt, ist in letzten Tagen hier in Linkspresse
förmliche Kampagne gegen in England lebende Deutsche und besonders
Parteiangehörige entfacht worden. Habe dies zum Anlaß genommen,
um im Foreign Office bei Deutschlandreferenten Strang in ernster Weise auf
Gefahr einer derartigen Kampagne hinzuweisen. Habe dabei insbesondere
News Chronicle vom 9. August, Manchester Guardian und
Evening Standard vom 10. August und Daily Herald vom 11.
August erwähnt, der direkt gegen Parteiorganisation in England hetzt. Habe
angeführt, daß Beispiel Schweiz zeige, wohin derartige
Hetzkampagne führen könnte, worauf Strang von sich aus Namen
Gustloff nannte. Habe dabei besonders Hetze Daily Herald gegen
Parteiorganisation hervorgehoben und erwähnt, daß nach Daily
Herald auch Foreign Office mit Prüfung Angelegenheit befaßt
sei. Da in Daily Herald auch entstellender Bericht über angebliche
Parteiveranstaltung gegeben wird, wo Landesgruppenleiter Bene anwesend war,
womit offenbar Feier vom 1. Mai gemeint ist, habe ich ausgeführt,
daß auf dieser Versammlung ja englische Polizei anwesend gewesen sei, die
sicher darüber berichtet habe. Mir sei vor allem in Erinnerung, daß
Bene alle in England lebenden Deutschen ermahnt habe, sich der Pflichten
bewußt zu sein, die sie gegenüber England als Gastland hätten.
Ich wisse, daß auch gegenwärtiger Landesgruppenleiter in gleichem
Sinne arbeite. Um so törichter sei es, wenn Parteimitglieder in England
verdächtigt würden. Artikel legten Vermutungen nahe, daß
derartige Mitteilungen vom Home Office oder Scotland Yard ausgingen, was
völlig unverständlich sein würde.
Strang nahm meine Ausführungen verständnisvoll auf, wußte
aber nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. Er wiederholte bekannte These von
Freiheit englischer Presse, worauf ich ihn erneut darauf hinwies, daß bei
gutem Willen Einflußmöglichkeit bestände. Er versicherte,
daß Foreign Office an Kampagne in keiner Weise beteiligt [124] sei, er glaube auch nicht, daß dies auf
andere britische amtliche Stellen zutreffen könne. Ich insistierte darauf,
daß etwas geschehen müsse, worauf er zusagte, die Angelegenheit
zunächst mit Sir Robert Vansittart zu besprechen und mir nach einigen
Tagen weitere Antwort zu geben.
Anschließend erwähnte ich, daß mir Vansittart von 60
deutschen Journalisten in England gesprochen habe und daß in Presse
Zahlen von 80 und über 100 genannt würden. Wie ich festgestellt
habe, seien auf deutscher Journalistenliste lediglich 32 Personen verzeichnet. Ich
könne mir denken, daß die hohe Zahl zum Teil dadurch zu
erklären sei, daß Emigranten hier noch mit Journalistenausweisen
tätig seien und daß vielleicht auch einige Gelegenheitsjournalisten
miteingeschlossen seien. Die dauernde Erwähnung der hohen Zahl der
Journalisten erfolgt aber offenbar zum Zweck, durchblicken zu lassen, daß
es sich hier nicht wirklich um Journalisten handele. Wir seien selbst an der
Reinhaltung des Journalistenberufes interessiert. Wenn die britischen
Behörden Beschwerden hätten, sollten sie diese doch offen mit uns
besprechen und nicht auch in dieser Hinsicht derartige Kampagne starten.
Woermann
(Aus den Akten des Auswärtigen
Amtes.)
Den zweiten Versuch eines unmittelbaren
deutsch-englischen Kontaktes in diesem Jahre bildete der Besuch des damaligen
Lordpräsidenten (späteren Außenministers) Lord Halifax in
Berlin vom 17. bis 21. November 1937.
Indessen war auch dieser zweite Versuch von so vielen merkwürdigen
Begleitumständen umgeben, daß die mit ihm verfolgten Absichten in
einem höchst zweideutigen Lichte erscheinen müssen. Noch bevor
Lord Halifax in Deutschland überhaupt eingetroffen war, mußte sich
die Nationalsozialistische Parteikorrespondenz bereits am 14. November
energisch gegen tendenziöse Kombinationen verwahren, die im
Zusammenhang mit der bevorstehenden Reise in der englischen und
französischen Presse angestellt worden waren. In gleicher Weise
mußte sie nach dem Abschluß des Besuches am 24. November
gegen falsche Tendenzmeldungen protestieren,
die sich über angeblich von
deutscher Seite in den Besprechungen mit Lord Halifax gestellte Forderungen
ausließen. Lord Halifax selbst äußerte sich zuerst am 2.
Dezember 1937 anläßlich des zweiten Jahrestages der
"Anglo-German Fellowship" in London über seinen Berliner Besuch. Es
war sehr bezeichnend, daß er sich in seinen
Äußerungen darauf
beschränkte, von der Berliner Jagdausstellung zu sprechen, die er auf
Einladung von Generalfeldmarschall Göring besichtigt hatte. Die offizielle
Erklärung Chamberlains über die Berliner Besprechungen schob die
Frage der deutsch-englischen Beziehungen auf jenes tote Geleise, das die britische
Regierung schon in der Frage des Westpaktes benutzt hatte, um eine wirkliche
Einigung zu verhindern: sie gipfelte wiederum in der utopischen Forderung einer
"Gesamtregelung".
[125]
Verlautbarung der NS.-Parteikorrespondenz vom 24.
November 1937 über den Besuch des Lordpräsidenten Halifax in
Berlin
Erst vor kurzem sahen wir uns genötigt, mit deutlichen Worten
Pressemanövern entgegenzutreten, die noch vor dem Besuche des
Lordpräsidenten Halifax versuchten, mit dreisten Unterstellungen die
internationale Atmosphäre zu vergiften. Man hätte annehmen sollen,
daß diese überall verstandene klare Antwort auf derartige für
die Besserung der internationalen Beziehungen denkbar "ungeeignete Methoden"
genügt hätte, um den verantwortungslosen Elementen in der
ausländischen Presse die Lust zu nehmen, ihre ebenso lächerlichen
wie gefährlichen Machenschaften fortzusetzen
Diese Hoffnung war trügerisch! Nach dem Besuche des
Lordpräsidenten Halifax wurde die Lügenflut eines Teiles der
ausländischen Presse schlimmer denn zuvor. Angebliche "Forderungen",
"Wünsche" und Behauptungen über mehr oder weniger "politische
Erpressungen" des Führers sind nach wie vor in den Spalten dieser
Blätter Themen des Tages. So liefert uns neuerdings der Manchester
Guardian ein Musterstück lügenhafter Berichterstattung.
Der diplomatische Korrespondent dieses Blattes berichtet, daß
deutscherseits in den Besprechungen mit Lord Halifax "Forderungen" gestellt
worden seien, die sich in folgenden Punkten zusammenfassen ließen:
- Deutschland sei bereit, dem Völkerbund unter einer Reihe von
Bedingungen, die sich auf bestimmte Punkte des Versailler Vertrages und die
Anerkennung der italienischen Oberhoheit über Abessinien beziehen,
wieder beizutreten.
- England werde von Deutschland aufgefordert, einer Reorganisation des
tschechischen Staates nach dem Muster des Schweizer Bundessystems
zuzustimmen, wobei das Sudetenland den Charakter eines Schweizer Kantons
erhalten solle.
- England werde aufgefordert, sich zu verpflichten, der österreichischen
Regierung keinerlei diplomatischen, politischen oder militärischen Beistand
zu geben.
- Deutschland verpflichte sich, die Kolonialfrage für eine Periode von
sechs Jahren nicht aufzugreifen, und verspreche, später keinerlei
Flotten- oder Militärbasen in seinen früheren Kolonien
einzurichten.
- Deutschland verpflichte sich, den Frieden in Spanien wiederherzustellen,
sobald die britische Regierung die Regierung in Salamanca de jure
anerkannt habe usw.
Wir wissen nicht, aus welcher trüben Quelle diese "Informationen"
stammen, aber wir wissen, daß sie von Anfang bis zu Ende
lügenhafte Erfindungen sind!
Der englische Ministerpräsident Chamberlain sah sich veranlaßt, auf
diesbezügliche Anfragen heute im Unterhaus alle diese Spekulationen nicht
nur als unverantwortlich, sondern auch als höchst unrichtig zu bezeichnen.
Wir möchten sie als freche und unverschämte [126] politische Verleumdungen, ihre Verbreiter als
internationale Brunnenvergifter brandmarken!
Mit solchen publizistischen Gangstermethoden kann man dem
nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr kommen!
Wie oft sollen wir es sagen: Es ist bei uns nicht üblich, dem Minister eines
befreundeten Landes, der nach Deutschland kommt zwecks "Förderung des
Wunsches zur Schaffung eines engeren gegenseitigen Verstehens", Forderungen
zu stellen und ihm die Pistole auf die Brust zu setzen! Alle Kombinationen in
dieser Richtung tragen also schon von vornherein den Stempel der Lüge auf
der Stirn!
Wenn der diplomatische Korrespondent des Manchester Guardian dann
seinem lügnerischen Elaborat die Krone aufsetzt, indem er seine Regierung
auffordert, diese uns so dreist unterschobenen "Vorschläge", die das
"größere Deutschland im Embryo" enthielten, als unannehmbar
zurückzuweisen, weil ihre Annahme eine "Krise der
englisch-französischen Beziehungen stören"
würde usw., dann wissen wir, was man mit diesen fortgesetzten
Unterstellungen Deutschland gegenüber bezwecken möchte.
Wir werden auch in Zukunft diesen politischen Gangstermethoden mit der ihnen
gebührenden Deutlichkeit entgegentreten und den publizistischen
Strauchrittern die Maske vom Gesicht reißen. Denn wir sind mehr denn je
überzeugt, daß, solange diesen internationalen Brunnenvergiftern, die
jede Fühlungnahme zu lügenhafter Hetze benützen, nicht das
Handwerk gelegt ist, alle politischen Besuche und Besprechungen zwecklos sind
und nur zu einer Verwirrung der internationalen Lage beitragen
können.
(DNB. vom 25. November 1937.)
Aus der Ansprache des Lordpräsidenten Halifax
anläßlich der zweiten Jahrestagung der
Anglo-German Fellowship in
London am 2. Dezember 1937
In seiner Aussprache sagte Lord Halifax, er habe in der vergangenen Woche das
Vergnügen gehabt, Berlin zu besuchen,
um - wie er erinnern möchte - die große Jagdausstellung
zu besichtigen. Da dies der ursprüngliche Zweck seines Besuches gewesen
sei, würden seine Hörer nicht überrascht sein, daß er der
Ausstellung den größten Teil der ihm zustehenden
Drei-Minuten-Sprechzeit widmen würde. Die Ausstellung sei ohne Zweifel
die größte Jagdausstellung, die die Welt je gesehen habe. Alle
Besucher der Ausstellung würden ihm beipflichten, wenn er sagte,
daß sie einen Markstein für die Leistungen der Menschen aller
Länder auf dem Gebiete des Sports, der sportlichen Kunst und, wie er
hinzufügen möchte, der Ausstellungskunst bilde. Er sei dankbar
dafür, daß er hier Gelegenheit habe, seine warme Anerkennung
für den höflichen, offenen und freundlichen Empfang auszusprechen,
der ihm von allen Seiten, den höchsten wie den niedrigsten, bereitet worden
sei. Er glaube allen Ernstes, daß die Beziehungen der [127] einzelnen Menschen auf sie gemeinsam
interessierenden Gebieten, wie etwa Sport, von großer Bedeutung für
die Beziehungen der Nationen untereinander seien. Er zögere nicht, zu
sagen, daß das Verständnis zwischen den Völkern, zu deren
Förderung die Anglo-German Fellowship gegründet sei, zweifellos
die größte Notwendigkeit für die heutige Welt sei. Seiner
Ansicht nach könne keine Gesellschaft einen größeren Dienst
leisten als den, daß sie zum gegenseitigen Vertrauen und Verstehen der
Nationen untereinander beitrage.
(E: The Times vom 3. Dezember 1937. - D:
Monatshefte für Auswärtige Politik, 1938. S,
34.)
Aus der Unterhausrede des britischen
Premierministers Chamberlain vom 21. Dezember
1937
Der Abgeordnete Attlee hat die verschiedenen kürzlich stattgefundenen
internationalen Besprechungen erwähnt; ich möchte darauf
zurückkommen und mit dem Besuch des Herrn Lordpräsidenten des
Staatsrats in Deutschland beginnen. Ich habe dem Hause schon mitgeteilt,
daß die Besprechungen zwischen dem Lordpräsidenten und dem
Reichskanzler und verschiedenen bekannten Deutschen vertraulichen Charakter
trugen, und sicherlich wünscht kein Abgeordneter, daß ich irgend
etwas sage, was als Bruch der Voraussetzung angesehen werden könnte, auf
Grund deren die Besprechungen stattfanden. Aber ich darf vielleicht eine oder
zwei allgemeine Bemerkungen machen, die das über dieses Thema schon
Gesagte ergänzen.
Seiner Majestät Regierung hat niemals erwartet oder beabsichtigt,
daß diese Besprechungen sofort Ergebnisse zeigen sollten. Es waren
Besprechungen und keine Verhandlungen; und deshalb wurden in ihrem Verlauf
keine Vorschläge gemacht, keine Verpflichtungen eingegangen und keine
Abmachungen getroffen. Das von uns erstrebte und erreichte Ziel war, einen
persönlichen Kontakt zwischen einem Mitglied Seiner Majestät
Regierung und dem Reichskanzler herzustellen und, wenn möglich, auf
beiden Seiten zu einem klareren Verständnis für die Politik und die
Haltung beider Regierungen zu gelangen. Ich glaube sagen zu können,
daß wir jetzt eine ziemlich genaue Vorstellung von den Problemen besitzen,
die nach Ansicht der deutschen Regierung gelöst werden müssen,
wenn wir in den europäischen Angelegenheiten den von allen
gewünschten Zustand erreichen wollen, in welchem die Nationen einander
mit dem Wunsch nach Zusammenarbeit, anstatt mit Mißtrauen und Groll,
gegenüberstehen.
Wenn wir zu einem solchen Zustand gelangen sollen, so kann das natürlich
nicht durch eine Abmachung zwischen einzelnen Ländern erreicht werden.
Eine solche könnte nur als erster Schritt zu einem allgemeinen
Bemühen angesehen werden, um zu dem zu kommen, was manchmal eine
allgemeine Regelung genannt worden ist, nämlich dazu, daß
berechtigten Beschwerden abgeholfen, Mißtrauen beseitigt und Vertrauen
wiederhergestellt wird. Dazu ist natürlich erforderlich, [128] daß alle Beteiligten ihren Beitrag zur
Erreichung des gemeinsamen Zieles liefern. Andererseits ist es, glaube ich, klar,
daß Resultate nicht übereilt oder erzwungen werden können,
daß diese Probleme eine gewisse Zeitlang studiert und erforscht werden
müssen und daß das bisher Geschehene nur die Einleitung zu einer
umfassenderen und, wie ich hoffe, ergebnisvolleren Zukunft ist.
(E: Parliamentary
Debates. House of Commons. Bd. 330, Sp.
1804f. [Scriptorium merkt an: im Original
"1808."] - D: Monatshefte für Auswärtige Politik, 1938,
S. 33f.)
Die wahren Absichten, die man mit dem Besuch des Lordpräsidenten
Lord Halifax verfolgt hatte, gingen sehr bald völlig eindeutig aus den
tendenziösen Parallelen hervor, die man zwischen seinem Besuch und der
Mission des britischen Kriegsministers Lord Haldane im Jahre 1912 zog. Die
Haldane-Mission war schon in der alliierten Kriegsschuldpropaganda von jeher
dazu benutzt worden, um - im krassen Widerspruch zur wirklichen Lage
der Dinge - die englischen Verständigungsbemühungen vor
dem Kriege und die deutsche Intransigenz zu beweisen. In Wirklichkeit ist die
Haldane-Mission (vgl. hierüber den Aufsatz des Herausgebers im
Dezember-Heft 1937 der Monatshefte für Auswärtige Politik
über "Die Berliner Mission Haldanes im Jahre 1912"), daran gescheitert,
daß Deutschland verständlicherweise nur unter der Voraussetzung zu
einer Flottenverständigung bereit war, daß es sicher sein konnte, die
britische Flotte im Falle kriegerischer Verwicklungen nicht auf der gegnerischen
Seite zu finden und daß England nicht bereit war, eine bindende
Erklärung in diesem Sinne abzugeben, daß es sogar nicht einmal
bereit war, sich für diesen Fall zur Neutralität zu verpflichten. Die
diplomatische Anlage und der Ablauf des Halifax-Besuches ähnelt so sehr
der Haldane-Mission, daß kaum ein Zweifel darüber bestehen kann,
daß die britische Regierung in Erinnerung an die propagandistischen
Erfolge der Haldane-Legende von 1912 die Wiederholung eines ähnlichen
Manövers zur Täuschung der Weltöffentlichkeit beabsichtigt
hatte. Da indessen die Problematik der über die
Haldane-Mission verbreiteten britischen Propaganda-Legende heute jedem
objektiven Historiker offenkundig ist, wird dieses Manöver keinen
weiterschauenden neutralen Beobachter täuschen können.
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