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Wirtschaft und Kolonien   (Teil 3)
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Die Arbeit im Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee
Dr. August Marcus,
Geschäftsführer der Vereinigung für deutsche Siedlung und Wanderung

In einer Zeit des größten Tiefstandes in der kolonialen Bewegung wurde das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee gegründet. Am 13. Januar 1896 bildete sich unter Führung von Karl Supf eine Vereinigung zu einem Komitee zur Förderung der Einfuhr von Erzeugnissen aus deutschen Kolonien in der Erkenntnis, daß zu einer erfolgreichen Entwicklung unserer Kolonien zunächst einmal die einwandfreie Feststellung der in den Kolonien gegebenen natürlichen Bedingungen durch wissenschaftliche Untersuchungen und praktische Versuche notwendig sei. Aus dieser Vereinigung ging am 25. Oktober 1897 das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee hervor, dessen Zweck damals kurz, wie folgt, niedergelegt wurde: "Kolonialwirtschaftliche Interessen in gemeinnütziger Weise zu fördern." In diesem Sinne wurden auch die Satzungen aufgestellt. Mit der Gründung des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees unter der glücklichen und ersprießlichen Leitung von Karl Supf begann eine gründliche Behandlung und Bearbeitung aller kolonialwirtschaftlichen Fragen, die nach dem politischen Umschwung im Jahre 1907 in wenigen Jahren unsere Kolonien einer wirtschaftlichen Blüte entgegenführte, die 1914 durch den Weltkrieg jäh unterbrochen wurde.

Um die weitgesteckten Ziele zu erreichen, das sind "die Grundlagen für die Erschließung und Entwicklung unserer Kolonien zu schaffen", wurden nach gründlicher Vorbereitung eine große Zahl von Expeditionen und Studienreisen ausgerüstet, zum großen Teil auch vom Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee finanziert, Unterstützungen wirtschaftlicher Unternehmungen in Afrika gewährt und die heimische Industrie und Wissenschaft sowie auch die Pflanzer und Farmer in den Kolonien durch Preisaufgaben angeregt, sich für die Lösung ganz bestimmter wichtiger wirtschaftlicher Aufgaben einzusetzen.

Von besonderer Dringlichkeit war um die Wende des Jahrhunderts die Beschaffung des Rohstoffes "Baumwolle" geworden. In fast allen Industrieländern gab es um diese Zeit eine "Baumwollfrage".

Das Komitee hat sich daher dieses Punktes ganz besonders angenommen. Durch Einstellung von Sachverständigen, Gründung und Unterstützung von Versuchsstationen, durch Beschaffung und Verteilung von Saatgut, durch Gewährung von Anbauprämien und Preisgarantien, durch Überlassung vollständiger Entkörnungsanlagen, ja, sogar durch Bereitstellung einer Beihilfe zum Bau einer Kleinbahn im Lindibezirk (Deutsch-Ostafrika) wurde die Baumwollkultur gefördert. Die Maßnahmen in der Förderung der Baumwollkultur haben zu guten, allgemein anerkannten Erfolgen geführt, was besonders daraus hervorgeht, daß nach dem Muster des KWK. 1902 die "British Cotton Growing Association" und 1903 in Frankreich und Belgien ähnliche Organisationen gegründet wurden. Die da- [421] mals von deutscher Seite bereits geleisteten erfolgreichen Arbeiten waren also vorbildlich auch für Nationen, die schon viel länger Kolonialwirtschaft getrieben haben.

Zweifelsohne gründet sich auch heute noch die Wirtschaft in unseren unter Mandat stehenden Kolonien auf die Arbeiten, die während der deutschen Verwaltung geleistet wurden. Namentlich sei in dieser Beziehung des Sisals in Deutsch-Ostafrika gedacht, mit dessen Einführung und Kultur das KWK. aufs engste verknüpft ist. Heute ist der Sisalhanf das Hauptausfuhrerzeugnis Deutsch-Ostafrikas.

Die Schwierigkeit der Versorgung der deutschen Industrie mit Kautschuk und Guttapercha zu annehmbaren Preisen hat bereits 1899/1900 dem Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee Veranlassung zur Ausrüstung von mehreren Expeditionen gegeben; gleichzeitig wurden Preise ausgesetzt, und zwar zwei in Höhe von je 5000 RM. für die innerhalb von 4 Jahren erfolgte größte und zweckmäßigste Anpflanzung von Kautschuk in Deutsch-Ostafrika und Togo, sowie 3000 RM. für die Auffindung der ersten wildwachsenden Guttaperchapflanze in deutschen Kolonien, die für Kabelzwecke brauchbares Guttapercha liefert, sowie die Entdeckung neuer Kautschukpflanzen.

Zahlreiche andere Expeditionen und Studienreisen - die letzte fand im Jahre 1925 statt - befaßten sich mit der Erforschung wirtschaftlicher Probleme oder sie dienten wissenschaftlichen Zwecken, zur Sammlung von Erfahrungen in den holländischen und britischen Kolonien und zur Beschaffung des notwendigen Pflanz- und Versuchsmaterials.

Die Expeditionen, die sich der Wirtschaft widmeten, befaßten sich teils mit land- und forstwirtschaftlichen Fragen wie Besiedlungsfähigkeit, Ausbeutung wirtschaftlich bedeutungsvoller Wildpflanzen (Kautschuk, Guttapercha, Kola, Ölpalme, Gerbstoffe, Gummiarabikum, Edelhölzer usw.), der Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen, teils mit Fragen der Bewässerung und Entwässerung, sowie Wasserbeschaffung. In Südwestafrika wurde der Fischfluß auf die Möglichkeit der Anlage von Tränk- und Bewässerungsanlagen hin untersucht. Den Farmern wurde durch Ausrüstung einer Bohrkolonne mit 2 Bohrmaschinen zur Wassererschließung praktische Hilfe geleistet. In Deutsch-Ostafrika wurden die Bewässerungsmöglichkeiten der wichtigsten Gebiete erforscht. Schließlich wurden Expeditionen entsandt, die sich mit verkehrstechnischen Fragen befaßten, wie wirtschaftliche Erkundung von Eisenbahntracen, Schiffbarkeit von Flüssen usw.

Die Entwicklung einzelner Wirtschaftszweige in unseren Kolonien war von der Konstruktion gewisser Maschinen abhängig. Um der Industrie einen Anreiz zu geben, sich mit diesen Fragen zu befassen, wurden vom KWK. Preise ausgesetzt, so z. B. für die Konstruktion einer Palmkern-Knackmaschine, eines deutschen Tropenautomobils, einer Entfaserungsmaschine für Bananen usw. Maschinen, wie Motorpflüge, Dieselmotoren und viele landwirtschaftliche Geräte wurden kostenfrei vom KWK. nach den Kolonien gesandt, um diese daselbst zu erproben und ihre Verwendung anzuregen. Um den außerordentlich großen Weitblick des Vorsitzenden des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees zu zeigen, sei hier noch erwähnt, daß be- [422] reits im Jahre 1911, um das Interesse für das Flugwesen in den Kolonien zu wecken, vom KWK. ein Beitrag von 4000 RM. zur Ausbildung von zwei Angehörigen der Kaiserlichen Schutztruppe von Deutsch-Ostafrika als Flugzeugführer bereitgestellt wurden. Hiermit wurden die ersten Flugzeugführer für die deutschen Kolonien ausgebildet.

Um die weitesten Schichten unseres deutschen Volkes mit dem kolonialen Gedanken intensiver vertraut zu machen, wurden zahlreiche Ausstellungen in Deutschland beschickt und eigne Ausstellungen unterhalten. Namentlich genannt aus geschichtlichem Interesse sei die Ausstellung von 1902, die zur Belehrung der Reichstagsabgeordneten zusammengestellt worden war. Den Schulen wurden Zusammenstellungen kolonialer Erzeugnisse - es handelt sich um etwa 700 Schaukästen mit erklärenden Texten - zur Verfügung gestellt. Diese kleinen übersichtlich geordneten Schausammlungen haben weite Volkskreise mit den Erzeugnissen unserer Kolonien bekanntgemacht. 1933 hat das KWK. den Aufbau der großen Kolonialschau auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Berlin geleitet und sich selbst weitgehendst beteiligt. Die Schau wurde sodann als selbständige Wanderausstellung vom Reichskolonialbund übernommen.

In den Kolonien hat sich das KWK. an den verschiedenen Landesausstellungen beteiligt. Seit 1911 bis zum Verlust Deutsch-Ostafrikas unterhielt es in Daressalam eine ständige Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte.

Um die zahlreichen Ergebnisse der Studien- und Forschungsreisen, der wirtschaftlichen Expeditionen und der Versuche der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sowie um die Pflanzer und Farmer über die Fortschritte in fremdländischen Kolonien auf dem laufenden zu halten, wurde bereits am 17. Dezember 1896 beschlossen, ein eigenes Organ, Der Tropenpflanzer, herauszugeben, dessen Schriftleitung Prof. Dr. O. Warburg und Prof. Dr. F. Wohltmann übernahmen. Im Januar 1897 erschien das erste Heft, und schon nach kurzer Zeit hatte Der Tropenpflanzer sich ein beachtliches Ansehen im In- und Auslande verschafft. Der Tropenpflanzer mit seinen Beiheften und die zahlreichen sonstigen Veröffentlichungen des KWK. geben ein Spiegelbild der Entwicklung unserer Kolonialwirtschaft und der Fortschritte in den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Arbeiten in fremden Kolonialländern.

Der bisher gegebene kurze allgemeine Überblick über die Tätigkeit des KWK., namentlich vor dem Kriege, zeigt das gewaltige Arbeitsgebiet, das von dieser einen Stelle aus gepflegt wurde. Für die Bearbeitung der Sonderaufgaben wurden Kommissionen eingesetzt, die sich der Lösung der Einzelfragen annahmen; dadurch, daß der Vorsitz der Kommission in Händen des Vorsitzenden des KWK. liegt, ist stets für das Einhalten der großen Linie in den Arbeiten des KWK. und der Durchführung der einmal gefaßten Beschlüsse Vorsorge getroffen. Durch die Kommissionen konnten also nicht wichtige Fragen, wie sonst so häufig, in der Versenkung verschwinden. Die bedeutendsten Kommissionen seien kurz genannt: Baumwollbau- [423] Kommission, Kolonial-Technische Kommission, Kautschuk-Kommission, Koloniale Forst-Kommission, Sisal-Kommission, Geologisch-Bergbauliche Kommission usw.

Mit dem Verlust unserer Kolonien durch das Versailler Diktat mußte die Tätigkeit des KWK. zwangsläufig eine vollständige Wandlung erfahren. 1920 wurde in einer Vorstandssitzung, bei der alle interessierten Ministerien und Behörden vertreten waren, nach einem Vortrage des Vertreters des Auswärtigen Amtes beschlossen, das KWK. zu erhalten und möglichst auszubauen, da nicht nur unmittelbar weiter große Aufgaben zu erfüllen seien, sondern auch der Tag kommen werde, an dem Deutschland in eigenem Kolonialbesitz seine kolonialwirtschaftlichen Erfahrungen und Kenntnisse voll einsetzen müsse und dann nicht wieder von vorn anzufangen hätte. In diesem Beschluß liegt zugleich das Programm für die Fortsetzung der Arbeiten eingeschlossen.

Das KWK. hat daher seine alten Verbindungen mit den verschiedenen wissenschaftlichen Instituten, die sich mit der Förderung der tropischen Landwirtschaft warmer Länder befassen, nicht nur wieder aufgenommen, sondern ist ständig bemüht, diese auszubauen. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist aus dem Zeitschriftenaustausch erkennbar. Zur Zeit gehen regelmäßig etwa 65 deutschsprachige und 200 fremdsprachige Zeitschriften ein, die durchgesehen werden und deren bedeutungsvoller Inhalt im Tropenpflanzer referiert wird, der das Verbindungsglied und den Mittler in sachlicher Beziehung zwischen unseren in den warmen Ländern als Pflanzer und Farmer tätigen Volksgenossen und der Heimat darstellt. Seiner alten Arbeitsweise getreu, ist das KWK. bemüht, unsere in den warmen Ländern als Farmer und Pflanzer tätigen Volksgenossen in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu beraten und zu stützen. Es ist für die Deutschen draußen die Zentralstelle, die für die sach- und fachgemäße Untersuchung aller Rohstoffe pflanzlicher und mineralischer Art durch Zusammenarbeit mit den entsprechenden wissenschaftlichen Instituten der Heimat Sorge trägt, ihnen die Ergebnisse übermittelt und für die Gewinnung, Ausbeute und namentlich die Absatzfrage Rat und Auskunft gewährt. Bereits um die Jahrhundertwende beschäftigte sich das KWK. mit dem Problem der Ramiekultur; auch heute wieder ist es an Arbeiten und Untersuchungen führend beteiligt, die sich mit der Lösung der Aufbereitungsfrage der Ramiefaser befassen.

Die in jahrelanger Arbeit gesammelten Erfahrungen werden selbstverständlich auch den heimischen Kreisen und der Wirtschaft weitgehendst zur Verfügung gestellt.

Das KWK. ist weiterhin bestrebt, unsere kolonialwirtschaftlichen Erfahrungen zu erhalten und durch Ausschöpfen neuer Erkenntnisse aus fremden Ländern stets auf dem laufenden zu halten. Es dient hierzu einmal der bereits erwähnte stattliche Austausch mit diesen namentlich fremdländischen Zeitschriften und zum andern die Fachbücherei, die sich ständig erweitert und zur Zeit nahezu 11 000 Bände umfaßt. Es ist damit die Möglichkeit geschaffen, daß junger Nachwuchs sich auf Grund der alten Erfahrungen und durch Aneignung der neu gewonnenen Erkenntnisse für [424] den Beruf als Tropenwirt und im Kolonialdienst in jeder Beziehung die notwendigen Vorkenntnisse aneignen kann, um sodann bei der Rückgabe unserer Kolonien sich auf Grund der erarbeiteten Erkenntnisse für die Entwicklung dieser Gebiete einsetzen zu können. Als gemeinnützige Organisation erteilt das KWK. seinen Mitgliedern und allen in fremden Ländern tätigen Volksgenossen Rat, Auskunft und Gutachten in allen kolonialen Wirtschaftsfragen. Wer sich für Einzelheiten über die Entwicklung und die bisherigen Arbeiten des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees interessiert, sei auf die Jubiläumsschrift Das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee, Ein Rückblick auf seine Entstehung und seine Arbeiten aus Anlaß des Gedenkjahres 50jähriger deutscher Kolonialarbeit, verwiesen, die von der Geschäftsstelle des KWK., Berlin W9, Schellingstr. 6, den Lesern dieses Buches kostenlos geliefert wird.

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.