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IV. Übersicht über die Wirtschaftsentwicklung

2. Sozialpolitischer Lagebericht

Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung der Sudetenländer in den Jahrzehnten vor dem Weltkriege brachte der Bevölkerung ganz allgemein ausreichende Verdienstmöglichkeiten, ja man kann sagen Wohlstand und Reichtum. Gewiß, die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer entsprachen nicht den großen Einkünften der Industrieunternehmer, auch das Bauerntum zeigte nicht im ganzen Lande den gleichen Wohlstand, und Handel und Gewerbe mußten bei dem fortschreitenden Ausbau der Handelsbeziehungen und der jede Konkurrenz schlagenden Industrie einen schweren Existenzkampf führen. In den Gebirgsdörfern setzten die klimatischen und Bodenverhältnisse dem allgemeinen Wohlstand Grenzen. Aber nirgends herrschte Hunger und Elend, Not und Verzweiflung, überall verriet schon das äußere Bild der Dörfer und Städte jenen soliden Wohlstand, der durch rührige Arbeit in zähem Fleiß und wohlüberlegter Sparsamkeit erworben wird. Die Anspruchslosigkeit der tschechischen Landbevölkerung mit ihren oft geradezu primitiven Wohnstätten ist ebenso wenig bedingt durch ihre Vermögensverhältnisse, wie andererseits die gepflegten und sauberen Häuschen der sudetendeutschen Arbeiter ihr nettes Aussehen nicht so sehr ihrem Einkommen zu verdanken haben, als vielmehr ihrer grenzenlosen Sparsamkeit und opferbereiten Liebe zum eigenen Heim. Es ist das bäuerliche Blut, das in ihren Adern pulsiert und in ihnen die Sehnsucht nach dem eigenen Grund und Boden, den sie verlassen mußten, weil der Boden zu klein wurde, der sie ernähren sollte, wacherhielt. Und diese Sehnsucht, die in einem kleinen Häuschen Erfüllung fand, ließ sie freudig auch alle sonstigen Entbehrungen tragen. Der Wohlstand und Reichtum verleitete nicht zu jener verschwenderischen Glanzentfaltung, wie sie sonst eine Begleiterscheinung ist, sondern fand seinen Ausdruck in einem gepflegten Lebensstil und in einem gesteigerten Kunst- und Kulturleben. Fast jede größere sudetendeutsche Stadt hatte [230] ihr eigenes Theater, das die berühmtesten Schauspieler und Sänger, Ensembles und Orchester zu Gast hatte. Dabei zählen die sudetendeutschen Städte durchschnittlich nicht viel mehr als 15 000 bis 20 000 Einwohner, sind also Kleinstädte im wahrsten Sinne des Wortes.

Diese in wenigen Strichen skizzierte sozialpolitische Lage in den Sudetenländern, vornehmlich bei den Sudetendeutschen, erfuhr in der Nachkriegszeit, besonders in den letzten Jahren, eine große Veränderung. Die ersten Finanzmaßnahmen des neuen Staates, die an anderer Stelle angeführt wurden, brachten dem sudetendeutschen Wirtschaftsleben ungeheuere Verluste, die niemals mehr eingebracht worden sind. Die Nichteinlösung der Kriegsanleihe bedeutete eine weitere Schwächung des Volksvermögens und traf besonders die kleinen Sparer und Gewerbetreibenden. Dazu kam die planmäßige Stillegung der sudetendeutschen Industrieunternehmen, deren Tempo durch die Weltwirtschaftskrise beschleunigt wurde. Die unmittelbare Folge der Prager Regierungsmaßnahmen und Auswirkungen der Krise waren Lohnkürzungen und Erwerbslosigkeit und damit eine allgemeine Schwächung der Kaufkraft. Je größer die Zahl derer wurde, die aus dem Konsumentenkreis ausschieden, und je länger ihr Fernbleiben andauerte, desto geringer wurde der allgemeine Geldumsatz, was zu einer Verschuldung der Landwirtschaft und zum völligen Untergang des Kleinhandels und des Gewerbes führen mußte. Man kann heute bereits von einer Verproletarisierung des Sudetendeutschtums sprechen, das nicht nur seine Ersparnisse aufgezehrt hat, sondern bereits die Substanz angreift.

In dem nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Bericht der Gewerbeinspektoren an das Prager Fürsorgeministerium spiegelt sich in aller Klarheit das erschütternde Bild von der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer.

Es zeigt sich, daß der starke Absatzrückgang und die Zunahme der Arbeitslosigkeit dazu führte, an die Leistungsfähigkeit der beschäftigten Personen wesentlich erhöhte Ansprüche zu stellen und fast gleichzeitig die Löhne zu senken, so daß die tatsächliche Arbeitsleistung von zwei Seiten aus gesteigert wurde. Dazu kommt noch die Tatsache, daß trotz der großen Zahl der Arbeitslosen die Überstundenarbeit zugenommen hat und der Preisrückgang durch eine weitere Rationalisierung der Betriebe durch Einstellung arbeitskraftsparender Maschinen paralysiert werden sollte. Der Bericht führt zahlreiche Beispiele dafür an, wie die Arbeitsleistung durch Aufhebung der Stundenlöhne und Einführung von Akkordlöhnen und Prämien für besondere Leistungen gesteigert wurde, der Kampf um den Arbeitsplatz einen außerordentlichen Rückgang der Löhne verursachte und die Rationalisierung zur Ausbeutung der Arbeitnehmer führte. So hat eine Fahrradfabrik im Karlsbader Bezirk gleichzeitig mit der Lohn- [231] senkung Entschädigungen für die einzelnen Arbeitseinheiten eingeführt. (Leistungssteigerung um 25 Prozent.) Zur Förderung der Arbeiterleistungen hat eine Gummiwarenfabrik im Königgrätzer Bezirk durch Anschlag die Leistung der einzelnen Arbeiter und deren Lohnhöhe bekanntgegeben. In der Vorweihnachtssaison wurden die Verkäufer in den Filialen einer großen Schuhfabrik dadurch zur höchstmöglichen Leistung angeregt, daß Prämien in der Höhe von 20 bis 50 Mark jenen Verkäufern versprochen wurden, die in zehn Tagen die größte Zahl von Schuhen verkaufen. Aus diesem Wettrennen gingen acht Verkäufer als Sieger hervor, die überdies umsonst für acht Tage zur Erholung ins Riesengebirge geschickt wurden. In einer Möbelfabrik im Bezirke Königgrätz wurde die Arbeitsleistung durch Einführung der Erzeugung am laufenden Band um volle 100 Prozent erhöht. Die Gewerbeinspektoren haben festgestellt, daß die Leistung der Arbeiterschaft auch ohne bewußte Rationalisierungsmaßnahmen gestiegen wäre, weil die Lohnkürzungen und die unzulänglichen Arbeitsmöglichkeiten die gleichen Auswirkungen zeigen. Die übersteigerte Rationalisierung hat jedoch bereits zu einem Rückschlag geführt, weil die übermäßige physische Anspannung der Arbeitnehmer zu Massenerscheinungen von Überarbeitung und zu raschem Verbrauch der Arbeitskräfte führt, der überdies durch die gleichzeitige Senkung des Lebensstandards verschärft wird. Aus diesem Grunde hat sich in einigen hochrationalisierten Betrieben die Leistung der Arbeiterschaft vermindert.

In einigen kleingewerblichen Betrieben in den Bezirken Prag und Budweis wurde festgestellt, daß die Arbeiter gezwungen werden, bloß für freie Wohnung und Verköstigung zu arbeiten. Einer von diesen Arbeitern mußte sogar die sozialen Lasten aus der eigenen Tasche tragen. Die Verwaltung einer Dampfmühle im Bezirk Budweis hat ihren 10 Arbeitern stündlich 15 Pfennige ausgezahlt. Ein Damenschneider im selben Bezirk beschäftigte einen Lehrjungen und zwei Näherinnen, wobei er allen drei Angestellten einen Tageslohn von insgesamt nur 1 Mark zahlte. Eine kleine Weberei im Bezirke Jungbunzlau beschäftigte Weber für einen Wochenhöchstlohn von 5 Mark. Im Pardubitzer Bezirke bezahlte eine Tuchfabrik den Arbeitern täglich 1.— bis 1.50 Mark und den Frauen gar nur 60 Pfennige. Eine Zuckerwarenfabrik im Bezirke Neutra entlohnte ihre erwachsenen Arbeiterinnen mit 6 Pfennig für die Stunde, jugendliche Kräfte erhielten nur 4 Pfennige. Nur in wenigen Fällen konnte die Arbeiterschaft eine Aufbesserung ihrer Löhne durchsetzen. Eine Ausnahme bilden u. a. einige Steinbrüche in der Gegend von Hlinsko, eine Metallgießerei bei Troppau und eine Kabelfabrik im Bezirke Teplitz-Schönau.

Die schärfsten Lohnkämpfe spielten sich in der Textilindustrie ab. Die Löhne wurden um 5 bis 15 Prozent herabgesetzt, wobei eine Fabrik die andere zu übertrumpfen bestrebt war.

[232] Im Olmützer Bezirke ersetzte eine Zementfabrik ihre alten Kessel durch neue Schachtkessel, System Gruber, wodurch die Erzeugung von 5500 auf 7500 Waggons erhöht und dreißig Arbeiter überflüssig wurden. Maschinen zum Massenschleifen und Schmelzen von Glasringen erzeugen im Bezirke Jungbunzlau 3000 Dutzend Ringe in acht Stunden, wodurch dreißig Heimarbeitern die Arbeitsmöglichkeit genommen wird. Am stärksten war die Rationalisierung in der Textilindustrie. Eine große Baumwollspinnerei im Bezirke Königgrätz hat ihre Spindelanzahl verdoppelt, wodurch 70 Arbeiterinnen arbeitslos wurden. Eine Jute-Spinnerei und -Weberei hat die Belegschaft bei der Spindelbedienung halbiert und alle Arbeiter von mehr als sechzig Jahren entlassen.

Die 48-stündige Arbeitszeit wurde nur in den wenigsten Fällen eingehalten. Entweder wurde sie stark unterschritten oder durch eine starke Ausnützung der Arbeitskräfte erheblich überschritten. Besonders in den kleinen Gewerbebetrieben häufen sich die Verstöße gegen die Arbeitszeitbestimmungen. Doch wurde auch in einigen Industriebetrieben die Arbeitszeit übermäßig verlängert, so in einer Fahrradfabrik im Tetschener Bezirk bis auf 70 Stunden in der Woche. Der Besitzer einer Bahnhofsrestauration im Bezirke Olmütz hat trotz Verwarnung seinen Lehrjungen jeden zweiten Tag 24 Stunden hindurch beschäftigt!

[233] Am 10. September 1935 hat der Prager Fürsorgeminister Ing. Necas - ein Sozialdemokrat - im sozialpolitischen Ausschuß des Abgeordnetenhauses ein Exposé über die sozial- und wirtschaftspolitische Lage in der Tschechoslowakei erstattet, das zu einer vernichtenden Anklage des Prager Systems wird. Der Minister führte aus:

      "Es zeigt sich also immer klarer, daß die Wirtschaftskrise bei uns eine Depression im Gefolge hat, aus der man auf dem bisherigen Wege und mit den bisherigen Mitteln nicht herauskommt. Wenn wir nicht den ganzen Staat in einen dauernden Zustand der Verarmung treiben wollen, müssen wir andere und durchgreifendere Wege gehen. Die außerordentliche Zeit erfordert unbedingt außerordentliche Maßnahmen und außerordentliche Opfer!
      Die Zahl der Arbeitslosen sinkt nicht so, wie es das wirtschaftliche und finanzielle Interesse des Staates erfordern würde und wie wir es beim Vergleich mit anderen Staaten erwarten könnten.
      Wenn wir nicht die militärische Dienstzeit verlängert hätten, so hätten wir heute noch um einige zehntausende Arbeitslose mehr. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird auch dadurch verschlechtert, daß der Arbeitsmarkt die starken Nachkriegsjahrgänge aufnehmen muß, die jetzt mit 16 und 17 Jahren in die Arbeit kommen.
      Außerdem scheidet die Rationalisierung ständig neue Lohnarbeiter aus. Ungünstig wirkt sich ferner auch der Umstand aus, daß die Auswanderung so gut wie völlig unterbunden ist.
      Daß überdies unsere Arbeitslosenstatistik, d.  h. die Ziffern über die Zahl der nicht untergebrachten Bewerber um Arbeit, die Zahl der Arbeitslosen nicht richtig erfaßt, geht daraus hervor, daß von Jänner bis Ende Juli 1935 die Zahl der nicht untergebrachten Arbeitsbewerber nur um 212.446 Personen sank, während die Zahl der Versicherten bei allen Krankenkassen in derselben Zeit von 2,269.776 auf 2,692.030, also um 322.254 Personen stieg. Daraus geht hervor, daß Zehntausende Arbeit erhalten, die nicht in den Verzeichnissen der Arbeitsvermittlungsanstalten enthalten sind.
      Auch wenn wir heuer zu Ende August die niedrigste Arbeitslosenziffer zu diesem Zeitpunkt seit 1932 haben, müssen wir uns doch die Tatsache vor Augen halten, daß es uns mit den bisherigen Mitteln seit Oktober 1932 nicht gelungen ist, die Arbeitslosenziffer unter 500.000 zu senken.
      Wir müssen uns vor Augen halten, daß die schleppende Wirtschaftskrise in beträchtlichem Maße auch durch unsere eigenen Verhältnisse verursacht wurde. Die Erfahrungen zeigen, daß der gegenseitige Wirtschaftskampf der Staaten untereinander, die Zoll- und Devisenmaßnahmen usw. die Folgen der Krise ungewöhnlich verschärft haben. Die überspannte Schutzpolitik und die wirtschaftliche Absperrung haben weder der eigenen Industrie und Landwirtschaft der betreffenden Staaten, noch den Konsumenten genützt, sondern sie haben Staat und Bevölkerung verarmt und neben anderen Ursachen zu Kredit- und Währungsschwierigkeiten und anderen unheilvollen Konsequenzen geführt.
[234]   Eines der Haupthindernisse der Wirtschaftsbelebung sind bei uns die Lohn- und Gehaltsverhältnisse, die heute die Kaufkraft eines großen Teiles der Bevölkerung untergraben.
      Die breiten Massen der Angestellten sind in ihrer Gesamtheit der größte Konsument auf dem heimischen Markt, und sie könnten in einer Zeit, wo unserem Export oft unüberwindliche Schwierigkeiten erwachsen, wirksam beitragen zur Belebung unserer Wirtschaft. Statt dessen waren wir Zeugen, daß es zur Herabsetzung der Löhne und Gehälter nicht nur in jenen Betrieben kam, die ihre Produktion verringern mußten, sondern auch dort, wo in den letzten Jahren eine merkliche Produktionsbelebung zu verzeichnen ist.
      Wie rapid die Löhne bei uns gefallen sind, zeigt ein Vergleich der Versicherten in der Zentralsozialversicherungsanstalt vom Juni 1930 und vom Juni 1935. Im Jahre 1930 waren 39,17 Prozent aller Versicherten in den drei niedrigsten Klassen (bis zu 14 Kc täglich), im Juni 1935 dagegen 53,35 Prozent. In den drei höchsten Lohnklassen waren im Juni 1930 24,08 Prozent, im Juni 1935 nur 14,10 Prozent aller Versicherten.
      Nicht anders ist es bei der Allgemeinen Pensionsanstalt. Ende 1929 waren von 213.803 männlichen Versicherten in den drei höchsten Klassen 31.255, Ende 1934 von 227.482 nur 27.473. Bei den Frauen ist das Verhältnis noch schlechter. Insgesamt haben die Jahresbezüge aller 297.719 Pensionsversicherten Ende 1929 4720 Millionen betragen. Ende 1934 bei einem um 19.020 höheren Versicherungsstand nur 4512 Millionen. Dabei ist zu bemerken, daß eine Gehaltsherabsetzung bis auf 42.000 Kc sich in dieser Statistik nicht widerspiegelt.
      Die Beispiele für niedrige Löhne, die der Minister anführte, müssen direkt als unfaßbar bezeichnet werden.
      Früher erhielten z. B. die Glasarbeiter bei der Herstellung von Gablonzer Ware Stundenlöhne von 5 bis 7 Kc, heute 1,50 Kc. Ein Heimarbeiter in der Glasbranche verdient bei 14stündiger Arbeitszeit in der Woche 30 bis höchstens 40 Kc. Junge Arbeiterinnen erhalten in der Glasschleiferei 50 bis höchstens 70 Heller pro Stunde.
      Auch bei den Bauarbeitern erreichen die Stundenlöhne in einzelnen Gebieten nur 1,25 Kc oder gar nur 1 Kc, bei Erdarbeiten werden für die schwere Arbeit 75 Kc wöchentlich gezahlt. Bei der Überprüfung der Rechnungen für Notstandsarbeiten kam das Ministerium darauf, daß bei achtstündiger Arbeitszeit den Erdarbeitern nur 6 oder 8 Kc täglich gezahlt werden. Auch in der Metallindustrie sind die Löhne sehr niedrig; es gibt Fälle, daß ein qualifizierter Metallarbeiter nur 1,50 Kc pro Stunde erhält! In den Ziegeleien ist ein derartiger Stundenlohn fast allgemein üblich.
      Von 33.533 Heimarbeitern, die bei der Reichenberger Bezirkskrankenkasse versichert sind, erreichen 15.626 nicht einmal einen Monatslohn von 120 Kc, und dabei arbeiten sie mit ihren Familien. Auf dem Böhm.-mährischen Höhenzug verdient eine ganze Webersamilie bei 14stündiger Arbeitszeit nicht mehr als 160 Kc monatlich.
[235]   Was für Milliardenverluste für den Konsum durch die sinkenden Lohnsummen entstehen, ist daraus ersichtlich, daß die Zahl der bei der ZSVA. Versicherten seit 1929 von 2,505.537 auf 1,877.994, der Durchschnittsverdienst von 5979 Kc auf 5097 Kc zurückgegangen ist.
      Die versicherten Löhne betrugen im Jahre 1929 14 Milliarden 982 Millionen, im Jahre 1934 nur noch 9 Milliarden 573 Millionen.
      Nur an Löhnen der Versicherten der ZSVA. beträgt der Rückgang gegenüber 1929 fünfeinhalb Milliarden Kc pro Jahr!
      Neben der Glasindustrie ist die Textilindustrie am meisten betroffen, die angesichts des Exportrückganges in den letzten Jahren zum überwiegenden Teil auf den heimischen Markt angewiesen ist. Dabei sind die Löhne in den Betrieben, die am Kollektivvertrag beteiligt sind, mit 120 Kc wöchentlich noch bedeutend höher als in den vertragslosen Betrieben, wo 40 Kc wöchentlich gezahlt werden.
      Auch die Rationalisierung verursacht noch weitere Entlassungen von Lohnarbeitern und eine ständige Verschlechterung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.
      Die Berichte der Gewerbeinspektoren führen für 1934 weitere krasse Beispiele an, vor allem aus der Textilindustrie. Aber auch bei den Staatsbahnen führte die Einführung der durchlaufenden Bremse für Güterzüge dazu, daß die Zahl der Bremser bei Lastzügen seit 1931 um 40 Prozent zurückgegangen ist. In diesen Aufzählungen könnte man lange fortfahren. Ständig wird die Zahl jener vermehrt, die unwiderruflich aus ihrer bisherigen Tätigkeit ausgeschaltet sind, selbst wenn die früheren Absatzverhältnisse wiederkehren sollten.
      Den technischen Fortschritt kann man nicht aufhalten. Die menschliche Gesellschaft muß aber daraus die Konsequenzen ziehen und Mittel und Wege suchen, um die unschuldig Betroffenen wieder zu fruchtbringender Arbeit zurückzuführen.
      Die infolge der Krise unterbundene Kaufkraft hat einen Rückgang der Kaufkraft zur Folge, den der Minister an zahlreichen Daten nachwies, und zwar beim Fleischkonsum, beim Konsum von Tierfetten, wo der Rückgang fast 20 Prozent beträgt, ferner beim Bierkonsum, der ebenfalls um 20 Prozent zurückgegangen ist, beim Konsum von Getränkespiritus, wo der Rückgang rund 50 Prozent beträgt, und beim Zuckerkonsum, wo er fast 10 Prozent erreicht hat.
      Der Rückgang im Mehl- und Brotverbrauch läßt sich mit 30 bis 40 Prozent gegenüber dem Jahre 1929 veranschlagen. Beim Brot beträgt der Preisanstieg gegenüber dem ersten Halbjahr 1934 per Kilo 30 bis 50 Heller und auch mehr. Der Preisanstieg bei Weizenmehl beträgt gegen das Vorjahr 30 bis 50 Heller.
      Wenn Arbeiterfamilien volle drei Fünftel aller ihrer Ausgaben auf die Ernährung verwenden, dann sehen wir die Gefahr im vollen Lichte: die Ausgaben für die Ernährung einschränken, heißt direkt die Existenz bedrohen. Die überwiegende Mehrheit unserer Arbeiter arbeitet nur für die allernotwendigsten Lebensmittel und die Wohnungsmiete. Wir können infolgedessen unter den heutigen Wohnverhältnissen unsere Konsumenten nicht weiter [236] belasten, denn die Folge wäre ein weiterer Rückgang des Verbrauchs mit allen seinen Konsequenzen für die anderen Schichten."

Der amtliche Bericht bedarf keiner Ergänzung. Alle ernsthaften Bemühungen, die wirtschaftliche und soziale Lage im Staate zu bessern, erfolgten auf Kosten des Sudetendeutschtums, in dem die Notlage unerträglich geworden ist.



a) Die Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit in der Tschechoslowakei setzte - wenn man von der saisonmäßig bedingten auch in wirtschaftlichen Konjunkturzeiten vorhandenen Arbeitslosenzahl absieht - mit der planmäßigen Verdrängung der Angehörigen der nationalen Volksgruppen von ihren staatlichen und privaten Arbeitsplätzen aus rein nationalpolitischen Gründen ein. Dadurch ergab es sich begreiflicher Weise, daß in ihren Gebieten die Arbeitslosigkeit relativ und absolut größer sein mußte als im tschechischen Siedlungsgebiet.

Wie wir bereits dargestellt haben, bot das Sprachengesetz vom Jahre 1919, in dem u. a. verlangt wird, daß in der öffentlichen Staatsverwaltung ausschließlich die tschechische Sprache als Staatssprache zu gelten hat, eine hinreichende Handhabe, die deutschen Beamten, Angestellten und Arbeiter bei den Eisenbahnen, Post, Steuerämtern, Gerichten, Bezirksverwaltungen und Gemeindeämtern im sudetendeutschen Gebiet, die die tschechische Sprache nicht beherrschten, aus ihren Stellen zu entfernen und sie durch tschechische zu ersetzen. Der größte Teil der von dem Abbau betroffenen Beamten erhielt nur eine unzureichende Abfertigung oder Pension.96

Entsetzliches Wohnungselend im sudetendeutschen Industriegebiet.

[232]
      Entsetzliches Wohnungselend im sudetendeutschen Industriegebiet. Seit Jahren arbeitslos - ausgesteuert - zwangsweise wegen rückständiger Miete aus der früheren Wohnung entfernt - irgend eine Notwohnung, feucht und ungesund - Tuberkulose - Tod - das sind die Elendsstationen dieser fleißigen, tüchtigen sudetendeutschen Arbeiter.
[237] Sie suchten also Unterschlupf bei der Industrie, wo sie auch mit einem kleinen Gehalt, das ihren Verlust durch die staatliche Pensionierung ausglich, als qualifizierte Arbeitskräfte gern aufgenommen wurden. In dem gleichen Augenblick aber, in dem sie hier Einstellung fanden - und das war nur möglich zur Zeit einer Konjunkturperiode, die eine Mehreinstellung von Arbeitskräften bedingte - versperrten sie jenem Teil von jungen Stellenanwärtern, der sich für eine Verwendung im industriellen wirtschaftlichen Leben vorbereitet hatte, die Möglichkeit einer Existenzgründung. So stießen zu dem Teil der von ihren staatlichen Arbeitsplätzen Verdrängten, die in der Industrie keine Aufnahme fanden, jene jungen Menschen, denen der Zutritt zu den staatlichen Arbeitsplätzen durch die tschechischen Nationalitäten völlig verwehrt ist und deren eigentliche Arbeitsplätze in der Industrie von abgebauten Staatsbeamten besetzt wurden. Sie bildeten zusammen also den Grundstock der von Jahr zu Jahr anwachsenden Arbeitslosenarmee der Sudetendeutschen.

Die Praxis der Durchführung der Bodenreform hat es nun unmöglich gemacht, daß ein Teil der von ihrem Beamtenposten oder industriellen Arbeitsplatz Verdrängten in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß überführt werden konnten. Durch die Bodenreform sind ja selbst 66.944 Arbeitsplätze verloren gegangen, darunter 35.000 deutsche. Von den Betroffenen erhielten als Entschädigung 2491 Personen Bodenzuweisungen in der Größe von 4 - 66 Hektar, unter ihnen befinden sich kaum 20 Deutsche! Der Großteil mußte sich mit einer geldlichen Abfertigung begnügen. 30.000 gingen überhaupt leer aus und unter ihnen der größte Teil Deutsche.

Die aus dem beschlagnahmten Gebäudekapital gebildeten Restgüter bezifferten sich auf 1972, die an 1762 Bewerber zugeteilt wurden. Und von ihnen befinden sich 32 in deutschem Besitz.

Der Innenkolonisation standen 36.055 Hektar zur Verfügung. Errichtet wurden 2857 Siedlungen, die in allen Fällen an Tschechen und Slowaken kamen.

Was sich die Sudetendeutschen an beschlagnahmtem Boden retteten, waren 85.000 Hektar, die sich bei der Bodenbeschlagnahme bereits im Pachtbesitz von 107.000 Kleinpächtern befanden.

Durch das Zertifikatistengesetz vom Jahre 1928 wurde die Industrie gezwungen, 1⁄3 ihrer Beamtenstellen für die längerdienenden Unteroffiziere frei zu machen. Bei dabei eventuell notwendig werdenden Entlassungen dürfen Tschechen nicht betroffen werden. Da es fast keine längerdienenden deutschen Unteroffiziere gibt, wirkt sich das Gesetz in der Praxis so aus, daß die deutsche Industrie oder [238] utraquistische Unternehmen die tschechischen Unteroffiziere aufnehmen und deutsche Angestellte entlassen müssen.

Es sind bereits an anderer Stelle die Maßnahmen und täglichen Erscheinungen geschildert und charakterisiert worden, die durch Verkleinerung der Zahl der deutschen Arbeitsplätze im Staatsdienst und im Industrieleben und durch die Verengung des agrarischen Bodenraumes die Arbeitslosigkeit bedingten. Die durch die staatlichen Maßnahmen dem Sudetendeutschtum bisher verlorengegangenen Arbeitsplätze werden annähernd 200.000 erreichen, so daß selbst bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung fast 10 v. H. der Sudetendeutschen für unabsehbare Zeit zur Arbeitslosigkeit gezwungen sein werden.



Die einzige amtliche sogenannte Arbeitslosenstatistik vermittelt, wie Minister Necas selbst ausdrücklich zugibt, kein genaues Bild der wirklichen Zahl der Erwerbslosen im Staate, sondern lediglich der bei den staatlichen Arbeitsämtern nicht untergebrachten Bewerber. Diese Arbeitsämter, genauer bezeichnet Arbeitsvermittlungen, vermitteln im allgemeinen nur an Taglöhner, Hilfs- und Landarbeiter, Maurer u. dgl. Arbeitsplätze. Die angeführte Arbeitslosenstatistik enthält nicht, oder nur teilweise, die erwerbslosen Kleinhäusler und Heimarbeiter in den Gebirgsgegenden, die Erwerbslosen in den einzelnen Intelligenzberufen und den Fachgewerben und Handwerken. Trotzdem steht die Tschechoslowakei mit der erschreckend hohen Zahl von mehr als ¾ Millionen Arbeitslosen relativ an erster Stelle unter den europäischen Staaten. Während in Frankreich etwa 0,83% der Gesamtbevölkerung, in Polen 1,5%, in England 3,5%, ja selbst in dem verarmten Österreich nur 5,2% ohne Arbeit sind, müssen in der Tschechoslowakei 5,7% der Gesamtbevölkerung feiern und darben.

In Wirklichkeit aber ist die Zahl der Menschen, die vor dem Nichts stehen, noch bedeutend höher, als diese trockenen Ziffern besagen können. Denn zum ersten werden, wie erwähnt, viele Arbeitslose durch die amtlichen Statistiken gar nicht erfaßt, zum zweiten sind die Angehörigen der Arbeitslosen aber auch meist genau so von der Not betroffen, wie diese selbst, so daß man ohne Übertreibung mit 3½ Millionen Menschen rechnen kann, die in der Tschechoslowakei aus dem Produktionsprozeß ausgeschaltet worden sind.

Hundertsatz der Arbeitslosen.

[239]
     Hundertsatz der Arbeitslosen
aus der Gesamtarbeiterzahl im Bezirk.
[Vergrößern]
Daß unter den Auswirkungen der Dauerkrise die deutsche Bevölkerung des Staates am schwersten zu leiden hat, ist eine leicht erklärbare Tatsache, die heute selbst von den Tschechen nicht mehr geleugnet werden kann. Von den 16 Bezirken, die den Rekord der höchsten Arbeitslosenziffer halten (auf 1000 Einwohner mehr als 100 Arbeitslose), sind, wie wir noch sehen werden, 15 Bezirke deutsch und nur einer tschechisch. Die Karte der Notstandsgebiete deckt sich fast genau mit der Sprachenkarte. Die Zahl der sudetendeutschen Ar- [239] beitslosen wird aber noch erschreckender, wenn man sie mit der Arbeitslosenziffer anderer Staaten vergleicht.

Im Kratzau-Grottauer Bezirk fand im Herbst 1935 ein Parlamentarierbesuch statt, an dem auch der tschechische Minister Necas teilgenommen hat. Nach einer Besichtigung der sudetendeutschen Krisengebiete erklärte der Minister Necas:

      "Von 755.000 Arbeitslosen in der ganzen Tschechoslowakei entfallen mehr als 400.000 auf das sudetendeutsche Gebiet. Das ist so viel, wie Frankreich bei seinen 42 Millionen Einwohnern als Gesamtzahl der Arbeitslosen verzeichnet. Flächenmäßig stellt das sudetendeutsche Gebiet aber nur ein Zweiundzwanzigstel Frankreichs dar. Das Bild, das dieses einst blühende sudetendeutsche Industriegebiet zeigt, läßt sich heute nur mit den Leiden der Bevölkerung des karpathenrussischen Berglandes in den bösesten Zeiten vergleichen."

Bei einem nordböhmischen Volkstage wurde über die Lage in dem weltberühmten Haidaer-Steinschönauer Glasgebiet, in dem vor dem Kriege kaum 3% Tschechen wohnten, berichtet. Aus dem Bericht ist zu entnehmen: In dem 40.000 Menschen umfassenden Gebiet können heute kaum noch 30% der vorhandenen Arbeitskräfte beschäftigt werden. In den 22 deutschen Gemeinden dieses Glasgebietes mit 40.000 Einwohnern waren im Sept. 1935 7671 arbeitslos (inzwischen ist die Arbeitslosenzahl weiter gestiegen!). Dazu kommen 10.879 Familienangehörige, so daß 18.550 Menschen oder 46% der Bevölkerung dieses Gebietes Not und Elend leiden. 1929 waren in den 22 Orten noch 28 Öfen der Rohglashütten in Betrieb, im Herbst 1935 noch 8. Die [240] Ausfuhr ist in dieser Zeit von rund 250 Millionen Kronen auf 50 Millionen gesunken. In 7 Orten dieses Gebietes mit einer Bevölkerungsziffer von 10.600 wurden 2.287 Arbeitslose gezählt. Davon waren aber nur 1.079 in Gewerkschaften organisiert, die ihnen über die ärgste Not hinweghelfen, nur 609 bezogen Lebensmittelkarten und 599 waren jeder Unterstützung bar. Beispielsweise müssen in Ober-Preschkau von 519 Arbeitslosen 322 ihr Dasein ohne jede Hilfe fristen! Am 1. 1. 1933 teilte der Staat dem Gebiet wöchentlich noch 11.700 Lebensmittelkarten zu. Am 30. August 1934 betrug die Zuteilung nurmehr 4.075 Lebensmittelkarten. 1936 wurden nurmehr 2873 ausgegeben, obwohl die Erwerbslosenzahl größer geworden ist.

Die im Anhang beigefügte Übersicht VII gibt ein Bild von der Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Staate seit 1920. Ihre Auswirkung im Sudetendeutschtum sei im folgenden behandelt.

Der sudetendeutsche Abgeordnete und nationalsozialistische Arbeiterführer Rudolf Kasper hatte im Jahre 1932 eine Erhebung über die wirtschaftliche Notlage und Arbeitslosigkeit im sudetendeutschen Industriegebiet gepflogen, die folgendes interessante Bild ergab:

Bezirk Graslitz: 9 Gemeinden
29.269 Einwohner
5.284 Arbeitslose
528 Kurzarbeiter
1.208 Unterstützte nach dem "Genter System"
3.885 Unterstützte aus Ernährungsaktion
33 Unterstützte aus Gemeindemitteln
46 vollkommen stillgelegte Betriebe
35 Betriebe arbeiten stark verkürzt
1.918 Exekutionen!

Bezirk Gablonz: 6 Gemeinden
16.743 Einwohner
5.084 Arbeitslose
2.800 Kurzarbeiter
14 vollkommen stillgelegte Betriebe
18 Betriebe arbeiten stark verkürzt
2.044 Exekutionen!

Bezirk Asch: 11 Gemeinden
39.068 Einwohner
3.161 Arbeitslose
1.046 Kurzarbeiter
[241]     687 Unterstützte nach dem "Genter System"
206 Unterstützte aus Gemeindemitteln
1.210 Unterstützte aus Ernährungsaktion
7 vollkommen stillgelegte Betriebe
22 Betriebe arbeiten stark verkürzt
191 Exekutionen.

Bezirk Elbogen: 6 Gemeinden
17.516 Einwohner
2.595 Arbeitslose
528 Kurzarbeiter
203 Unterstützte nach dem "Genter System"
44 Unterstützte aus Gemeindemitteln
1.591 Unterstützte aus Ernährungsaktion
10 vollkommen stillgelegte Betriebe
9 Betriebe arbeiten stark verkürzt
177 Exekutionen.

Bezirk Trautenau: 8 Gemeinden
16.237 Einwohner
2.253 Arbeitslose
773 Kurzarbeiter
1.034 Unterstützte nach dem "Genter System"
20 Unterstützte aus Gemeindemitteln
1.401 Unterstützte aus Ernährungsaktion
5 vollkommen stillgelegte Betriebe
6 Betriebe arbeiten stark verkürzt
38 Exekutionen.

Bezirk Dauba: (ländlicher Bezirk).
Erhebungen aus 3 Gemeinden mit einer durchschnittlichen Einwohnerzahl von 1000 Einwohnern:
303 Arbeitslose
28 Unterstützte nach dem "Genter System"
5 Unterstützte aus Gemeindemitteln
30 Unterstützte aus Ernährungsaktion
3 kleinere Betriebe arbeiten stark verkürzt
206 Exekutionen.

[242] Erhebungen aus 80 Gemeinden:
178.790 Gesamteinwohnerzahl
24.066 Arbeitslose
15.423 Kurzarbeiter
103 stillgelegte Betriebe
139 Betriebe unter Kurzarbeit
3.052 Unterstützte nach dem "Genter System"
2.133 Unterstützte durch Gemeinden
7.490 Unterstützte durch Ernährungsaktionen
7.437 durchgeführte Exekutionen
28 von Gemeinden Notstandsarbeiten
21,161.514 Steuerrückstände
29,610.000 Schulden.

Während also in den sudetendeutschen Gebieten, wie in den Einzelbeispielen und der Übersicht aus 80 deutschen Gemeinden gezeigt wird, die Zahl der Erwerbslosen bereits 15 v. H., die Zahl der Kurzarbeiter 10 v. H. der Bevölkerung ausmacht, über 100 Betriebe stillgelegt sind, die Zahl der Exekutionen 7000 übersteigt, nur ein Drittel der Gemeinden Notstandsarbeiten durchführen können und die Steuerrückstände fast die Verschuldung der Gemeinden erreichen und im ganzen Staatsgebiet der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosenziffer 500.000 beträgt, war im tschechischen Gebiet noch kaum etwas von der Arbeitslosigkeit zu spüren. Im Gegenteil: Neue Betriebe in der Umgegend von Prag, Jicin, Kralup, Pilsen usw. entstanden und in den großen Werken wurde in mehreren Schichten gearbeitet.

In seiner Rede im sozialpolitischen Ausschuß des Prager Abgeordnetenhauses im Herbst 1934 machte der Fürsorgeminister Dr. Meißner über die Entwicklung und den Stand der Erwerbslosigkeit folgende interessante Angaben:

Am 31. Juli wiesen die absolut größte Arbeitslosigkeit Brünn, Groß-Prag, Reichenberg, Karlsbad auf.

Von den 225 Verwaltungsbezirken des Staates zählten

    5 Bezirke mehr als 10.000 Arbeitslose
    10 " 8.000 bis 10.000        "
    8 " 6.000 bis 8.000        "
    17 " 4.000 bis 6.000        "
    18 " 3.000 bis 4.000        "
    27 " 2.000 bis 3.000        "
    41 " 1.000 bis 2.000        "
    99 " weniger als 1.000        "

[243] Den verhältnismäßig größten Prozentsatz Arbeitslose weisen auf der

    Bezirk Graslitz 36,1
    Bezirk Sternberg       30,0
    Bezirk Rumburg 29,1
    Bezirk Neudek 25,4
    Bezirk Friedland 23,4
    Freudenthal 22,7
    Elbogen 21,4
    Karlsbad 21,3.

Die Arbeitslosigkeit war in

    1 Bezirk    größer als 30% der Gesamteinwohner
    12 Bezirken zwischen 20 und 30%                 "
    14 " " 15 " 20%                 "
    20 " " 12 " 15%                 "
    12 " " 10 " 12%                 "
    15 " " 8 " 10%                 "
    15 " " 6 " 8%                 "
    18 " " 5 " 6%                 "
    118 " " kleiner " 5%                 "

Soweit die Angaben des Herrn Ministers.

Nach der obigen Übersicht der Verbreitung der Arbeitslosigkeit gab es einen einzigen deutschen Bezirk, der mit 2,42% unter die 118 Verwaltungsbezirke mit einer Arbeitslosigkeit unter 5% fällt. Nun gibt es in der Tschechoslowakei 96 Verwaltungsbezirke mit einer qualifizierten deutschen Mehrheit. Damit steht fest, daß die Arbeitslosigkeit in der Tschechoslowakei fast durchwegs in den deutschen Gebieten herrscht:

Bis 5% Arbeitslose der Bevölkerung zählen 117 nichtdeutsche Bezirke,
1 deutscher Bezirk.,
Von 5% bis über 30%           "             " 12 nichtdeutsche Bezirke,
95 deutsche Bezirke.

In den deutschen Gebieten (wobei nur solche Bezirke als deutsch gezählt werden, deren Einwohnerschaft nach der Volkszählung 1930 zu mehr als 50 v. H. aus Deutschen besteht) waren Ende Oktober 1934 von 1000 Einwohnern 78,71 (September 75,95), in den tschechischen Gebieten dagegen 30,74 (September 29,28) arbeitslos. Daraus ist zu ersehen, daß die deutschen Grenzgebiete von der Arbeitslosigkeit bedeutend schwerer betroffen werden als die tschechischen Bezirke.

[244]

    Oktober 1934:
    Politischer Bezirk   Zahl der  
    Arbeits-
    losen
    Auf 1000
    Berufstätige
    entfielen
    Arbeitslose
    Böhm.-Leipa 7926 213,4
    Mähr.-Schönberg 8948 218,9
    Braunau 5573 206,8
    Starkenbach 4673 215,2
    Jägerndorf 6890 227,5
    Römerstadt 3204 227,5
    Schluckenau 6346 205,6
    Neudek 4636 227,8
    Elbogen 5039 259,0
    Preßnitz 3594 243,5
    Karlsbad 11614   234,5
    Freudenthal 6313 258,6
    Sternberg 3343 294,2
    Rumburg 4207 241,9
    Friedland 6177 266,0
    Graslitz 7789 378,9

Noch deutlicher geht dies aus der Übersicht der politischen Bezirke in Böhmen mit den niedrigsten Arbeitslosenzahlen hervor:

    Oktober 1934:
    Politischer Bezirk   Zahl der  
    Arbeits-
    losen
    Auf 1000
    Berufstätige
    entfielen
    Arbeitslose
    Kralup a. M.   77   4,5
    Jitschin 138   4,6
    Pilgram 151   7,6
    Kralowitz 153 10,2
    Eule 225 22,0
    Melnik 247 11,3
    Moldauthein 273 39,3
    Dauba 279 24,2
    Mühlhausen 323 21,7
    Laun 338 16,2

In der ersten Zusammenstellung ist Starkenbach der einzige tschechische Bezirk, der eine größere Arbeitslosigkeit aufweist. Bei der Übersicht der Bezirke mit den niedrigsten Arbeitslosenzahlen ist als Gegenstück Dauba der einzige deutsche Bezirk. Er ist übrigens von allen hier betrachteten Orten derjenige mit der drittgrößten Arbeitslosigkeit.

Zu Ende Oktober 1935 wurden nach den vorläufigen Berechnungen des tschechoslowakischen Ministeriums für soziale Fürsorge in der ganzen Tschechoslowakei 602.775 nicht untergebrachte Stellenbewerber gezählt. Es ist also gegenüber dem Vormonate eine Steigerung um 29.413 Personen oder 5,12 v. H., gegenüber Oktober des Vorjahres eine Steigerung um 3.311 Personen oder 0,55 v. H. zu verzeichnen.

In der ganzen Tschechoslowakei waren zu Ende Oktober 1935 von 1000 Einwohnern 40,9, von 1000 Einwohnern in den deutschen Gebieten 80,9 und von 1000 Einwohnern in den tschechischen Gebieten 30,5 arbeitslos. Als deutsche Gebiete werden nur jene gezählt, deren Einwohnerschaft nach der letzten Volkszählung zu mehr als 50% aus Deutschen besteht. Nachstehend eine Zusammen- [245] stellung der Bezirke mit der größten und mit der geringsten Arbeitslosigkeit zu Ende Oktober 1935:

    Bezirke mit der
    größten
    Arbeitslosigkeit
      auf 1000  
    Berufs-
    tätige
           Bezirke mit der  
    geringsten
    Arbeitslosigkeit
    auf 1000
    Berufs-
    tätige
    Mähr.-Schönberg 217,2   Jitschin   4,2
    Komotau 219,2   Kralup a. M.   7,4
    Wsetin 222,2   Mühlhausen 11,9
    Jägerndorf 230,6   Melnik 12,8
    Elbogen 245,5   Laun 14,0
    Neudek 247,4   Strakonitz 17,2
    Rumburg 249,7   Časlau 19,0
    Karlsbad97 256,0   Beneschau 22,4
    Freudenthal 265,9   Blatna 22,4
    Friedland 270,3   Holleschau 22,4
    Römerstadt 271,5   Chotĕboř 23,0
    Preßnitz 279,5   Jilové 23,0
    Sternberg 302,7   Tabor 23,1
    Graslitz 356,8   Neustadtl i. M. 25,0

Im Jahre 1936 setzte ein bedeutender Rückgang der Arbeitslosigkeit ein. Doch spielte sich dieser Rückgang vornehmlich in den tschechischen Gegenden ab. Die deutschen Gebiete spüren kaum etwas von einer erwachenden Konjunktur. Im Prager Börsenkurier veröffentlichte ein sudetendeutscher Fabrikbesitzer die nachfolgende interessante Übersicht:

Arbeitslose im:
1936 Gesamtgebiet der Republik deutschen Gebiet tschechischen Gebiet

Arbeitslose
von
1000
Ein-
 wohnern 
von
1000
Berufs-
 tätigen 

Arbeitslose
von
1000
Ein-
 wohnern 
von
1000
Berufs-
 tätigen 

Arbeitslose
von
1000
Ein-
wohnern
von
1000
Berufs-
tätigen
waren arbeitslos waren arbeitslos waren arbeitslos
I 850.010 57,7 130,0 297.251 97,5 192,4 552.759 47,3 110,7
II 860.239 58,4 131,1 294.201 96,5 190,5 566.038 48,5 113,4
III 797.770 54,2 122,0 278.639 91,4 180,4 519.131 44.4 103,9
IV 719.166 48,8 110,0 261.300 85,7 169,2 457.866 39,2   91,7
V 637.385 43,2   97,4 248.748 81,6 161,0 388.638 33,2   77,8
VI 565.799 38,4   86,5 234,601 76,9 151,9 331.198 28,3   66,3
VII 504.750 34,3   77,2 224.168 73,6 145,2 280.582 24,0   56,2

[246] Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß die Konjunktur, die in der Hauptsache eine Staatskonjunktur ist, weil sie durch Staatsaufträge angefacht und erhalten wird, daß also diese Konjunktur in der Hauptsache die tschechischen Gebiete befruchtet. In den tschechischen Gebieten ist die Zahl der Arbeitslosen seit Beginn des Jahres beinahe um die Hälfte zurückgegangen, nämlich von 552.000 auf 280.000. In den tschechischen Gebieten konnten in dieser Zeit 272.000 Menschen in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden. In den deutschen Gebieten, die doch weitaus stärker industrialisiert sind, konnten in der gleichen Zeit nur 73.000 Menschen Arbeit finden, denn die Zahl der Arbeitslosen ist in diesen Gebieten von 297.000 nur auf 224.000 gesunken. Im Januar waren von je 1000 berufstätigen Personen im deutschen Gebiet 192 Menschen arbeitslos, Ende Juli immer noch 145. In den tschechischen Gebieten waren im Januar von je 1000 Berufstätigen 110 Menschen arbeitslos. Ende Juli aber waren es nur mehr 56. Die Arbeitslosigkeit in den deutschen Gebieten ist also dreimal so groß wie in den tschechischen Gebieten. Anders gerechnet: Anfang des Jahres gab es in der ganzen Republik 850.000 Arbeitslose. Die Arbeitslosigkeit fiel um 40 v. H. auf 504.000. Vierzig v. H. der Arbeitslosen kamen also in die Arbeit, aber nur 8 v. H. davon in den deutschen Gebieten und volle 32 v. H. in den tschechischen Gebieten. Im August, für welchen Monat die obige Tabelle noch nicht die Ziffern enthält, setzt sich die gleiche Entwicklung fort.98



[247] Der überwiegende Teil der Arbeitslosen gehört industriellen Erzeugungsgruppen an; der Anteil der Berufsangehörigen von Landwirtschaft und Forstwesen an der gesamten Arbeitslosigkeit ist gering, er beträgt nicht einmal 5 v. H.

Aus der folgenden Aufstellung ist ersichtlich, mit welcher Verhältniszahl einzelne Erzeugungsgruppen im sudetendeutschen Gebiet liegen und wie groß davon der mutmaßliche Anteil der Beschäftigungslosen ist. Angeführt werden alle Industriegruppen, bei denen ihre Lage im sudetendeutschen Gebiet dem Anteil nach größer ist als der Anteil der Bevölkerung des sudetendeutschen Gebietes an der Gesamtbevölkerung des Gebietes der historischen Länder; der sudetendeutsche Bevölkerungsanteil beträgt 31 v. H.

    Erzeugergruppen davon im sudeten-
    deutschen Gebiet
    ohne
       Beschäftigung   
    Feinkeramik 81 v. H. 90 v. H.
    Musikinstrumentenerzeugung 78 v. H. 85 v. H.
    Glasindustrie 71 v. H. 80 v. H.
    Spielwarenindustrie 68 v. H. 90 v. H.
    Papierindustrie 64 v. H. 60 v. H.
    Textilindustrie 57 v. H. 70 v. H.
    Bergbau und Koks 41 v. H. 40 v. H.
    Chemische Industrie 37 v. H. 20 v. H.
    Holzindustrie 32 v. H. 60 v. H.

Von der Arbeitslosenstatistik sind nicht oder nur zu einem ganz geringen Teil die Heimarbeiter erfaßt. Als Heimarbeiter bezeichnet das tschechoslowakische Gesetz diejenigen Personen, welche sich mit der Herstellung oder Bearbeitung von Waren außerhalb der Betriebsstätte ihrer Arbeitgeber regelmäßig in ihren Wohnstätten beschäftigen und kein Gewerbe nach der Gewerbeordnung ausüben. Diese Beschäftigungsart ist besonders in Nordböhmen und in den sudetendeutschen Randgebieten daheim und damit eine typisch sudetendeutsche Erscheinung. Nach der letzten amtlichen Erhebung gibt es in der Tschechoslowakei 63.539 Betriebe, d. h. Werkstätten, die auf Heimarbeit eingestellt sind, in denen mehrere Familienmitglieder beschäftigt sind. Die Lage der Heimarbeiter ist besonders hart.

Eine der Arten von Heimarbeit, z. B. im nordböhmischen Niederlande, ist die Kunstblumenindustrie, welche zwar immer noch eine große Anzahl Heimarbeiter beschäftigt, aber bei derzeit nicht als menschenwürdig zu bezeichnenden Löhnen. Die einst blühende Spaterieindustrie ist infolge der polnischen und japanischen Konkurrenz fast ganz verschwunden. Der Hauptsitz dieser Industrie befand sich in Alt-Ehrenberg, Bezirk Schluckenau. Erhebungen bezüglich der Löhne bei dem noch krankenversicherten Heimarbeiter aller Kategorien haben einen durchschnittlichen Bruttolohn von 184 Kc, d. s. 18,4 RM, monatlich ergeben, oder pro Stunde 50 Heller, d. s. 5 Pfennige. In der Knopfindustrie (Knopfhefterei) sind [248] Monatsverdienste von 90 Kc, d. s. 9 Mark, zu verzeichnen. Die Heimindustrie des Adlergebirges besteht in der Hauptsache aus Verarbeitung von Holzwaren, welche heute Absatzschwierigkeiten hat. Die Spitzenklöppelei ist im ostböhmischen Gebiet nur wenig vertreten. Die Filetstickerei beschäftigte einmal im Rokitnitzer Bezirke 1600 bis 1800 Personen. Derzeit fehlen die notwendigen Absatzgebiete. Die Löhne betrugen einmal 6 bis 7 Kc pro Tag.

Dagegen ist die Benischer Heimweberei eine der ältesten in Böhmen, Mähren und Schlesien. Die Webergenossenschaft Benisch geht bis in das Jahr 1686 zurück. Im Jahre 1933 bestanden noch 13 Handweberfaktoreien und sechs selbständige Heimerzeuger. Diesen standen allerdings 25 mechanische Kleinbetriebe mit 500 Webstühlen gegenüber. In Benisch waren im Jahre 1933 noch 820 Personen in den Webereien beschäftigt, d. s. 62 Prozent der Gesamtbevölkerung, die immer mehr zum Feiern gezwungen worden sind.

Im Böhmerwald stellt außer der Florspinnerei und Spitzenklöppelei hauptsächlich die Hausweberei, weiter die Herstellung von Zwirnknöpfen, die Holzbearbeitung, Spielwarenerzeugung, Anfertigung von Hausgeräten, Drechsler-und Tischlerarbeiten und Kistenerzeugung, Perlmutterindustrie, die Sieb-Erzeugung, Korbflechterei und Bürstenerzeugung die Heimarbeit dar. Vielerorts wurde die Toledostickerei betrieben, infolge ihres starken Rückganges mußten Umstellungen auf Heftelstickerei vorgenommen werden. Der Hauptort für die Holzbearbeitung in der Heimindustrie im Böhmerwalde ist Wallern.

Im Erzgebirge ist die Heimarbeit besonders hoch entwickelt. Die Instrumenten- und Spielwaren-Erzeugung, weiter die Knopfindustrie, die Stickerei, die Handschuherzeugung und Perlstickerei hatten einen Weltruf. Die große Weltwirtschaftskrise hat die einstmals weit über 10.000 Heimarbeiterinnen beschäftigende Spitzenklöppelei fast ganz zum Stillstand gebracht. Im Landstriche Falkenau bis Petschau wird die Nähspitzenerzeugung, im Graslitzer Bezirke verschiedene Zweige der Stickerei betrieben. Im Ascher Bezirke ist die Hausweberei und Stoffhandschuhindustrie maßgebend. Die Musikinstrumenten-Erzeugung hat, soweit es sich um die Herstellung von Streich- und Zupfinstrumenten handelt, ihren Hauptsitz in Schönbach. Die Blasinstrumentenindustrie in Graslitz. Mit der Einführung des Tonfilmes begann der unaufhaltsame Niedergang der Instrumentenindustrie. Die Erzeugung von Spielwaren wird vornehmlich in Katharinaberg, Gebirgsneudorf und Umgebung betrieben. In Katharinaberg hat die Handelskammer von Eger ein Haus der erzgebirgischen Spielwarenindustrie errichtet, wo auch die staatliche Lehrwerkstätte für Holz- und Spielwaren untergebracht ist.99

[249] Da an der Heimarbeit in einem Betriebe zumeist die ganze Familie mit 6 bis 8 Personen teilhatte (einschließlich der Kinder) und nur dadurch für 2 bis 3 Heimarbeiter überhaupt der festgesetzte Lohn zu erzielen war, von dem eine Familie oder Hausgemeinschaft leben mußte, so muß man mit ungefähr 180- bis 200.000 erwerbslosen Heimarbeitern im sudetendeutschen Gebiet rechnen, von denen nur ein ganz geringer Teil in der amtlichen Arbeitslosen-Statistik erscheint.

Was für die Heimarbeiter gesagt ist, gilt entsprechend auch für die Angehörigen der sogenannten Intelligenzberufe und die Gewerbetreibenden.

Statistisch nicht erfaßt sind die stellungslosen Mittel- und Hochschulabsolventen, die Angehörigen freier Berufe, die durch die Krise um ihren Besitz und ihr Unternehmen gekommenen Handels- und Gewerbetreibenden. Auch ihre Zahl geht in die Zehntausende, so daß die Zahl der insgesamt von der Erwerbslosigkeit unmittelbar betroffenen Sudetendeutschen allein die Zahl der amtlichen Statistik erreicht!



Die Arbeitslosigkeit in der Tschechoslowakei ist ein nationales und wirtschaftliches Problem zugleich. Ebenso wenig man in Prag jemals den Vorstellungen und Forderungen der sudetendeutschen Wirtschaft Rechnung trug oder nachkam, die auf eine Erhaltung oder Stärkung der sudetendeutschen Industrie, die ja im Interesse des Staates selbst gelegen war, abzielte, ebensowenig dachte man an Maßnahmen zur Steuerung der Arbeitslosigkeit in den sudetendeutschen Gebieten. Es hat an wohldurchdachten Vorschlägen und Plänen nicht gefehlt, die von allen wirtschaftlichen und politischen Organisationen erstattet wurden. Es sei unter den vielen nur an den sogenannten "3-Milliarden-Antrag" der Abgg. Krebs, Kasper und Jung im Prager Parlament im Jahre 1932 erinnert, der einen großen Arbeitsbeschaffungsplan ausführte, durch den Hunderttausende Arbeitslose wieder in den Produktionsprozeß eingegliedert worden wären. Einige Jahre später wurde von den Abgeordneten und Senatoren der Sudetendeutschen Partei nach eingehender Beratung mit den sudetendeutschen Wirtschaftskreisen ein Wirtschaftsplan aufgestellt zwecks Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Er wurde abermals abgelehnt. Und die staatlichen Maßnahmen erwiesen sich für die Lage im sudetendeutschen Gebiet als unzulänglich.

[250] Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, was soll und könnte für diese Arbeitslosen geschehen?

Vom Fürsorgeministerium wird die Verkürzung der Arbeitszeit angekündigt, wodurch man 150.000 Erwerbslose in den Arbeitsprozeß einzugliedern hofft. Durch das Gesetz über die Arbeitsvermittlung soll die Vermittlung von Arbeitsplätzen gefördert und die am längsten Erwerbslosen sofort eingestellt werden. Hoffnung setzt man auch auf die vom Verteidigungsministerium durchzuführenden Bauten von Grenzbefestigungen.

Von diesen und ähnlichen geplanten Maßnahmen ist nicht zu erwarten, daß die Arbeitslosigkeit in den sudetendeutschen Gebieten vermindert wird. Die noch arbeitende sudetendeutsche Industrie ist ohnehin schon auf Kurzarbeit eingestellt, so daß die 40- oder noch geringere Stundenwoche bereits eingeführt ist. Es handelt sich bei all diesen Maßnahmen also lediglich um Vorkehrungen, die das Ansteigen der Arbeitslosigkeit in den tschechischen Gebieten zu verhindern geeignet sind. Die an anderer Stelle mitgeteilte Spezifizierung des staatlichen Investitionsprogramms für 1935 zeigt, daß kaum 5 v. H. von der veranschlagten Summe im deutschen Gebiet investiert werden wird. Nicht anders war es früher und wird es weiterhin sein. Und der Bau von Grenzbefestigungen? Die Praxis in den letzten 16 Jahren hat gezeigt, daß zu Staatsbauten im Grenzgebiet stets tschechische Arbeiter herangeholt wurden und die Bau-, Lieferungs- und Zufuhraufträge fast ausnahmslos tschechischen Unternehmen und Gewerbetreibenden erteilt wurden. Grenzbefestigungen sind strategische Bauten, die man nur von "verläßlichen" Elementen, d. h. tschechischen Arbeitern, ausführen läßt!

In tschechischen Kreisen wird sehr ernsthaft die Urbarmachung und Kolonisierung der Ödländereien und unbebauten Böden erörtert. Man denkt da an die vom Bergbau verheerten Gebiete Nordwestböhmens in einem Ausmaße von 13.000 Hektar und an die Trockenlegung des sogenannten "Schwarzen Sumpfes" im Ausmaße von 20.000 Hektar. Insgesamt stehen über 30.000 Hektar Ödland zur Rekultivierung für 50.000 Arbeitslosenfamilien zur Verfügung.100 Äuße- [251] rungen tschechischer Politiker lassen über die Tendenz dieser Kolonisation keinen Zweifel: sie sollen in Nordwestböhmen und in der Slowakei dazu dienen, Tschechen hier und dort bodenständig zu machen.

[252] Die sudetendeutschen Arbeitslosen gehen einer hoffnungslosen Zukunft entgegen. Wenn heute in tschechischen Regierungskreisen offen davon gesprochen wird, daß 200.000 Erwerbslose nicht mehr in den Produktionsprozeß eingegliedert werden können,101 dann müssen wir uns darüber im klaren sein, daß es 200.000 Sudetendeutsche sein werden!

In deutschen Kreisen wird vielfach gefordert, daß die Städte ihren Siedlungsboden an die Arbeitslosen aufteilen mögen. Nach der amtlichen Städte-Statistik ließen sich in den großen Städten mit über 25.000 Einwohnern im ganzen 3.478 Siedlerstellen, davon 1.345 mit je 4 ha schaffen.

    Gesamtgrundbesitz
    Davon
    Insgesamt       Wald       Acker u.
    Wiesen
       Siedlerstellen
    in Hektar
    à 4 ha
    Prag 5.133    597       3.533   888        
    Jungbunzlau 873    762       47   12        
    Böhm.-Budweis 2.918    1.612       512   128        
    Königgrätz 4.185    3.725       272   68        
    Eger 2.913    2.070       623   156        
    Komotau 3.203    2.823       285   71        
    Kolin 172    115       38   9        
    Reichenberg 330    114       150   37        
    Brüx 4.602    2.680       1.660   415        
    Pardubitz 500    273       137   34        
    Pilsen 4.990    3.280       1.180   295        
    Teplitz-Schönau 185    24       87   22        
    Aussig 639    279       258   64        

    Brünn

    6.724   

    5.342      

    898  

    224        
    Iglau 3.324    3.041       165   41        
    Jägerndorf 1.765    1.480       98   24        
    Olmütz 4.550    2.598       1.644   411        
    Troppau 2.330    2.130       116   29        
    Mähr.-Ostrau 511    108       238   59        
    Proßnitz 241    ---       220   55        
    Zlin 483    360       60   15        
    Znaim 2.904    2.428       301   75        

    Preßburg

    3.470   

    2.992      

    306  

    76        
    Kaschau 19.863    18.979       531   153        
    Ungvar 121    ---       33   8        
    Munkatsch 4.010    2.087       357   89        

    Insgesamt 13.769   3.478        

[253] "In diesen 27 größeren Städten ließen sich", so schreibt Karl Matzker im Prager Börsenkurier vom 17. 1. 1935, "also bei Aufteilung des gesamten im Gemeindebesitz befindlichen Acker- und Wiesenbodens nur 3.478 Siedlerstellen schaffen. Für die Praxis würde sich aber diese Ziffer verringern, denn es handelt sich wohl zum guten Teile um Zweckvermögen, und zudem dürfte auch das angenommene Ausmaß von vier Hektar nur unter den allergünstigsten Bedingungen ausreichen, um den Bedarf einer Familie an Lebensmitteln zur zur Not sicherzustellen. Dazu kommt noch, daß die Zahl der Arbeitslosen in diesen Städten rund 150.000 beträgt, so daß also nur etwa 2 Prozent mit einer Siedlungsstelle beteilt werden könnten, in den deutschen Industriestädten nicht einmal ein Prozent, denn von ihnen verfügen nur Brüx, Eger, Komotau und Aussig über ein nennenswertes Ausmaß an siedlungsfähigem Boden. Nicht weniger schwierig ist die Frage der Finanzierung, denn für die 3.400 Siedlungen wären mindest (10.000 Kc pro Siedlung) 35 Millionen notwendig, ein Betrag, der ausreicht, um 60.000 Arbeitslose ein Jahr lang mit Lebensmittelkarten zu beteilen."



Alle die von staatlicher Seite bisher getroffenen Maßnahmen zur Steuerung der Arbeitslosigkeit in den sudetendeutschen Gebieten müssen sich solange als unzulänglich und überhaupt wirkungslos erweisen, als der Wille zur Vernichtung der deutschen Volksgruppe im Sudetenraum besteht. Und daß er besteht und nach ihm gehandelt wird, darüber dürfen auch alle Versicherungen von maßgebender Seite, daß nun ernsthaft das wirtschaftliche Problem in den sudetendeutschen Gebieten aufgegriffen und die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden wird, nicht täuschen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht deutsche Arbeitsmenschen wegen ihrer politischen Einstellung oder überhaupt nur wegen ihrer deutschen Abstammung von ihrem Arbeitsplatz vertrieben werden, deutschen Gewerbetreibenden und Unternehmen Aufträge vorenthalten oder entzogen werden, aus dem tschechischen Gebiet zur Durchführung der Festungsbauten und Ausführung staatlicher Aufträge tschechische Arbeiter herangezogen werden. Durch alle diese Maßnahmen aber wird die Arbeitslosigkeit nicht bekämpft, sondern nur vergrößert. Diese Erscheinungen stehen daher im ärgsten Gegensatz zu den Versicherungen der tschechischen Staatsmänner von der "Gleichberechtigung" der Deutschen im Staate, die von der sudetendeutschen Bevölkerung nur mehr als ein Lippenbekenntnis gewertet werden.

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96Reichenberger Zeitung am 25. 1. 1935: "Durch das sogenannte Abbaugesetz wurden im Jahre 1925 30.000 Staatsbeamte, zumeist deutscher Nationalität, abgebaut. Aus Ersparungsrücksichten! In der Folge wurden jedoch 68.000 Staatsbeamte, meist tschechischer Nationalität, aufgenommen. Im Jahre 1926 kam ein neues Gesetz, mit welchem die Ruhegenüsse nach dem neuen Gehaltsgesetze geregelt wurden. Der Unterschied in den Bezügen gegenüber dem Jahre 1925 war ein ganz beträchtlicher. Er betrug bei einem Beamten oder Offizier der 7. Rangklasse 7200 Kč jährlich. Bei der Herausgabe des neuen Gehaltsgesetzes wurde jenen abgebauten Staatsangestellten des Jahres 1925 versprochen, daß auch ihre Bezüge nach dem neuen Gesetze ehestens gleichgestellt werden würden. Aber erst das Jahr 1930 brachte nur eine teilweise Erfüllung des vor vier Jahren abgegebenen Versprechens. In den Durchführungsbestimmungen wurden von der Regierung vier Etappen geschaffen, die in den folgenden Jahren reguliert werden sollten. Die vierte, die letzte Etappe, welche die jüngsten Ruheständler umfaßte, d. i. die nach dem Jahre 1875 und später geborenen, sollten im Jahre 1933 an die Reihe kommen. Auf Grund des Ermächtigungsgesetzes wurde diese Regulierung auf zwei Jahre, also bis 1935, verschoben. Wieder wurden die Ruheständler der vierten Etappe auf das grausamste enttäuscht. In der vierten Etappe sind 99 Prozent deutscher Nationalität. 1925 wurde kein Tscheche der vierten Etappe in den Ruhestand versetzt, es wäre denn, daß er sich freiwillig gemeldet hätte, oder daß es aus Gründen der Disziplin geschehen ist. Dann sind vielleicht einige wenige Witwen von Staatsangestellten, die vor 1925 gestorben und jünger als 50 Jahre alt waren. Tschechische, pensionsreife Beamte wurden nicht 1925, sondern erst im folgenden Jahre in den Ruhestand versetzt. Deutsche Offiziere mit 31. Dezember 1925, tschechische im Jänner 1926, tschechische Lehrer, die 1925 pensioniert wurden, wurden 1926 nochmals zur Dienstleistung einberufen." ...zurück...

97Die katastrophale Arbeitslosigkeit in den Bezirken Karlsbad, Graslitz, Neudek, Elbogen usw. ist teilweise auch auf den starken Rückgang des Besuches der deutschböhmischen Kurorte Karlsbad, Franzensbad und Marienbad zurückzuführen. So zeigen die Besucherlisten folgenden Rückgang:

     1928   1935
    Karlsbad 67.675 (1911: 70.935)     40.312
    Franzensbad   18.402   9.512
    Marienbad 39.632 25.125   ...zurück...

98Die Zeitung Bohemia vom 8./9. 36 schreibt: "Geht man, von Röchlitz angefangen bis Gablonz und noch weiter hinauf durch die ehemals blühenden Ortschaften, dann sieht man nur ganz vereinzelt rauchende Fabrikschlote, und ebensowenig Kamine auf den Häuschen der Arbeiter und Unternehmer... Straßen, - andere öffentliche Bauten?! - O ja, den Jeschken hinauf und herunter, die Staatsstraße lang - Aber - wer hinhorcht, im deutschen Notstandsgebiet mit seinen Tausenden von Arbeit- und Brotlosen - hört kein Wort Deutsch, weder aus Arbeitgeber-, noch Arbeitnehmer-Mund!" - Am 12./9. berichtet das gleiche Blatt: "An der Asphaltierung der Straße Kuschwarda - Winterberg arbeiten110 Personen, darunter 20 Tschechen, die in dieser rein deutschen Gegend von weit her bezogen werden mußten... Während der fremde tschechische Arbeiter rund 280 Kc in der Woche verdient, bekommt der einheimische Deutsche höchstens 100 Kc...." - Der Heimatruf vom 9./9. 36 meldet: "Zur Zeit wird im rein deutschen Gebiet im nördlichen Böhmerwald von Muttersdorf bis nach dem Grenzorte Schwarzbach über Waier eine Telephonverbindung gebaut. Bei diesem Bau sind... ein Dutzend Arbeiter beschäftigt, jedoch... lauter tschechische, die aus.. anderen Gebieten herangebracht wurden ..." - Im Teplitz-Schönauer Anzeiger konnte man am 12./9. 36 lesen: "Unsere Stadt (Teplitz-Schönau) hat mehr als 2000 Arbeitslose aufzuweisen und es zeigt sich hier kein Schimmer einer Besserung der Verhältnisse. Bei uns liegt das Baugewerbe am ärgsten darnieder, wir haben 50 Baumeister und nicht für einen von ihnen eine Arbeit. Die Arbeiten am Teplitzer Bahnhofsgebäude aber wurden einer ortsfremden Firma vergeben, und diese beschäftigt dort nur ortsfremde tschechische Arbeiter." ...zurück...

99Nach den Richtlinien der Zentralsozialversicherungsanstalt über die Versicherung der Heimarbeiter für den Fall der Krankheit, der Invalidität und des Alters ist eine Versicherungspflicht nur dann gegeben, wenn der Heimarbeiter einen Nettoverdienst von mindestens 120 Kč monatlich erreicht. Infolge der herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse erreicht nur ein kleiner Bruchteil der Heimarbeiter des Erzgebirges diese bescheidene Einkommensgrenze. So werden in der Musikinstrumentenindustrie Löhne von Kč 63.- bis Kč 91.- erreicht. In der Spielwarenindustrie beträgt der Höchstlohn Kč 100.- monatlich. In der Stickerei schwanken die Verdienste der Heimarbeiter zwischen Kč 80.- und Kč 90.- pro Monat. Nur in der Handschuherzeugung wird die vorgesehene Grenze von Kč 120.- erreicht und zum Teil auch überschritten. Rund 90 v. H. aller Heimarbeiter kommen nicht mehr auf den vorgeschriebenen Mindest-Nettolohn. ...zurück...

100Zu dieser Frage veröffentlicht die Deutsche Presse am 31. 1. 1935 einen interessanten Aufsatz, in dem es u. a. heißt:

      "Der Bergbau hat besonders in Böhmen, aber auch in Mähren-Schlesien weite Flächen, die einst bester landwirtschaftlicher Kulturboden waren, zu Wüsteneien gemacht. Bei den großen Gewinnen, welche die Bergbaubesitzer und Gesellschaften aus dem Boden gezogen haben, ist es nur berechtigt, wenn sie auch zur Wiedernutzbarmachung dieser Bodenflächen beitragen, am besten selber energisch und initiativ das Werk im großen Rahmen beginnen und so der Agitation der Grubenverstaatlichung das einzig berechtigte Argument entziehen. Ein fertiger Plan ist schon über 10 Jahre alt und heute mehr als reif zur Durchführung. Nach den Erhebungen im Brüxer und Duxer Kohlenrevier im Jahre 1924 ist von der Deutschen Sektion des Landeskulturrates im Jahre 1925 ein umfassender Rekultivierungsvorschlag gemacht worden, dessen Grundzüge auch in den meisten tschechischen Plänen erscheinen. Die finanziellen [251] Mittel wären durch die Kohlengruben, die Eigentümer der Gruben und der Grubenrechte, die Urheber der Bodenvernichtung, in Form einer Grubensteuer wenigstens zu 50 Prozent ohne Anlastung für den Kohlenkonsum zu tragen, der Rest könnte durch die produktive Arbeitslosenfürsorge und durch die anfallenden Kaufpreise und Pachtzinse für die rekultivierten Flächen bezahlt und gedeckt werden.
      Die Rekultivierungskosten sind nicht klein. Nach gemachten Erfahrungen kam in der Gemeinde Tschöppern bei Brüx die Rekultivierung von 8.14 Hektar Boden im Jahre 1931 auf 160.000 Kč, also 1 Hektar auf 19.656 Kč, in einem anderen Falle wurden 18.5 Hektar mit einem Aufwande von 133.000 Kč, also um 7.190 Kč per 1 Hektar, wieder kulturfähig gemacht. Rechnen wir mit einem Durchschnittsbetrag von 10.000 Kč für 1 Hektar, so würden 14.000 Hektar Ödland, welches wieder kulturfähig gemacht werden kann, 140 Millionen erfordern. Der Boden liegt hauptsächlich in den Bezirken Brüx, Dux, Oberleutensdorf, Teplitz, Bilin, Aussig, Komotau, Karlsbad, Falkenau, Elbogen, Kladno, Pilsen, aber auch zum Teil in Mähren-Schlesien, durchwegs aber in Gebieten, wo wenigstens früher die konzentriertesten Arbeitsmöglichkeiten waren und wo die Bevölkerung am dichtesten beieinander wohnt. Beträgt doch die Bevölkerungsdichte im Bezirke Falkenau 211, Brüx 364, Oberleutensdorf 360, Dux 360, Teplitz 565, Aussig 511 auf einen Quadratkilometer gegen 105 im ganzen Staatsgebiete.
      Der rekultivierte Boden wird bei Wiederkehr des normalen Wirtschaftslebens im Werte bedeutend steigen, als Bau- und Kleinsiedlungsboden gut Verwendung finden, und die aufgewendeten Kosten werden sich sicher gut lohnen. Wenn die Gruben ihre technischen Erfahrungen in den Dienst der Sache stellen, die Durchführung nicht nach partei- und nationalpolitischen, sondern rein wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gesichtspunkten erfolgt, kann ein nachahmenswertes Wert zum allgemeinen Wohl geschaffen werden.
      Dasselbe gilt auch von der Trockenlegung und Urbarmachung des sogenannten »Schwarzen Sumpfes« in Karpathenrußland, einem Projekt, das gleichfalls schon bei Entstehung des Staates in Angriff genommen wurde, bezw. fortgesetzt werden sollte, da schon Anlagen der ungarischen Regierung entstanden. In Karpathenrußland beträgt die Bevölkerungsdichte trotz größten Bevölkerungszuwachses erst 57 auf einen Quadratkilometer, in einzelnen Distrikten nur 23. Der »Schwarze Sumpf« liegt im Gebiet der Latorica bei Munkacs, mißt als zusammenhängendes Sumpfgebiet ungefähr 5500 Hektar und ist ein Bestandteil des ehemaligen Schönborn-Buchheimschen Großgrundbesitzes im Gesamtausmaße von 135.000 Hektar, wovon 115.000 Hektar im Wege der Bodenreform im Jahre 1926 an den Kapitalskonzern »Latorica« fielen. Aus dem Sumpf und dem umliegenden Wald sind wenigstens 20.000 Hektar besten Kulturbodens zu gewinnen, so daß hier ganze Dörfer und kleine Städtchen entstehen können. Der Staat hat die Kultivierung der landwirtschaftlichen Flächen gescheut, weil hiezu Investitionen von 200 Millionen notwendig gewesen wären, worauf die »Latorica«, an der aber der Staat auch beteiligt ist, die Aufgabe im Jahre 1926 übernahm, ohne in den 9 Jahren wesentlich weitergekommen zu sein. Wir haben inzwischen schon mehr als 4 Milliarden für unproduktive Arbeitslosenfürsorge ausgegeben, also 20 mal mehr, als diese Investitionen erfordert hätten, und wir haben es so versäumt, ein Werk zu schaffen, das sich neben der Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe sehen lassen könnte."   ...zurück...

101Venkov, das Blatt des tschechischen Ministerpräsidenten, zitiert in der Sudetendeutschen Tageszeitung. ...zurück...

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200 000 Sudetendeutsche zuviel!
Der tschechische Vernichtungskampf
gegen 3,5 Millionen Sudetendeutsche
und seine volkspolitischen Auswirkungen.
Kurt Vorbach