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Anlage 1
Text des Kapitel 6 aus dem Mémoire III der
tschechoslowakischen Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz 1919
Übersetzt und mit einer Einleitung herausgegeben von Prof. Dr. jur. Dr.
rer. pol. Hermann
Raschhofer, Carl Heymanns Verlag in Berlin W. 8, 1937, S. 101, 102.
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht.
Herausgegeben vom Institut für ausländisches Recht und Völkerrecht in
Berlin, Heft 24.
Memorandum Nr. 3. Das Problem der
Deutschen in Böhmen
Kapitel VI.
Das Schicksal der Deutschen in der Tschechoslowakischen
Republik
"Es ist absolut notwendig, genau zu wissen, wie die Deutschen in dem tschechoslowakischen
Staat behandelt werden. Nicht nur ist die tschechoslowakische Republik bereit, gegebenenfalls
jede internationale rechtliche Regelung, die zugunsten der Minderheiten durch die
Friedenskonferenz festgesetzt wird, anzunehmen, sondern sie ist außerdem noch bereit,
über eine solche Regelung hinauszugehen und den Deutschen alle Rechte zu geben, die
ihnen zukommen.
Die tschechoslowakische Republik wird ein absolut demokratischer Staat sein: alle Wahlen
werden nach dem allgemeinen, direkten und gleichen Wahlrecht vor sich gehen; alle
Ämter
werden allen Staatsbürgern zugänglich sein; das Recht, ihre eigenen Schulen, ihre
Richter und ihre Gerichtshöfe zu haben, wird niemals irgendeiner Minderheit bestritten
werden. Hinzugefügt muß noch werden, daß die Tschechen, obwohl sie sich
dessen bewußt sind, daß die Deutschen unter dem alten Regime
übermäßig bevorrechtigt waren, keineswegs daran denken, beispielsweise die
Schulen, Universitäten, technischen Hochschulen der Deutschen, die übrigens vor
dem Kriege wenig besucht waren, zu unterdrücken.
Um zusammenzufassen: Die Deutschen würden in Böhmen dieselben Rechte haben
wie die Tschechoslowaken. Die deutsche Sprache würde die zweite Landessprache sein,
und man würde sich niemals irgendeiner Unterdrückungsmaßnahme gegen
den deutschen Bevölkerungsanteil bedienen. Das Regime würde ähnlich
dem der Schweiz sein.
Dieses Regime wird in Böhmen nicht nur deshalb eingeführt werden, weil die
Tschechen immer ein tiefes Empfinden für Demokratie, Recht und Gerechtigkeit hatten
und
diese Rechte selbst ihren Gegnern loyal zuerkennen, sondern auch weil die Tschechen der
Ansicht
sind, daß diese den Deutschen günstige Lösung auch den politischen
Interessen ihres eigenen Landes und ihrer eigenen Nation günstig ist.
Im 19. Jahrhundert haben sie viel praktischen, vor allem aber viel politischen Sinn
bewährt.
Sie sind viel zu sehr "Realisten" und haben zuviel gesunden Menschenverstand, um nicht zu
sehen, daß Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit die Ursachen des
Unterganges Österreich-Ungarns gewesen sind und daß eine ähnliche Politik
nur ihrem eigenen Staate und ihrer Nation schaden könnte. Übrigens wissen dies
die
Deutschen selbst und geben es zu. Ihre Blätter sind reich an Schilderungen der
Revolution,
die in Prag im November 1918 stattgefunden hat. Diese Berichte stellen einmütig fest,
daß die Tschechen allen Deutschen die Freiheit gesichert, ihre persönliche
Sicherheit
und ihr Privateigentum, sowie ihre Rechte als freie Staatsbürger geachtet haben.
Schlußergebnis:
1. Alle Traditionen der Tschechoslowaken lassen den Schluß zu, daß die
neue
Republik die Deutschen in keinerlei Weise unterdrücken wird, daß sie sich vielmehr
eines Regimes der Freiheit und der Gerechtigkeit erfreuen werden.
2. Während der letzten Revolution in Böhmen haben die Tschechen den
Beweis
hierfür erbracht, indem sie den Deutschen vollkommenste Sicherheit verbürgt
haben."
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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