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Libochowan
(Kreis Leitmeritz)
Bericht Nr. 243
Mißhandlungen eines 75jährigen Greises am 12. 7.
1945
Berichter: Josef, Adele und Elfriede Pomps
[Josef Pomps:] Vor
allem sei festgestellt, daß ich Gefertigter weder der
Nationalsozialistischen Partei noch deren Gliederungen angehört habe. Mein Heimatdorf
ist Libochowan a. d. Elbe, Bezirk und Kreis Leitmeritz, Sudetengau.
Als ich die Mißhandlungen erdulden mußte, betrug mein Alter 75 Jahre. Ich wurde
am 12. 7. 1945 von dem tschechischen Lehrer Schwarz in die tschechische Schule befohlen, dort
hielt mir der Vorgenannte die Gemeindechronik, welche ich bis zum Jahre 1938 zu führen
hatte, vor. Eine Stelle, die von der Hetzerei des Lehrers Schwarz handelte, war der Anlaß,
daß drei Tschechen, welche mit anwesend waren, mich von allen Seiten mit Ohrfeigen
und
Schlägen behandelten, sodaß meine Augengläser in Stücke gingen.
Infolge der Schläge stürzte ich und kam auf den Fußboden zu liegen, hier
wurde ich von allen dreien mit den Hacken der Stiefel bearbeitet und bei den Haaren und Ohren
hochgezogen und immer wieder geschlagen, bis ich blutete. Der tschechische Lehrer wischte mir
nun das Blut aus dem Gesicht, sodann wankte ich zur Tür, woselbst ich meine beiden
Töchter traf.
[Adele Pomps:] Ganz ahnungslos wurde ich, Adele Pomps, geb. 17. 2. 1907 und meine
Schwester
Elfriede, geb. 8. 9. 1911, beide in Libochowan, von dem Henkersknechten Franz Dorant
ebenfalls
in den Kindergarten der ehemaligen tschechischen Schule geholt; als wir das Vorhaus betraten,
ließ man
gerade unseren 75-jährigen Vater raus, über sein Gesicht rann das Blut. Ich fragte,
was man ihm
getan hat - er wischte sich das Blut aus
dem Gesicht - er durfte aber nicht darauf antworten. Er konnte nachhause gehen. Hinter uns
schlossen sich die Türen, man nahm uns beide in den Kindergarten. Der tschechische
Lehrer Schwarz sagte: "Ich werde Euch vorlesen, was dieser Alte in die Gemeindechronik
geschrieben hat." (Der tschechische Lehrer Karl Schwarz war oftmals ein Hetzer.) In einem Satz
hieß es: "Das Kriegerdenkmal sollte umgelegt werden, weil darauf stand, 'Gedenket der
Braven, auch wenn sie sieglos kämpften'." Ich mußte wieder raus ins Vorhaus,
meine
Schwester Elfriede kam zuerst dran. Ich hörte sie fürchterlich schreien, meine
Angst
wurde immer größer, da kam Schwarz raus. Diese Bestie dachte bestimmt,
daß
ich das Weite suche. Das war mir aber leider nicht möglich. Ich bat den Schwarz, mich
lieber zu erschießen als zu schlagen, darauf sagte er: "Nein, Du mußt noch
arbeiten!"
Nun kam auch ich dran, meiner Schwester wollten sie gerade den Mund aufreißen, sie hat
geschrien wie ein Stück Vieh vor Schmerzen. Mit Fußtritten und Schlägen ins
Gesicht wurde ich von demselben Banditen empfangen, wie meine Schwester. Sie beschimpften
uns nur mit "Huren und Säue".
Vor einer 30-40 cm Pritsche wurde ich von Karl Dorant und Ladio mit einem
Gummiknüppel und einer Gummipeitsche mit vielen kleinen Riemen so geprügelt,
bis ich zusammenbrach. Nun lag ich auf der Pritsche, da wurden
mir von 20-22-jährigen Kerlen die Hosen runtergezogen und so lange geprügelt, bis
ich von der Pritsche fiel. Das wurde wiederholt gemacht; als die zwei Verbrecher müde
waren, wurden diese von Rudolf und einem, der das Kolonialwarengeschäft von
Breitfelder
übernommen hat, abgelöst. Es war furchtbar, das alles zu ertragen. Der Schwarz
ging
nur hin und her und lachte dazu.
Nun stand ich neben meiner Schwester, da schlug uns der tschechische
Straßenwärter
ins Gesicht. Unsere Haare waren ganz zerrauft. Der, der Breitfelders Geschäft hatte, gab
uns seinen Kamm, wir mußten uns kämmen. Die Leute sollten nicht sehen, was
diese
Verbrecher mit uns aufgeführt haben. Es brüllten alle wie die Löwen auf,
Karl
Dorant stand mit dem Gewehr vor uns, stampfte es uns bald auf die Füße mit dem
Bemerken, wenn wir es jemanden draußen sagen, was mit uns gemacht wurde, da kriegen
wir eine Kugel durch den Kopf. Nun konnten wir gehen. Ich hab dabei meine Hand auf die Brust
gelegt und schüttelte ganz leise den Kopf. Auf das hin mußten wir noch einmal
zurück, wir bekamen dieselben Prügel noch einmal, diesmal nahm der
Straßenwärter den Kopf zwischen seine Beine. Wir bekamen wieder den Kamm und
mußten uns noch einmal kämmen. Noch einmal wurde uns das Gewehr vor die
Augen gehalten. Nun konnten wir gehen. Die Leute draußen auf der Straße schauten
uns ganz versteinert an, sie wußten Bescheid, denn sie hörten uns auf der
Straße schreien. Wir waren vom Kreuz bis in die halben Beine wie ein dunkelblaues Tuch,
wie Heidelbeeren so blau. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es war
Weißes wie eine Stecknadelkuppe zu sehen. Ich habe es Dr. Schmidt in Praskowitz
gezeigt.
Er rief seine Frau, sie waren beide ganz sprachlos. Er nahm ein Protokoll auf, ich mußte
mich bei ihm behandeln lassen. Meine Schwester zeigte es Dr. Gintner aus Schreckenstein. Er
rief
auch gleich seine Frau. Sie schlugen die Hände zusammen und sagten: So etwas haben sie
überhaupt noch nicht gesehen. Ich zeigte es vielen Bekannten, denn ich wollte für
diese Schandtaten Zeugen haben. Auch Tschechen habe ich es gezeigt und immer wieder
erzählt. Da sagte Herr Husak aus Raudnitz: "Da schämt man sich, Tscheche zu
sein".
Herr Swoboda aus Libochowan rief uns zu unserer Nachbarin, Frau Marie Finger, dort
mußten wir ihm alles erzählen und zeigen. Da riß er seine Armbinde vom
Národní výbor runter, warf diese bei meiner Freundin auf den Mist und
sagte: "Mit solchen Verbrechern will ich nicht mehr arbeiten."
Nur das ist uns ein Rätsel, warum wir die vielen Schläge und Prügel
bekamen,
da wir doch nicht einen Strich im Gedenkbuch geschrieben haben. Als man die anderen
prügelte, ließ man laut das Radio spielen.
Dieses ist die vollste Wahrheit, die jederzeit ich, meine Schwester und mein Vater beeiden
können.
Liebenau
(bei Reichenberg)
Bericht Nr. 244
Erschießung angedroht, Auslieferung an die
Russen
Berichter: Oskar Tiel Bericht vom 5. 3. 1951
Ich sollte in
Liebenau erschossen werden. Ich stand an der Wand ohne verbundene Augen, mir
gegenüber in drei Meter Entfernung eine Eskorte tschechischer Miliz. Sie wartete auf das
Kommando "Feuer". Sie schossen aber nicht, sondern zwei Mann verprügelten mich
solange, bis ich der Ohnmacht nahe war. Dann mußte ich meinen Oberkörper
entblößen und als sie kein
eingebranntes SS-Zeichen fanden, wollten sie mich, grün, blau und blutig geschlagen, im
Walde beseitigen. Auf dem Wege dorthin kamen die Tschechen in Streit. Dann sagte der
Häuptling, ich solle den Russen übergeben werden und in Sibirien arbeiten. So ist
es
auch geschehen.
Liebesdorf
(bei Oberhaid)
Bericht Nr. 245
Deutscher auf der Straße
angeschossen
Berichter: Grüner Bericht vom 24. 7. 1946
Ich bin
Eisenbahner von Beruf. Am 27. 11. 1945 ging ich von Liebesdorf nach Oberhaid, um
dort
Arbeit zu suchen. Ich hatte dazu einen Ausweis. Unterwegs am Rande der Ortschaft Zartlersdorf
wurde ich angerufen. Als ich stehen blieb, krachten mehrere Schüsse. Einer traf mich im
Knie. Am Waldrand neben der Straße ungefähr 30 Schritte entfernt lagen 12
tschechische Soldaten, die auf mich schossen. Als ich zu Boden fiel, kamen sie zu mir, traten
mich
mit den Füßen und beschimpften mich. Dann ließen sie mich liegen. Der
nächste Fußgänger fand mich bewußtlos, brachte mich nach
Zartlersdorf
und verständigte meine Familie. Ich lag dann zwei Monate bei dem Arzt Dr. Fuchs in
Rosenberg, der mich behandelte. Die Behandlungskosten mußte ich selbst tragen. Eine
Anzeige bei der tschechischen Behörde und der Gendarmerie war völlig
wirkungslos.
Heute kann ich mein Bein noch nicht voll gebrauchen.
Liebeznice
(bei Prag)
Bericht Nr. 246
Mord an 318 deutschen Soldaten am 9. Mai
1945
Berichter: Ludwig Breyer Bericht vom 29. 1. 1951
So wie für
alle deutschen Soldaten, war auch für
die Schwere-Granatwerfer-Abteilung Nr. 534 (Heimatstandort Zwickau/Sa.), die im Zeitpunkte
der Bekanntgabe des Waffenstillstandes im Raume von Zittau/Sa. stand, der Kampf zu Ende.
Am 8. Mai 1945 gegen
11 Uhr nachts - die Abteilung lag in Wetzwalde
bei Zittau - traf die Nachricht vorn Waffenstillstand ein. Die Abteilung erhielt noch einen letzten
Befehl: Abmarsch in
Richtung Brüx-Karlsbad. Unter Führung eines jungen Hauptfeldwebels marschierte
sie in einer Lkw-Kolonne um Mitternacht in der Stärke von 375 Mann
über Deutsch-Gabel-Böhm.-Leipa
bis Melnik-Brücke. Schwere Minenwerfer und Munition waren vernichtet worden, die
Truppe trug nur noch Handwaffen zu Sicherungszwecken bei sich.
Wir waren von dem Willen beseelt, zu den Amerikanern zu gelangen und standen links der Elbe,
gegenüber
uns Melnik - und hier standen auch die ersten Tschechen.
Dabei war auch ein tschechischer Major, der wie ein Soldat unter Soldaten, ein Kamerad zu
Kameraden sprach. Er verlangte von den Deutschen die Abgabe der Waffen, die sie noch trugen.
Der Hauptfeldwebel glaubte den Worten des Majors, er entschied sich für die
Niederlegung
der Waffen, die in einer nahegelegenen Scheune gesammelt wurden.
Der jetzt aus Rußland heimgekehrte Hauptfeldwebel erklärt: "Hätte ich
geahnt,
was kommen würde, hätten wir unsere Waffen nicht abgegeben und die
Tragödie von Liebeznice wäre nie geschehen." Das Nächste was geschah:
Die
entwaffneten, die waffenlosen Soldaten mußten sich in Fünferreihen gruppieren,
Arm
in Arm. Zwischen 14 und 16
Uhr nachmittags - die Episode an der Brücke
war vorüber - marschierten die Soldaten, begleitet von Partisanen, aus Melnik auf der
Reichsstraße gegen Prag. Etwa 200 bis 300 Meter vor dem
Orte Liebeznice - die Melniker Partisanen waren unterwegs von anderen abgelöst worden,
von dem Major war nicht
mehr die Rede - mußte gehalten werden. Alles, was die deutschen Soldaten noch bei sich
trugen, flog in den Straßengraben, die letzte Habe, die letzten Habseligkeiten. Nur die
Uniformen behielten sie auf dem Leibe. Es kam das Kommando: "Hände hoch! Im
Dauerlauf in die Ortschaft."
Der Hauptfeldwebel sagt, was nun folgte: "Kaum waren wir in den ersten Häusern, ging
das Schießen los, aus allen Türen und Fenstern, von überall her, mit allen
Waffenarten. Jeder versuchte, sich zu retten und zu entkommen. Es ist leider nur den Wenigsten
gelungen. Als es wieder ruhig geworden war, lagen die toten und die verwundeten Kameraden
auf
der Straße. Die Verwundeten wurden durch Genickschüsse getötet. Unter den
57 Männern, die dem Tode entronnen waren und von den Tschechen wieder gefangen
wurden, war auch ich. Wir wurden nach Prag transportiert."
318 deutsche Soldaten fanden den Tod. Ein anderer tschechischer Major (und damit ist
erwiesen,
daß z.Zt. des Blutbades in Liebeznice tschechische Soldaten anwesend waren), der die
überlebenden 57 Mann mit einfing, bestätigte dem deutschen Hauptfeldwebel,
daß nicht alle 318 Mann sofort tot waren und durch Genickschüsse
erledigt wurden, - "das hörte ich auch an den
Revolverschüssen", sagte der deutsche Hauptfeldwebel. Als später Prager Deutsche
als Arbeitssklaven nach Liebeznice kamen, fanden sie die blutdurchtränkten Uniformen
der
deutschen Soldaten in Scheunen. Erst meuchlings niedergeschossen, waren sie nachher
völlig entkleidet im Vorfriedhof von Liebeznice einfach eingescharrt worden.
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