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Prag
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Bericht Nr. 62
Prag-Theresienstadt, Mißhandlungen von
Greisinnen
Berichterin: Anna Seidel Bericht vom 4. 7. 1947
Ich bin 67 Jahre alt, Ing.-Witwe und
seit 40 Jahren in ein und demselben Hause in
Prag XVI-Smichow, Hollergasse 16, wohnhaft gewesen. Ich hatte in all diesen Jahren niemals
und mit niemanden den geringsten Streit oder Meinungsverschiedenheit, weder sachlich noch
politisch, auf welchem Gebiete ich mich niemals und in keiner Weise betätigt hatte.
Trotzdem holten mich am 9. Mai um 3 Uhr vier Zivilisten mit aufgepflanztem Gewehr
(Partisanen) aus meiner Wohnung. Im Hausflur standen 4 ältere Frauen mit dem Gesicht
an
der Wand, "Hände hoch", hinter jeder ein Mann mit Gewehr. Es waren dabei Frau
Kogert, Ob.-Ing.-Witwe, 67 Jahre alt, Frau
Arbes, Prof.-Witwe, 70 Jahre alt und deren Tochter, alle wohnhaft in den umliegenden
Häusern. Man führte uns in die Vorstadt Radlitz in eine Fabrik, wo man uns alles,
aber wirklich alles abnahm, was wir besaßen: Geld, Wertpapiere, Schmuck etc. Man
maltraitierte uns, mit Füßen wurde auf unsere Rücken getreten und schlug
uns so, daß wir noch Wochen nachher keinen einzigen weißen Fleck am
Körper
hatten. Man schnitt uns in der rohesten Weise die Haare ab, malte uns mit schwarzer Farbe ein
Hakenkreuz auf die Stirn, dann begoß man uns mit einigen Kübeln kalten Wassers,
lud uns auf einen Lastwagen, auf dem wir knieen mußten und führte uns so langsam
durch die Straßen, wobei wir ununterbrochen weiter geschlagen wurden, während
wir
selbst laut rufen mußten: "My
jsme Hitler-kurvy" = "Wir sind Hitler-Huren", und wenn ihnen dies nicht genügend laut
und
überzeugend genug klang, sausten weitere Hiebe im verstärkten Maße auf
unsere Körper nieder, auf wehr- und hilflose Greisinnen! So gelangten wir endlich zur
Polizeidirektion, wo wir die ganze Nacht in den nassen Kleidern im Hof zubringen mußten
und früh ins Gefängnis nach Pankratz geschafft wurden, wo wir 4 Wochen
verblieben. Nach dieser Zeit kamen wir im offenen Kohlenwagen in die kleine Festung
"Theresienstadt", wo wir ein Jahr verblieben, eingesperrt hinter Gitterfenstern und wo man
schwerste körperliche Arbeit von uns forderte: Kohlen verladen am Bahnhof, desgleichen
Bretter, Möbelstücke, Kasernen aufräumen, überfüllte Klosetts,
deren Zutrittstür man kaum mehr öffnen konnte, reinigen, in Typhus-Baracken
ohne
geringsten Schutz oder Vorsichtsmaßnahmen unter unbeschreiblichen Verhältnissen
Dienst tun. Dies alles im gestreiften Sträflingsanzug, den wir sofort nach unserer
Einlieferung bekamen, nachdem man uns gezwungen hatte, uns vollständig zu entkleiden
und unsere Kleider und Wäschestücke wahllos auf einen Haufen zu werfen,
natürlich
auf Nimmer-Wiedersehen!
Grauenhaft war das Martyrium der Männer (in spitzen Schottersteinen mußten sie
sich wälzen und kriechen und wenn sie nicht rasch genug vorwärts kamen, wurden
sie mit Fußtritten traktiert). Grauenhaft das Hinsterben der Menschen am laufenden Band!
Unsere Nahrung bestand aus ½ l Wassersuppe täglich, meist keine oder nur wenig
Kartoffeln, 200 g Brot und schwarzem, bitterem Kaffee. Erst ganz zum Schluß bekamen
wir
zusätzlich etwas Zucker und Margarine, was auf baldige Entlassung schließen
ließ, womit wir uns auch nicht getäuscht hatten, denn Mitte Mai kam die
Erlösung.
Diesen meinen Bericht bin ich bereit, zu jeder Stunde den verantwortlichen Stellen
gegenüber unter Eid zu bekräftigen.
Bericht Nr. 63
Unmenschliche Grausamkeiten in Prag
Berichterin: Marianne Klaus Bericht vom 26. 6. 1946 (Prag)
Am 9. 5. 1945 wurde mein Mann
Gotthard Klaus, 66 Jahre alt, in der Polizeidirektion in Prag zu
Tode geprügelt. Ich sah ihn am 10. 5. um 4 Uhr früh zum letzten Mal. Sein Gesicht
hatte faustgroße Beulen, Nase und Mund waren eine blutige Masse, seine Hände
waren dick aufgeschwollen. Ich habe ferner gesehen, wie man
zwei SS-Leute mit Peitschen ins Gesicht schlug, bis sie blutüberströmt
zusammenbrachen, dann wurden sie mit Füßen in den Bauch getreten bis Blut
herausquoll, dann wurden sie an den Füßen über eine Treppe
heruntergeschleift. Ich sah, wie eine Wehrmachtshelferin gesteinigt wurde bis sie
zusammenbrach, dann wurde sie am Rollbalken eines Geschäftes aufgehängt. Ich
sah am
Revolutionstag einen SS-Mann an einem Fuß an einem Kandelaber gehängt und
vom
Kopf hinauf brennen. Das war am 9. 5. 1945 in Prag.
Bericht Nr. 64
Schicksal deutscher Frauen 1945
Berichterin: Helene Bugner Bericht vom 7. 6. 1946 (Prag)
Ab 5. Mai 1945 durften die
Deutschen Prags ihre Wohnung nicht verlassen. Am 9. 5. wurde ich
in meiner Wohnung vom Hausmeister verprügelt, hierauf ohne jedes Gepäck zur
Beseitigung von Barrikaden in den Straßen Prags abgeführt. Meine Arbeitsgruppe
bestand aus 20 Frauen, darunter
auch 60-70jährige, die von einem Professor Zelenka geführt wurde. Als wir aus
dem
Hause traten, lieferte uns Prof. Zelenka mit den Worten: "Hier bringe ich euch die deutschen
Säue" dem Pöbel zu Mißhandlungen aus. Mit den Worten "Du deutsche
Hure"
mußten wir niederknien, dann wurden uns mit Bajonetten die Haare abgeschnitten. Schuhe
und Strümpfe wurden uns ausgezogen, sodaß wir barfuß gehen mußten.
Bei jedem Schritt und jeder Bewegung wurden wir mit Latten, Gummiknüppeln usw.
unmenschlich geschlagen. Wenn eine Frau zu Boden sank, wurde sie mit Füßen
getreten, im Kot gewälzt oder mit Steinen beworfen, bis sie starb. Ich selbst wurde
mehrmals ohnmächtig und wurde dann mit Wasser übergossen und mußte
weiterarbeiten. Als ich wirklich nicht mehr konnte, erhielt ich einen Fußtritt in die linke
Seite, durch den mir 2 Rippen gebrochen wurden. Während einer meiner Ohnmachten
wurde mir aus der Fußsohle ein Stück Fleisch, ungefähr 4 qcm groß,
herausgeschnitten. Diese Mißhandlungen dauerten den ganzen Nachmittag. In meiner
Gruppe waren auch hochschwangere Frauen und stillende Mütter, die ebenso
mißhandelt wurden. Bei einer dieser Frauen trat im Verlaufe von 3 bis 4 Tagen ein
Abortus
ein.
Am Abend kehrten wir nachhause zurück. Meine Kinder erkannten mich nicht, so war ich
durch die erlittenen Mißhandlungen entstellt. Das Gesicht war mit Blutkrusten bedeckt,
die
Kleider waren blutige Fetzen, 2 Frauen aus meinem Haus haben in der Verzweiflung Selbstmord
gemacht, eine andere ist irrsinnig geworden. Unsere Körper waren vollkommen blau und
angeschwollen, alle hatten wir offene Kopfwunden. Da sich keine Frau mehr rühren
konnte,
wurden wir 3 Wochen in einer kleinen Wohnung unseres Hauses unter Bewachung gefangen
gehalten. In dieser Zeit wurden wir bis an die Grenze des Erträglichen seelisch
gequält. Man drohte uns, uns die Kinder zu nehmen und uns nach Sibirien zu
verschicken.
Nach 3 Wochen kamen wir in das Lager Hagibor. Dort waren 1200 Menschen in 4 Baracken
untergebracht. Alle erkrankten an Hungerruhr, denn die Verpflegung bestand für Kinder
aus 2 mal täglich nicht ganz ¼ Liter dünnen Haferschleim, für
Erwachsene
früh und abends je ¼ Liter schwarzen Kaffee und einer dünnen Scheibe Brot
und mittags einer leeren Wassersuppe. Die Closettanlagen durften nur 3 mal täglich zu
gewissen Stunden benutzt werden, obwohl alle an Ruhr erkrankt waren. Es bestand für
alle
Arbeitspflicht. Jeden Abend kehrten die Arbeitskommandos verprügelt ins Lager
zurück. Ärztliche Betreuung war überhaupt keine vorhanden. Ein
mitgefangener
deutscher Arzt tat, was er konnte, doch standen ihm weder Medikamente noch Verbandsstoffe
oder die primitivsten Instrumente, wie z. B. Fieberthermometer zur Verfügung,
sodaß
Frauen, die zum Beispiel mit Schußwunden oder anderen Verletzungen
zurückkamen, praktisch ohne Behandlung bleiben mußten. Es brachen Epidemien
von Masern, Scharlach, Keuchhusten, Diphterie usw. aus, die nicht behandelt werden
konnten.
Eines Tages wurden wir zum Antreten befohlen. Wir mußten 7 Stunden im Freien stehen,
während sich ein furchtbares Gewitter mit Hagelschlag und einem Orkan, der zwei
Baracken abdeckte, über die Gegend entlud. An diesem Tage wurden wir noch am
Bahnhof
auf offenen schwerbeschädigten Kohlenwagen so eng verladen, daß wir kaum
stehen
konnten. In strömendem Regen kamen wir um 3 Uhr früh in Kolin an. Dort wurden
wir in einer schwer beschädigten Schule untergebracht. Auf dem Marsch vom Bahnhof in
diese Schule starben zwei Frauen an Erschöpfung. Während des Marsches wurden
wir mit Gummiknüppeln geschlagen, sodaß fast alle bluteten. Von der Schule
wurden wir tagsdarauf in ein Gebäude des tschechischen Roten Kreuzes
überführt. Von der
tschechischen RK-Schwester wurden jede Nacht Gruppen von russischen Soldaten in das Lager
gelassen und auf verschiedene hübsche Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht,
die dann in unmenschlichster Weise, oft bis 45mal in einer Nacht vergewaltigt wurden.
Während der ganzen Nacht waren die Hilferufe und Verzweiflungsschreie der Frauen zu
hören. Manche hatten am Morgen zerbissene Gesichter, abgebissene Nasen und lagen
apathisch ohne jede ärztliche Hilfe da, denn eine ärztliche Betreuung gab es auch in
diesem Lager nicht.
Nach einigen Tagen wurde ich mit 45 anderen Frauen, darunter auch eine mit 6 kleinen Kindern
auf ein tschechisches Gut zur Arbeit verschickt. Dort waren wir 3½ Monate, bis die
letzten
beiden Frauen, darunter auch ich, vor Erschöpfung und Entkräftung
zusammenbrachen. Es mußten bei derselben Verpflegung wie in Hagibor die schwersten
landwirtschaftlichen Arbeiten auch sonntags ausgeführt werden. Die Kinder erhielten
dieselbe Verpflegung wie die Erwachsenen ohne einen Tropfen Milch, sodaß von vier drei
starben. Sämtliche Kinder unter 1 Jahr waren schon im Prager Lager gestorben.
Während der Arbeit wurden wir von bewaffneten Posten bewacht, unflätig
beschimpft, seelisch gequält und auch täglich mißhandelt. Mit meinem
Rippenbruch konnte ich nicht gebückt arbeiten, ich hackte deshalb die Rüben
knieend. Dabei wurde ich beschimpft und geschlagen. Als mein Kind wie mehrere andere
Scharlach bekam und ich den Schaffner auf den Knieen beschwor, ärztliche Hilfe
herbeizuholen, antwortete er mir: "Der Národní výbor hat angeordnet,
daß
Deutsche keine ärztliche Hilfe bekommen."
Jede Nacht wurden von den Dorfbewohnern
russische Soldatengruppen in unsere Unterkunft geschickt, welche die Frauen vergewaltigten. So
lebten wir dort 3½ Monate, bei Tage von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schwer
arbeitend, ständig mißhandelt und beschimpft, ohne nennenswerte Verpflegung, die
Kinder ohne Aufsicht, Wartung und Pflege, verlaust und verkrustet, in der Nacht den russischen
Soldaten ausgeliefert. Reinigungsmöglichkeiten waren überhaupt nicht vorhanden,
da man uns nicht einmal einen Eimer gestattete. Zur Ungezieferplage kamen offene, eiternde,
nicht heilende Wunden, an denen alle litten. Ich hatte an der rechten Hand einen Eiterherd neben
dem anderen. Damit mußte ich arbeiten.
Ein mitgefangener Arzt erklärte mir, daß er Erschöpfung nicht als
Arbeitsunfähigkeit anerkennen dürfe, sonst werde er schwer mißhandelt. Ich
wurde, da ich als Folge meines Rippenbruches unterdessen eine Rippenfellentzündung
bekommen hatte, nach Prag zum Abtransport ins Reich geschickt. Als ich nach Prag kam, waren
die Transporte bereits eingestellt, sodaß ich bis Weihnachten im Prager Lager verblieb.
Dieses Lager war so eng belegt, daß kein Insasse genug Platz zum Liegen hatte.
Wir konnten mit den Kindern nur auf dem blanken Boden, ohne Stroh, hockend schlafen. In
zwei
Baracken waren internierte Tschechen untergebracht, die Bettstellen hatten. Wenn
ausländische Beobachter kamen, wurden sie nur in diese beiden Baracken
geführt.
Die sanitären Verhältnisse spotteten jeder Beschreibung. Oft gab es drei Tage
hintereinander kein Wasser. Kinder und Erwachsene bekamen Mundfäule und eitrige
Beulen. Nässende Ausschläge, Tuberkulose, Flecktyphus, Blattern,
Kinderkrankheiten brachen aus. Jedes Kind hatte Rachitis. Frauen mußten in den Kleidern
und der Wäsche, die sie monatelang am Körper trugen, entbinden. Die meisten
Säuglinge starben. Nur wenige Mütter konnten ihre Kinder stillen.
Im Prager Lager gab es eine Dunkelkammer. Für kleine Vergehen wurden Lagerinsassen
dort drei Tage ohne Essen eingesperrt.
Ich wurde zu Weihnachten 1945 durch die Intervention der englischen Gesandtschaft, bei der ich
12 Jahre lang als Sekretärin tätig war, nach Asch entlassen.
Ich kann diese Aussagen beeidigen.
Bericht Nr. 65
Leidensweg eines Erfinders
Berichter: Johann Schöniger Bericht vom 14. 10. 1946 (Prag)
Ich war bis 1939 in London, wo ich
ein Geschäft besaß. In Prag hatte ich
gleichzeitig
ein Versuchslaboratorium, wo ich an verschiedenen Erfindungen arbeitete. Im Mai 1945 wurde
ich von den Tschechen verhaftet und in der Volksschule Prag XIII gefangen gehalten. Dort
wurde
ich buchstäblich gefoltert, da man mir Aussagen über den Stand meiner
Erfindungen
erpressen wollte. Man hat mir Nägel in die Fußsohlen geschlagen und mit
Eisenstangen daraufgeschlagen und mich auch sonst täglich verprügelt. Mein
Mitarbeiter Schubert wurde zu Tode geprügelt. Dann wurde ich in das Straflager Ratisko
bei Stechovice gebracht, wo ich wie alle Häftlinge durch 14 Monate hindurch
täglich
verprügelt wurde. Wir wurden völlig ausgeraubt, selbst die Sachen, die wir trugen,
wurden uns von den Wachorganen ausgezogen. Wir mußten im Winter barfuß aufs
Schwerste arbeiten. Nach der Auflösung des Lagers im Juni d. J. kam ich in das Lager
Hagibor bei Prag, wo es etwas besser war.
Meine Frau war mit ihren 4 Monate und 5½ Jahre alten Kindern die ganze Zeit im
Lager Melnik-Pechovka, von wo aus sie mit den Kindern täglich beim Bauern arbeiten
mußte. Unsere Kleider sind völlig abgetragen und verbraucht.
Bericht Nr. 66
Blutbad im Lager Scharnhorstschule
Berichterin: Hildegard Hurtinger Bericht vom 6. 11. 1946 (Prag)
Ich lebte mit einer Unterbrechung
von
5 Jahren - von 1938-1942, in welcher Zeit ich in
Teplitz wohnte - seit 1923 in Prag. Am 5. 5. 1945 wurde ich
aus meiner Wohnung vom tschechischen Pöbel abgeführt und unter Prügeln
und Kolbenschlägen an den Haaren ungefähr 500 Meter weit in die
Scharnhorstschule geschleppt. Dort wurde ich vollkommen beraubt, sodaß mir nur
Strümpfe und Kleid gelassen wurden. Ich wurde sofort von einer tschechischen
Kommissarin einem Verhör unterzogen, bei dem mir zur Last gelegt wurde, ich
hätte
im Jahre 1942, als ich gar nicht in Prag war, 16 tschechische Personen ins KZ gebracht, die dort
umgekommen sein sollten. Bei jeder Verneinung wurde ich geohrfeigt. Dann wurde ich in die
sogenannte Separation gebracht, wo ich und meine Mithäftlinge, Männer und
Frauen, auf das Grausamste mißhandelt wurden. In der Nacht wurden wiederholt alle
Häftlinge auf den Hof geholt, dort zu je 10 Männern, Frauen
und Kindern - darunter auch meine 2 Brüder
mit Familien - abgezählt, die vor den Augen der übrigen Häftlinge
erschossen
wurden. Das jüngste Kind meines Bruders war 5 Monate alt. Dann mußten wir
Gräber schaufeln, die Leichen ausziehen und eingraben. Auch sonst wurde ständig
bei Tag und Nacht wahllos in die Häftlinge hineingeschossen, wobei Tausende ums Leben
kamen. Bei einer solchen Gelegenheit wurde auch ich durch einen Streifschuß am Hals
verwundet. Ich blieb einen Tag und eine Nacht unter den Leichen liegen, da ich es nicht wagte,
aufzustehen. Dann stiegen Revolutionsgardisten über die Leichen und stachen blindlings
mit dem Seitengewehr in die noch Lebenden. Dabei erhielt ich einen Bajonettstich in die linke
Hand.
Wir bekamen in der Separation nichts zu essen. Kindern wurden Spucknäpfe als
Mahlzeiten vorgesetzt. Die Kinder, die diese zurückwiesen, wurden geschlagen.
Schwangere Frauen wurden von bewaffneten Tschechinnen aus den Zellen geholt, auf den Hof
geführt, dort ausgezogen und verprügelt, darauf in Aborte gesteckt und solange
geprügelt, bis die Bäuche platzten. Ich selbst mußte mithelfen, die auf diese
Weise umgekommenen Frauen wegzuschaffen. Durch viele Tage waren es täglich
mindestens 10 Frauen, die auf diese Weise ums Leben kamen. Bei Tage wurden Gruppen
von 6-8 Frauen in die St. Gotthardskirche zur Arbeit geführt. Dort mußten wir die
dort schon in Verwesung übergegangenen Leichen küssen, auf Haufen
zusammenschlichten und den Boden der Kirche von dem dort fließenden Blut reinlecken.
Tschechischer Pöbel führte dabei die Aufsicht und verprügelte uns auch. Das
dauerte Tage hindurch an. Ich sah auch, wie deutschen Männern, darunter auch einem
Ingenieur Färber von der deutschen technischen Hochschule, mit Kerzen das Hakenkreuz
in
die Handflächen eingebrannt wurde.
Am 20. 5. v. J. wurden wir zur Arbeit auf den
Wenzelsplatz geführt. Dort wurden vor unseren Augen deutsche Jungen und Mädel
und auch Soldaten an den Füßen an Kandelabern und Bäumen lebend
aufgehängt, mit Petroleum übergossen und angezündet. Ich selbst war bis
zum
20. 9. v. J. in der Scharnhorstschule. Die Grausamkeiten erstreckten sich über die ganze
Zeit ohne Unterbrechung. Dann wurde ich nach Pankratz überführt und von dort
aus
in der Philipps-Fabrik in Prag zur Arbeit eingesetzt. Am 6. 11. v. J. wurde ich von dem dortigen
Lagerführer auf das Gemeinste mit Gummiknüppeln verprügelt, weil ich den
Wunsch geäußert hatte, in die Kirche zu gehen. Es war mein Hochzeitstag.
Später hat sich die Behandlung und auch Verpflegung wesentlich gebessert.
Bericht Nr. 67
Unmenschliche Grausamkeiten
Berichter: Alfred Gebauer Bericht vom 21. 6. 1946 (Prag)
Ich wurde als Deutscher am 6. 5.
1945 in Prag verhaftet und war der Reihe nach in den Lagern
Schulministerium, Scharnhorstschule, Wehrmachtsgefängnis, Reitschule, Stadion und
Arbeitsanstalt bis Ende September untergebracht, wo ich in das Gerichtsgefängnis
Troppau
eingeliefert wurde.
Von dort wurde ich am 12. 6. 1946 zur Aussiedlung entlassen. Ich bin
Schwerkriegsbeschädigter und wurde bei der Verhaftung von Wlassowsoldaten geohrfeigt
und sämtlicher Sachen beraubt. Ich sah mit eigenen Augen:
In der Scharnhorstschule mußten sich
weibliche SS-Angestellte ohne Kleider, die ihnen vom Leibe gerissen worden waren, in einem
Wassertümpel wälzen. Dann wurden sie mit Fußtritten und Gewehrkolben
mißhandelt, bis sie bewußtlos waren. Im Stadion wurde
auf SS-Soldaten vor 5000 Häftlingen mit Maschinenpistolen eine Hasenjagd veranstaltet.
Dabei
wurden 20 SS-Soldaten erschossen. Einige mußten in die Latrine springen, wo sie mit
Maschinenpistolen erschossen wurden. Sie blieben in der Latrine liegen und die Häftlinge
mußten die Latrine weiter benützen. Frauen wurden bei einem Abtransport so mit
Gummiknüppeln geschlagen, daß sie blutüberströmt
zusammenbrachen.
In der Reitschule wurden vor den Augen aller Häftlinge einige wahllos herausgegriffen
und
so geschlagen, daß sie blutüberströmt zusammenbrachen. Dann wurden sie
hinausgeschleppt, man hörte mehrere Schüsse fallen. Auch viele tschechische
Kollaboranten wurden dort erschlagen.
Die ersten 5 Tage nach meiner Verhaftung bekamen die Häftlinge außer einem
Kübel Wasser für 600 Mann keine Verpflegung. Am 6. Tag wurde ein
Würfel
Zucker und 1 Keks ausgegeben. Vom 7. Tage an bekamen wir nur eine dünne Suppe,
sodaß täglich 15-20 Leute vor Entkräftung starben.
Bei der Einlieferung in Troppau wurde ich schwer verprügelt. Durch 8 Wochen wurden
die
Lebensmittelpakete, die mir meine Schwester nach Troppau ins Gefängnis schickte, von
den Aufsehern unterschlagen.
Ich kann diese Aussagen beeiden.
Bericht Nr. 68
Prag-Wokowitz, Straflager Kladno
Berichter: Ing. Franz Rösch Bericht vom 26. 6. 1946 (Prag)
Ich war vom 12. 5. bis 15. 5. 1945
beim Beerdigungskommando in Prag-Wokowitz zur Arbeit
eingesetzt. Ich sah dort, wie Tausende von deutschen Soldaten und Zivilisten, Männer und
Frauen, auch Jungen von 10 Jahren an aufwärts, auf die grausamste Weise ermordet
wurden. Sie wurden von der Revolutionsgarde meistens mit Knüppeln erschlagen, zum
kleineren Teil erschossen. Die meisten wurden nur angeschossen, um sie zu quälen, und
dann erschlagen. Die furchtbar zerschlagenen Körper wurden häufig mit
Salzsäure eingerieben, um sie zu quälen. Eine Frau Blume aus Berlin war
beauftragt,
den Tod der Leute festzustellen. Es wurden den Leuten bei lebendigem Leibe Finger mit Ringen
abgerissen. Die Leute wurden in Massengräbern in Wokowitz am Friedhof beigesetzt.
Ich habe dann bis 2. 5. 1946 beim Bauern gearbeitet, obwohl ich den rechten Arm im Kriege
verloren hatte. Ich mußte mit dem linken Arm Mist laden und andere schwere Arbeiten
machen. Als ich die Arbeiten nicht mehr leisten konnte, wurde ich am 2. Mai 1946 in das
Straflager Kladno geschickt. Dort sah ich, wie die Häftlinge mit heißem Teer auf
der
nackten Haut und am Rücken oder Gesäß angestrichen wurden und furchtbar
verprügelt wurden. Ich selbst wurde in den 2 Wochen, die ich dort war, täglich
verprügelt. Die rechte Niere wurde mir losgeschlagen, sodaß ich dann ins
Krankenhaus nach Schlan eingeliefert wurde.
Bericht Nr. 69
Lager Prosetschnitz
Berichter: Dr. Pohlner Bericht vom 26. 6. 1946 (Prag)
Ich war vom 10. 1. bis 3. 5. 1946 im
Lager Prosetschnitz bei Prag als Arzt tätig. Das
Lager
war mit Stacheldraht eingezäumt, mit Sowjetstern versehen und von 100 SNB mit
Maschinenpistolen bewacht. Es waren bei meinem Abgang noch über 8000
Häftlinge dort untergebracht. Die Unterbringung war erträglich und
Bewegungsfreiheit im Lager vorhanden. Dagegen wurde der kleinste Verstoß gegen die
von
der Lagerverwaltung täglich ausgegebenen Weisungen, die man ruhig als Schikanen
bezeichnen konnte, mit sofortigem Entzug des Essens für das gesamte Lager,
einschließlich Kinder, für einen Tag bestraft. Das wirkte sich bei der an und
für sich ungenügenden Verpflegung verheerend aus. Die Verpflegung bestand nur
aus zweimal täglich schwarzem, schwachgesüßten Kaffee, ½ l
dünner Kartoffelsuppe und 250 g Brot, das sind
höchstens 400-500 Kalorien. Dabei bestand im Lager Arbeitspflicht. Wenn der
Häftling nicht von auswärts durch Verwandte zusätzlich Nahrungsmittel
erhielt, trat bei Männern
innerhalb 3-4, bei Frauen innerhalb 4-5 Monaten unbedingt der Tod ein, durch instritio
universalis
bei vollständiger Abmagerung, Schwellung der Gliedmaßen und des Gesichtes und
plötzlicher Herzschwäche. Die Sterblichkeitsziffer auf Grund des
Verhungerns betrug 5-10 Fälle täglich. Dazu kamen noch ebensoviele
Todesfälle durch Typhus, Paratyphus, Ruhr, Scharlach, Diphterie, Tbc und normale innere
Erkrankungen, die wegen des Mangels an einer größeren Auswahl an
Medikamenten
und Diätnahrung nicht behandelt oder geheilt werden konnten. Der Lagerleiter Mahol
hatte
für alle Vorstellungen nur ein ablehnendes Achselzucken. Im April wurde das Lager von
einer Kommission des Internationalen Roten Kreuzes besucht, mit der ich selbst sprach und die
auch Hilfe in Aussicht stellte. Vom folgenden Tag ab wurde die Verpflegung noch schlechter
und
blieb auch so. Auch die Behandlung der Insassen wurde verschärft. Es wurden z. B. die
Kinder verprügelt. Die Kinder und Jugendlichen hatten dieselbe Verpflegung, unter 6
Jahren bekamen sie unregelmäßig etwas Milch. Die Säuglingssterblichkeit
war
sehr groß, stillende Frauen bekamen zusätzlich nur die doppelte Suppe zu Mittag.
Bericht Nr. 70
Lager Rusin, Marsch nach Dresden
Berichter: Hans Freund Bericht vom 9. 3. 1950 (Prag)
In Prag wurde ich am 5. 5. 1945 von
den Partisanen gefangen und kam nach Rusin, wo wir 4
Wochen blieben. Die Behandlung war sehr schlecht, wir wurden mit Knüppeln und
Gewehrkolben geprügelt, mit dem Gesicht an die Wand gestellt, Hände hoch und
wer sich rührte, wurde niedergehauen. Ich sah, wie
ein ca. 23-24 Jahre alter sudetendeutscher Gefreiter, der tschechisch antwortete, einfach
niedergeschossen wurde.
Unsere Tagesverpflegung bestand aus 40 g Brot, ¼ l Suppe, Sauerkraut und Kaffee. Nach
4 Wochen wurden wir von russischen Militär übernommen und nach Dresden
gebracht.
Ich sah am Sparta-Platz in Prag selbst folgende Szene: Wir wurden mit einem Transport zu
Fuß an dem Sportplatz vorbeigeführt und nach dem Kommando "Halten" wurden
uns
die deutschen Soldbücher abverlangt. Ca. 50 Mann gaben die Soldbücher ab, ca.
300
Mann, darunter auch ich, gaben es nicht ab. Die 50 Mann wurden auf den Sportplatz getrieben
und
mit dem Gesicht an die Wand gestellt. Es wurden sodann die Tore geschlossen und nun wurden
die 50 Mann von 2 Seiten mit deutschen MGs, die von 2 Frauen bedient wurden,
niedergemäht.
Im Gefängnis von Rusin waren 3 tschechische Zivilisten, sie trugen rote Armbinden und
mißhandelten uns schwer während dieser 4 Wochen. Es waren dies: Josef
Navrátil, Miloslav Kopecký, Pokorný.
Ein tschechischer Leutnant, Jara Procházka, wurde bei der Übernahme der
Gefangenen durch russisches Militär von einem Adjutanten erschossen, weil er uns
mißhandeln wollte, was der russische Oberst nicht zuließ.
Beim Vorbeimarschieren im Transport zum Spartaplatz sah ich, wie Tschechinnen eine deutsche
Frau von etwa 20-21 Jahren, die gerade einen Lastkraftwagen ersteigen wollte, mit ihrem Kinde
zusammenbanden und über das Geländer in die Moldau warfen.
Auf dem Fußmarsch von Rusin nach Dresden wurden besonders ältere Leute, die
nicht mehr weitergehen konnten, von den begleitenden Partisanen einfach niedergeschossen.
Wir mußten bei der großen Hitze (Juni 1945) marschieren und erhielten
überhaupt kein Wasser, sodaß es kein Wunder war, wenn ältere Leute
zusammenbrachen.
Ich gebe diese Angaben eidesstattlich ab.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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