Teil III - Politische BestimmungenAbschnitt IX - Ostpreußen
Artikel 95
Binnen längstens zwei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags haben die deutschen Truppen und Behörden das oben umschriebene Gebiet zu verlassen. Bis zur Vollendung der Räumung haben sie sich aller Beitreibungen in Geld und Naturalien und jeder Maßnahme zu enthalten, wodurch die wirtschaftlichen Interessen des Landes beeinträchtigt werden könnten.
Mit Ablauf der vorerwähnten Frist wird die genannte Zone einem internationalen Ausschuß unterstellt, der aus fünf von den alliierten und assoziierten Hauptmächten ernannten Mitgliedern besteht. Dieser Ausschuß erhält allgemeine Verwaltungsbefugnis und hat insbesondere die Aufgabe, die Abstimmung in die Wege zu leiten und alle Maßnahmen zu treffen, die er zur Sicherung einer freien, unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erforderlich erachtet. Er erhält desgleichen Vollmacht zur Entscheidung aller Fragen, zu denen die Ausführung der gegenwärtigen Bestimmungen Anlaß gibt. Er trifft ferner alle geeigneten Anordnungen, um sich bei der Ausübung seines Amtes durch Hilfskräfte unterstützen zu lassen, die er selbst unter der örtlichen Bevölkerung auswählt. Er entscheidet mit Stimmenmehrheit.
Stimmberechtigt ist jede Person, ohne Unterschied des Geschlechts, die den nachstehenden Bestimmungen genügt:
a) Sie muß bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) sie muß in der Zone, in der die Volksabstimmung stattfindet, geboren sein oder seit einem von dem Ausschuß festzusetzenden Zeitpunkt dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben.
Jeder stimmt in der Gemeinde, in der er seinen Wohnsitz hat, oder, wenn er seinen Wohnsitz oder Aufenthalt nicht in der Zone hat, in der Gemeinde, in der er geboren ist.
Das Abstimmungsergebnis wird gemeindeweise und zwar nach der Stimmenmehrheit in jeder Gemeinde festgestellt.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß den alliierten und assoziierten Hauptmächten die Anzahl der in jeder Gemeinde abgegebenen Stimmen mit und reicht gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über die Linie ein, die unter Berücksichtigung sowohl des durch die Abstimmung kundgegebenen Willens der Einwohner als der geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften in dieser Gegend als Grenzen Ostpreußens angenommen werden soll. Die alliierten und assoziierten Hauptmächte setzen alsdann die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen in dieser Gegend fest.
Schließt der von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgesetzte Grenzverlauf irgendeinen Teil des im Artikel 94 umschriebenen Gebiets von Ostpreußen aus, so erstreckt sich der oben im Artikel 87 vorgesehene, von Deutschland zugunsten Polens ausgesprochene Rechtsverzicht auf die so ausgeschlossenen Gebietsteile.
Sobald die alliierten und assoziierten Hauptmächte die Grenzlinie festgesetzt haben, werden die ostpreußischen Verwaltungsbehörden von dem Ausschluß dahin verständigt, daß sie in dem nördlich dieser Grenzlinie liegenden Gebiet die Verwaltung wieder zu übernehmen haben. Diese Übernahme hat binnen Monatsfrist nach der Benachrichtigung und in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen Art zu erfolgen. Binnen derselben Frist und ebenfalls in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen Art hat die polnische Regierung für die Verwaltung des südlich der Grenzlinie liegenden Gebiets Sorge zu tragen. Sobald hiernach die Verwaltung des Landes durch die ostpreußischen oder polnischen Behörden sichergestellt ist, nehmen die Befugnisse des internationalen Ausschusses ein Ende.
Die Ausgaben des Ausschusses für seine eigene Tätigkeit sowie für die Verwaltung der Zone werden aus den örtlichen Einnahmen bestritten; das Mehr an Ausgaben wird nach einem von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgesetzten Verhältnis von Ostpreußen getragen.