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Vorspann

Erich Kern schrieb Das andere Lidice als Alarmruf an das Gewissen der Welt gegen die zahllosen Verbrechen an wehrlosen Männern, Frauen und Kindern in der Č.S.R. Er wollte, da bisher nur Auszüge aus dem grauenhaften Geschehen veröffentlicht wurden, zum ersten Male eine geschlossene Darstellung und eine Analyse der Entstehung und der Ursachen dieses Dramas der Sudetendeutschen geben.

Erich Kern ist ein umkämpfter Autor. Seine Bücher werden in einem Lande mit höchsten Verbotsverdikten belegt, in den anderen sind sie Bestseller. Seine Bücher erschienen in den ersten Jahren nach 1945 in Schweden, in der Schweiz, in Österreich, Westdeutschland, der Türkei und England. Zur Zeit [d.h. 1950; Anm. d. Scriptorium] werden Ausgaben seiner Bücher in Italien, Frankreich und USA vorbereitet.

Erich Kern vermag es nicht, sich als Autor in die Herzen seiner Leser einzuschmeicheln. Er hat entweder nur Feinde oder nur Freunde. Neutral bleibt seinen Büchern gegenüber niemand. Vielleicht aber ist gerade das die größte Wertschätzung, die die Öffentlichkeit seinem Schaffen entgegenbringt.

So urteilt die internationale Presse über Erich Kern:

"Tiroler Nachrichten", Innsbruck, Österreich: "Erich Kern, der österreichische Remarque."

"Vaterland", Luzern, Schweiz: "Es dürfte wenige geben wie Erich Kern, die ein gewaltiges Schicksalsgeschehen menschlich so nahe zu bringen und zugleich kritisch und unbefangen zu würdigen verstehen."

"Dolomiten", Bozen, Italien: "Erich Kern sprengt den Ring der Verleumdung und bahnt der Wahrheit eine Gasse, damit der Annäherung und der Befriedung der Menschen gedient wird."

"Neue Heimat", Linz, Österreich: "Das andere Lidice von Erich Kern wägt mit rücksichtsloser Sachlichkeit Schuld und Sühne."

"Echo der Woche", München, Deutschland: "Man merkt bei Erich Kern deutlich, wie der Verfasser in seiner Arbeit mit seinem eigenen Erleben ringt. Es ist alles darin - vom [4] PK-Bericht unseligen Angedenkens bis zu Stellen, die durch ihre Tragik sachlich und menschlich erschüttern, und bis zu Erkenntnissen, die in jeder Beziehung aufhorchen lassen."

"Alpenruf", Graz, Österreich: "Wer bei Erich Kern große Worte oder gar Ruhmseligkeit suchen wollte, geht fehl. Alles ist einfach und ohne äußeren Aufputz geschildert, aber gerade deshalb packend und mitreißend."

"Neue Politik", Zürich, Schweiz: "Aus Erich Kern spricht bestes Soldatentum."

"Ulus", Ankara, Türkei: "Erich Kerns Werke mußten in die türkische Sprache übersetzt werden, weil ihr unerschöpflicher Inhalt nicht nur für heute, sondern auch für Generationen für die türkische Nation von größter Bedeutung sind."

"Salzburger Nachrichten", Salzburg, Österreich: "Erich Kerns Schaffen bleibt begrüßenswert, nicht nur, weil endlich ein Soldat zu Worte kommt, sondern auch deshalb, weil er Begrife klären hilft, die Waagschale der Schmähungen etwas erleichtert zugunsten der Gerechtigkeit. Erich Kerns Schaffen ist auch deshalb begrüßenswert, weil offenbar die Zeit des Schweigens und Duldens vorüber zu sein scheint und der Getretene sich wieder zur Verteidigung emporreckt."

"Freie Stimmen", Linz, Österreich: "Mit Erich Kern wurde die propagandistische Einkreisung des deutschen Volkes im allgemeinen und der deutschen Frontsoldaten im besonderen durchbrochen und die Bahn frei gemacht für eine historische Schau des Geschehens."

"Ostschweizer Abendblatt", St. Gallen, Schweiz: "Kern rollt auch die deutsche Schuldfrage auf - wirklich mit Würde und Haltung, und bei ihm wird dargetan, daß die Verallgemeinerung der deutschen Verfehlungen nicht am Platze sind und weitgehend nicht auf den die Pflicht ausübenden Soldaten abgewälzt werden dürfen, ebensowenig wie auf das deutsche Volk schlechthin."

"Neuland", Salzburg, Österreich: "Erich Kerns Das andere Lidice ist eine flammende Anklage gegen die Barbarei und ein mutiges Bekenntnis zur Wahrheit. Dieses Buch müßte von jedem gerecht denkenden Menschen gelesen werden. Es ist ein Dokument unserer grausamen Zeit, wie es erschütternder nicht verfaßt werden konnte."



 
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Einleitung

Mit dem Schlachtruf "Pravda vitězi!" - "Die Wahrheit siegt!" - haben Thomas Masaryk und seine Mitarbeiter den Kampf für die Rechte des tschechischen Nationalismus geführt. Mit diesen Worten wurde jauchzend das Begräbnis der letzten k. u. k. Donaumonarchie begleitet. Mit diesen Worten schließlich wurde das Inferno in den Sudeten an Millionen Hilfloser und Wehrloser vorbereitet. Es kann diesem Buch kein besseres Motto vorangestellt werden, als der letzte Schlachtruf der tschechischen Chauvinisten:
"Die Wahrheit siegt!"
Aber die unbestochene und ungekaufte, und von allen chauvinistischen Sentiments unbeeinflußte Wahrheit der Wirklichkeit.

Die Besetzung der tschechischen Gebiete der Č.S.R. durch Adolf Hitler war ein eklatanter Bruch des Gedankens der Befreiung und der Zusammenschließung aller Deutschen. Zum ersten Male hatte sich das große deutsche Reich eine fremdsprachige Nation unter Anwendung einer Gewaltgeste einverleibt. Die Reaktion der Welt auf diese Verletzung des Völkerrechts war ausgesprochen bitter; sie führte letzten Endes zum Krieg.

Tschechischer 
Polizist.
Tschechische Polizisten wußten "nachher" sehr frohgemut ihren Dienst zu tun.
(Photo: "Der Sudeten-Anschluß 1938. Zeitgeschichte im Bild." Zusammengestellt von Reinhard Pozorny. Druffel-Verlag: Leoni am Starnberger See, 1988. S. 141.)
Die Reaktion innerhalb des tschechischen Staates und des tschechischen Volkes war jedoch, bis auf einige kaum erwähnenswerte Ausnahmen, ausgesprochen friedlich. Es fiel kaum ein Schuß. Es kam nirgendwo zu Kämpfen oder namhaften Demonstrationen. Es fand kein Generalstreik statt. Die Besetzung der "Tschechoslowakei" vollzog sich wie ein planmäßiges Manöver.

Das tschechische Volk, wohl das intelligenteste Glied der slawischen Völker-Familie, hatte sich in seiner Geschichte noch nie so widerspruchslos einer fremden Macht untergeordnet, wie es diesmal der Fall war.

Die tschechische Industrie wurde sehr schnell zu einer der wichtigsten Waffenschmieden des Hitlerischen [6] Deutschland. Die tschechischen Arbeiter und Beamten ebenso wie die tschechischen Unternehmer verdienten an der Hitlerschen Kriegsvorbereitung und Kriegsführung außerordentlich gut. Der österreichische Innenminister Helmer hat in seinen Reden in St. Pölten und in Melk im Februar 1949 diese Tatsache eindeutig herausgestellt und seine Ausführungen trotz dem tschechischen Protest auch nicht widerrufen. Seine Antwort an die Tschechen gab er in einem Interview der "Associated Press": "Meine Erklärungen über die bedeutende Waffenhilfe, welche die Č.S.R., Ungarn und eine Reihe anderer Staaten Hitler während des Krieges gewährte, beruhen auf unwiderlegbaren Tatsachen und ich habe keine Ursache, von meinen Feststellungen auch nur ein Wort zurückzunehmen!"

Je höher der tschechische Lebensstandard unter Hitler anstieg, desto geringer wurde der Widerstandswille gegen die Deutschen. Zum Kriegsdienst wurden die Tschechen von Hitler nicht herangezogen. Im Gegensatz zu den Sudetendeutschen, die einen unglaublich hohen Blutzoll leisten mußten, genossen die Tschechen nur die wirtschaftlichen Vorteile der deutschen Kriegsanstrengungen. Ihre nationale Autonomie wurde kaum angetastet. Tschechische Lehrer unterrichteten weiter an tschechischen Schulen, tschechische Künstler schufen weiter tschechische Musik und tschechische Literatur. Über dem Land wehte, trotz des Hitlerschen Völkerrechtsbruches, weiterhin die tschechische Fahne. Tschechische Polizei sorgte für Ruhe und Ordnung, obwohl es ein von Hitler besetztes Land war.

Erst das Attentat auf Reinhard Heydrich, das nahezu vereinsamt als Widerstandstat dasteht und die blutige deutsche Reaktion in Lidice auslöste, störte den Frieden. Aber keinesfalls so, daß es irgendwo zu einer Gefährdung der Kriegsproduktion und Versorgung der Hitlerschen Okkupation geführt hätte. Umso unverständlicher ist das grauenhafte Verbrechen, das von dem tschechischen Volk an widerstandslosen Deutschen nach der totalen Kapitulation begangen wurde.

Die Opfer dieser Bestialitäten waren in erdrückender Mehrheit Deutsche, die keinerlei politische Bindungen [7] hatten und teilweise sogar Antifaschisten waren. Die politischen Aktivisten waren zum Großteil über Aufforderung ihrer zuständigen Stellen bereits vor der totalen Kapitulation geflüchtet. (Aber darüber schweigt die Welt.) Während die Redaktionen diesseits und jenseits des Ozeans den bedauernswerten Opfern von Lidice ganze Seiten widmeten, sind die Millionen der nach dem 8. Mai 1945 Gemordeten und Vertriebenen für die große Welt nicht vorhanden.

Der derzeitige stellvertretende Ministerpräsident Ostdeutschlands, Herr Walter Ulbricht, erklärte bei seinem offiziellen Besuch in Prag im Juni 1950 sogar, daß die "Rückführung" von Deutschen aus der Tschechoslowakei unabänderlich, gerecht und endgültig sei.

Wenn es also bereits so weit ist, daß ein deutscher Minister kommunistischer Provenienz den Massenmord an 800.000 Sudetendeutschen, die Beraubung, Mißhandlung und Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen gutheißt, so muß der Welt die Wahrheit vor Augen geführt werden.

Denn Recht muß Recht bleiben.

Darum habe ich im festen Glauben, daß wir alle nur einem zu dienen haben: der Wahrheit, ob sie uns weh tut oder uns selbst nichts nützt, versucht, nach bestem Wissen und Gewissen "das andere Lidice" darzustellen.

Es ist so grauenhaft und furchtbar, daß es kaum eine menschliche Kraft geben wird, die diesem Drama wirklich gerecht werden kann. Darum ist dieses Buch nur mit ein Versuch, den eisernen Vorhang des Schweigens zu zerreißen, der sich über das Massengrab von Menschen senkte und der die zahllosen Verbrechen verbirgt, die nur deshalb geschahen, weil die unglücklichen Opfer einst von einer deutschen Mutter geboren worden waren.

Es gehört Mut dazu, der Wahrheit ins Auge zu schauen. Was aber der Welt vor 1945 recht war, das muß ihr nach 1945 erst recht billig sein.

E. K.



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Das andere Lidice
Die Tragödie der Sudetendeutschen