Vorwort
Die vorliegende Schrift ist eine wörtliche Übersetzung der nach dem
Zusammenbruch 1918 in der tschechischen Volksbuchhandlung J. Springer
in Prag-Weinberge erschienenen Broschüre "Náš
stát a světový mír" (Unser Staat und der
Weltfrieden), die laut einer Vorbemerkung in der tschechischen Ausgabe im wesentlichen den
Inhalt einer Denkschrift wiedergibt, die im Spätsommer 1917 (!) "Den berufenen
Faktoren" überreicht worden war.
Die Broschüre befaßt sich mit der nach tschechischen Erwägungen nach dem
Weltkriege notwendigen territorialen Umgestaltung Europas, um durch eine endgültige
Lösung der allslawischen Frage einen dauernden Frieden zu schaffen.
Die Vorbedingungen für einen dauernden Weltfrieden werden im
Zurückdrängen des aller Mittel entblößten Deutschen Reiches in ein
etwas vergrößertes Schwabenland als deutsche Reservation und in der Errichtung
und
allseitigen Sicherung eines mächtigen Tschechenstaates auf Kosten Deutschlands,
Österreichs und Ungarns gesehen, der im Verband mit anderen kleinen Randstaaten "als
Wächter des Friedens" auch künftig dem "Raubtier Deutschland an der Gurgel
bleiben müsse"; im Innern dieses tschechischen Staates sei selbst der letzte Schatten des
politischen Deutschtums auszumerzen, und eine politische Kolonie an der Donau zu dulden,
würde (für die Tschechen) Selbstmord bedeuten.
So übertrieben dies alles klingen mag, so ernst ist diese Broschüre zu nehmen;
nicht
bloß deshalb, weil diese Auseinandersetzungen bestimmt waren, noch vor dem
Zusammenbruch das Denken der "maßgebenden Faktoren" zu beeinflussen und weil sie
bestimmte, streng umrissene Forderungen an die tschechische Delegation bei den
Friedensverhandlungen in Paris (Dr. Beneš und Dr. Kramař) enthielten, sondern
hauptsächlich darum, weil alle seit dem Zusammenbruch gegen Deutschland und das
Gesamtdeutschtum getroffenen Maßnahmen darin bereits verzeichnet sind, d. h., das der
Broschüre zugrunde liegende Memorandum hatte bei den "maßgebenden Faktoren"
Gehör und Verständnis gefunden.
Die Broschüre bietet aber auch den Schlüssel zum Verständnis der
Neugliederung und staatspolitischen Einstellung Europas und gewährt aus dem Vergleich
mit den bereits vollzogenen Tatsachen einen Ausblick auf die von den Siegern
gewünschte weitere Entwicklung.
Warum in Paris nicht alle hier ausgesprochenen Wünsche der Tschechen in
Erfüllung gingen, erklärt der einstige Abgesandte der Tschechen,
Dr. Kramař, unter
anderem in seiner Parlamentsrede vom 27. Jänner 1921. Seine sonstigen
Äußerungen hiezu bisher, sowie die anderen Tschechenführer bezeugen
ebenso wie die
tschechische Außen- und Innenpolitik, daß die restlose Durchführung des hier
niedergelegten Programmes zur Vernichtung des Gesamtdeutschtums noch immer ebenso
Wunsch und Wille der Tschechen ist, wie bei Frankreich, das nach
Dr. Kramař' Geständnis
bei den Friedensverhandlungen mit den Tschechen allein diese ihre Forderungen nicht vollends
durchdrücken konnte.
Die in der Broschüre zutage tretende Wertung des Deutschtums für die Tschechen
und für die ganze Welt wird jedem Deutschen darüber Klarheit schaffen, was er in
Zukunft von ersteren bei einer solchen Geistesverfassung für sich und sein Volk zu
erwarten habe. Die beigegebenen fünf Karten, genau nach jenen der tschechischen
Buchausgabe reproduziert und lediglich mit einigen deutschen Übersetzungen allgemein
verständlich gemacht, illustrieren mit erschreckender Deutlichkeit die dem deutschen
Volke zugedachte Zukunft.
Wir empfehlen die Übersetzung unseren Brüdern im Deutschen Reiche und in
Deutschösterreich ebenso wie unseren engeren Landsleuten; wir empfehlen sie aber
auch allen Menschen in der Welt, die sich ernst um einen dauernden Frieden
bemühen.
A. Klement
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Seite 3 des tschechischen Originals.
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Einleitung
Die Deutschen - scheint es - begreifen noch immer nicht die volle Bedeutung des
Zusammenbruches, den ihre erträumte Weltherrschaft erlitten hat.
Die Friedenskonferenz wird sich diesmal gewaltig unterscheiden von den bisher üblich
gewesenen diplomatischen Konferenzen. Sie wird nicht die bloße Beendigung des
Kampfes
zweier beziehungsweise mehrerer Staaten oder Monarchen sein.
Das begreifen aber auch viele von unseren Volksgenossen nicht, wie die Kartenskizze "Der
tschechoslowakische Staat" beweist, die in den heimischen Gegenden zirkuliert und in den
Schaufenstern ausgestellt wird.
Man muß sich entschieden gegen derartige, sehr zur Unzeit propagierte
Vorstellungen verwahren. Eine solche "Mißgeburt" würde ihre Freiheit im
Feuer des Lebens nicht einmal auf hundert Jahre hinaus behaupten. Sie könnte nicht
bestehen.
Die Zeichen und Ziele der Zeit sind diesmal auf Höheres gerichtet, als auf das bloße
Stürzen der Königsthrone: die Grundlagen der ganzen Welt sollen
umgestaltet werden.
So verkünden es wenigstens glaubwürdige Mitglieder der Entente und an ihrer
Spitze die Vertreter des mächtigsten, bereits fertigen Weltblocks: der Völker und
Staaten englischer Zunge. Verkündet und verheißen wird die Freiheit und
Gleichheit der Völker. Ein Vorhaben von riesiger Bedeutung, ungeheuer in seinen
Folgen.
Man darf es nicht bei den engbrüstigen Fragen der Kleinstaaten bewenden lassen, im
Gegenteil, man muß sich gleich in die höheren Sphären des
Weltganzen hinaufschwingen, und erst aus ihnen dann die Folgerungen für die
engeren Verhältnisse der Kleinstaaten ableiten.
Seite 4 des tschechischen Originals.
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Vor allem ist die Zeit gekommen, einmal endgültig die allslawische Frage zu
lösen. Jetzt oder nie!
Der Menschheit ist die Wankelmütigkeit angeboren. Ohne sie gäbe es keine
Folgerichtigkeit. Wankelmütigkeit und Folgerichtigkeit berichtigen sich gegenseitig und
ihre Resultante ist die durch die Erfahrung bestätigte Stetigkeit der Verhältnisse.
Was das eine Zeitalter gebärt, stürzt das andere. Der Nachwelt passen nicht immer
die Ansichten der Vorfahren und die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen. Genehm pflegt
nur eines zu sein: gesicherte Grundlagen des Siedlungsgebietes für die
Zukunft.
Es ist die Aufgabe eines fürsorglichen Vaters, für seine Nachkommenschaft solche
Grundlagen zu schaffen.
Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir unsere Ziele und Aufgaben auf der
Friedenskonferenz beurteilen.
Ein dauernder Frieden, heute der allgemeine Wunsch, ist immer eine
Machtfrage: man muß den Frieden eventuell auch aufzwingen
können.
Während des Krieges hat sich als solcher Machtfaktor bloß der Staatenblock
englischer Zunge erwiesen, der ozeanische, meerbeherrschende. Zum erstenmal ist
auch,
obwohl noch zutage nicht ganz fertig, der Block der romanischen Staaten aufgetreten, der
mittelländische. Neben diese beiden ist kläglich unsere slawische
Schlaffheit getreten. Obwohl das russische Reich seiner Ausdehnung nach das
größte
von allen war, zerfiel es doch zuerst von allen in Staub. Irrtümlich wird die Ursache nur
seiner inneren Zerfahrenheit zugeschrieben und unserem slawischen Charakter. Eine
unvollständige Erklärung. Die Ursachen stecken noch wo anders.
Die Zerfahrenheit und der Zusammenbruch wurden durch die allgemeinen politischen
Verhältnisse verursacht. Durch die tausendjährige künstliche politische
Verhetzung seitens der verschiedenen Herrschaften, in deren Interesse die Zersplitterung des
Slawentums lag.
Die Herrschaften sind aber heute verschwunden und mit ihnen die Ursachen der Verhetzung.
Dieses Hindernis mit der Zeit zu beseitigen, wird nicht so schwierig sein, wenn wir uns beizeiten
und ernstlich darum bemühen.
Die zweite von den eigentlichen Ursachen bleibt in der Regel unbeachtet, obwohl sie gerade
jetzt
die wichtigste ist: die territoriale.
Von einer ordentlichen Regelung der (peripheren) Grenzverhältnisse hängt die
ganze
Zukunft des Slawen ab, seine Gleichstellung mit den anderen Völkern und seine Freiheit,
aber auch die Dauer des ersehnten Weltfriedens. Daher ist die Frage der Regelung der
allslawischen Verhältnisse zugleich auch in hervorragendem Maße eine Frage der
ganzen Welt, die brennendste Frage von allen. Die Welt ist im eigenen Interesse
genötigt, sie vor allem zu lösen; und wenn die Vertreter des bereits
fertigen,
ozeanischen Blocks ihr Ziel, die Freiheit und Gleichheit der Völker der Welt, ernstlich
verfolgen, dann muß dieser Frage auch ihre vorzüglichste Anstrengung gelten.
Keck, aber auch folgerichtig bis in die letzten Konsequenzen, können und müssen
unsere Vertreter bei der Konferenz vor allem mit Anträgen und Ansprüchen in
dieser
Hinsicht hervortreten. Ihnen insbesonders obliegt diese Aufgabe als den Abgesandten des unter
den Slawen entwickeltsten Volkes.
Seite 5 des tschechischen Originals.
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Aber Achtung! Damit ist die Frage noch nicht geklärt. Ordnungshalber mußt die
Frage der ganzen Festlandszone aufgerollt werden, von der die Slawen nur
ein
Teil, wenn auch der zahlenmäßig stärkste sind.
In diese von der Natur abgegrenzte Zone gehört der ganze Osten Europas, beginnend an
der
Elbelinie und an der Senkrechten, welche von hier zum Böhmerwald und
südwärts weiter quer über die Alpen längs der Mittellinie der Adria
durch die Meerenge von Otranto bis zum westlichen Zipf von Kreta läuft. In Asien dann
der
westliche und nördliche Saum von Anatolien, Kaukasien, Turkestan und Sibirien.
Dies sind die Grenzen der dritten Weltzone, deren sämtliche Völker
in
eine einheitliche "Slava" zu vereinigen sind, einen Interessenverband, der durch das
Gewicht
seines Wortes und seiner Bedeutung auf den Beratungen über das "Heil der Welt"
gleichwertig ist mit den Vertretern der beiden anderen Blocks der weißen Rasse und des
vierten Blocks, der gelben Rasse.
In Europa müssen nämlich in den Verband der Festlandzone neben den Slawen
auch
die nordischen Staaten (Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland), dann auf dem
Balkan Griechenland und Rumänien aufgenommen werden.
Das Lebensinteresse aller dieser Teile der Zone ist das gleiche. Sie alle verbindet die
territoriale Lage und ihnen allen gebieten die örtlichen und die Weltverhältnisse,
wirtschaftlich und politisch in allem einheitlich vorzugehen.
Ihr gemeinsames Interesse ist die Regelung der Sicherheitsverhältnisse in
Mitteleuropa und darunter besonders die Herstellung einer sicheren
Westgrenze.
Zu diesen Interessen gehört dann freilich auch die gehörige Lösung der Frage
der Sicherheitsverhältnisse des westlichen Randgebietes des Festlandblocks im einzelnen,
daher auch der Sicherheit des tschechischen Staates.
Das ist die Aufgabe, die unsere Abgesandten und Vertreter auf der Konferenz erwartet. Sie ist
gewiß nicht klein und weit schwieriger, ernster und verwickelter, als es sich die naiven
Hersteller jenes Kärtchens vorgestellt haben. Die Frage der Grenzen des
tschechischen
Staates läßt sich heut nicht mehr für sich allein lösen, sondern nur im
Zusammenhang mit der ganzen Zonenfrage und mit der Weltfrage.
Es handelt sich da auch nicht bloß um "allmenschliche"
und "materiell-soziale" Fragen, mögen diese an sich auch noch so dringend und wichtig
sein.
Erst im gehörigen Rahmen kann die Sicherheit der Neugebilde
gewährleistet werden.
Unser Staat und der Weltfrieden
Nás stát a svetový mír
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