vor und nach dem Kriege 2. Deutsch-Südwestafrika a. Geschichte, Erforschung, Verwaltung Die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches begann bekanntlich mit dem Telegramm Bismarcks an den deutschen Konsul in Kapstadt vom 24. April 1884, in dem er die Erwerbungen des Bremer Kaufmanns Lüderitz an der südwestafrikanischen Küste (Angra Pequena) unter deutschen Schutz stellte. Damit faßte Deutschland in einem Gebiete Fuß, das schon in kolonialer Frühzeit eine Rolle zu spielen berufen schien, wovon das hochragende Kreuz des Dias von 1487 Zeugnis ablegt, das aber dann für Jahrhunderte aus dem Gesichtskreis der europäischen Mächte rückte. Erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts kamen Forschungsreisende, Prospektoren und Missionare ins Land, meist von S, da die Küsten- [91] wüste undurchdringlich schien. Nur die vorgelagerten Guanoinseln lockten den Verkehr an. 1878 ergriff England von der Walfischbucht, dem besten Hafen der gesamten Küste, Besitz, ohne jedoch irgendwelche Rechte im Inneren des Landes zu erwerben oder auszuüben. Daher konnte dort die deutsche Flagge gehißt werden (s. oben S. 11). Durch Verträge mit Portugal 1886 und England 1890 wurden die Grenzen des Schutzgebietes festgelegt. Die Erwerbungen Lüderitz's übernahm durch Kauf die "Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika". Deren Kräfte erwiesen sich aber nicht als ausreichend, um die staatliche Verwaltung zu übernehmen. Diese glitt schon bald in die Hände der Regierung über. Die Reichshoheit wurde durch einen Reichskommissar ausgeübt, als welcher 1885 Dr. Göring entsandt wurde. Die Sicherung der deutschen Herrschaft stieß auf große Schwierigkeiten. Denn das innere Hochland wurde von zwei eingeborenen Rassen beherrscht, den schwarzen Herero in der Mitte des Landes, die ihrerseits die Damara unterworfen hatten, und den Nama oder Hottentotten im S. Beide Völkergruppen sind jedoch auch nicht als Ureinwohner anzusehen (als solche gelten die heute in Resten vorkommenden Buschmänner), sondern sind in historischer Zeit von N und S erobernd ins Land eingedrungen. Das ganze 19. Jahrhundert ist von Kämpfen zwischen Gelben und Schwarzen erfüllt. Während den Herero unter Kamaherero ein Führer erstand, schloß Hendrik Witboi die Hottentotten zusammen und besiegte die Herero. Dr. Göring und seinem Nachfolger K. v. François, die mit einzelnen Häuptlingen Frieden und Schutzverträge geschlossen hatten, standen keine genügenden Machtmittel zur Verfügung, um einen dauernden Frieden zu erzwingen. 1893 wurde Major Leutwein nach Südwestafrika gesandt, der mit einer verstärkten Truppe den Kampf gegen Hendrik Witboi aufnahm. Nach dem Gefecht bei der Naukluft 1894 ergaben sich die Hottentotten, blieben jedoch im Besitz ihrer Gewehre. Nun setzte eine friedliche Entwicklung unter dem Gouverneur Leutwein ein, Regierungsstationen wurden im Lande eingerichtet, und Siedler ins Land gezogen. Die Herero beugten sich unwillig der deutschen Herrschaft, und mit tiefem Groll sahen sie sich in ihrem Lande von den eindringenden Weißen bedrängt und beengt. 1896 erhoben sich die Ostherero, 1897 der kleine Stamm der Afrikaner im Südosten, 1898 die Swartboihottentotten. Diese Aufstände wurden schnell niedergeworfen. Sehr gefährlich aber wurden die 1903 ausbrechenden gro- [92] ßen Aufstände. Als der Hauptteil der Schutztruppe auf einer Strafexpedition gegen die im Oktober 1903 aufständischen Bondelswarthottentotten im Süden des Landes weilte, brach Anfang 1904 ganz unerwartet der Hereroaufstand aus, bei dem zahlreiche Farmer ermordet wurden. Die Lage im N des Landes war sehr bedrohlich, und nur durch Sendung erheblicher Verstärkungen aus Deutschland gelang es, des Aufstandes Herr zu werden. Der an Stelle des Gouverneurs Leutwein mit der Leitung der Operationen betraute General v. Trotha griff die am Waterberg konzentrierten Herero von verschiedenen Seiten gleichzeitig an. Die Herero wurden geworfen, drangen aber nach Osten durch und flüchteten vor den nachdringenden deutschen Truppen in die Omaheke, das Sandfeld. Beträchtliche Zahlen von Eingeborenen wie auch von dem von ihnen mitgeführten Vieh haben durch Verdursten in der Omaheke ihr Ende gefunden; dem Oberhäuptling Samuel Maharero mit einer Anzahl seiner Großleute und Anhänger gelang es, englisches Gebiet zu erreichen; sie wurden am Ngamisee angesiedelt. Die im Lande verbliebenen Herero stellten sich zum größten Teil der deutschen Regierung, nachdem ihnen Schonung ihres Lebens zugesagt war und wurden später zur Arbeit herangezogen. In der zweiten Hälfte 1904 erhoben sich wiederum die Hottentotten, die zuerst Waffenhilfe geleistet hatten. Sie wurden, nachdem Hendrik Witboi im Kampf gefallen war, unterworfen. Aber erst nach langwierigem Kleinkrieg, besonders gegen den Hereromischling Morenga, wurde der Friede endlich 1907 geschlossen. Anfang 1908 standen nur noch Hottentottenbanden unter Simon Copper im Felde. Bei dem Zuge gegen sie in die Kalahariwüste fand der deutsche Führer, Hauptmann v. Erckert, den Heldentod. Der Südwester Feldzug hat das deutsche Volk große Opfer an Gut und Blut gekostet. Die eingeborene Bevölkerung ist dadurch stark dezimiert; ihr Vieh ging völlig verloren, ihr Land wurde zum großen Teil eingezogen und als Kronland unter Regierungsaufsicht gestellt. Die folgenden sieben Jahre waren eine Zeit der raschen wirtschaftlichen Entwicklung. Eine wachsende Siedlerschar bevölkerte das durch Bahnbauten erschlossene Land. Die Diamantengewinnung, seit 1908, brachte der Kolonie auch eine starke finanzielle Stellung, so daß die Schäden der Aufstandsjahre bald als überwunden gelten konnten. Eine stetige Aufwärtsbewegung von Handel und Wandel schien gewährleistet, als der Kriegsausbruch auch in Südwestafrika Deutschlands kolonialem Wirken ein Ende setzte. [93] Die Erforschungsgeschichte des Schutzgebiets kennt keine hervorragenden Reisen und Entdeckungen. Der verhältnismäßig einfache Aufbau des Landes war bald bekannt, so daß sich die Forschung frühzeitig dem Studium von Einzelgebieten und Einzelfragen widmete. Hier wie sonst haben Beamte, Offiziere, Wissenschaftler und Missionare zusammengewirkt, um ein Bild des Landes und seiner Bewohner zu gewinnen. Es seien genannt die Geologen Schenk, Fleck, Gürich; in neuerer Zeit Range und Kayser; als Geographen haben sich einen Namen gemacht Schultze-Jena, dieser auch als Zoologe, Jaeger und Waibel; dem Klima und der Hydrographie widmeten sich Dove und Rehbock, während als Ethnologen besonders Fritsch, Schinz und Vedder hervortraten. Besondere Beachtung verdienen die vom Anthropologen Fischer angestellten Untersuchungen über die Rehobother Bastards. Zu bemerken ist noch, daß das Schutzgebiet über ein ausgezeichnetes Kartenmaterial verfügte. Deutsch-Südwestafrika, etwa zwischen 18° und 28° südlicher Breite, zu beiden Seiten des südlichen Wendekreises, hatte einen Flächeninhalt von 835 000 qkm, das ist mehr als das 1¾fache der jetzigen Größe des Deutschen Reiches. Die Westgrenze bildet der Atlantische Ozean, im N trennen sie der Kunene und Okawango von Portugiesisch-Angola, im S bildet der Oranjefluß die Grenze gegen die Union von Südafrika. Die Ostgrenze gegen Britisch-Betschuanaland bildet zu drei Fünftel des Verlaufes der 20. Längenkreis, zu etwa zwei Fünftel der 22., doch schiebt sich im NW ein schmaler Streifen bis zum Sambesi vor, der sogenannte Caprivizipfel. Von den beiden natürlichen Eingangstoren des Landes an der mehr als 1400 km langen Küste, Lüderitzbucht (Angra Pequena) und Walfischbucht, ist die letztere samt den der Küste vorgelagerten Inseln in britischer Hand. Südwestafrika bildet einen Ausschnitt aus Südafrika und zeigt daher bei gewissen Eigenheiten in seinem geologischen Bau und seinen Landschaften die diesem eigenen Züge. Es umschließt den westlichen Teil des großen südafrikanischen Hochbeckens in etwa 1000 m Höhe und seine erhöhte westliche Umrandung, die bis über 2600 m ansteigt und in Steilstufen zur Küstenabdachung abfällt. Am geologischen Aufbau sind die verschiedensten Gesteinsarten beteiligt; im W, der Küstenabdachung, überwiegen kristalline Gesteine des afrikanischen Grundgebirges, die hier und dort als steile Klippen und Kuppen auf- [94] ragen. Nach O senkt sich das Hochland nur sanft und das Grundgebirge tritt hier nur selten zutage. Es wird weithin von flach lagernden jüngeren Sandsteinen und Kalkschichten oder harten vulkanischen Decken überlagert, die sich als Inselberge aus der Ebene herausheben. Bestimmend für Landschaft und Wirtschaft ist das Klima. Südwestafrika hat ein subtropisches Klima, wie es seiner Breitenlage entspricht und, auf der Westseite des Kontinents gelegen, ist es sehr regenarm. Das gilt besonders für die Küste, an der entlang der kalte Benguelastrom nordwärts zieht, der zwar häufige und dichte Nebel hervorruft, aber nur in Ausnahmefällen Niederschläge bringt. Dementsprechend sind die Temperaturen hier ausgeglichen und mäßig warm und für Europäer angenehm. Der kühlste Monat ist der August mit 12,7°, der wärmste der März mit 17,4° (Swakopmund). In den weiten Hochländern des Inneren besteht ein merkbarer Unterschied im Klima zwischen SW und NO, da die Niederschlagsmengen und die Dauer der Regenzeit von W nach O und von S nach N zunehmen, so daß der NO am feuchtesten ist (über 500 mm, stellenweise über 600 mm Regenhöhe, gegen 100 mm im SO und nur 300–400 mm in der Mitte). Dabei ist zu bedenken, daß diese Regenhöhen mit entsprechenden in unseren Breiten nicht zu vergleichen sind, da in Südwest der Regen ungleichmäßiger fällt, und die Verdunstung sehr viel stärker ist. Die Hauptregenzeit liegt im Südsommer, von Oktober bis März, mit dem Maximum im Spätsommer, jedoch fallen die Regen so unregelmäßig, daß Dürreperioden mit Überschwemmungen wechseln, aber in den einzelnen Teilen des Landes verschieden. Die großen Meereshöhen mildern die Temperaturen, die in ihren Durchschnittswerten des wärmsten und kältesten Monats von N nach S beträchtlich abnehmen. Norden: Juli 16,1°, November 26,6°. Mitte: Juni 13,4°, Januar 23,6°. Süden: Juni 8,2°, Januar 20,9°. Infolge der Lufttrockenheit und der Wolkenarmut ist die Wärmeausstrahlung sehr groß und hat hohe jährliche und tägliche Temperatursprünge zur Folge. Es treten örtlich sogar starke Nachtfröste auf. Abgesehen vom tropischen N ist das Klima für Weiße gut zu ertragen. Dem Klima entsprechend weist das Land selbst keine Dauerflüsse auf. Die ständig fließenden Grenzflüsse Kunene, Okavango und Sambesi im N, sowie der Oranje im S werden von regenreicheren Gebirgsländern gespeist. Im übrigen weist das Land nur die nach heftigen Regen- [95] güssen Wasser führenden Flußbetten, die sogenannten Riviere auf, die ihre abkommenden Wassermengen nach drei Richtungen senden: der Epikuro, Auab und Nossob nach O zur Kalahari, der Swakop und Ugab nach W zum Atlantischen Ozean, der Große Fischfluß nach S zum Oranje. Diese oft nur stunden- oder tagelang fließenden Gewässer, die sogar bei ausgiebigen Regen den Wüstengürtel durchfließen, lösen sich in der Trockenzeit in Wasserlöcher auf, bis der letzte Rest versickert ist. Sie sind für die Wasserwirtschaft sehr wichtig, da sich in ihrem Bett Grundwasser sammelt, das sich durch Bohrung oder Stau zutage fördern läßt. Der Grundwasserstrom ist zumeist schon äußerlich durch üppigere Vegetation zu erkennen. Der Wasserspiegel ist starken Schwankungen unterworfen, doch hat sich ein dauerndes konstantes Absinken noch nicht einwandfrei erweisen lassen. Die Pflanzendecke wird in ihrer Ausbildung durch den Regenfall bestimmt und gliederte sich im wesentlichen in drei westöstlich aufeinanderfolgende Zonen: die kahle, öde, pflanzenarme Küstenwüste, die nach dem Inneren von einer Halbwüste abgelöst wird, in der sich bereits Oasen mit Kräutern und Bäumen finden. Mit zunehmender Regenhöhe macht sie einer Grassteppe Platz, die im nördlichen Teil viel Dornbusch trägt, vorwiegend Akazienarten. Im Nordosten endlich, im wärmsten und feuchtesten Teil des Landes, tritt Baumsavanne auf mit laubwerfenden Bäumen. Die Tierwelt ist dem Steppencharakter des Landes angepaßt und weist zahlreiche Lauftiere wie Antilopen, Springböcke usw. auf, denen Raubtiere, Löwen, Leoparden und Schakale nachstellen. Wie der Löwe, so kommen Elefanten, Nashörner, Giraffen und Affen nur im N der Kolonie vor. Schlangen und Eidechsen sind reichlich vertreten; eine schwere Plage bilden die Heuschreckenschwärme; typisch sind die Termitenbauten. Durch die dichte Besiedlung ist der Wildbestand im S und in der Mitte dezimiert. Vier Großlandschaften lassen sich in Deutsch-Südwestafrika unterscheiden: die Namib längs der Küste, das Amboland im N, das Herero- oder Damaraland in der Mitte, das Großnamaland im S. Von diesen ist die Namib siedlungsleer, das tropische Amboland, das Wohngebiet der Ovambo, für Europäer aus klimatischen Gründen ungeeignet und aus politischen Gründen zum Reservat erklärt, so daß beide Gebiete für die Dauersiedlung von Weißen ausschalten. Um so größere Bedeutung haben die anderen Landschaften. Das Hereroland ist im wesentlichen eine große Hochebene in 1400 m Höhe, aus welcher sich einzelne Gebirgszüge und schroffe Kuppen [96] erheben; es wird im N durch das erzreiche Otavibergland begrenzt. Bemerkenswert sind in der Nordhälfte das Sandsteinmassiv des Waterberges, an dessen Fuß Quellen zutage treten, und im S der isolierte Omatokoberg (2700 m). Der südliche Teil ist am stärksten gegliedert und hat die größten durchschnittlichen Höhen (Khomashochland 1800 m). Quellen sind selten. Neben denen des Waterberges, die zur Besiedelung Anlaß gaben, sind die warmen Quellen bei Windhuk zu erwähnen. Die Regenverhältnisse (Windhuk 383 mm, Waterberg 530 mm) machen unter normalen Verhältnissen das Land zu einem guten Weidegebiet. Die Ausnutzung wird allerdings durch den Mangel an offenen Wasserstellen und die oben erwähnten Unregelmäßigkeiten der Regenfälle erschwert. Den nordwestlichen Abfall zur Küste nimmt das tief zerschnittene Kaokofeld ein, das sich trotz seiner niederen Breitenlage noch zu europäischer Besiedelung eignet. Nach O senkt sich das Hereroland zum Sandfeld der Omaheke, einem ebenen, von Gras und Baumbeständen besetzten Vorposten der Kalahari. Der südliche Teil des Schutzgebietes, Großnamaland, ist ein Tafelhochland, dessen Westrand steil und zerklüftet zur Namib abfällt. Besonders unzugänglich ist das Naukluftgebirge. Im S des Landes erheben sich die Kleinen und Großen Karrasberge, welch letztere 2200 m Höhe erreichen. Großnamaland muß sich mit erheblich geringeren Regenmengen begnügen als das Hereroland, nur die höher gelegenen Teile sind etwas günstiger gestellt. So verfügt Keetmannshoop nur über etwa 130 mm jährlich, Warmbad nur über 90 mm. Der Pflanzenwuchs ist demnach dürftiger, die Grasbüschel und Kräuter stehen weiter auseinander, aber ihr Saftreichtum gestattet noch immer Viehhaltung trotz der Wasserarmut. Der Hauptfluß ist der nach S in den Oranje mündende Große Fischfluß, der gewöhnlich während der Regenzeit und auch später noch Wasser führt und sich dann in einzelne Wassertümpel auflöst. Ebenso wie im N stellt auch hier nur die Wasserarmut einer dichteren europäischen Besiedlung Schwierigkeiten entgegen. Deutsch-Südwestafrika ist ein nur sehr dünn bevölkertes Gebiet. Bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 190 000–200 000 Köpfen hat das Land eine errechnete Dichte von 1 pro 4 qkm. Im einzelnen schwankt die Dichte jedoch. Fast unbewohnt sind die Küstenwüste und die Kalahari, stärker besetzt ist das mittlere Hochland, die höchste Dichte weist das Amboland auf. [97] Die farbige Bevölkerung ist aus verschiedenartigen Elementen zusammengesetzt, die sich in drei Gruppen einteilen lassen, deren Wohnsitze früher von N nach S aufeinanderfolgten: die zu den Bantu gehörenden Ovambo und Herero, die Bergdamara und Buschmänner, und die Hottentotten. Den N des Schutzgebietes bewohnen die dunkelfarbigen Ovambo, deren Zahl vor dem Weltkriege auf 80 000–100 000 auf deutschem Gebiet angenommen wurde, während wohl eine noch größere Zahl in Angola leben. Sie gehören zu den Bantunegern und betreiben Hackbau; Viehzucht tritt zurück. Die Herero (Ovaherero), 1912 ungefähr 50 000, welche den mittleren Teil der Kolonie bewohnen, sind gleichfalls Bantuneger. Sie sind ein viehzüchtendes Hirtenvolk gewesen, das vor mehreren Jahrhunderten südwärts über den Kunene vordrang und die alten Bewohner des Landes nach S zurückdrängte. Ihr größter Reichtum, ihre Viehherden, wurden zum erheblichen Teil durch die Rinderpest vernichtet. Trotzdem wurde die Zahl der Rinder vor dem großen Aufstande 1903–1907 auf 200 000 geschätzt, in dessen Verlauf sie jedoch fast völlig eingingen. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts befanden die Herero sich in ständigem Kampfe mit ihren südlichen Nachbarn, den Hottentotten. Gleichfalls im mittleren Teil der Kolonie wohnen die Bergdamara oder Klippkaffern (etwa 35 000), wahrscheinlich auch Bantu, jedoch mit hottentottischer Sprache. Zum Teil standen sie als dienende Klasse unter den Herero, zum Teil leben oder lebten sie frei in der Steppe als Sammler und Jäger gleich den Buschmännern. Dieses zu den ältesten Bewohnern Afrikas gehörige Volk ist kleinwüchsig und hellhäutig. Es ist den dürftigen Lebensbedingungen besonders gut angepaßt und führt jagend und sammelnd ein kümmerliches Leben. Ihre Zahl wird heute in Südwestafrika auf 8 000–10 000 geschätzt. Sie waren früher in Afrika weit verbreitet, sind aber von den durch ihre Räubereien schwer geschädigten Ansiedlern, besonders den Buren, dezimiert worden. Die dritte Gruppe bilden die Hottentotten oder Nama, vor dem Kriege etwa 15 000 Köpfe stark. Sie sind normalwüchsig, von schlanker Gestalt und gelblicher Hautfarbe. Ihre ethnologische Stellung ist noch unklar. Ihre Sprache hat hamitischen Bau, besitzt aber auch gewisse Eigentümlichkeiten der Buschmannsprache. Die Hottentotten sind ein nomadisierender Hirtenvolk, das in eine Anzahl von Stämmen zerfällt, deren wichtigste sind: die Witbois, die Bondelswarts, die Veldschoendrager (Feldschuhträger), die Rote [98] Nation, die Franzmann- und Simon-Topper-Hottentotten. Außerhalb des Namalandes wohnen die Topnaarhottentotten im Kaokoveld. Eine besondere Stellung nehmen die Rehobother Bastards ein, ein Mischlingsvolk zwischen Buren und Hottentottenfrauen, das um 1860 aus dem Kaplande nach N zog und etwa 4200 Köpfe beträgt. Von politischer Bedeutung waren, soweit wir die Geschichte des Landes verfolgen können, nur die Herero und die Hottentotten, die einen von N, die anderen von S vordringend und abwechselnd die Oberherrschaft in der Hand haltend. Die deutsche Regierung hat den Widerstand beider Völker, die sich vereint gegen die deutsche Herrschaft zur Wehr setzten, gebrochen. Daraus hat sich ergeben, daß sie ihren Stammesverband verloren, da sie ihr Land abtreten mußten, und ihr Vieh zum großen Teil umgekommen war. Von den Hottentotten leben noch heute drei Gruppen in Reservaten in ihren alten Organisationen, ebenso die Ovambo, ein Teil der Klippkaffern und die Bastards. Der Rest ist zumeist als Hauspersonal, Farmarbeiter oder Hirten im Dienste der weißen Siedler. Die weiße Bevölkerung zeigte ein ständiges erfreuliches Wachstum, wie es dem Charakter einer Siedlungskolonie entspricht, und langsam nahm der Hundertsatz der weiblichen Bewohner zu. Allerdings brachten die langen Aufstandsjahre einen schweren Rückschlag. Ausschließlich der Schutztruppe waren ansässig 1901: 3640 Personen, 1907: 7110, 1913: 14 830, davon ⅘ Deutsche (näheres s. S. 99/100). Die wirtschaftliche Erschließung Südwestafrikas und seine Eingliederung in die Weltwirtschaft ist das Ergebnis der deutschen Kolonisation. Immerhin wies das Land schon seit der Mitte des [19.] Jahrhunderts gewisse Beziehungen nach S auf. Von hier waren 1842 die rheinischen Missionare über den Oranjefluß gekommen, wo allein ein leichter Zugang gegeben war, während die Küstenwüste jede Annäherung vom Meere her sperrte. Auf dem gleichen Wege folgten später weiße Händler und Jäger, die den sich entwickelnden Viehhandel mit dem Kapland in der Hand hatten. Infolge der Fehden der Eingeborenen und der Viehräubereien fand dieser Handel um 1880 sein Ende, z. T. richtete er sich nunmehr nach Transvaal. Zu dieser Zeit, 1883/5, schloß Lüderitz seine bekannten Verträge mit den eingeborenen Kapitänen ab, wodurch riesige Ländereien in deutschen Besitz kamen. Diese übernahm zuerst die unter Beteiligung von Lüderitz gegründete "Deutsche Kolo- [99] nialgesellschaft für Südwestafrika". Damit begann die Periode der großen Konzessionsgesellschaften mit teils deutschem, teils englischem Kapital, die einen Teil des von der Deutschen Kolonialgesellschaft übertragenen Landbesitzes, aber auch neue Konzessionen besaßen. Die Landrechte dieser Gesellschaften umfaßten schließlich etwa 20% des für die Besiedelung geeigneten Landes, während ihnen auf einer weit größeren Fläche Bergrechte zustanden. Der ihnen zugedachten Aufgabe, die wirtschaftliche Erschließung durch Siedelung, Eisenbahnbau und Bergwerksanlagen zu fördern, sind sie nicht gerecht geworden. Nur die 570 km lange Otavieisenbahn wurde unter ihrer Mitwirkung angelegt. Dennoch wurde das Land allmählich von Faktoreien und Farmen besetzt. Durch besondere Abmachungen ist es 1907 nach dem verheerenden Aufstande gelungen, die Landrechte der Gesellschaften zum größten Teile zurückzuerwerben, und damit war der Weg für eine gesunde Siedelungspolitik freigemacht. Die Aufteilung wurde durch den seit dem Beginn des Jahrhunderts einsetzenden Eisenbahnbau (Eröffnung der Strecke Swakopmund–Windhuk 1902) gefördert. Der gleichzeitige Molenbau im 1892 geschaffenen Hafen Swakopmund gestattete ein schnelleres und besseres Laden und Löschen der Dampfer, die seit 1893 im regelmäßigen Verkehr den Hafen anliefen. So war nach dem Aufstand die Kolonie in wirtschaftlichem Aufblühen begriffen, das durch die Entdeckung der Diamantenfelder in der Nachbarschaft von Lüderitzbucht einen starken Auftrieb erfuhr, und auch die Finanzlage der bis dahin beträchtliche Zuschüsse erfordernden Kolonie mit einem Schlage verbesserte. Die Besiedelung ist langsam vor sich gegangen; im Beginn der deutschen Herrschaft, solange noch die Kämpfe der Witbois und Herero tobten und die Hottentotten nicht unterworfen waren, konnte eine Ansiedlung in größerem Ausmaße überhaupt nicht stattfinden. Die Hauptmenge der Weißen in der kolonialen Frühzeit stellten neben Schutztruppen und Beamtenschaft hauptsächlich Kaufleute, Händler und Missionare. Allmählich nahm die Zahl der Farmer zu, die sich namentlich aus Schutztruppenangehörigen, Händlern und Frachtführern rekrutierten. So betrug die Zahl der Europäer ohne Schutztruppen vor Ausbruch des Aufstandes, bei dem allein 123 Farmer ermordet wurden, 3815, wozu noch ungefähr 800 Schutztruppenangehörige kamen. Nach dem Aufstande mußte, [100] da die geschaffenen Werte nahezu vollständig vernichtet waren, von neuem mit der Ansiedelung begonnen werden. Aus Reichsmitteln wurden erhebliche Entschädigungssummen zum Wiederaufbau bewilligt, der im Norden und in der Mitte schnell vonstatten ging, im Süden jedoch etwas zurückblieb. Am 1. Januar 1907 befanden sich 7110 Weiße im Lande, 1913 war die Zahl auf 14 830 gestiegen, davon etwa 3000 Frauen, 3000 Kinder. Der Staatsangehörigkeit nach waren mehr als ⅘ der Bevölkerung Deutsche; an zweiter Stelle standen Kolonialengländer, zumeist Buren. In der Bevölkerungszusammensetzung und Berufsgliederung sind die Kennzeichen der jungen Entwicklung des Landes erkennbar, nämlich starkes Überwiegen der männlichen Bevölkerung und ein hoher Prozentsatz von Truppen- und Verwaltungsangehörigen. Die Verteilung der weißen Siedler ist an die natürlichen Landesverhältnisse und Gesundheitsbedingungen angepaßt. Die Küstenwüste ist unbesetzt, ebenso das Ovamboland und die trockenen Randgebiete der Kalaharisteppe. So verblieb vom Oranjefluß bis zur Otavibahn eine mittlere Zone, die etwa ⅓ der Gesamtfläche des Landes bedeckt, und über die zahlreiche Farmen, Stationen und städteartige Verwaltungsorte verstreut sind. 1910 gab es 1047 Farmen mit 10,7 Mill. ha, 1913: 1331 auf 13,4 Mill. ha. An wichtigeren Orten sind besonders zu erwähnen Windhuk, die Landeshauptstadt, mit 2000 weißen und 6000 farbigen Einwohnern, Swakopmund und Lüderitzbucht. Besiedelung und Verkehrserschließung war die Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs, dessen beide Stützen, Landwirtschaft und Bergbau, im folgenden gesondert behandelt werden sollen.
Die Viehzucht ist der wichtigste Zweig der Landwirtschaft in diesem subtropischen Steppengebiet. Sofern Trinkwasser vorhanden ist, bieten sich für sie die besten Voraussetzungen, da genügend Futter zur Verfügung steht, und die Tiere auch keiner Winterstallung bedürfen. Jedoch besteht wegen der Weideverhältnisse ein merkbarer Unterschied zwischen den Rinderzuchtgebieten des Hererolandes und den Gebieten mit Schafhaltung im Namaland. Schon die eingeborene Bevölkerung besaß große Bestände an Rindern, Schafen und Ziegen, die z. B. bei den Herero auf 200 000 Stück Rindvieh geschätzt wurden. Die Rinderpest und der Aufstand haben diese Herden fast vollständig vernichtet. Der wirtschaftliche Wert der eingeborenen Viehrassen war gering; das gilt sowohl [101] von dem sogenannten Damararind als auch von dem Afrikanerschaf. Durch Aufkreuzungen ist es gelungen, bessere Zuchtarten zu gewinnen. Die Rindviehbestände befanden sich zu ¾ in der Mitte des Landes. Das Ziel der Zucht war vorwiegend Schlachtvieh, während die Milchviehzucht noch in den Anfängen stand. 1907 wurden innerhalb der Polizeizone 52 000 Stück Großvieh gezählt, die sich bis 1910 verdoppelten und 1913 206 000 Stück zählten. Die Schafzucht hatte ihre Hauptverbreitung in südlichen Bezirken, die trotz geringerer Niederschläge den Schafen ausreichende Weidemöglichkeit bieten. Neben den Fleischschafen, die an Zahl weit überwogen, spielten die Wollschafe eine verhältnismäßig geringe Rolle, wenn ihr Anteil auch stieg: 1908, 1910 und 1913 gab es 193 000, 344 000, 473 000 Fleischschafe und 12 300, 29 000, 54 000 Wollschafe. Eine besondere, vielversprechende Stellung nahmen die aus Südwestasien (Buchara) von der deutschen Regierung eingeführten Karakulschafe ein, die die sogenannten Persianerpelze liefern. 1913 waren 10 000 Halbbluttiere und etwa 800 reine Karakuls vorhanden. Auch die Zucht der Angoraziegen hatte gute Erfolge aufzuweisen, so daß ihre Zahl sich von 33 000 im Jahre 1903 bis 1913 verzehnfachte. Die gewöhnlichen Ziegen spielten nur eine Rolle in der Wirtschaft der Eingeborenen (Bestand 475 000 Stück). Pferdezucht ist nur in beschränkten, hochgelegenen Landstrichen möglich, in denen die Pferdesterbe nicht auftritt (1913: 16 000), dagegen haben Esel und Maultier weitere Verbreitungsgrenzen. Der Schweinebestand von 7800 Stück war unbedeutend. Kurz vor dem Kriege machte man Versuche mit der Straußenzucht, die jedoch keine großen Erträge gebracht hat. Die Viehzucht kann in Südwestafrika, um lohnend zu sein, nur auf ausgedehnten Farmen betrieben werden, und zwar müssen diese um so größer sein, je trockener das Land und je dürftiger die Weide ist. Das Areal einer durchschnittlichen Farm beträgt daher in den nördlichen und mittleren Landesteilen 3000–5000 ha, im Bezirk Gibeon 10 000 ha, im Oranjegebiet 18 000–20 000 ha. Es gibt jedoch auch einige viel größere Farmen. Aus den bereits mitgeteilten Zahlen von 1331 Farmen auf 13,4 Mill. ha. ergibt sich ein Landesdurchschnitt von 10 000 ha. Neben dem Farmbetrieb spielte der Landbau eine bescheidene Rolle, obwohl die Voraussetzungen keineswegs so ungünstig sind, wie man ursprünglich annahm. Der gesamte Ackerbau beanspruchte [102] nur wenige 1000 ha; die Betriebsgröße der Ackerwirtschaft ist sehr verschieden, bei den sogenannten Kleinsiedlungen übersteigt sie kaum 15 ha. Die Zahl der zum Anbau geeigneten Gewächse ist ziemlich groß und umfaßt sowohl unsere heimischen Getreidearten und Gemüse, wie Weizen, Gerste und Kartoffeln, als auch solche der südlichen Breiten, z. B. Mais, und vor allem Früchte wie Zitronen, Pfirsiche, Wein, Feigen und Tabak. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen dem Anbau auf Regenfall und dem mit Hilfe der künstlichen Berieselung. Der erstere findet sich nur im Norden, z. B. im Bezirk Grootfontein, also in einem Gebiet mit 600 mm Niederschlag. Er hat sich nach berechtigtem Zögern als erfolgreich erwiesen, bringt jedoch infolge der geringen Regenhöhe und der Unsicherheit des Regens ein gewisses Risiko mit sich und verlangt sorgfältige Bodenauswahl. Das wichtigste Produkt ist Mais, daneben werden auch Mohrenhirse und Bohnen angebaut. In welcher Weise sich diese Flächen ausdehnen lassen, hat der während des Krieges vorgenommene Maisbau bewiesen, zu dem die ausbleibenden Zufuhren an Lebensmitteln von außen zwangen. Der Gartenbau mit künstlicher Bewässerung ist räumlich viel weiter verbreitet und findet sich überall dort, wo durch künstliche Bohrung oder Stau das unterirdische Grundwasser zur Berieselung mit Erfolg verwendet werden kann. Derartige Berieselungsflächen mit Kleinsiedlungen finden sich in größerer Zahl am Waterberg im Hereroland, bei Windhuk, im Bezirk Okahandja im Swakoptal. Hierher kommen die meisten der oben genannten Gemüse und Früchte, die in den benachbarten größeren Orten ihren Markt haben. Die Besiedelung des Landes hängt, wie erwähnt, im wesentlichen von der Wassererschließung ab. Das gilt für die Viehzuchtgebiete, die Tränkstellen benötigen, ebenso wie für den eben behandelten Gartenbau. Die Wassererschließung erfolgt auf zwei Wegen, durch Bohrung und künstliche Hebung, bei denen auch, bei günstiger Lagerung, das Wasser selbsttätig aufsteigt (artesische Brunnen), oder durch Stau, wobei dieser oberirdisch in Stauweihern oder unterirdisch durch Grundwehre vorgenommen wird. Eine Anzahl solcher Stauanlagen befanden sich auf Farmen teils als Viehtränke, teils als Wasserspeicher für Feldberieselung. Gleich dem übrigen Südafrika ist Südwest reich an den verschiedensten nutzbaren Gesteinen und Mineralien, die sich zumeist im Grundgebirge finden. Nur die Diamanten treten im losen Dünen- [103] sand auf. Das Vorkommen von Kupfererzen ist über weite Strecken hin festgestellt worden. Der wichtigste Kupferbezirk ist das Otavibergland mit den Minen in Otavi und Tsumeb. Da eine Ausbeutung dieser reichen Lager nur mittels einer Bahn erfolgen konnte, wurde von 1903–06 die bereits erwähnte Otavibahn (570 km) als Privatbahn von der Grubengesellschaft erbaut und wurden modern eingerichtete Grubenanlagen geschaffen. Während die Erze mit mehr als 20% Gehalt direkt versandt werden konnten, wurden die weniger reichen an Ort und Stelle aufbereitet und verhüttet. Als Nebenprodukt wird noch Blei gewonnen. An sonstigen Mineralien und Erzen kommen vor Vanadium, Zinn, Gold, Eisen, Flußspat und Marmor, ohne daß diese jedoch eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Als wichtigstes Bergbauprodukt sind die Diamanten zu nennen, die 1908 zufällig gefunden wurden und schnell einen bedeutenden Diamantenabbau haben entstehen lassen, der sich um Lüderitzbucht und Kolmannskuppe konzentrierte. Bis zum Kriegsausbruch konnten im ganzen für 170 Millionen Mark Diamanten ausgeführt werden. Wie das Kupfererz das Wirtschaftsleben des Nordens anregte, so die Diamanten das des Südens. Beide zusammen haben die Ausfuhr des Landes stark gehoben. Der großen Bedeutung des Bahnbaus für die Erschließung ist bereits mehrmals im Zusammenhang Erwähnung getan worden, so daß hier nur noch eine kurze Zusammenfassung gegeben zu werden braucht. Als die Rinderpest 1897 den bis dahin allein üblichen und möglichen Ochsenwagenverkehr von der Küste zum Inneren ungewöhnlich behinderte, und damit unabsehbarer politischer und wirtschaftlicher Schaden drohte, wurde die Bahn Swakopmund–Windhuk als erste erbaut (382 km). Die Otavibahn (samt Nebenbahnen 670 km) wurde mehrfach erwähnt. Die Südbahn Lüderitzbucht–Keetmannshoop samt der Abzweigung nach Kalkfontein wurde 1908 und 1910 fertiggestellt und ist 545 km lang. Diese drei Stichbahnen wurden durch eine Nord-Süd-Bahn von 528 km Länge zwischen Windhuk und Keetmannshoop verbunden, so daß das gesamte Streckennetz 2126 km betrug. Trotz dieses Liniennetzes, des besten, das unsere Kolonien aufzuweisen hatten, spielte vor dem Kriege der alte landesübliche Ochsenkarren noch eine gewichtige Rolle, obwohl seine Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit sehr gering ist. In neuerer Zeit hat er in immer steigendem Maße dem Last- und Personenkraftwagen weichen müssen.
[104] Es bleibt noch übrig, einen Blick auf die Entwicklung des Außenhandels der Kolonie zu werfen, obwohl im Gegensatz zu den sonstigen deutschen Besitzungen gerade die Bedeutung Deutsch-Südwestafrikas, das eine Siedlungskolonie war, aus der Handelsstatistik nicht abzulesen war. Die Einfuhr stieg von etwa 10 Millionen Mark 1901 auf etwa 32,4 Millionen Mark 1907 und auf 43,4 Millionen Mark 1913, lag jedoch 1910 und 1911 noch etwas höher. Von einer bedeutenden Ausfuhr war lange Jahre nicht die Rede; erst mit dem Erscheinen der Bergbauprodukte trat dann ein steiler Aufstieg ein, von 1,6 Millionen Mark 1907 auf 34 Millionen Mark 1910 und 70 Millionen Mark 1913. An Ein- und Ausfuhr war Deutschland mit je über 80% beteiligt. Die Einfuhr umfaßte alle Gegenstände des europäischen Bedarfes. An der Spitze der Verwaltung stand ein Kaiserlicher Gouverneur (früher Reichskommissar, dann Landeshauptmann) mit dem Amtssitz in Windhuk. Der erste Reichskommissar war seit 1885 Dr. Göring. Ihm folgte 1889 v. François. Gouverneure waren weiter 1894–1905 Leutwein, 1905–1907 v. Lindequist, 1907 bis 1910 v. Schuckmann, 1910 bis zum Kriegsende Dr. Seitz. Die Lokalverwaltung wurde von Bezirksamtmännern und Distriktchefs wahrgenommen. Es gab folgende Bezirksämter: Outjo, Grootfontein, Omaruru, Swakopmund, Karibib, Windhuk, Rehoboth, Gibeon, Lüderitzbucht, Keetmannshoop und Warmbad und Distriktsämter in Okahandja, Gobabis, Maltahöhe, Bethanien und Aroab (Hasuur). Der Norden des Landes blieb außerhalb der sogenannten Polizeigrenze ohne Verwaltung, nur im Caprivizipfel gab es eine Residentur. Der Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande diente eine weiße Schutztruppe von ungefähr 2000 Mann (1913), sowie eine Landespolizei von 500 Mann. Die Kolonie wies vor dem Kriege eine günstige Finanzlage auf, seitdem aus der Diamantenausfuhr der Verwaltung hohe Einnahmen zuflossen. Nur für die Schutztruppe leistete das Reich noch einen Zuschuß, der jedoch in den früheren Jahrzehnten viel höher gewesen war. Wenn auch einzelne Teile des Landes, so besonders das Amboland, für Europäer aus klimatischen und gesundheitlichen Grün- [106] den für Daueraufenthalt ungeeignet erscheinen, so ist der weitaus überwiegende Teil der Kolonie bei Beachtung gewisser hygienischer Vorschriften als seuchenfrei anzusehen. Infolgedessen bedurfte Südwest auch nicht derartig kostspieliger sanitärer Maßnahmen wie die tropischen Schutzgebiete. Schutztruppenärzte sowie Privatärzte standen im Bedarfsfall in genügender Zahl bereit, und vorbildliche Krankenhäuser und Truppenlazarette nahmen die Kranken auf. An Sondereinrichtung verdient das in Windhuk gelegene Entbindungsheim "Elisabethhaus" Erwähnung. Auch für die farbige Bevölkerung waren ausreichende Krankenanstalten vorhanden. Seit 1839 bereits waren deutsche evangelische Missionare der Rheinischen Mission im Lande tätig, denen später auch finnische folgten. (Insgesamt 31 Hauptstationen mit 79 Europäern.) Erst um die Jahrhundertwende begannen katholische Missionen mit ihrer Arbeit in Südwest (16 Niederlassungen und 83 Angehörige). Kennzeichnend für die Arbeit der Sendboten beider Konfessionen war der enge Zusammenhang von kirchlicher und praktischer Erziehungsarbeit, zum Teil auch mit ärztlicher Wirksamkeit. Das gesamte Schulwesen der Eingeborenen lag dementsprechend in der Hand der Missionsgesellschaften, die 165 evangelische und 197 katholische Schulen unterhielten, vom Gouvernement wohlwollend gefördert. Dem Charakter Südwests als Siedlungskolonie entsprechend war das Schulwesen für die weiße Bevölkerung gut ausgebaut. Außer den 17 Regierungsschulen, die den heimischen Volksschulen entsprachen und zum Teil mehrklassig waren, besaß Windhuk seit 1909 eine Kaiserliche Realschule, die ebenso wie die städtische Realschule in Swakopmund im Ausbau begriffen war. Eine private katholische höhere Mädchenschule war ferner in Windhuk vorhanden. Im Süden der Kolonie existierte noch eine private burische Schule. Im ganzen betreuten 1914 etwa 50 Lehrer und Lehrerinnen 1200 Kinder.
(i) Überblick 1915–34 Nach dem unglücklichen Ausgang des Feldzuges 1914/15 kam Südwest unter die Verwaltung der Südafrikanischen Union. Jedoch auf Grund der günstigen Übergabebedingungen wurden zunächst unbillige Härten vermieden. Aber die Friedensbedingungen von [106] Versailles gaben dem Sieger die Handhabe zur Ausweisung von mehr als 6000 Deutschen. Nach Übertragung des Völkerbundsmandats an die Südafrikanische Union, von 1920 ab, erfolgten zwar keine Ausweisungen mehr. Doch war das Deutschtum in wichtigsten Fragen schwer benachteiligt, einmal auf dem Gebiete des Schulwesens, ferner in der Sprachenfrage und in der Frage des Wahlrechts, sodann auch in wirtschaftlicher Hinsicht durch eine den Interessen Südwestafrikas und ganz besonders der deutschen Farmer nicht entsprechende Wirtschaftspolitik und eine einseitige Forderung der Burenansiedlung (Angola-Buren). Durch das Naturalisationsgesetz vom 12. September 1924 erlangte die Mehrzahl der Deutschen in Südwestafrika automatisch die britisch-südafrikanische Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung ihrer deutschen Reichsangehörigkeit. Nach langem Ringen, in dem der Deutsche Bund als Wortführer der Deutschen auftrat, und nach mannigfachen Schwierigkeiten kam auf der Grundlage des sogenannten Kapstädter Memorandums am 27. April 1932 im Landesrat ein Kompromiß zwischen den Deutschen und Buren zustande, nach dem die Unionsregierung als Mandatar ersucht werden sollte, für Südwestafrika die deutsche Sprache als dritte Amtssprache einzuführen, ferner alle Ende 1931 in Südwestafrika ansässigen Deutschen automatisch zu naturalisieren und ihnen damit das Wahlrecht zu geben, sowie für neue Zuwanderer die Frist zur Naturalisation auf zwei Jahre herabzusetzen (wie für die Einwanderer aus Südafrika) und die gesetzgeberischen Befugnisse des Landesrats zu erweitern. Der Erstminister Hertzog sagte zu, daß er sich im Unionsparlament dafür einsetzen werde. Infolge der Gestaltung der parlamentarischen Verhältnisse in Südafrika ließ sich das in jener Session nicht mehr ermöglichen. In Südwestafrika kam es inzwischen zu einem Stimmungsumschwung. Die burische Südwestafrikapartei zeigte sich nicht mehr gewillt, das Kapstädter Abkommen zur Durchführung zu bringen, sondern forderte von neuem die völlige Angliederung des Mandatsgebietes an die Union als fünfte Provinz. Die deutschen Landesratsmitglieder antworteten mit dem Auszug aus dem Landesrat. Zwangsmaßnahmen gegen die Anhänger des Nationalsozialismus in Südwestafrika und das schließliche Verbot der NSDAP. 1934 verschärften die Lage. Bei den Neuwahlen November 1934 erhielt die Südwestafrikapartei eine starke Majorität im Landesrat (12 gegen 3 deutsche und 3 sonstige gemäßigte Parteien). Mit dieser Mehrheit [107] wurde der Beschluß gefaßt, bei der Südafrikanischen Union zu beantragen, daß das Mandatsgebiet als fünfte Provinz der Union verwaltet werden und daß die Einwohnerschaft Südwests eine Vertretung im Südafrikanischen Parlament erhalten solle. Von deutscher Seite ist gegen dieses mit dem Mandatsystem unvereinbare Vorgehen entschiedener Widerspruch erhoben worden. Nach den bei Abschluß dieses Buches vorliegenden Nachrichten scheint es nicht, daß die Südafrikanische Union dem Antrag stattzugeben geneigt ist, und zwar nicht nur aus mandatrechtlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Wenn hiernach nicht anzunehmen ist, daß es gegenwärtig zu einem solchen einen Bruch des Mandatsrechts bedeutenden Vorgehen kommt, so steht doch das Deutschtum in Südwestafrika ständig unter stärkstem politischen und wirtschaftlichen Druck. Aber all das kann unsere deutschen Volksgenossen draußen nicht mürbe machen, die treu an ihrem Deutschtum und der alten Heimat festhalten. Nach den letzten Schätzungen beträgt die farbige Bevölkerung rund 240 000. Von diesen leben jedoch kaum 100 000 in der sogenannten Polizeizone, die übrigen weit überwiegend im Ovamboland im tropischen Norden. Die Zahl der Weißen stieg beständig. Sie betrug 1921: etwa 21 000; 1927: 25 000; 1932: 32 000. Betrug jedoch vor dem Kriege der deutsche Anteil etwa 80%, so ist er infolge der starken, von der Regierung geförderten, burischen Einwanderung auf weniger als 40% gesunken. Es leben gegenwärtig ungefähr 12–13 000 Deutsche im Mandatsgebiet. Die Verteilung der verschiedenen Nationalitäten zeigt, daß die Städte an der Küste wie im Inneren ihre deutsche Mehrheit fast überall behauptet haben. Das gilt auch von ländlichen Bezirken nördlich von Windhuk. Im Süden des Landes haben jedoch die burischen Farmer die überwiegende Mehrheit. Trotz aller politischen und wirtschaftlichen Zurücksetzung hat sich, wie erwähnt, die Zahl der Deutschen halten können, wenn auch vielfach nur in schwierigster Lage, und sie stellen wie einst das kulturell führende und wirtschaftlich fortschrittliche Bevölkerungselement dar. Die Engländer sind zahlenmäßig nur eine kleine Minderheit, die nirgends zusammenhängend siedelt. Das Gebiet des Mandats umfaßt heute wieder das ehemals deutsche Gebiet, nachdem der mehrere Jahre rechtswidrig abge- [108] trennte Sambesizipfel wieder angegliedert wurde. Andererseits untersteht die alte britische Kolonie Walfischbay mit weit überwiegend nichtdeutscher Bevölkerung der Mandatsverwaltung und genießt die Rechte von dessen Einwohnern. Die Verwaltung liegt in der Hand eines von Kapstadt entsandten Administrators, dem seit 1926 ein Landesrat mit sehr beschränkten Befugnissen zur Seite steht. Da bei seiner politischen Zusammensetzung (1926: 9 Deutsche, 1929: 7 Deutsche, 1934: 3 Deutsche von 18 Mitgliedern) ein Vorteil aus einer Erweiterung seiner Zuständigkeit nicht zu erhoffen war, ist deutscherseits eine Propaganda hierfür nicht erfolgt. Die Bezirkseinteilung aus der deutschen Zeit ist im wesentlichen beibehalten worden. Jeder Bezirk wird von einem magistrate verwaltet, der zugleich richterliche Funktionen versieht, an Stelle der früheren Bezirksrichter. An Stelle des deutschen Rechtes ist das römisch-holländische Recht und das umständliche englische Prozeßverfahren eingeführt worden, was von den Deutschen als schwere Benachteiligung empfunden wird. Die in den ersten Nachkriegsjahren durch Ausweisung zahlreicher Missionare gehemmte Missionsarbeit ist in den folgenden Jahren wieder voll aufgenommen worden und sogar erweitert worden. Neben den Schulen für Eingeborene unterhalten die Missionsgesellschaften mehrere Krankenhäuser und führen die katholische höhere Mädchenschule in Windhuk weiter. Neben die schon in deutscher Zeit ansässigen deutschen evangelischen und katholischen und die protestantischen finnischen Missionare sind in den letzten Jahren Wesleyaner und Anglikaner getreten. Während sich in dem Schulwesen der Eingeborenen, die wie in deutscher Zeit fast ausschließlich in Missionsschulen unterrichtet werden, keine wesentlichen Änderungen ergeben haben, hat das Schulwesen für weiße Kinder unter der Mandatsverwaltung ein völlig anderes Gesicht bekommen. Einerseits hat sich mit der Zahl der Schulen, überhaupt mit der starken Zunahme der Bevölkerung sehr vermehrt, so daß heute 64 Regierungsschulen bestehen. Auf der anderen Seite steht die deutsche Schule, der festeste kulturelle Rückhalt der Deutschen, für den sie kein Opfer zu groß dünkt, seit fast 20 Jahren den heftigsten Angriffen in schwerem Ringen um [109] ihre Erhaltung. Während ein Teil der deutschen Schulen als reine Privatschulen, zum Teil kleine Farmschulen, weiterbestehen konnten, erhalten andere Regierungsunterstützung. Leider sind mehrere bereits eingegangen und den bestehenden Regierungsschulen mit burisch-englischer Schulsprache als deutsche Abteilung angegliedert, während an anderen Stellen die Verwaltung bei genügender Schülerzahl deutsche Abteilungen von sich aus eingerichtet hat (im ganzen 12). Im Jahre 1932 überwog bereits die Zahl der Regierungsschüler mit 886 die der Privatschüler mit 612, von denen mehr als ⅓ die anerkannte deutsche Oberrealschule in Windhuk besuchten, den Stolz des Südwester Deutschtums. Für die Wirtschaft Südwestafrikas bedeuteten die Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre eine schwere Krisenzeit, wenn auch die Jahre 1918/19 eine kurze Scheinblüte brachten. Erst 1924 mit der Konsolidierung der inneren Verhältnisse setzte ein Aufschwung ein. Zahlreiche neue Farmen wurden ausgegeben, vor allem jedoch an neueinwandernde Buren, die erhebliche Regierungszuschüsse erhielten, die Viehwirtschaft brachte auskömmlichen Gewinn, die Bergbauproduktion hob sich. Da führten 1929 die ausbleibenden Regen eine schwere Krise herbei, um so mehr, als auch die folgenden Jahre, außer 1930, ungewöhnlich regenarm waren. Die Regenzeit 1933/34 brachte wieder genügend Niederschläge, die leider stellenweise sogar zu ausgedehnten Überschwemmungen führten. Zu den inneren Schwierigkeiten, die noch dazu durch die Zollunion mit der Südafrikanischen Union verschärft wurden, trat der Preissturz auf dem Weltmarkt, der die landwirtschaftlichen Erzeugnisse schwer traf, den Bergbau aber seit 1931 völlig zum Erliegen brachte. Durch Umstellungen in der Produktion hat man die schweren Erschütterungen zu mildern gesucht, aber die Kaufkraft der Bevölkerung hat stark abgenommen, da der Außenhandel erschreckend zusammengeschmolzen ist. Kennzeichnend für die Landwirtschaft der Nachkriegszeit ist die starke Erweiterung der befarmten Fläche, die sich etwa verdoppelte, und heute ungefähr 25 Mill. ha beträgt. Gleichzeitig ist die von Kleinsiedlungen beanspruchte Fläche von etwa 7600 ha auf 20 000 ha gestiegen. Auch die Viehbestände haben eine starke Zunahme erfahren, gleichzeitig ist jedoch eine Intensivierung zu verzeichnen, indem an die Seite des früher weit überwiegenden Fleisch- [110] schafes in ständig steigender Zahl das Wollschaf und das Karakulschaf getreten ist; in der Rinderwirtschaft ist gleichfalls bei Vervierfachung der Gesamtzahl ein Übergang von der Fleischproduktion zur Milchwirtschaft festzustellen und an Stelle des lebenden Viehs wird fast nur noch Gefrierfleisch ausgeführt, das in den 1927 eröffneten Kühlanlagen in Walfischbucht hergestellt wird. Aber alle diese Maßnahmen haben die Notlage der Farmer nur wenig bessern können. Allein die Karakulzucht hat infolge der guten Karakulfellpreise manchen Farmer vor der schlimmsten Not bewahrt. Der Viehbestand zeigte 1932 folgende Zusammensetzung in Tausend.
Die Erzeugnisse der Kleinsiedelungen wie Weizen, Mais, Kartoffeln, Bohnen und Tabak vermögen bei weitem noch nicht den Eigenbedarf des Landes zu decken, das daher eine bedeutende Einfuhr dieser Artikel nötig hat. Eine erfreuliche Entwicklung hat die Küstenfischerei genommen, die ihren Hauptsitz in Lüderitzbucht hat, und hauptsächlich Hummern und Langusten für die Ausfuhr liefert. Der Diamantbergbau, der vor dem Kriege 80% des Gesamtausfuhrwertes lieferte und Tausende von Menschen beschäftigte, ist infolge ungünstiger Marktverhältnisse seit 1932 völlig eingestellt, nachdem der Ausfuhrwert der Diamanten von 2 Mill. £ 1926 auf 1/10 1932 zusammengeschrumpft war. Noch bedeutend stärker war der Rückgang des Gesamtwertes der verschiedenen Kupferbergbauerzeugnisse der Otawigesellschaft, von 900 000 £ 1929 auf 19 700 £ 1932. Die sonstigen Bergbaubetriebe haben ebenfalls stark gelitten, so daß der Gesamtanteil dieser sämtlichen Produkte an der Ausfuhr von 70%: 1930 auf 18%: 1932 zurückfiel. Der Kupferbergbau wurde 1933 ganz eingestellt. Dieser Rückgang hat nicht nur die betroffenen Arbeiter und Angestellten schwer betroffen, sondern auch durch Steuerausfälle, Rückgang der Eisenbahnfracht usw. die Finanzlage des Mandatsgebietes in Mitleidenschaft gezogen, die schon schwer durch die schwierigen Verhältnisse in der Landwirtschaft erschüttert wurde. Außer diesen äußeren Schwierigkeiten ist aber das Mandatsgebiet nicht nur durch die Zoll- und Handelspolitik der Südafrikanischen Union, mit der es ein [111] einheitliches Zollgebiet bildet, schwer benachteiligt, sondern muß auch die Kosten für die aus politischen Gründen forcierte Ansiedelung der Buren tragen. Erst auf Einspruch des Völkerbundes wurden die Häfen und Eisenbahnlinien des Landes, die der Mandatar der Verwaltung seiner eigenen Eisenbahnen angliederte, im Jahre 1930 wieder abgelöst, und weisen jetzt beträchtliche Fehlbeträge auf, während vor dem Kriege die Eisenbahnlinien einen bedeutenden Überschuß erbrachten. Der Außenhandel nahm folgende Entwicklung (in Tausend £): 1921 Einfuhr 1211, Ausfuhr 1587; 1925 Einfuhr 2189, Ausfuhr 2190; 1928 Einfuhr 2881, Ausfuhr 3335; 1930 Einfuhr 2120, Ausfuhr 2617; 1931 Einfuhr 1631, Ausfuhr 1438; 1932 Einfuhr 884, Ausfuhr 1150. Neben dieser in die Augen springenden Wertminderung, deren Gründe oben erwähnt wurden, hat die Richtung des Außenhandels sich geändert. Deutschland, das vor dem Kriege mit 80% beteiligt war, ist heute völlig zurückgedrängt. Unter den Lieferanten steht die Südafrikanische Union weitaus an überragender Stelle, während sie in der Ausfuhr nicht eine derartige Position einnimmt. Bemerkenswert ist weiterhin, daß die Ausfuhr nach der Union sich zu einem bedeutenden Teile der während des Krieges erbauten Verbindungsbahn bedient, wodurch die Häfen an Umsatz verloren haben.
Im Verkehr ist neben der eben erwähnten Bahnlinie eine weitere Strecke von Windhuk nach Gobabis erbaut worden. Im Überlandverkehr hat sich das Automobil eine führende Stellung erobert, ihre Zahl beträgt etwa 3000. Ein regelmäßiger Flugverkehr mit Junkersflugzeugen verbindet Windhuk mit Grootfontein, mit
Keetmanshoop-Kimberley, sowie mit Swakopmund und Walfischbucht. Dieses ist nunmehr der Haupthafen des Landes geworden. Swakopmund hat seine Bedeutung verloren und hat einen bescheidenen Ersatz in seinem Badebetrieb und seiner gut besuchten Schule gefunden. |