Wie die Nationalsozialisten zum Christentum standen
Artikel aus The
Barnes Review, Nov./Dez. 1999, S. 55-57.
Mit einem Nachtrag vom Scriptorium:
Eine oft wiederholte Zeitungsente behauptet, daß die Nationalsozialisten gegenüber dem Christentum feindselig eingestellt waren. Ganze Bücher, wie z. B. John S. Conways The Nazi Persecution of the Churches, 1933-1945,1 wurden geschrieben, um diesen Mythos zu entwickeln. Nichts könnte jedoch weiter von der Wahrheit entfernt sein. Adolf Hitler und viele, die ihn unterstützten, waren den christlichen Kirchen und ihrer Sache gegenüber freundlich gesinnt. Das Programm der Nationalsozialistischen Partei, das offiziell im Februar 1920 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schloß einen Paragraphen über das Christentum ein. Punkt 24 der 25 Punkte des Programms besagte:
Die Feststellung war sorgfältig ausgearbeitet und reflektierte das allgemeine nationalsozialistische Prinzip der Nichteinmischung in kirchliche Angelegenheiten. Während sie ablehnte, irgend eine besondere christliche Glaubensrichtung oder lehrmäßige Perspektive gutzuheißen, hieß sie in klarer Sprache "Positives Christentum" und religiöse Freiheit gut. Die Kirchen in einem nationalsozialistisch beherrschten deutschen Staat würden die Freiheit haben, ihre Aufgaben zu erfüllen, solange sie nicht die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit bedrohen, oder Ansichten und Tätigkeiten förderten, die historische deutsche Sitten und Moral verletzten. Sicher teilten nicht alle Nationalsozialisten diese Ansicht. Es gab innerhalb der Partei zwei mächtige Strömungen. Eine, die von Männern wie Alfred Rosenberg (dem späteren Reichsminister für die besetzten Ostgebiete) repräsentiert wurde, wollte Deutschland zu einem atheistischen Staat machen. Die andere, von Männern wie Hanns Kerrl (dem späteren Reichsminister für Kirchenangelegenheiten) repräsentiert, trat für das Christentum ein. Aber es war Hanns Kerrl und nicht Rosenberg, der die Mehrheit hinter sich hatte. In Anerkennung der Zusammenarbeit der Partei mit den Kirchen in ihrer Anstrengung, Deutschland zu reformieren, wurden die Angehörigen der Sturmtruppen [SA, SS] angehalten, an Gottesdiensten in ihren Uniformen teilzunehmen. Obwohl Hitler kein Glaubensbekenntnis abgab, weigerte er sich, sich mit den antichristlichen Ansichten einiger seiner Genossen wie Rosenberg zu identifizieren. Zudem erwähnte er in seinen Reden wiederholt "den Allmächtigen" und "[die] Vorsehung", wie er auch die zwei Gegensätze des Christentums angriff, den Marxismus und den Atheismus. Die Nationalsozialisten zeigten kein direktes Interesse an theologischen Angelegenheiten, wie auch nicht an solchen Dingen, die nur für die inneren Gegebenheiten der Kirche von Bedeutung waren. Deshalb konnten sich die Nationalsozialisten im Jahre 1938 zu Recht rühmen, daß sie sich nicht in das religiöse Leben der Kirchen eingemischt hatten:
Im Jahre 1935 stellte ein Artikel in einer nationalsozialistischen Bekanntmachung klar, was der Unterschied zwischen "politisch" und "religiös" sei. Laut seinem Verfasser:
Wegen ihrem Engagement für eine strenge Trennung von Kirche und Staat bestanden die Nationalsozialisten darauf, daß die Kirchen keinen aktiven Teil in der politischen Entwicklung des Dritten Reiches spielen sollten. Solange sich die Kirchen auf religiöse Dinge beschränkten, war ihre Freiheit garantiert.
Der Mehrheit der protestantischen Geistlichkeit und Laien war das nationalsozialistische Bestehen auf Trennung zwischen Religion und Politik weder neu noch unwillkommen. Es war etwas, das grundlegend für die lutherische Tradition "der getrennten Königreiche" war - eines irdisch und das andere himmlisch.6 Die Forderung von Jesus, "dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist", wurde historisch als die Trennung zwischen Politik (Kaiser) und Religion (Gott) ausgelegt. Anfang 1932 gab es 28 protestantische Landeskirchen in Deutschland, die alle [sich] ähnliche Organisationsformen hatten. Ihnen allen standen entweder Bischöfe oder Oberaufseher mit Synoden vor, die als ihre regierenden Organe dienten. Sie alle waren unabhängig von politischer Kontrolle durch die Regierung.
Ernüchtert durch die ökonomische Krise der Großen Depression, verließen viele Deutsche die Kirche, besonders zwischen 1930 und 1933. Jedoch mit Hitlers Aufstieg zur Macht kehrte sich diese Tendenz um. Die nationalsozialistische Ermutigung und Freundschaft gegenüber dem christlichen Glauben stieß auf geneigte und empfängliche Ohren in den deutschen Gemeinden, was zu einem Wiederaufleben in den Kirchen führte.10 Die Anwesenheit führender nationalsozialistischer Mitglieder und Hitlers Angriffe auf den "gottlosen Marxismus", "jüdischen Materialismus" und die zersetzende Moralität, zusammen mit der Forderung der Regierung nach dem Ausüben von Autorität und Führung und dem Beleben der Moral, gab dem durchschnittlichen Deutschen einen klaren Beweis, daß die Nationalsozialisten prochristlich waren, in der Tat so sehr, daß das Jahr 1933 als "das Jahr der Kirche" bekannt wurde.11
Anmerkungen:
1John S. Conway, The Nazi
Persecution of the Churches, 1933-1945 (London: Weidenfeld and Nicolson, 1968).
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2Alfred Rosenberg, Hg., Das Parteiprogramm:
Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP, 21. Aufl. (München:
Parteidruckerei,
1941), S. 15. ...zurück...
3Walther Hofer, Nationalsozialismus. Dokumente,
1933-1945 (Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch, 1961), S. 133. ...zurück...
4"Positives Christentum", Wille und Macht
(15. April 1935). ...zurück...
5Hofer, op.cit. (Anm. 3), S. 136. ...zurück...
6Eine gründliche Diskussion über Martin
Luthers Theologie erschien in Alister E. McGraths Christian Theology: An Introduction
(Oxford: Blackwell, 1994), S. 55-75. ...zurück...
7Martin Broszat, Der Staat Hitlers
(München:
Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1969), S. 285. ...zurück...
8A. J. Ryder, Twentieth-Century Germany: From
Bismarck to Brandt (New York: Columbia UP, 1973), S. 281. ...zurück...
9Zit. in: Paul F. Douglas, God Among the
Germans (Philadelphia: U Pennsylvania P., 1935), S. 81-82. ...zurück...
10Broszat, op.cit. (Anm. 7), S. 286. ...zurück...
11Friedrich Zipfel, Kirchenkampf in Deutschland,
1933-1945: Statistiken für Berlin (Berlin: Walter de Gruyter, 1965), S. 18. ...zurück...
Nachtrag vom
Scriptorium:
Hitler und die Kirchen
Rede Adolf Hitlers vom 30. Januar 1939 Auszug aus: Max Domarus, Hitler - Reden und Proklamationen 1932-1945, S. 1058. "Zu den Vorwürfen, die in den sogenannten Demokratien gegen Deutschland erhoben werden, gehört auch der, das nationalsozialistische Deutschland sei ein religionsfeindlicher Staat. Ich möchte dazu vor dem ganzen deutschen Volk folgende feierliche Erklärung abgeben: 1. In Deutschland ist niemand wegen seiner religiösen Einstellung bisher verfolgt worden, noch wird deshalb jemand verfolgt werden. 2. Der nationalsozialistische Staat hat seit dem 30. Januar 1933 an öffentlichen Steuererträgnissen durch seine Staatsorgane folgende Summen den beiden Kirchen zur Verfügung gestellt:
im Rechnungsjahr 1934: 170 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1935: 250 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1936: 320 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1937: 400 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1938: 500 Millionen RM. Dazu noch jährlich rund 85 Millionen Reichsmark aus Zuschüssen der Länder und rund 7 Millionen Reichsmark aus Zuschüssen der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Dazu kommen noch die zahllosen Schenkungen, testamentarischen Übereignungen und vor allem die Ergebnisse ihrer Kirchensammlungen. Ebenso ist die Kirche im nationalsozialistischen Staat auf verschiedenen Gebieten steuerbegünstigt und besitzt für Schenkungen, Vermächtnisse usw. die Steuerfreiheit. Es ist daher - gelinde gesagt - eine Unverschämtheit, wenn besonders ausländische Politiker sich unterstehen, von Religionsfeindlichkeit im Dritten Reich zu reden. Wenn aber wirklich die deutschen Kirchen diese Lage für sie als unerträglich ansehen sollten, dann ist der nationalsozialistische Staat jederzeit bereit, eine klare Trennung von Kirche und Staat vorzunehmen, wie dies in Frankreich, Amerika und anderen Ländern der Fall ist. Ich möchte mir nun die Frage erlauben: Welche Beträge haben im selben Zeitraum Frankreich, England oder [die] USA an ihre Kirchen durch den Staat aus öffentlichen Mitteln abgeliefert?
Allerdings: Der nationalsozialistische Staat wird aber Priestern, die, statt Diener Gottes zu sein, ihre Mission in der Beschimpfung unseres heutigen Reiches, seiner Einrichtungen oder seiner führenden Köpfe sehen wollen, unnachsichtig zum Bewußtsein bringen, daß eine Zerstörung dieses Staates von niemandem geduldet wird, und daß Priester, sobald sie sich außerhalb des Gesetzes stellen, vom Gesetz genau so zur Rechenschaft gezogen werden wie jeder andere deutsche Staatsbürger auch. Es muß aber hier festgestellt werden, daß es zehntausende und zehntausende Priester aller christlichen Konfessionen gibt, die ihren kirchlichen Pflichten genau so oder wahrscheinlich besser genügen als die politischen Hetzer, ohne daß sie jemals mit den staatlichen Gesetzen in einen Konflikt geraten sind. Diese zu schützen, sieht der Staat als seine Aufgabe an. Die Staatsfeinde zu vernichten, ist seine Pflicht. 4. Der nationalsozialistische Staat ist weder prüde noch verlogen. Allein es gibt bestimmte Moralgrundsätze, deren Einhaltung im Interesse der biologischen Gesundheit eines Volkes liegt, an denen wir daher auch nicht rütteln lassen. Päderastie oder Verfehlungen an Kindern werden in diesem Staate gesetzlich bestraft, ganz gleich, wer diese Verbrechen begeht. Als sich vor fünf Jahren führende Köpfe der nationalsozialistischen Partei dieser Verbrechen schuldig machten, wurden sie erschossen. Wenn andere Personen des öffentlichen oder privaten Lebens oder auch Priester die gleichen Delikte begehen, werden sie nach dem Gesetz mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. Verfehlungen von Priestern gegen ihre sonstigen Gelübde der Keuschheit usw. interessieren uns gar nicht. Es ist auch noch nie ein Wort in unserer Presse darüber erschienen. Im übrigen hat dieser Staat nur einmal in die innere Ordnung der Kirchen eingegriffen, nämlich, als ich selbst es versuchte, 1933 die ohnmächtig zersplitterten protestantischen Landeskirchen in Deutschland zu einer großen und machtvollen evangelischen Reichskirche zusammenzufassen. Dies scheiterte am Widerstand einzelner Landesbischöfe. Damit ist dieser Versuch auch aufgegeben worden; denn es ist ja letzten Endes nicht unsere Aufgabe, die evangelische Kirche mit Gewalt gegen ihre eigenen Träger zu verteidigen oder gar zu stärken. Wenn nun das Ausland und insonderheit gewisse demokratische Staatsmänner so sehr für einzelne deutsche Priester eintreten, dann kann dies nur einen politischen Grund besitzen. Denn dieselben Staatsmänner schwiegen still, als in Rußland Hunderttausende von Priestern niedergemetzelt oder verbrannt worden waren. Sie schwiegen still, als in Spanien Zehntausende von Priestern und Nonnen in viehischster Weise abgeschlachtet oder bei lebendem Leibe dem Feuer übergeben wurden. Sie konnten diese Tatsachen nicht bestreiten, aber sie schwiegen und schweigen still, während - ich muß dies den demokratischen Staatsmännern vorhalten - auf diese Metzeleien hin sich zahlreiche nationalsozialistische und faschistische Freiwillige dem General Franco zur Verfügung stellten, um eine weitere Ausdehnung dieses bolschewistischen Blutrausches über Europa und damit über den Großteil der gesitteten Menschheit verhindern zu helfen. [...] Denn die Sorge um die europäische Kultur und um die wirkliche Zivilisation war es, die Deutschland Partei ergreifen ließ in diesem Kampfe des nationalen Spaniens gegen seine bolschewistischen Zerstörer. Es ist ein trauriges Zeichen für die Mentalität in verschiedenen Ländern, daß man sich dort ein Handeln aus so uneigennützigen Beweggründen überhaupt nicht vorstellen kann. Allein, das nationalsozialistische Deutschland hat an der Erhebung des General Franco nur aus dem heißen Wunsch heraus teilgenommen, daß es ihm gelingen möge, sein Land von einer Gefahr zu erretten, der Deutschland selbst einmal beinahe erlegen wäre. Die Sympathie oder das Mitleid für verfolgte Gottesdiener kann es also nicht sein, was das Interesse der demokratischen Staatsbürger an einzelnen in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Priestern mobilisiert, sondern es ist das Interesse am deutschen Staatsfeind. Hier aber mag man eines zur Kenntnis nehmen: Den deutschen Priester als Diener Gottes werden wir beschützen, den Priester als politischen Feind des Deutschen Reiches werden wir vernichten. Wir glauben damit am ehesten einer Entwicklung vorzubeugen, die - wie die Erfahrung in Spanien zeigt - ansonst nur zu leicht einmal zu einer Abwehr von unabsehbarem Ausmaß führen müßte. Ich möchte dazu noch grundsätzlich folgendes erklären: Es scheint im Ausland in gewissen Kreisen die Meinung zu bestehen, daß die besonders laute Bekundung einer Sympathie für Elemente, die in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, eine Erleichterung ihrer Situation mit sich bringen könnte. Vielleicht hat man die Hoffnung, durch gewisse publizistische Methoden auf die deutsche Staatsführung in diesem Sinne einen terroristischen Einfluß ausüben zu können. Die Meinung beruht auf einem kapitalen Irrtum. In der Unterstützung gewisser gegen den Staat gerichteter Unternehmen durch das Ausland ersehen wir die letzte Bestätigung ihres hochverräterischen Charakters! Denn die bloße Opposition gegen ein Regime hat diesem demokratischen Ausland noch nie Sympathie abgenötigt. Auch nicht die Verfolgung oder Bestrafung eines solchen politischen Übeltäters. Denn wann gab es in Deutschland eine stärkere Opposition als die nationalsozialistische? Nie wurde eine Opposition mit gemeineren Mitteln unterdrückt, verfolgt und gehetzt als die der nationalsozialistischen Partei. Allein zu unserer Ehre dürfen wir feststellen, daß wir deshalb noch niemals des Mitleids oder gar der Unterstützung einer solchen ausländischen Macht teilhaftig geworden sind. Diese Unterstützung scheint also nur für jene bestimmt zu sein, die das Deutsche Reich zu zerstören beabsichtigen. Wir werden aus diesem Grund in ihr in jedem einzelnen Fall nur den zwingenden Anlaß zu einer Verschärfung unserer Maßnahmen sehen [...]."
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