Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung,
Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im
Heere
[348]
Kapitel 7: Fürsorge
für das geistige Leben im Heere,
Wohlfahrtseinrichtungen usw.
Professor Melchior v. Hugo, Hauptmann a.
D.
1. Allgemeines.
Wollte man nach früheren Kriegen über das geistige Leben im Heere
berichten, so genügten einige allgemeine Angaben: Daß die
Stimmung der Truppen vorzüglich gewesen, oder daß die Leute zum
Küssen seien. Ein einziger Rausch trug damals Offiziere und Mannschaften
über die Gipfel von Sieg und Schlacht und über die Niederungen
nicht allzu ausgedehnter Stellungskämpfe hinweg; von einem besonderen
geistigen Leben konnte kaum die Rede sein, noch viel weniger von einer
Fürsorge für dasselbe. Selbst die wenigen Feldzeitungen dienten nur
der flüchtigen Unterhaltung.
Und für die Wohlfahrt genügte die Sorge der unmittelbaren
Vorgesetzten; erschöpfte sich außerdem in reichlichen
Liebesgabensendungen aus der Heimat und einzelnen Bemühungen des
Roten Kreuzes, sowie des Vaterländischen Frauenvereins.
In die Mobilmachungsvorbereitungen war deshalb auch später die
Fürsorge für das geistige Leben nicht einbegriffen; der
Wohlfahrtspflege wurde nur nebenbei gedacht, man überließ sie der
Privatinitiative, der Geistlichkeit und allenfalls dem Roten Kreuze.
Man meinte, das Erleben des Krieges würde die Truppen derart
ausfüllen, das kameradschaftliche Zusammensein würde für
die Ruhezeiten so anregend sein, daß außer der Einrichtung von
Kantinen, gelegentlichen kleinen Festlichkeiten und der Unterstützung
harmloser Feldzeitungen nichts vonnöten wäre.
Für die allererste Kriegszeit, ebenso für die späteren
größeren Vormarschperioden stimmte diese Auffassung auch. Aber,
wie auf jedem anderen Gebiet, so führte auch auf dem Gebiet der geistigen
und leiblichen Fürsorge der Weltkrieg eine Fülle von neuen
Begriffen, neuen Maßnahmen herbei.
Zuerst war man von den großen Eindrücken ganz benommen. Man
war ja in fremden Ländern, die man kaum vom Hörensagen kannte,
lernte fremde Sprachen, Sitten und Kleidung kennen, sah blühende
Städte, schöne Schlösser [349] und eigenartige
Landschaften mit unbekannten Wirtschaftsmethoden, wurde vom Geschick heute
in ein weiches Bett, morgen höchstens auf ein Strohlager geworfen und
ließ sich tragen von dem Lebensgefühl, das Todesgefahr und
kriegerische Erfolge hervorbringen. Dazu umfaßte alle eine wundervolle
Kameradschaft, eine glühende Liebe zum Vaterlande, ein Haß gegen
die Feinde, die es bedrohten. Da hatte man der geistigen Anregung
übergenug; und der Schwung der Seele half über körperliche
Mißhelligkeiten und langweilige Stunden hinweg.
Aber der Krieg überdauerte die stürmische Begeisterung der ersten
Monate. Aus einem kurzen Erleben wurde ein langes Dasein in der Fremde. Die
Fronten waren der Heimat ferngerückt, erstarrten im nervenaufreibenden
Stellungskrieg; langgestreckt wurden die Etappenstraßen und groß die
besetzten Gebiete.
Das war dann nicht mehr das abwechslungsreiche In-den-Tag-hinein-Leben, die
Spannung des Augenblicks; das wurde der hinschwelende, tödlich
langweilige und doch so grausam zermürbende
Grabenkrieg. - An der Front zwischen aufflammenden, zähen, fast
ergebnislosen Kampftagen Zeiten dumpfen Hinbrütens in morastigen,
engen und dumpfen Unterständen oder bestenfalls kasernenartig
zusammengepfercht in halbzerstörten Behausungen; weiter hinten dagegen
ermüdender Nachtdienst in der Etappe, inmitten fremder grollender
Bevölkerung, losgelöst von Heimat und heimatlicher Sitte.
Da zeigte es sich bald, zuerst freilich bei den Bewohnern der besetzten Gebiete,
dann aber auch bei den Soldaten, wie schwer es dem Menschen fällt, ohne
den äußeren Zwang bürgerlicher Sitte, der Satzungen der
Kulturgemeinschaft sein Leben zu gestalten. Der Krieg bringt es mit sich,
daß das historisch gewordene Gefüge des Sittengesetzes aus eiserner
Notwendigkeit hier und da einmal gelockert werden muß. Die
Notwendigkeit zu erkennen und auf das äußerste zu
beschränken, erfordert härteste Selbstzucht und
Verantwortungsgefühl. Aber nicht jeder weiß Notwendigkeit und
Willkür zu unterscheiden, besonders wenn der Geist ermüdet und
stumpf ist und die äußeren Umstände trostlos sind. Dann, im
engen Zusammenleben, überwiegen leicht die gemeinsamen leiblichen
Interessen, wenn die Kameradschaft nicht mit geistigen Ideen erfüllt ist.
Diese Gefahr war im Winter 1914/15 vorhanden. Das Feuer der ersten
Begeisterung war ausgebrannt; an seine Stelle trat der Materialismus. Und die
Manneszucht drohte zu schwinden. Sie muß auf geistigen oder seelischen
Werten aufgebaut sein, wenn sie nicht zu einem Sklavengehorsam herabsinken
will, der bereit ist, bei erster Gelegenheit die lästigen Fesseln zu
sprengen.
Ein Volk ist nicht ungestraft längere Zeit nur Soldat. Die einseitig
militärische Zucht ist jungen Leuten gut und heilsam. Aber das deutsche
Heer bestand nicht mehr in der Hauptsache aus solchen grade Herangewachsenen,
denen das Leben ohne äußere Ziele schön dünkt,
verantwortungslos wie sie sind und [350] im Vollgefühl
ihrer Ideale und jugendlichen Körperkraft. Die meisten hatten schon im
Leben und Beruf gestanden, hatten ihr Ziel und Streben unterbrechen
müssen und wurden durch das Herausgerissensein aus gefestigter
Umgebung und den ausschließlichen Kriegsdienst
niedergedrückt.
Da war es auch seelisch eine erlösende Tat, daß von der Obersten
Heeresleitung jener Befehl erging, der den Handwerker an seine gewohnten
Werkzeuge, den Landmann an die Feldbestellung im Kriegsgebiet bis hart an die
Front rief. Eine neue Epoche der Kriegführung hatte begonnen damit,
daß das reine Kriegshandwerk verbunden wurde mit den Arbeiten eines
geordneten Staatswesens. Und ganz von selbst schoben sich die gelockerten
Glieder bürgerlicher Sitte wieder zusammen. Nun waren die Stunden der
Arbeit reichlich und vielseitig ausgefüllt; aber auch die Zeiten der Ruhe, so
kurz sie auch bemessen waren, verlangten nach einem geistigen Inhalt und
gewisser Behaglichkeit. Und damit setzte die Fürsorge für das
geistige Leben und die allgemeine Wohlfahrtspflege ein.
Es war in der Winterzeit 1914/15, als das Verhältnis zwischen Offizieren
und Mannschaften eine Wandlung erfuhr. Gemeinsame Begeisterung, Gefahren
und Erfolge hatten um das ganze deutsche Heer ein Band innigster Kameradschaft
geschlungen, das verstärkt wurde durch gegenseitige Hochachtung. Die
Abstufung in der Wertschätzung der Waffengattungen war verschwunden,
höchstens daß die Pioniere noch mit ehrfürchtigerem Staunen
betrachtet wurden als die anderen Truppenteile. Im Schützengraben selbst
waren später die Lebensbedingungen noch ähnlich genug, um die
Rangunterschiede verschwinden zu lassen. Anders wurde es bei den
Unterkünften des Stellungskrieges. Der Unterschied zwischen
Offiziersquartieren und den meist kasernenartigen Mannschaftsbehausungen,
besonders bei engster Belegung, war naturgemäß groß. Erstere
richteten sich sofort Kasinos ein, während letztere erst allmählich
notdürftige Kantinen erhielten, soweit nicht noch Estaminets oder
Kaschemmen in erreichbarer Nähe waren. Es fehlte überall ein
Fleckchen, wo der Soldat ungestört einen Brief schreiben, in der Stille ein
gutes Buch lesen konnte. Für die feiner organisierten
Mannschaften - und wie viele hochgebildete gab es nicht
darunter? - war es die größte Qual, niemals allein sein zu
können; denn in dem Kantinenbetrieb gewannen die roheren Elemente
naturgemäß bald die Oberhand. Gleicher Idealismus, gemeinsame
Arbeit und gemeinsame Gefahren stärken und vertiefen die Kameradschaft;
gemeinsames Nichtstun und Langeweile wirkt zerstörend und
verflachend.
So bildete sich allmählich an manchen Stellen eine Kluft zwischen
Offizieren und Mannschaften, sobald die äußere Berührung
aufhörte, hauptsächlich aus dem Neid gegen die
Begünstigteren. Daß die äußeren Daseinsbedingungen
der Mannschaften besserungsbedürftig waren, blieb den Offizieren nicht
verborgen, und man begann durch Einrichtung von gemütlicheren Kantinen
mehr für das [351] leibliche und durch
Veranstaltung von Musik und Sportsunterhaltung, sowie durch Herbeischaffung
von Lesestoff für das geistige Wohl der Untergebenen zu sorgen.
Es waren zunächst nur zaghafte Versuche, ohne Vorkenntnisse und
Anleitung, von warmherzigen, pflichtbewußten Offizieren unternommen,
aber sie fielen auf einen dankbaren Boden. Eine neue Art von freundschaftlichem
Verhältnis entstand in den Gesangvereinen, beim Sport und bei den kleinen
Festen zwischen Offizieren und Mannschaften. Jeder suchte sein Bestes zu geben;
man war ja so genügsam geworden!
Genügsam war man auch bei den ersten Feldzeitungen, die auftauchten, wo
man eine Druckerpresse und schreibgewandte Federn fand. Es waren oft nur
kleine Blättchen in der Art der Bierzeitungen, voll harmlosen Ulks; sie
erschienen und verschwanden bald wieder, dem Augenblick genügend. Es
war eine erste, noch unbeholfene Form, einen geistigen Niederschlag der
Allgemeinstimmung zu geben und den Lesehunger zu befriedigen.
Als Lesestoff wurden verschlungen gelegentlich vom Nachschub mitgebrachte
oder als Einwickelpapier von Liebesgabensendungen gebraucht gewesene alte
Zeitungen, dann auch Traktätchen, die aber bald die Front zum
Überdruß überschwemmten und nicht lange Anklang fanden.
Sie trafen den Ton nicht, der vonnöten war. Das war blutwenig, und viel zu
langsam besserten sich die Verhältnisse. Man glaubte in weiten Kreisen
doch immer noch an ein nahes Kriegsende und fürchtete nur unnütze
Zeit und Kraft an Wohlfahrtseinrichtungen zu verschwenden. Deshalb wurde an
der Front nur sehr vereinzelt großzügiger und weitblickender darin
gearbeitet.
Anders war es in der Etappe. Da waren es zuerst die christlichen Vereine, die nach
dem Vorbild Englands, das in seinen vielen Kolonialkriegen Erfahrungen genug
gesammelt hatte, Soldatenheime längs der Bahnlinien errichteten. Im
Anfang waren es lediglich Eisenbahner- und Marineheime; aber bald fanden die
Vereine tatkräftige Unterstützung seitens der
Etappenkommandanten, und an allen größeren Orten erwuchsen
Heime mit Verpflegung, die auch mit Lesestoff ausgestattet wurden. Die
Heimatpresse organisierte einen Zeitungsversand in die besetzten Gebiete; aber es
dauerte doch immerhin bis zum Herbst 1915, bis auch die Front sich einer
Lieferung der Tageszeitung leidlich regelmäßig erfreuen konnte.
In den rückwärts gelegenen größeren Städten
entstanden auch die ersten bedeutenderen Feldzeitungen (als bekannteste wohl die
Liller Kriegszeitung). Diese sogen die kleineren Blätter
größtenteils auf, so daß schließlich fast nur bei den
Armee-Oberkommandos und ähnlich großen Behörden solche
erschienen, nunmehr sachgemäß ausgebaut und den vielseitigsten
Ansprüchen genügend.
Auch Buchhandlungen waren den Bahnlinien gefolgt; sie fanden so großen
Zuspruch, daß bald jede Armee und viele kleinere Truppenverbände
Kontrakte [352] mit
Buchhändlern abschlossen, deren Läden dann an allen Fronten zu
finden waren. Daneben wurden fahrbare Leihbüchereien von privaten
Vereinigungen in großer Anzahl den Divisionen zur Verfügung
gestellt, die einen ausgesucht guten Lesestoff den Truppen vermittelten.
Kinos, Theater und Männerchöre entstanden; ernste und heitere
Vorführungen aus dem Kreise der Truppenteile wurden geboten;
Fußballspiel und Wassersport wurde getrieben, wo sich Gelegenheit dazu
bot.
Diese Entwicklung, vom Generalquartiermeister unterstützt, erreichte im
Winter 1915/16 im allgemeinen ihren Abschluß. Einzeloffiziere, niedere
und höhere Kommandostellen und Vereine hatten diese Einrichtungen
geschaffen, jeder so gut, wie er es verstand. Sie waren wahrlich nicht
überall vollkommen; vielerorts fehlte das Verständnis für ihre
Notwendigkeit, anderwärts schien gar Überfluß zu herrschen;
militärische Notwendigkeiten, vor allem die immer häufigere
Verschiebung der Truppen, stellten viele Hindernisse in den Weg; die
Ortskommandanturen, in deren Hände diese Einrichtungen immer mehr
übergingen, waren noch nicht durchweg bodenständig.
Besonders verschieden war es natürlich auch an den verschiedenen Fronten.
Im Osten und Südosten verboten die gewaltigen Frontverschiebungen
und -ausdehnungen sowie sonstige örtliche und klimatische
Schwierigkeiten eine Wohlfahrtspflege im oben umrissenen Sinne. Nur dort, wo
sich ein Stellungskrieg herausbildete, setzte Vereinstätigkeit ein, die unter
größten Schwierigkeiten und Opfern durch Einrichtung und Leitung
einer besonders großzügigen Art von Soldatenheimen bis tief hinab
nach Palästina den Gedanken der werktätigen Christenliebe
verwirklichte. Wo es ging, tauchten Büchereien und Feldzeitungen auf.
Alles andere konnte nur improvisiert aus den Truppenteilen selbst entstehen. Eine
gleichmäßige Entwicklung war lediglich auf der Westfront
möglich, weshalb diese auch den nachfolgenden Darlegungen in der
Hauptsache zugrunde gelegt ist.
Hier trat eine gänzliche Veränderung ein im Sommer 1916 durch die
Sommeschlacht.
Die veränderten taktischen Anschauungen machten die Divisionen immer
mehr zu der Kampfeinheit und lösten sie von der bisherigen engen
Verbindung mit ihren Generalkommandos. Letztere blieben bodenständiger
als die sehr häufig und immer häufiger herumgeworfenen
Divisionen. Dadurch wurden die Generalkommandos mit den ihnen unterstellten
Ortskommandanturen fast die alleinigen Träger der Wohlfahrtspflege, da
die Kampftruppen nur noch vorübergehend an einem Frontabschnitt
weilten, der Wohlfahrtseinrichtungen wohl dringend bedurften, aber keine
Kräfte übrig hatten, sie selbst in die Hand zu nehmen.
Die frohe Stimmung, die aus der Verbindung zwischen Kriegshandwerk und
bürgerlicher Tätigkeit entsprungen war, schwand, als die Truppen
nicht selbst mehr ihren Acker bestellten, sich selbst nicht mehr ihre Wohnungen
aus- [353] bauen und
ausschmücken konnten; sie waren wieder nichts weiter wie Krieger unter
den erschwerendsten Umständen. Da schwand auch das fast
häusliche Behagen, mit dem sie die aus ihrer Mitte geborenen
Wohlfahrtseinrichtungen und Erheiterungen umgeben hatten. Die Soldatenheime
wurden unpersönliche Stätten, welche die Soldaten nur als
Gäste, nicht mehr als Hausgenossen betraten; bei Aufführungen und
musikalischen Darbietungen fehlten die freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Bühne und Zuschauerraum; man wurde kritischer in bezug auf das
Gebotene und strebte mehr dem an sich unpersönlicheren Kino zu, das von
jetzt ab immer stärker in den Vordergrund trat.
Auch das Verhältnis zwischen Offizier und Mann wurde hierdurch
betroffen; das allgemeine Kameradschaftsgefühl trat zurück. Die
Hochachtung und das Vertrauen auf die Tapferkeit und die menschlichen
Eigenschaften der anderen gedieh nur noch im engsten Truppenverband; weiterhin
war die Abstufung des Dienstranges maßgebend; die Wertschätzung
einzelner Truppengattungen nach äußerlichen Gesichtspunkten wagte
sich wieder hervor. Auch Hochmut und Neid lockerten das allgemeine
Kameradschaftsgefühl. Und noch ein anderer Punkt trat mehr und mehr in
die Erscheinung. Der alte Stamm aktiver Friedensoffiziere war
größtenteils aus der Front, jedenfalls in den unteren Dienstgraden,
verschwunden: sie waren gefallen oder so schwer verwundet, daß sie nur
noch beschränkt verwendungsfähig waren; zum anderen Teil waren
sie durch Beförderung zu höheren Dienstgraden den unteren Stellen
entrückt. Auch die durch Aufstellung von Neuformationen bedingte
große Vermehrung der Stäbe entzog einen Teil der aktiven Offiziere
der Front, da für die Besetzung der Stellen, insbesondere der
Generalstabsoffiziere, der Natur der Dinge nach auf den Offizier des aktiven
Dienststandes zurückgegriffen werden mußte. Dazu kam noch,
daß der immer größer werdende Betrieb des
Feldeisenbahnchefs, der Ausbau der Feldtelegraphie, ganz besonders aber der des
Feldflugwesens einen Bedarf an Offizieren forderte, bei dem auch der aktive
Offizier nicht zu entbehren war.
Die Reserveoffiziere aus der Friedenszeit mit ihrer gründlichen
Durchbildung und den Erfahrungen der ersten Kriegsjahre waren
größtenteils zu Bataillonsführern vorgerückt.
Durch alle diese Umstände hatten die engste Fühlung mit den
Mannschaften als Kompagnieführer fast durchgängig die
Kriegsleutnants bekommen; als Führer im Kampf unübertroffen,
hatten sie doch meist nicht die Vorbildung und Lebenserfahrung, ihren oft an
Lebensalter und innerer Festigung überlegenen Untergebenen ein sicheres
Vorbild zu sein. Ihnen fehlte vor allem die Schulung, die im Frieden ein
festumschlossenes Offizierskorps gab, und waren im inneren Dienst ganz auf ihre
erfahrenen Feldwebel angewiesen. Zwischen sie und die Mannschaften schob sich
eine breite Schicht solcher, die trotz Bildung und Weltkenntnis aus irgendeinem
Grunde nicht Offiziere geworden waren. [354] Sie wurden die
Vertrauten und Berater ihrer Kameraden, übten oft einen guten
Einfluß, oft aber auch einen schlechten auf sie aus, entzogen jedenfalls den
Offizieren einen Teil desjenigen menschlichen Vertrauens, das die erste
Vorbedingung wahrer Kameradschaft ist.
Dazu kam, daß immer mehr die Erkenntnis dämmerte, wie stark das
Wirtschaftsleben der Heimat durch den Krieg umgewandelt wurde. Die einen
warfen sich da mit Eifer auf das Studium ihrer Fachliteratur, um nicht allzu stark
in Rückstand zu kommen, wenn nach Kriegsende der Kampf ums Dasein
wieder beginnen würde; und Bücher wirtschaftlichen, technischen
und wissenschaftlichen Charakters konnten gar nicht genug an die Front geschafft
werden.
Die anderen zermürbten sich in Sorge um die Lage ihrer Familien daheim,
um ihre verlassenen Geschäfte, wußten sich keinen Rat und fielen
darum leicht der Meinung zum Opfer, die Politik könne einen Ausweg
schaffen. Nur in den seltensten Fällen war der eigene
Kompagnieführer in der Lage, ihnen ein sicherer Mentor zu sein; an die
Rechtsberatungsstellen, die bei jeder Truppe eingerichtet waren, wagte man sich
nicht zu wenden - sie waren den meisten fremd. Da hatten sie
größeres Vertrauen zu jenen nicht beförderten gebildeteren
Kameraden, die dadurch einen großen
und - wie gesagt - oft unheilvollen Einfluß innerhalb ihrer
Truppe erlangten. So wurde die Scheidewand zwischen Offizieren und
Mannschaften immer höher, besonders natürlich in der Etappe, wo
das starke Bindeglied der Hochachtung wegen persönlicher Tapferkeit
weniger vorhanden war, zumal das Eiserne Kreuz auch nicht mehr immer das
äußere Zeichen ehrenvoll bestandenen Kampfes war.
Die Wohlfahrtseinrichtungen wurden in diesem Jahr wohl weiter ausgebaut; aber
es war eine gewisse Müdigkeit eingetreten und vielerorts eine Planlosigkeit
oder ein Bureaukratismus, der die Seele der Wohlfahrtseinrichtung, die
Nächstenliebe, erstickte oder jene gar zu einträglichen
Erwerbsquellen herabwürdigte.
Vor allem fehlte es an der Möglichkeit, dort, wo demnächst
stärkere Truppenansammlungen zu erwarten und wo sie deshalb am
nötigsten waren, solche Wohlfahrtseinrichtungen von langer Hand
vorzubereiten.
Da schuf der Generalquartiermeister, General-Leutnant Hahndorff, im
Spätsommer 1917 an der Ost- und Westfront je eine Stelle, "die
Anregungen gibt und vermittelt und durch dauernde persönliche
Fühlungnahme mit den Armeebehörden darauf hinwirkt, daß
die bereits geschaffenen und noch zu treffenden Maßnahmen und
Einrichtungen für die Anregung der Truppen im Felde der Front und der
Etappe möglichst gleichmäßig zugute kommen".
Es entstanden hierdurch Zentralstellen, die bisher immer gefehlt hatten und die
schmerzlich vermißt waren. Jetzt kamen sie zu einer Zeit, wo die
Hindernisse fast nicht mehr zu übersteigen waren und wo vor allem die
Arbeitskräfte und das Material fehlten, um vollgültige Einrichtungen
zu schaffen. Auch war [355] an der Ostfront, im
Balkan und im Orient wegen der Belastung der Eisenbahnen bei den gewaltigen
Entfernungen etwas Ersprießliches zu leisten so gut wie unmöglich
geworden, so dringend gerade dort das Bedürfnis war. Die dortige
Zentralstelle ging deshalb auch nach kurzer Zeit wieder ein. Im Westen dagegen
war es noch gelungen, verhältnismäßig große Erfolge zu
erzielen.
Die Westfront bekam damals, im Herbst 1917, eine immer größere
Bedeutung für den Krieg. Das äußerte sich auch in der immer
stärkeren Truppenanhäufung und, damit verbunden, in den immer
geringer werdenden Bedingungen des notwendigsten Behagens. Da reichten die
bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen bei weitem nicht mehr aus. Es fehlte auch
der Anstoß, neue zu schaffen; und die vorhandenen waren verzettelt und
meist nur weit hinter der Front zu finden. Die zum Teil sehr erheblichen
Einnahmen wurden von den örtlichen Truppenbehörden nach
Gutdünken verwendet. So konnten sie in größeren
Städten geradezu üppig ausgestattet werden; in kleinen Orten, Lagern
und nahe der Front fehlten dagegen die Geldmittel, solche zu errichten oder zu
erweitern. Durch die Schaffung einer Zentralstelle wurden die Truppenteile auf
die Wichtigkeit derartiger Einrichtungen aufmerksam gemacht; sie sahen einen
Rückhalt im Generalquartiermeister; und durch die Verfügung,
daß alle aus Feldbuchhandlungen, Kinos und Soldatenheimen und sonstigen
Einrichtungen kommenden Einnahmen, die sich auf viele Millionen bezifferten,
restlos der Schaffung neuer Wohlfahrtseinrichtungen dienen sollten, waren die
Armeen in der Lage, sich ihrer Pflege eindringlicher zu widmen.
Während beispielsweise am 1. September 1917 an der Westfront 320
Soldatenheime bestanden, andere Einrichtungen in ähnlichem
Verhältnis, konnten am 1. Dezember gemeldet werden:
Soldatenheime |
fertig |
1043, |
geplant |
339 |
Leseräume |
" |
876, |
" |
263 |
Leihbüchereien |
" |
717, |
" |
222 |
Feldbuchhandlungen |
" |
449, |
" |
30 |
Theater und Vortragsräume |
" |
378, |
" |
123 |
Kinos |
" |
326, |
" |
93 |
Rechtsauskunftsstellen |
über |
500. |
|
|
Diese Zahlen stiegen dann bis zum Herbst 1918 auf beinahe das Doppelte.
Der Umsatz der gesamten Wohlfahrtseinrichtungen der Westfront in diesem
letzten Jahre konnte überschlägig auf 180 Millionen Mark
(Goldmark!) beziffert werden, wovon der Gewinn den Frontsoldaten zugute kam.
Zur Einrichtung von Offizierkasinos usw. durften diese Gelder nicht
verwendet werden. Außerdem hatte bis in die letzte Zeit hinein die Heimat
nicht nachgelassen, auch mit finanziellen Opfern die Wohlfahrtseinrichtungen zu
verbessern.
[356] Fast gleichzeitig wurde
durch den 1. Generalquartiermeister, General Ludendorff, die
"Aufklärungsorganisation", oder, wie es später hieß, der
"Vaterländische Unterricht" ins Leben gerufen, in dessen Leitsätzen
es in Absatz 3 Ziffer 5 hieß:
"Zum Vaterländischen Unterricht wird das Material
verwendet durch:
a) Vorträge, Unterhaltungsabende, Feldkinos und
Theateraufführungen,
b) Feldpredigten,
c) Armeezeitungen,
d) Feldbüchereien,
e) Feldbuchhandlungen.
Die zur Erholung und Aufheiterung dienenden Maßnahmen müssen
in erster Linie den fechtenden Truppen und Truppen in Ruhestellung zugute
kommen."
Neben jener obengenannten Zentralstelle beim Generalquartiermeister, die von
einem Punkte aus die Wohlfahrtseinrichtungen fördern und ausgleichen
sollte, war dadurch beim Chef des Nachrichtenwesens eine bis ins kleinste
ausgearbeitete Organisation geschaffen, die sich bis auf die einzelnen
Truppenteile erstreckte, und die sich der Wohlfahrtseinrichtungen nach Bedarf
bedienen konnte. Ein enges Zusammenarbeiten jener Zentralstelle mit der
Organisation des Vaterländischen Unterrichts war somit gegeben. Dem trug
auch der Absatz der Dienstanweisung Rechnung, daß "den Herren der
Wohlfahrtsstelle der unmittelbare Verkehr mit den Leitern der Aufklärung
zu gestatten, ihnen von den ergehenden Verfügungen und stattfindenden
Besprechungen Kenntnis zu geben und ein Einblick in die getroffenen
Einrichtungen zu ermöglichen sei; auch ständen die Herren den
Leitern der Aufklärung auf Wunsch jederzeit zur Besprechung und
Beratung zur Verfügung".
Es setzte auch sofort ein Austausch der beiderseitigen Anschauungen und
Anordnungen ein, und ein gedeihliches
Hand-in-Hand-Arbeiten wurde bald dadurch erleichtert, daß die Leiter des
Vaterländischen Unterrichts neben ihren eigentlichen Dienstobliegenheiten
auch größtenteils die geistige Oberleitung über die in ihrem
Armeebereich befindlichen Wohlfahrtseinrichtungen übernahmen und sich
der Zentralstelle beim Generalquartiermeister in harmonischem
Zusammenarbeiten bedienten. Zusammenkünfte, persönliche
Rücksprachen, Besichtigungsfahrten und Austausch der Erfahrungen
förderten und vereinheitlichten die Wohlfahrtseinrichtungen an der ganzen
Westfront.
Der Erfolg war, daß trotz der immer größeren
Anhäufung der Truppen hier die äußeren Lebensbedingungen
sich im allgemeinen nicht verschlechterten, ja daß auch bei dem starken
Vordringen der Fronten in Nordfrankreich rasch die Wohlfahrtseinrichtungen
nachgeschoben werden konnten, was bei der schwierigen Ernährungsfrage
des Frühsommers 1918 von größter Wichtigkeit war.
Die Stimmung der Truppen war im Frühjahr 1918 durch die
Anfangserfolge im Westen und die Entlastung der Ostfront sehr gehoben;
andererseits [357] aber wirkten die
innerpolitischen Verhältnisse Deutschlands, verstärkt durch die
überaus rührige Propaganda der Feinde, niederdrückend. Der
Barometer der Stimmung schwankte auf und ab, je nach den militärischen
Erfolgen und Mißerfolgen und deren Ausnutzung durch die feindliche
Propaganda.
Nach den Fehlschlägen bei Reims und St. Mihiel, verbunden mit dem
Mangel an Kartoffeln und dem Futter für die Pferde, wurde die Stimmung
der Truppen kritisch. Das Verhältnis zwischen Offizieren und
Mannschaften, besonders seitdem durch heimkehrende Urlauber miesmacherische
Anschauungen auch in die Front getragen wurden, ließ zu wünschen
übrig. Man glaubte den Einflüsterungen, daß durch eine
Waffenniederlegung ein leidlicher Versöhnungsfrieden erreicht werden
könne. An dem Rückhalt in der Heimat mußte man zweifeln,
da in ihr eine große Müdigkeit eingetreten war durch die zu lang
andauernde schlechte Ernährung. Andererseits machte sich dort das
Kriegsschiebertum immer breiter, so daß sich viele nur zu gern fragten, ob
sie für solche Gesellen den Krieg fortsetzen sollten. Diese gedrückte
Stimmung kam nur zu sehr in die Öffentlichkeit, wurde geflissentlich
weiter verbreitet und galt als noch vorhanden, als der Tiefstand schon
überwunden war.
Denn als es durchsickerte, daß die Oberste Heeresleitung beschlossen habe,
die Front erheblich weiter rückwärts zu verlegen, da wurde es auch
den Frontsoldaten immer mehr klar, daß es jetzt um die Verteidigung des
Heimatbodens ging. Das wenig Erfolg zeigende Kämpfen um Stücke
feindlichen Landes, dessen Zweck dem einfachen Soldaten nicht mehr
einleuchtete, hatte ihn ermüdet. Der Gedanke aber, daß man
näher den Grenzen des Heimatlandes dieses zu verteidigen habe,
rückte Offiziere und Mannschaften wieder enger zusammen. So wuchs im
Spätherbst 1918, in der dringenden Gefahr, bei den Kampftruppen der Geist
der Gemeinschaft wieder zusehends. Aber leider nicht in der Etappe; die Heimat
und die Regierung merkten zu wenig, wie gesund die Front wieder wurde jenseits
des zermürbten Walles der Etappe.
Hier muß noch eines Punktes Erwähnung getan werden, der den Geist
der Truppen stark beeinflußt hat.
Bei seinen nächsten Bekannten als ein forscher Kerl angesehen zu werden,
ist stets bei der Durchschnittsbevölkerung, besonders im jugendlichen
Alter, eine der stärksten Triebfedern aller Handlungen. Das ersetzt bei den
meisten den Begriff "Ruhm", mit dem sie wenig anzufangen wissen. Der
Nebenmann, die Freunde, die Kompagnie sind ihnen der Inbegriff der Welt. Wenn
man bei denen angesehen ist, braucht man nicht zu bramarbasieren. Das liegt im
allgemeinen unseren Helden nicht.
In der engeren Kameradschaft stufte sich die Wertschätzung ab nach dem
Verdienst; die ganze Kompagnie war stolz auf solche, die sich ihr Eisernes Kreuz
ehrlich verdient hatten und kannte ihre Taten.
[358] Und wer dann
verwundet war und nach der Heilung wieder zur Kompagnie zurückkehrte,
kam damit in seine Welt zurück und in die Wertschätzung seiner
Kameraden.
Das Heer wurde aber immer größer, die Kompagnien wurden
zerpflückt, um den Stamm zu immer neuen Formationen zu bilden, sie
wurden immer wieder aufgefüllt; die Verwundeten kamen zu den
Ersatztruppenteilen und, sobald sie wieder felddienstfähig waren, immer
seltener zu ihren alten Truppenteilen.
Es war stets ein Gegenstand tiefster, direkt erschütternder Sorge, wenn
Verwundete in ein Heimatlazarett sollten, ob sie später wieder zu ihrem
alten Regiment zurückkehren würden; ihre letzte Bitte beim
Abtransport war fast immer nur die Bitte an die Vorgesetzten, in diesem Sinne zu
wirken, sie bald wieder anzufordern.
Es war das nicht zu ändern bei dem Zwang, immer mehr Truppen jederzeit
schlagfertig zu erhalten. Die Oberste Heeresleitung war sich wohl bewußt,
daß sie sich damit einer der stärksten Stützen jedes Heeres
begab: der Tradition. Es ist ein großer Unterschied, ob man in einem
Regiment kämpft, das schon in vielen Kriegen Lorbeeren gepflückt
hat, das Taten getan hat, von denen die Ehrentafeln in der Kaserne
erzählten, als man lange und oft davor sinnend und träumend
gestanden, oder ob man zu einer Formation gehört, die vorgestern
entstanden ist und nach dem Kriege wieder verschwinden wird. Hat schon der
Soldat hierfür ein ausgeprägtes Gefühl, so war das bei den
Unteroffizieren und besonders bei den Offizieren um so mehr der Fall, soweit sie
aus der Vorkriegszeit stammten. Es war eine Kameradschaft auf Zeit; sie konnte
wohl innig und stark sein, aber es fehlte das Gefühl innerer Verpflichtung,
die jede Tradition auferlegt und das einen besonderen, edlen Stolz zu erwecken
pflegt.
Für die Bestimmung, daß diese neugeschaffenen Truppenteile zu
einem Stammtruppenteil gehören sollten, die die Pflege der
Kriegstraditionen übernehmen würden, ging das Verständnis
ab - sie blieb auf dem Papier.
Aber auch andere seelische Werte mußten in Kauf gegeben werden: Bei den
neuen Truppenteilen fehlten den Wiederhergestellten die Augenzeugen ihrer
bisherigen Taten, sie mußten ihren Ruf erst aufs neue erwerben oder sich
schon selbst zu ihren Herolden machen und galten dann leicht für
Aufschneider; sie trauten dann auch den anderen nicht die Festigkeit zu, die ihnen
bei den früheren Kameraden das Vorbild war; das persönliche
Verhältnis der Blutsbrüderschaft zwischen den Kameraden und mit
den Offizieren konnte erst mit der Zeit wiederhergestellt werden, und dann war
bald die Kompagnie doch wieder ganz anders zusammengestellt.
So kam es, daß das Maulheldentum immer mehr hochkam, daß die
wirklich Tüchtigen, Bescheidenen sich unverstanden und
zurückgesetzt fühlten und daß ihnen der starke Anreiz fehlte,
unter Freunden in der vordersten Linie zu stehen. [359] Und da infolge der
unerhörten Anstrengungen eine innere Ermüdung eintrat, die wenig
dazu befähigt, auch ohne Anerkennung das Äußerste an
Pflichterfüllung zu leisten, so konnten bei den letzten großen
Fehlschlägen in einzelnen Truppenteilen die Spuren von Zermürbung
auftreten, die den Zustand der Truppe für für hoffnungsloser ansehen
ließ, als es tatsächlich der Fall war.
Daß es nicht der Fall war, zeigte doch die allerletzte Kriegszeit, als man
beim Zurückgehen auf die Antwerpenlinie gewillt war, die eigene Grenze
zu schützen. Da glaubte ein jeder wieder Fühlung mit der Heimat zu
bekommen; da wurde die Tapferkeit wieder persönlichstes Erlebnis;
heimatlichste Pflicht; und in diesem Bewußtsein schlossen sich die
Fronttruppen wieder zu Blutsbrüderschaften zusammen, die Bestand
behielten, bis die Truppen bei ihrer Rückkehr in die Heimat merkten,
daß sie auch hier kein Echo ihrer Empfindungen und keine
Würdigung ihrer Taten mehr fanden.
Was die Front in den letzten Wochen des Krieges vielerorts an Aufopferung und
heldischem Geist geleistet hat, reiht sich würdig an die Großtaten der
ersten Kämpfe und Höhepunkte der Kriegsjahre an. Und dankbar
erkannte sie die Unterstützung an, die sie in diesen schwersten Zeiten durch
die Wohlfahrtseinrichtungen erhalten hatte.
Zu diesen Wohlfahrtseinrichtungen waren neben herumreisenden Theatertruppen
und Vortragskünstlern vor allem die Hochschulkurse getreten, die sowohl
der Allgemeinbildung als auch dem Fachstudium akademisch gebildeter Kreise
dienten. Die Kinos waren zentralisiert worden und wurden von der Heimat in
regelmäßigen Kreisläufen beliefert. Auch die Lazarette wurden
systematischer mit Lesestoff versehen, Sportplätze eingerichtet, und zum
Schluß tauchten immer mehr Soldatenerholungsheime hinter der Front auf.
Dem Schönheitsbedürfnis kamen Kunstausstellungen, sowie aus dem
Gefahrgebiet gerettete und zu Museen zusammengestellte Kunstwerke entgegen.
Veröffentlichungen über im jeweiligen Bezirk vorhandene
Kunstschätze und Naturschönheiten konnten den Soldaten in die
Hand gegeben werden; die Soldatenheime wurden geschmackvoller ausgestaltet,
und in den Kriegerfriedhöfen entstanden Anlagen, die den
verwöhntesten ästhetischen Ansprüchen genügten.
So straften die Tatsachen die Behauptungen Lügen, daß das deutsche
Heer unholde, barbarische Kriegshorden wären. Bis in die allerletzte Zeit
hinein blühten die Wohlfahrtseinrichtungen immer mehr auf, getragen von
dem Sinn fürs Hohe, Gute und Schöne, das auch dem einfachsten
Mann innewohnt.
Sie blühten und wuchsen, bis sie von den Wogen des
zurückflutenden Heeres mit hinweggeschwemmt wurden. Das
Gefühl, im Kampf nicht vereinzelt zu stehen, liebende Fürsorge auch
unter schwierigen Verhältnissen zu [360] genießen,
verband Vorgesetzte und Heimat mit dem Soldaten und nahm ihm die Ansicht,
nur Schlachtopfer zu sein. Die in der Wohlfahrtspflege tätigen Personen,
warmherzige Vorgesetzte und Hilfskräfte, und wahrlich nicht zuletzt die
edlen Frauen, gaben einen Strahl wärmenden Behagens und eine Erhebung
der Seelen, die die Rauheit des Kriegsdaseins milderten, die Liebe zum
Vaterlande hoben und stärkten im Ertragen der Opfer, wie sie die Pflicht
forderte. Und edler Same wurde gestreut, der auch weit über den Weltkrieg
hindauert und sicherlich noch manche Früchte zeitigen wird.
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