Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung,
Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im
Heere
Kapitel 3: Die Fürsorge
für die Kriegsgefangenen
(Forts.)
2. Die deutschen Kriegsgefangenen in
Frankreich.
Von Dr. Clemens Plassmann
Organisation des französischen
Kriegsgefangenenwesens.
An 400 000 Deutsche sind während der Jahre 1914 - 1918 als
Kriegsgefangene in französische Hände gefallen. Sie wurden damit
der Gewalt der französischen Regierung unterstellt, die nach den
völkerrechtlichen Vorschriften die Verantwortung für ihre
menschliche Behandlung und die Sicherung ihres Lebens, ihrer Gesundheit und
ihres Eigentums übernahm.
Der erste Eindruck, den die deutschen Kriegsgefangenen von der Beobachtung des
Völkerrechts erhielten, war meist niederschmetternder Art. Von einer
Wahrung des persönlichen Eigentums war nur selten die Rede: Uhren,
Brieftaschen, Geld und Orden fielen meist sofort den gierigen Händen der
gefangennehmenden Truppen anheim. In allen Kriegsjahren mußten die
gefangenen Deutschen immer und immer wieder über die
Ausplünderungen bei der Gefangennahme klagen; man kann der
französischen Regierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie diesem,
dem Völkerrecht hohnsprechenden Treiben ihrer Truppen nicht
nachdrücklichst Einhalt geboten hat.
Tiefer noch als diese Räubereien haben sich den deutschen
Kriegsgefangenen in Frankreich aber die Beschimpfungen, Mißhandlungen
und Demütigungen eingeprägt, denen sie nur allzuoft nach der
Gefangennahme ausgesetzt waren. Es bleibt dem Verfasser unvergessen, wie er
im September 1914 nach seiner Gefangennahme geschlagen, angespieen und mit
Steinen geworfen worden ist, und wie auf dem Abtransport ins innere Frankreich
an den Haltestellen der Pöbel aller Gesellschaftskreise und Altersstufen
sich um den Zug drängte und johlend und gröhlend, oft mit nicht
wiederzugebender Gemeinheit, die wehrlosen Gefangenen verhöhnte und
beschimpfte. Damals wie auch später machte der zügellose
Haß selbst vor Verwundeten und Kranken nicht halt. Als der Verfasser im
Sommer 1917 mit einem Transport Schwerverwundeter und Kranker in einem
Schweizer Sanitätszug von Lyon abfuhr, um in der Schweiz hospitalisiert
zu werden, mußten auf Anordnung der Schweizer Ärzte die
Vorhänge heruntergelassen werden, weil die französische
Bevölkerung den Hospitalisiertenzügen mit Schimpfen,
Steinwürfen, ja Schüssen den Abschiedsgruß zu geben pflegte.
Diese Erfahrungen stehen nicht vereinzelt da;
Tausenden und Abertausenden
deutscher Kriegsgefangener ist es sehr viel schlimmer ergangen. Es sei besonders
derjenigen gedacht, die nach der Gefangennahme noch von Rohlingen verwundet
oder gar niedergemacht wurden. Wie
die berüchtigten "nettoyers"
gehaust haben, ist sattsam bekannt geworden. Die volle Schwere der
Verantwortung für diese Untaten fällt auf die französische
Regierung, welche die Ausbrüche pathologischen Hasses nicht gehindert,
sondern durch ihre [160] Greuelpropaganda
geschürt und gefördert hat und in ihrem Heere schlimmste
Ausschreitungen, tatenlos zusehend, hat wuchern lassen.
Waren die Kriegsgefangenen von der Front abtransportiert, so fanden sie sich in
die Organisation eingegliedert, die Frankreich für seine Kriegsgefangenen
geschaffen hatte. Die Zentrale lag im Kriegsministerium, und zwar in der
Abteilung für Militärjustiz, was bei dem Charakter der
Kriegsgefangenschaft als Sicherungs- und nicht als Strafhaft merkwürdig
berührt. Erst im Jahre 1916 wurde eine selbständige
Generalinspektion der Kriegsgefangenen gebildet, an deren Spitze ein
Unterstaatssekretär und ein "inspecteur général"
standen. Die nächste Stufe der Organisation war die
"région", der französische Korpsbezirk, bei dem einem
besonderen "commandant régional" die Leitung des
Kriegsgefangenendienstes oblag. In jeder région gab es sodann
eine Anzahl Haupt- oder Stammlager, an deren Spitze meist Stabsoffiziere oder
Hauptleute standen. Ihnen waren für das Rechnungswesen, das
Dolmetschwesen, die Leitung des Arbeitsdienstes usw. gewöhnlich
noch mehrere Offiziere beigegeben. Von den Hauptlagern hingen die Arbeitslager
und Kommandos, unter dem Befehl jüngerer Offiziere oder Unteroffiziere,
ab. Außerdem gab es noch besondere Lager für die kriegsgefangenen
Offiziere, da diese, dem Kriegsbrauch entsprechend, getrennt von den
Mannschaften untergebracht wurden.
In diese Organisation waren aber nicht einbezogen die Kriegsgefangenen, die sich
im Etappengebiet und in der Armeezone befanden. Diese waren in sog.
P. G.-Kompagnien (P. G. = prisonnier de guerre) zu
etwa 200 Mann eingeteilt und unterstanden lediglich dem französischen
Oberstkommandierenden. Die Willkür der unkontrollierten
Militärbehörden hat die Lage dieser Gefangenen ganz besonders
drückend gemacht. Erst im Jahre 1917 wurden auf deutsche Repressalien
hin in der Armeezone Dienststellen geschaffen, welche die Verantwortung
für die Durchführung der kriegsministeriellen Verordnungen in
Gefangenensachen zu tragen hatten.
Aber nicht nur im festländischen Frankreich wurden die deutschen
Kriegsgefangenen untergebracht, sondern auch auf Korsika und in afrikanischen
Kolonien. Bereits im Herbst 1914 hat das französische Kriegsministerium
begonnen, Kriegsgefangene nach Korsika zu schaffen, und zwar in Gegenden, die
infolge ihrer Malaria- und Typhusepidemien in Frankreich berüchtigt sind.
Es sei auf das Gefangenenlager in dem ehemaligen Zuchthaus von Aleria
hingewiesen, dessen frühere Insassen man wegen des furchtbaren Klimas
fortgeschafft hatte. Französische Zeitungen und geographische Werke
bestätigen die schweren klimatischen Gefahren, denen die gefangenen
Deutschen von der unmöglich gutgläubigen französischen
Regierung ausgesetzt wurden. Noch im Jahre 1917 wiesen Schweizer
Sanitätsoffiziere nachdrücklichst darauf hin, daß man
Kriegsgefangene selbst nicht vorübergehend in den
fiebergefährlichen Gegenden unter- [161] bringen dürfe.
Das Verhalten der französischen Behörden hat Tausenden von
Deutschen Leben oder Gesundheit gekostet, und erst nach mehrjährigen
Bemühungen von deutscher Seite ist es gelungen, die Räumung der
gefährlichen Landstriche durchzusetzen.
Ein dunkles Blatt in der französischen Gefangenenbehandlung stellen auch
die afrikanischen Lager dar. Die
Deutschen, die Frankreich in Togo und Kamerun
zu Kriegsgefangenen machte, hat es in Dahomey untergebracht, in einem
für Europäer äußerst gefährlichen Klima. Ferner
wurden seit Kriegsbeginn deutsche
Gefangene nach Algerien, Tunesien und in das
Sultanat Marokko verschickt und dort vielfach in Gegenden untergebracht, die als
sehr gesundheitsgefährlich bekannt waren. Malaria, Typhus und Ruhr
haben unter diesen Kriegsgefangenen verheerend gehaust. Eine Räumung
Afrikas von deutschen Gefangenen haben wieder erst scharfe deutsche
Vergeltungsmaßnahmen herbeiführen können. Die
Deportationen nach Afrika waren durch die Kriegsraison keineswegs geboten; der
Zweck, den Frankreich mit ihnen verfolgte, wird in amtlichen französischen
Auslassungen zynisch enthüllt; er war die völlige Vernichtung des
deutschen Ansehens in jenen halbzivilisierten oder wilden Völkerschaften.
Das Schauspiel, das seit dem Waffenstillstand die Schwarzen am Rhein der Welt
bieten, ist das klassische Gegenstück zu diesem Verhalten, welches
Frankreich und die weiße Rasse über kurz oder lang noch schwer
werden büßen müssen.
Für die Unterkunftsräume der Kriegsgefangenen gelten
völkerrechtlich dieselben Grundsätze wie bei den nehmestaatlichen
Truppen. In früheren Kriegen konnte man die Kriegsgefangenen im
allgemeinen bequem in bereits bestehenden Kasernen, Festungen usw.
unterbringen. Der Weltkrieg mit seinen ungeheuren Heeresgrößen
und Gefangenenzahlen hat aber schon in den ersten Wochen die Schaffung neuer
Unterkünfte nötig gemacht. Das bedeutete für die erste
Kriegszeit in fast allen Ländern oft eine recht behelfsmäßige
Unterbringung der Kriegsgefangenen. Wenn allerdings noch 1915, ja 1916
deutsche Kriegsgefangene im Innern Frankreichs in Zeltlagern untergebracht
waren, so zeigt das zum mindesten mangelnde Tatkraft und
Organisationsunfähigkeit der französischen Behörden. Auch
die Unterkunft in alten Burgen und Festungen mit ihren ungesunden kalten und
feuchten Räumen, die verschiedentlich vorkam, kann nicht als
völkerrechtsmäßig angesprochen werden. Die typische
Unterbringung der Kriegsgefangenen war aber auch in Frankreich während
des Weltkrieges das
Barackenlager, das durch Stacheldraht von der
Außenwelt abgesperrt war. Das Durchschnittslager in Frankreich hatte etwa
eine Belegschaft von 2000 - 3000 Mann. Die Lage der
Gefangenendepots wurde vor allem in den letzten Kriegsjahren von dem
örtlichen Bedürfnis nach Arbeitskräften mitbestimmt. So ist
eine immer stärkere Anhäufung der Gefangenen im industriereichen
Zentralmassiv und in den Hafenstädten an den Mündungen der
Seine, Loire, Gironde und Rhone festzustellen.
[162] Die Einrichtung der
Gefangenenlager wird bei ihrer nur für die Kriegszeit berechneten
Lebensdauer naturgemäß denkbar einfach gehalten. Leider ist aber
selbst die unterste Stufe der Einfachheit in französischen Lagern oft nicht
erreicht worden. Da der deutsche Soldat zudem zweifellos einen höheren
Stand der Lebensführung hatte als der
Franzose - vor allem in bezug auf Hygiene und
Reinlichkeit -, so kann man sich seine Leiden unter den
französischen Verhältnissen wohl vorstellen. Der in Deutschland
großzügig durchgeführten Anlage von Spielplätzen,
Theater- und Unterhaltungsräumen für die Kriegsgefangenen stand
man in Frankreich verständnislos gegenüber. Eine Angleichung der
deutschen und französischen Lagerverhältnisse suchten die
Verhandlungen herbeizuführen, die im Frühjahr 1918 von den beiden
beteiligten Staaten in Bern gepflogen wurden und mit der Berner Vereinbarung
vom 26. April 1918 endeten. Nach dieser mußten die Gebäude und
Baracken "allen hygienischen Anforderungen entsprechen und vollen Schutz
gegen die Unbilden der Witterung bieten". Es wurde eine grundsätzliche
Trennung von Schlaf- und Eßräumen gefordert, wie sie bis dahin in
Frankreich nicht bestand, und ins einzelne gehende Bestimmungen für
Wasch- und Brausegelegenheiten usw. getroffen. Endlich wurden auch
Erholungsräume und Spielplätze vorgesehen, eine in
französischen Gefangenenlagern bislang recht seltene Erscheinung. Leider
haben die Bestimmungen dieser Vereinbarung sich in Frankreich bis zum
Waffenstillstand nicht mehr voll auswirken können. Wie es später
um sie bestellt war, wird weiter unten gezeigt werden.
Die grundsätzliche Gleichstellung der Kriegsgefangenen mit den
Heeresangehörigen des Nehmestaates ist vom Völkerrecht auch
bezüglich Nahrung und Kleidung vorgesehen. Deutschlands Blockierung
während des Krieges hatte zur Folge, daß die Kriegsgefangenen in
Deutschland nicht so reichlich versorgt werden konnten wie das Feldheer, zumal
Hunderttausende
der deutschen Bevölkerung infolge der Hungersperre
darbten und siechten. Frankreich hat dies zum Anlaß genommen, die
Rationen der deutschen Kriegsgefangenen ständig zu kürzen, so
daß die Nahrungsfrage in den französischen Gefangenenlagern immer
heikler wurde. In verschiedenen Abkommen zwischen Deutschland und
Frankreich suchte man daher eine Lösung dieser Frage zu finden. Zuletzt
wurden in der bereits erwähnten Berner Vereinbarung vom 26. April 1918
einheitliche Grundsätze für die Gefangenenernährung
aufgestellt. Leider sind die verschiedenen Abmachungen in vielen
französischen Lagern infolge Böswilligkeit oder Liederlichkeit der
Verwaltungsbehörden aber nicht eingehalten worden, so daß die
Klagen der deutschen Kriegsgefangenen über die schlechte
Ernährung während des ganzen Krieges nicht verstummten.
Auch die Frage der Bekleidung der Kriegsgefangenen erwies sich bei der langen
Kriegsdauer und der großen Gefangenenzahl als recht schwer zu
lösen. Die verschlissenen Militäruniformen wurden in Frankreich
durch recht behelfs- [163] mäßige
"Gefangenenuniformen" ersetzt; alle Bekleidungsstücke der Gefangenen
wurden mit einem großen in Ölfarbe aufgemalten P. G.
(= prisonnier de guerre) versehen. Mit der Lieferung von
Wäsche, Handtüchern, Seife usw. war es in Frankreich immer
schlecht bestellt. Beispielshalber sei angeführt, daß der Verfasser in
seiner mehr als 33monatigen Gefangenschaft 1 Stückchen Seife, 2
Handtücher und kein Paar Unterhosen von den französischen
Behörden geliefert bekommen hat. Solchen unhaltbaren Zuständen
hat die Berner Vereinbarung vom 26. April 1918 durch eingehende
Bestimmungen über die Bekleidung usw. der Kriegsgefangenen
abzuhelfen versucht.
Kriegsgefangenenarbeit.
Einen wichtigen Platz darf die Frage der Arbeit der deutschen Kriegsgefangenen
in Frankreich für sich in Anspruch nehmen.1 Der
Charakter des Weltkrieges als Wirtschaftskrieg größten Stils hat auch
der Gefangenenarbeit sein Zeichen aufgedrückt und Probleme, die in
früheren Kriegen von minderer Wichtigkeit waren, in den Vordergrund
gedrängt. Die Wirtschaft eines jeden Staates wurde in diesem Kriege zu
einem Organismus ausgestaltet, der vereint mit dem kämpfenden Heere auf
Tod und Leben um den Sieg rang. Das Völkerrecht gab den Kriegsparteien
die Befugnis, die Kriegsgefangenen in ihrer Hand zur Arbeit heranzuziehen, mit
der Beschränkung allerdings, daß diese Arbeiten in keinerlei
Beziehungen zu den Kriegsunternehmungen stehen dürften. Was Wunder,
daß bei einer solchen in der Praxis des Weltkrieges wirklich nicht
durchzuführenden Beschränkung die Staaten versuchten, diese
Schranken immer weiter zurückzuschieben, den Kreis der verbotenen
Arbeiten zu verringern! In der Berner Vereinbarung vom 15. März 1918
zwischen Deutschland und Frankreich, dem Ergebnis langer im Dezember 1917
gepflogener Verhandlungen, kommt dies deutlich zum Ausdruck; ihr
Artikel 25 sieht nur noch solche Arbeit als verboten an, "die unmittelbar
mit den Kriegsunternehmungen zusammenhängt". Wie eng dieses
"unmittelbare Zusammenhängen" ausgelegt wurde, zeigen die
Artikel 30 - 32 derselben Vereinbarung, die sich mit den im
Operationsgebiet zurückbleibenden Kriegsgefangenen befassen. Auch bei
der vorgeschriebenen Entfernung von 30 km hinter der Feuerlinie wird man
nur schwer annehmen können, daß die Arbeit dieser
Kriegsgefangenen nicht mit den Kriegsunternehmungen
zusammenhängt.
Bei der gewaltigen Bedeutung der Wirtschaft für die Entscheidung des
Weltkrieges hat diese Verringerung des Kreises der verbotenen Arbeiten die
Kriegsgefangenen in eine Sklavenrolle hineingezwängt.
Kriegsgefangenschaft [164] bedeutete im Weltkrieg
die Einreihung in die Arbeitsarmee des bisher mit den Waffen bekämpften
Gegners. Das hat die kriegsgefangenen Deutschen besonders hart treffen
müssen bei der Rücksichtslosigkeit, mit der Frankreich die
größtmögliche Heranziehung der Kriegsgefangenen zur
"Défense Nationale" durchzusetzen bestrebt war und "keine
Arbeitskraft, so gering sie auch scheinen möchte, ungenützt lassen"
wollte, wie es in amtlichen französischen Auslassungen ausdrücklich
heißt. Daß es bei solchen Anschauungen auch nur zu oft schlecht
bestellt war mit der Innehaltung des völkerrechtlichen Verbots
übermäßiger Arbeit, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Das haben besonders die Kriegsgefangenen erfahren, die, wie der Verfasser, in
Hafenlagern oder industriellen Arbeitsstellen gewesen sind. Erst in der zweiten
Berner Vereinbarung vom 26. April 1918 sind Vorschriften aufgestellt worden,
die einer übermäßigen Ausbeutung der Kriegsgefangenen
entgegentraten. Nach ihnen sollte u. a. die Arbeitsdauer die der
Zivilarbeiter des betreffenden Bezirks nicht überschreiten und
grundsätzlich nicht mehr als 10 Stunden betragen. Ein Anmarsch bis zu
4 km wurde allerdings in die Arbeitszeit nicht einbezogen.
Neben dieser sachlichen Begrenzung der Arbeitspflicht kommt auch noch ihre
persönliche Begrenzung in Frage. Die nicht genau gehaltenen
Bestimmungen der Landkriegsordnung hierüber haben zu vielen Reibereien
und Schwierigkeiten Anlaß gegeben. So war die Heranziehung von
Intellektuellen zu schwerster körperlicher Arbeit lange ein Gegenstand
bitterer Vorwürfe zwischen Deutschland und Frankreich. Erst auf Grund
einer deutschen Note vom 13. Dezember 1916 kam es zu einer Abmachung
zwischen den beiden Staaten, nach der die Angehörigen der sog. freien
Berufe, auch bei voller körperlicher Leistungsfähigkeit, von
folgenden schweren Arbeiten befreit sein sollten: Arbeit unter Tage in den
Bergwerken, Tunnel- und Straßenbau, Arbeit in Steinbrüchen, bei der
Trockenlegung von Sümpfen, beim Laden und Ausladen von Fahrzeugen
und Eisenbahnen sowie Arbeiten an den Hochöfen und an offenen Feuern
in den Fabriken. In vollem Umfang durchgesetzt wurden ist diese Bestimmung
allerdings niemals in Frankreich. Mit tiefem Mitleid denkt der Verfasser an
manche Leidensgenossen, die bei dauernder schwerster Arbeit in Kohlenbunkern
und unter Tage seelisch zugrunde gingen.
Auch die Frage der Unteroffizierarbeit verdient im Zusammenhang hiermit eine
kurze Betrachtung. Sie war durch die Landkriegsordnung nicht eingehend geregelt
worden und gab daher Raum zu verschiedener Behandlung durch die
kriegführenden Parteien. In Deutschland wurden mancherorts die
kriegsgefangenen französischen
Korporale - die dem Mannschaftsstand zuzurechnen
sind - zur Arbeit herangezogen. Dies nahm Frankreich 1915 zum
Anlaß der Durchführung des Arbeitszwanges für
sämtliche deutsche Unteroffiziere
ohne höheren Dienstgrad. Die
darauf erfolgende Anwendung der Arbeitspflicht für sämtliche
französischen Korporale durch Deutschland vermochte [165] Frankreich nicht
umzustimmen. Da man auf deutscher Seite durch weitere Gegenmaßregeln
nicht auch die Lage der höheren deutschen Unteroffiziere gefährden
wollte, behielt schließlich der französische Standpunkt die Oberhand,
und die deutschen kriegsgefangenen Unteroffiziere ohne höheren
Dienstgrad wurden weiterhin wie die Mannschaften zur Arbeit herangezogen.
In der ersten Berner Vereinbarung vom März 1918 zwischen Deutschland
und Frankreich wurde die Unteroffizierarbeit dann durch völkerrechtlichen
Vertrag schärfer umrissen. Gemäß ihrem Artikel 35
erfolgte eine grundsätzliche Befreiung der Unteroffiziere vom Sergeanten
aufwärts von der Arbeitspflicht; sie konnten nur herangezogen werden zur
Überwachung der arbeitenden Kriegsgefangenen, zur Abholung und
Verteilung der Postsachen und Pakete, zur Beschäftigung auf der
Schreibstube sowie zu solchen Arbeiten, die zur Versorgung des Lagers oder der
Kriegsgefangenen unbedingt notwendig waren, wie Küchendienst und
Gartenarbeit. Zulässig sollten diese Arbeiten aber nur sein, wenn sie mit der
Würde des betreffenden Dienstgrades vereinbar waren und innerhalb der
Lagerumzäunung ausgeführt wurden; niedrige und schmutzige
Verrichtungen wie Straßenreinigen, Kohlenarbeit usw. waren
ausdrücklich untersagt.
In der Organisation der Kriegsgefangenenarbeit in Frankreich sind verschiedene
Abschnitte zu unterscheiden. Zu Kriegsbeginn hatte die französische
Greuelhetze gegen Deutschland die keineswegs beabsichtigte Folge, daß das
Kriegsministerium die Arbeitskräfte der deutschen Kriegsgefangenen nicht
unterzubringen vermochte. Scheute sich doch jedermann, Arbeiter zu
beschäftigen, die nach den Zeitungen den Abschaum der Menschheit
darstellten, Kindern die Hände abhackten und ähnliche Greuel zu
verüben pflegten. Nur durch größtes finanzielles
Entgegenkommen und eindringliche Beeinflussung vermochte man das
Mißtrauen der Unternehmer gegen die kriegsgefangenen "boches"
allmählich zu überwinden. Die Befugnis zur Überlassung von
Kriegsgefangenen zur Arbeit wurde in die Hände der
Regionskommandanten und Präfekten gelegt; das Kriegsministerium
behielt sich lediglich die Oberaufsicht vor.
Von vornherein war es Grundsatz der Militärbehörden, die
Kriegsgefangenen lediglich in nationalfranzösischem Interesse zu
verwenden. Als Entschädigung für die Überlassung von
Kriegsgefangenen zur Arbeit wurden vom Kriegsministerium zunächst nur
die reinen Unterhaltungskosten beansprucht, die sich nach amtlicher Berechnung
folgendermaßen zusammensetzten: 1,03 Fr. für Nahrung,
0,20 Fr. für Kleidung, 0,14 Fr. für Heizung und
Beleuchtung; ferner wurden noch hinzugerechnet 0,20 Fr., die als
"centimes de poche" für die Kriegsgefangenen selbst bestimmt
waren. Bei nicht genügender Arbeitsleistung konnte diese
Arbeitsprämie gestrichen werden - was übrigens ohne Grund
nur allzuoft vorkam -, andererseits durften die Privatunternehmer die
Summe zur Erzielung besserer Arbeitsergebnisse bis auf 0,40 Fr.
(späterhin stellenweise [166] auch mehr)
erhöhen. Zur Erschwerung von Fluchtversuchen wurden diese sowie andere
den Kriegsgefangenen zugehende Gelder übrigens nicht in
Landesmünze, sondern in eigens hierzu hergestellten Gutscheinen,
"Lagergeld", ausbezahlt, mit denen die Kriegsgefangenen ihre Einkäufe an
den Lagerkantinen tätigen konnten.
Als erste der öffentlichen Verwaltungen hat das französische
Landwirtschaftsministerium die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen ausgenutzt,
und zwar zu Meliorations- und Sanierungsarbeiten, wie z. B. in Korsika.
(Daß die Verwendung in fiebergefährlichen korsischen Landstrichen
ein schweres Vergehen gegen das Völkerrecht war, ist oben betont worden.)
Dem Landwirtschaftsministerium folgte die Eisenbahnverwaltung und die Leitung
des Wegewesens. Seit Frühjahr 1915 wurden ferner auf Veranlassung des
französischen Generalstabs Kriegsgefangene in den Hafenstädten zur
Löschung von Schiffen verwandt. Dann machten Industrie und
Landwirtschaft in immer steigendem Maße von der Arbeitskraft der
Kriegsgefangenen Gebrauch, je mehr sich infolge des Krieges Arbeitermangel
fühlbar machte. So schmolz das Überangebot von Kriegsgefangenen
immer mehr zusammen, und noch vor Schluß des ersten Kriegsjahres
konnte die Nachfrage nach Kriegsgefangenen nicht mehr im entfernten gedeckt
werden.
Unter diesen Umständen schritt das französische Kriegsministerium
zu einer Umgestaltung seiner bisherigen Grundsätze für die
Kriegsgefangenenarbeit. Suchte es früher durch die Billigkeit der von ihm
angebotenen Arbeitskräfte zu deren Verwendung anzureizen, so konnte und
mußte es nunmehr angesichts der starken Nachfrage, der entstandenen
Lohndrückerei und der ungerechtfertigten Bevorzugung der mit billigen
Kriegsgefangenen arbeitenden Unternehmer die Entschädigungssummen
höher hinaufsetzen. Es forderte jetzt den Unternehmern ungefähr
soviel ab, wie ihnen Zivilarbeiter kosteten; eine gewisse Spannung wurde aber
für nötig gehalten, da die Leistungen der deutschen
Kriegsgefangenen die Durchschnittsleistung gewöhnlicher
Arbeitskräfte nicht erreichten. Auch wurde im Winter 1915/16 zu einer
Rationierung in der Zuweisung von Kriegsgefangenen geschritten und die Zahl
und Reihenfolge der Verwaltungen und Betriebe festgelegt, denen
Kriegsgefangene gestellt werden durften.
Die Lage der kriegsgefangenen Deutschen wurde hierdurch
naturgemäß sehr ungünstig beeinflußt. In
rücksichtslosester Weise wurde die Zahl der im inneren Dienst der Lager
Beschäftigten immer mehr eingeschränkt und jegliche Arbeitskraft
ausgenutzt. Die Einrichtung besonderer "Inaptenlager" in jeder Region sollte eine
möglichst scharfe Kontrolle und die vollständige Erfassung aller
verfügbaren Kräfte herbeiführen. In diesen Inaptenlagern
wurden die Kriegsgefangenen untergebracht, die entweder als dauernd untauglich
(inapte) zu schwerer Arbeit oder als zeitweilig unfähig zur
Außenarbeit galten. Sie wurden [167] mit der Herstellung und
Ausbesserung von Kleidungsstücken, Schuhen usw.
beschäftigt, die für die Kriegsgefangenen der betreffenden Region
oder für die französische Intendantur bestimmt waren. Häufige
ärztliche Untersuchungen mußten für die ständige
Aussiebung der Arbeitsfähigen sorgen, kurz, nichts wurde unversucht
gelassen, um aus den gefangenen Deutschen das Letzte herauszuholen und sie
völlig in die französische Kriegswirtschaft einzugliedern.
Strafwesen.
Nur zu eng verbunden mit der Arbeit waren für den deutschen
Kriegsgefangenen in Frankreich unter den
geschilderten Verhältnissen die
Strafen. "Schlechter Wille bei der Arbeit" war der vorgegebene Grund, der
unzählige Tage Arrest für die gefangenen Deutschen zur Folge
gehabt hat. Die aufsichtsführenden Zivilisten und die von den
Unternehmern vielfach bestochenen Wachmannschaften trieben vor allem in den
Hafenstädten und Industrieorten die Kriegsgefangenen in einer Art und
Weise zur Arbeit, die an Sklavenwirtschaft erinnerte. Da war es wirklich kein
Wunder, wenn die vielfach sehr schlecht ernährten, zum Teil der
Handarbeit ungewohnten Leute, Lehrer, Beamte, Kaufleute, den an sie gestellten
Anforderungen nicht entsprechen konnten. Lohnabzug und Arrest waren die
Folge. Neben dem "schlechten Willen zur Arbeit" war Arbeitsverweigerung
häufig ein Grund zur Bestrafung. Oft wurden schwere langjährige
Zuchthausstrafen in diesem Falle verhängt. Ebenso hat Mundraub manchem
deutschen Kriegsgefangenen lange Zuchthausstrafen eingebracht.
Ein besonderes Kapitel bildet die
Behandlung der Kriegsgefangenen, die bei
einem Fluchtversuch ergriffen wurden. Gemeinste Mißhandlungen,
Fußtritte, Schläge mit der Reitpeitsche und dem Gewehrkolben waren
meist das erste, das ihnen widerfuhr. Wie gemeine Verbrecher wurden sie dann
häufig gefesselt und in ihr Lager abtransportiert; auch an die
Steigbügel der Pferde der sie begleitenden, scharf trabenden Gendarmen hat
man manche "Ausreißer" gebunden.
30 - 60 Tage strengen Arrestes erwartete sie dann bei der Ankunft
im Lager. Bei der Flucht begangene Vergehen, wie Mundraub, zogen oft noch die
obenerwähnten harten Strafen nach sich.
Erwähnt zu werden verdient, daß im Gegensatz zu den deutschen
Verhältnissen Bestrafungen durch untergeordnete Organe an der
Tagesordnung waren. Bestrafungen durch einen Offizier wurden auf dem
Instanzenweg weitergemeldet und endeten regelmäßig mit einer
Vervielfältigung der ursprünglichen Strafe.
Eine Besonderheit des französischen Strafwesens waren die
Daumenschrauben und das Mauerstehen. Das erste mittelalterliche
Folterwerkzeug hat man nicht nur in Afrika gegen gefangene Kolonialdeutsche,
sondern auch in [168] Gefangenenlagern in
Frankreich angewandt.2 Beim Mauerstehen, das besonders im
Lager Dinan häufig war, mußte der Bestrafte mit dem Gesicht auf
10 - 20 cm an die Mauer heran stramm stehen. Alle Stunden
gab es dabei als Pause einen Rundgang von 10 Minuten. Die Strafe wurde
bis zu einer Dauer von 60 Tagen verhängt. Amputierte und
Schwerverwundete haben sie vor einer Mauer sitzend verbringen müssen.
Wer aus Schwäche oder infolge der eintretenden Gelenkschwellungen
zusammenbrach, wurde für den Tag in Arrest oder ausnahmsweise in die
Krankenstube gesteckt, bis die Folter fortgesetzt werden konnte.
Aus den nordafrikanischen Lagern ist ferner über die Strafe des
Einzelzeltes, "tombeau" genannt, zu berichten. Eine einzige, etwa
1,50 m im Geviert große Zeltbahn wurde dachförmig
aufgestellt, in der Mitte etwa ½ m von der Erde. Unter diesem Zelt
mußten die Bestraften selbst bei größter Hitze liegen, Kopf und
Füße kamen natürlich an den Enden heraus. Zu all den harten
Strafen traten häufig noch rohe Mißhandlungen durch Vorgesetzte
und Wachmannschaften.
Die deutsche Regierung hat im Laufe des Krieges große Anstrengungen
gemacht, um mit Frankreich zu einer Verständigung über das
Strafwesen zu kommen und das Los ihrer gefangenen Landsleute zu mildern. So
kam es im August 1916 zu einem deutsch-französischen Abkommen, nach
welchem alle bis zum 1. September 1916 gegen Kriegsgefangene
verhängten gerichtlichen Strafen ausgesetzt und die Kriegsgefangenen aus
den Strafanstalten in die gewöhnlichen Lager zurückgebracht werden
sollten. Der Artikel 34 der Berner Vereinbarung vom April 1918 zwischen
den beiden Staaten brachte ein neues Abkommen für die Strafvollstreckung
der zwischen dem 1. September 1916 und dem 25. April 1918 von
Kriegsgefangenen verübten Verbrechen und Vergehen. Nach ihm waren die
verurteilten Kriegsgefangenen unverzüglich in sog. "Sicherheitslagern"
unterzubringen, deren Einrichtung und Dienstbetrieb grundsätzlich ebenso
sein sollte wie in den gewöhnlichen Lagern; nur Erholungsräume,
Sportplätze und ähnliche Erleichterungen sollten wegfallen; auch
für den Paket- und Geldverkehr und die Arbeitsverwendung wurden
Einschränkungen festgelegt.
Den Schutz gerichtlich angeklagter Kriegsgefangenen übernahm die mit der
Wahrung der deutschen Interessen in Frankreich betraute Macht; zuerst also die
Botschaft der Vereinigten Staaten, später die Schweizer Gesandtschaft in
Paris. Durch ihre Vermittlung wurde ein Verteidiger bestellt und
nötigenfalls Berufung eingelegt. Erhebung der Klage, Ausgang des
Verfahrens, sowie gegebenenfalls Verurteilungsgrund und Strafmaß hatte
Frankreich gemäß Vereinbarung Deutschland mitzuteilen; ebenso
waren von Zeit [169] zu Zeit mit
Erläuterungen versehene Listen der verurteilten Kriegsgefangenen zu
übermitteln.
Die Kassierung "nachweislicher Fehlurteile" hat die deutsche Regierung
verschiedentlich durch Repressalien zu erzwingen gewußt. Es sei an den
Fall der Patrouille Schierstädt erinnert, die hinter der französischen
Front requiriert hatte und wegen Straßenraubes verurteilt worden war.
Über die Bestrafung der
Fluchtversuche sind jahrelang zwischen
Deutschland und Frankreich Noten gewechselt worden, bis endlich die erste
Berner Vereinbarung in ihrem Artikel 45 eine einheitliche Regelung dieser
Frage traf. Nach diesem kam für den einfachen Fluchtversuch, auch im
Wiederholungsfall, höchstens eine 30tägige Disziplinarstrafe in
Frage. Waren zur Durchführung des Fluchtversuches durch Aneignung und
Beschädigung fremden Eigentums andere strafbare Handlungen begangen
worden, so sollte die Strafdauer 2 Monate nicht übersteigen, wenn nicht die
nehmestaatlichen Gesetze die Straftat mit Zuchthaus bedrohten. Dasselbe sollte
bei einem gemeinsam mit anderen Kriegsgefangenen unternommenen
Fluchtversuche gelten. Bei der Behandlung wiederergriffener Ausreißer
sollte jede unnötige Härte vermieden und jede wörtliche oder
tätliche Beleidigung streng bestraft
werden - eine Bestimmung, die bei den in Frankreich herrschenden
Verhältnissen sehr am Platze war, leider dort aber keineswegs allgemein
durchgeführt wurde.
Hervorgehoben zu werden verdienen auch folgende Bestimmungen der zweiten
Berner Vereinbarung. Artikel 35 führt die für die deutschen
Kriegsgefangenen zulässigen Arreststrafen auf: "cellule" für
die Mannschaften und einfachen Unteroffiziere, "arrêt de rigueur"
für sousofficiers und officiers, für die Unteroffiziere
vom Sergeanten aufwärts und die Offiziere. Artikel 36 tritt
übermäßig langen Arreststrafen entgegen, indem er die
Höchstdauer einer Arreststrafe auf 30 Tage festsetzt. Übersteigen
mehrere nacheinander zu verbüßende Strafen diese Zeit, so ist nach je
30 Tagen eine straffreie Woche einzulegen. Die Anlagen 3 und 4 der
Vereinbarung regeln des näheren die technischen Fragen der
Strafvollstreckung. Strafverschärfungen, wie der Gepäckmarsch,
werden ausdrücklich verboten. Alle Bestimmungen haben aber in
Frankreich im großen und ganzen nur ein papierenes Leben
geführt.
Gefangenenlagerleben.
Die französischen Organe des Lagerdienstes bei den deutschen
Kriegsgefangenen sind weiter oben bereits Gegenstand der Betrachtung gewesen.
Mit ihnen allein war die Aufrechterhaltung des Lagerbetriebes aber nicht
durchzuführen. Man bedurfte der Mithilfe der Kriegsgefangenen selbst. Als
gegebene Organe hierzu erschienen die bisherigen Vorgesetzten. Wohl haben die
französischen Militärbehörden mancherorts in der ersten
Kriegszeit gerade die [170] Unteroffiziere aller
Grade möglichst schlecht behandelt und zu demütigen gesucht, um
auf diese Weise die festgefügte deutsche Disziplin zu erschüttern,
doch bald sahen sie ein, daß sie sich hiermit ins eigene Fleisch schnitten;
denn die Lockerung der Disziplin und die Verwischung aller Unterschiede
mußte die Behandlung der Kriegsgefangenen natürlich
äußerst schwierig machen. Es bildete sich infolgedessen
allmählich in allen Gefangenenlagern eine im wesentlichen
übereinstimmende Organisation der Kriegsgefangenen heraus. An ihrer
Spitze stand der deutsche Lagerführer, chef de camp, ein von der
französischen Behörde berufener Unteroffizier, der Mittler zwischen
der Kommandantur und den Kriegsgefangenen. An ihn gingen alle Lagerbefehle,
die er bei den Appells bekanntzumachen hatte. Er war verantwortlich für
die Aufrechterhaltung der Ordnung im Lager, mußte andererseits als
berufener Interessenvertreter seiner Landsleute gegenüber den
französischen Behörden gelten. Die Einteilung der Lagerinsassen zu
den befohlenen Arbeiten lag in seiner Hand. Unterstützt wurde er dabei von
den Kompagnieführern, deutschen Unteroffizieren, denen je
100 - 200 Mann für den ganzen inneren Dienst unterstanden.
Letzte Organisationsstufe war die Korporalschaft. Außerdem versahen die
deutschen Unteroffiziere die Posten von Barackenältesten,
Küchenleitern, Postvorständen usw. Auch den zur Arbeit
herangezogenen Kriegsgefangenen wurde meist ein deutscher Vorgesetzter als
Befehlsübermittler beigegeben. Die Stellung dieser Unteroffiziere war
äußerst schwierig. Die im Allgemeininteresse wünschenswerte
Aufrechterhaltung eines erträglichen Verhältnisses zu den
französischen Behörden fand ihre Grenze da, wo die berechtigten
Ansprüche der Kriegsgefangenen begannen. Hier den rechten Weg zu
finden, besonders wenn auf französischer Seite Verständnislosigkeit,
Ungeschicklichkeit oder Gehässigkeit herrschte, war nicht leicht. Es ist ein
Ruhmestitel vieler deutscher Unteroffiziere, daß sie unter den
unerquicklichsten Verhältnissen aufrecht und gerade ihren Weg gegangen
sind, die Interessen ihrer Leute mannhaft vertreten und schlechte Behandlung und
lange Arreststrafen hierfür auf sich genommen haben.
Die französischen Behörden strebten natürlich dahin,
möglichst solche deutsche Vorgesetzte auf die angegebenen Posten zu
stellen, von denen sie keine Schwierigkeiten zu erwarten hatten. Es darf nicht
verschwiegen werden, daß sie verschiedentlich willfährige Kreaturen
gefunden haben, denen materielle Vorteile oder die Befriedigung ihres
Machtgelüsts höher standen als die Interessen ihrer Landsleute und
ihres Vaterlandes. Die Lynchjustiz, die von heimgekehrten Kriegsgefangenen an
solchen Lumpen mehrfach vollzogen worden ist, spricht beredt davon, welche
häßlichen Zustände so entstehen können. Für
solche Fälle hatte man bei den zur ersten Berner Vereinbarung
führenden Verhandlungen ein Gegengewicht schaffen wollen, als man das
Institut der Hilfsausschüsse ins Leben rief. Diese sollten ein Organ reiner
Selbstverwaltung der Kriegsgefangenen sein, aus freier Wahl hervorgegangen.
Wichtige Befug- [171] nisse auf den Gebieten
der Charitas, der noch zu behandelnden Hospitalisierung und Entlassung von
Kriegsgefangenen, des Verkehrs mit der Lagerkommandantur und der
Schutzmacht waren in ihre Hände gelegt. Die im besten Sinne des Wortes
fortschrittliche Einrichtung hat auf französischem Boden allerdings nicht
die erwarteten Erfolge gezeitigt, weil es den französischen Behörden
an Verständnis und an gutem Willen vielfach gebrach.
Als selbstverständlich muß es erscheinen, daß Kriegsgefangene
Gelegenheit zu geistiger Beschäftigung erhalten. Wer Kriegsgefangener
gewesen ist, weiß, daß das sogar bitter notwendig ist, soll man nicht
dem furchtbaren seelischen Druck erliegen, den vor allem längere
Gefangenschaft - auch bei nicht ungünstigen äußeren
Verhältnissen - ausübt. Amtliche französische Berichte
stellen Deutschland das Zeugnis aus, daß es in weitem Umfang der Pflicht
genügt hat, den Kriegsgefangenen in seiner Hand angemessene Gelegenheit
zu geistiger Betätigung zu geben.3
Von Frankreich kann man dasselbe
leider nicht sagen. Mühsam
mußten sich hier die Kriegsgefangenen die Möglichkeit zu geistiger
Beschäftigung erkämpfen. Ein bezeichnendes Licht auf die
Verhältnisse in Frankreich wirft die Tatsache, daß 1914/15 im Lager
Dinan wegen der Verfehlung eines einzelnen dem ganzen Lager 6 Monate lang
jede Lektüre entzogen und neuankommende Bücher den Gefangenen
nicht ausgehändigt wurden. Besonders schlimm wurde es im Jahre 1917,
als Deutschland wegen der in den Gefangenenlagern Frankreichs herrschenden
Verhältnisse zu Vergeltungsmaßregeln schritt, die von Frankreich mit
der Aufhebung der wenigen in einzelnen Lagern erreichten Erleichterungen
beantwortet wurden.
Bei den Verhandlungen, die der ersten Berner Vereinbarung vorangingen, hat man
unter diesen Umständen auf die Frage der geistigen Beschäftigung
der Kriegsgefangenen besonderes Gewicht gelegt. Im Artikel 40 der
Vereinbarung wurde von den vertragschließenden Mächten
ausdrücklich der Grundsatz anerkannt, daß den Kriegsgefangenen
nach Möglichkeit Gelegenheit zu geistiger Beschäftigung und
Fortbildung zu geben sei. Zur Verwirklichung dieses Grundsatzes sollte in jedem
Stammlager und tunlichst auch in den größeren Arbeitslagern ein
Lese- und Arbeitsraum eingerichtet werden. Die Abhaltung von Lehrkursen und
Vorträgen sollte den hierfür geeigneten Kriegsgefangenen gestattet
werden. Ferner wurde vereinbart, die Einrichtung von Lagerbüchereien in
jeder Weise zu fördern. Für die Bücherwarte und die
Lehrpersonen wurde Befreiung von der Lagerarbeit gefordert; eine Versetzung in
andere Lager sollte nur in Fällen dringender Notwendigkeit stattfinden.
[172] Diese Abmachungen
haben manche Besserungen in Frankreich zur Folge gehabt und zur Durchsetzung
elementarer Forderungen der Menschlichkeit in etlichen Lagern beigetragen.
Die Versorgung der Kriegsgefangenen mit geistiger Nahrung hatte sich besonders
die "Deutsche Kriegsgefangenenfürsorge Bern" zum Ziel gesetzt, die der
deutschen Gesandtschaft in Bern angegliedert war.4 Durch ihre
Vermittlung sind Hunderttausende von Büchern nach Frankreich gesandt
worden; sie besorgte selbst die Herausgabe von eigens für die Gefangenen
bestimmten Büchern und gab einen "Sonntagsboten" für die
deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich heraus. Eine besondere Abteilung
befaßte sich mit dem Lagerunterricht und ermöglichte durch die
Beschaffung der nötigen Bücher vielfach erst das Zustandekommen
und die Durchführung von Lehrkursen in den Gefangenenlagern.
Erfolgreich bemühte sie sich auch um die spätere amtliche
Anerkennung dieser Kurse in der Heimat, ja, sie setzte es endlich durch, daß
durch dazu befähigte Kriegsgefangene Abschlußprüfungen
abgehalten werden konnten, die dieselben Berechtigungen verliehen wie die
entsprechenden staatlichen Prüfungen in der Heimat. Erwähnt zu
werden verdient auch die internationale Organisation der "Christlichen
Vereinigung junger Männer", die sich neben der Versendung von
Typenbüchereien vor allem den Bau von
Theater- und Unterhaltungsbaracken in französischen Lagern angelegen
sein ließ, was bei dem Mangel solcher Einrichtungen in Frankreich von
erheblicher Bedeutung war.
Über diesen für die geistigen Bedürfnisse der
Kriegsgefangenen wirkenden Organisationen dürfen die übrigen
Hilfsgesellschaften nicht vergessen werden, deren Aufgabe ganz allgemein die
Milderung des Loses der Kriegsgefangenen war. Auf der 9. internationalen
Konferenz des Roten Kreuzes in Washington war der Beschluß gefaßt
worden, den Liebesgabendienst für die Kriegsgefangenen in den
Arbeitsbereich des Roten Kreuzes einzubeziehen. Dementsprechend hatte das
Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz gleich zu Beginn des
Krieges eine Abteilung für Gefangenenfürsorge eingerichtet. Bei den
Riesenverhältnissen des Weltkrieges wurde eine Dezentralisation bald
unvermeidlich; zur tatsächlichen Hauptinstanz in der
Fürsorgetätigkeit des Roten Kreuzes für die Kriegsgefangenen
in Frankreich wuchs sich auf diese Weise der "Ausschuß für deutsche
Kriegsgefangene" in Frankfurt a. M. aus. Aus seiner umfangreichen
Tätigkeit seien hervorgehoben die Bearbeitung der
Geldunterstützungen in Frankreich, die Vermißtennachforschung
für ganz Süd- und Westdeutschland, ferner die Herausgabe der
"Internen Wochenberichte", in denen er die von ihm gesammelten Berichte
über die französischen Gefangenenlager für die kleineren
Hilfsvereine zusammenstellte. Auch über die Veränderungen auf
dem Gebiete des deutsch-französischen Gefangenenwesens [173] wurden diese Vereine
vom Frankfurter Ausschuß laufend unterrichtet. Besonders wichtig
für die deutschen Gefangenen in Frankreich war ferner die
Kriegsgefangenenfürsorge des Roten Kreuzes in Stuttgart, welche
Vermittlungsstelle für die nach französischen Lagern bestimmten
Liebesgaben war. Der Versand von Kleidungsstücken lag
ausschließlich in den Händen dieser Organisation. Erwähnt
seien ferner noch z. B. der Badische Landesausschuß für
Gefangenenfürsorge in Freiburg i. Br. und die in vielen
Städten bestehende "Hilfe für kriegsgefangene Deutsche".
Auch in neutralen Ländern haben sich die dortiger
Rote-Kreuz-Organisationen bei der Liebestätigkeit für die
Kriegsgefangenen viele Verdienste erworben. Von hohem Wert für die
deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich war besonders die dem Schweizer
Roten Kreuz angegliederte Hilfsstelle "Pro captivis", die sich mit der
Absendung von Typenpaketen an einzelne Kriegsgefangene befaßte, als die
steigende Lebensmittelnot in Deutschland dies den Angehörigen immer
schwerer machte. Der "Hilfsdienst für die
Kriegs- und Zivilgefangenen in Frankreich" in Bern arbeitete in Fühlung
mit "Pro captivis" und besorgte Sammelsendungen von Lebensmitteln und
Wäsche in die französischen Gefangenenlager. Mit dem
Knapperwerden der Schweizer Bestände errichtete "Pro captivis"
übrigens eine Zweigstelle in Barcelona, um seine verdienstliche
Tätigkeit in vollem Maße aufrechterhalten zu können.
In enger Verbindung mit der Fürsorgetätigkeit stand der
Auskunftsdienst. Der Tätigkeit des "Frankfurter Ausschusses für
deutsche Kriegsgefangene" auf diesem Gebiete ist bereits gedacht. Die
gemäß Artikel 14 der Haager Landkriegsordnung errichtete
amtliche Auskunftsstelle in Deutschland war das "Zentralnachweisbureau" des
preußischen Kriegsministeriums. Dieses befaßte sich allerdings selbst
nur mit der Auskunftserteilung über kriegsgefangene Deutsche,
während es die Auskunftserteilung über die feindlichen
Kriegsgefangenen dem "Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz"
delegierte. In Frankreich war amtliche Auskunftsstelle das "Bureau de
renseignements de prisonniers de guerre". Es sei auch noch [auf] die vom
Internationalen Komitee vom Roten Kreuz in Genf errichtete "Agence
internationale de secours et de renseignements en faveur des prisonniers de
guerre" hingewiesen, die Fürsorge- und Auskunftstätigkeit in
sich vereinte.
Um die Auskunftstätigkeit möglichst schnell und genau zu gestalten,
kam Deutschland mit Frankreich dahin überein, daß ein Austausch
von Listen der Kriegsgefangenen stattfinden sollte. Diese Listen wurden nach den
bei den Auskunftsstellen einlaufenden Mitteilungen aufgestellt und enthielten
außer Vor- und Zunamen die Bezeichnung des Truppenteils, Angaben
über Gesundheitszustand und Aufenthaltsort des betreffenden
Kriegsgefangenen und etwaige Veränderungen. Sie sollten in
regelmäßigen Zeitabschnitten, tunlichst wöchentlich, durch
Vermittlung der Schutzmacht dem Heimatstaat der Kriegsgefangenen [174] zugeleitet werden. Seit
dem Sommer 1918 hat Frankreich es nicht für nötig gehalten, diese
Listen gemäß den eingegangenen Verpflichtungen aufzustellen und
Deutschland übermitteln zu lassen.
Tätigkeit der Schutzmacht.
Hier ist wieder die Tätigkeit der Schutzmacht gestreift, derer bereits bei den
Ausführungen über die angeklagten Kriegsgefangenen gedacht
wurde. Es sei nunmehr ein kurzer Überblick über das gesamte
Wirken der Schutzmacht gegeben. Als erste Aufgabe kam die reine
Verkehrsvermittlung zwischen den feindlichen Staaten in Betracht, wie sie sich in
der obenerwähnten Listenübersendung äußert und
außerdem in der Übermittlung des gesamten Notenwechsels
zwischen den Kriegsparteien zutage tritt.
Weiter konnte die Amerikanische Botschaft (später die Schweizer
Gesandtschaft) zu Paris auch brieflich mit den Kriegsgefangenen selbst in
Verbindung treten; diese hatten das Recht, ihre Beschwerden und Wünsche
bei der Pariser Schutzmachtvertretung anzubringen. Dieses Recht war
zunächst allerdings nur stillschweigend
anerkannt - übrigens wurde es recht oft beschnitten oder durch
ungerechtfertigte Arreststrafen gänzlich unmöglich gemacht; im
Artikel 49 der ersten Berner Vereinbarung wurde es dann aber
ausdrücklich festgelegt. Mit der Durchführung dieses Artikels hat es
jedoch in Frankreich stets gehapert.
Wichtigste Aufgabe der Schutzmacht war die direkte Kontrolle der
Verhältnisse in den Kriegsgefangenenlagern selbst, die im Verlauf des
Krieges zu einer ständigen Einrichtung wurde. Zuerst fanden die Besuche
der Schutzmachtvertretung nur nach vorheriger Erlaubnis des französischen
Kriegsministeriums statt; später konnten gemäß einem
deutsch-französischen Abkommen die Besuche in den Gefangenenlagern
und Lazaretten ohne besondere Genehmigung und unangesagt erfolgen,
während für den Besuch an Arbeitsstellen und in Strafanstalten die
Genehmigung der zuständigen Militärbehörde erforderlich
war. Wegen der Wichtigkeit der gesundheitlichen Verhältnisse war meist
ein Arzt Mitglied der Delegation. Die Schutzmachtvertreter pflegten unter
Führung des Kommandanten das Lager zu besichtigen und dann die
Wünsche, Klagen und Beschwerden der Gefangenen entgegenzunehmen.
Das Ergebnis wurde alsdann in einem Bericht zusammengefaßt, der der
deutschen und französischen Regierung zuging.
Diese schutzmächtlichen Inspektionen haben recht segensreich gewirkt und
in manchen Fällen verhindert, daß die Willkür
französischer Lagerbehörden allzu üppig wucherte.
Vollkommen war die Kontrolle allerdings nicht. Oft wurden den Delegierten
Potemkinsche Dörfer gezeigt, wurden Kriegsgefangene, deren Aussage man
fürchtete, vorher aus dem Lager entfernt oder nicht zu den Delegierten
vorgelassen. Auch stellten die Lagerbehörden gerügte
Mißstände vielfach in Abrede und suchten durch Drohungen und
Bestrafungen die Kriegs- [175] gefangenen von
Beschwerden und Klagen abzuhalten. Schließlich darf nicht außer
acht gelassen werden, daß auf die Berichte der Delegierten mitunter sogar
Courtoisie gegenüber Frankreich und politische Sympathien und
Antipathien nicht ohne Einfluß gewesen sind.
Als eine weitere Kontrolle wären auch die Inspektionsreisen zu nennen, die
verschiedentlich von Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes in Frankreich
unternommen worden sind. Sie haben allerdings nicht im entfernten die
Bedeutung gewonnen, wie etwa die Fahrten der Vertreter des schwedischen und
dänischen Roten Kreuzes in die russischen Gefangenenlager.
Postverkehr.
Was den Postverkehr der Kriegsgefangenen angeht, so haben die
Verhältnisse des Weltkrieges zu Abänderungen und
Ergänzungen der bestehenden völkerrechtlichen Bestimmungen
geführt. Durch deutsch-französisches Übereinkommen wurde
die Zahl der von den Gefangenen abgesandten Mitteilungen auf monatlich zwei
Briefe und wöchentlich eine Postkarte festgelegt. Diese Post war einer
Liegefrist von zehn Tagen unterworfen, um die Sichtbarkeit etwaiger
Geheimmitteilungen mittels sympathischer Tinten herabzumindern. Die
Sendungen an Kriegsgefangene waren zahlenmäßig nicht
beschränkt; nicht zugelassen waren Drahtungen, telegraphische
Postanweisungen, Nachnahmen. Wie von Zöllen, so wurden die Sendungen
im Kriegsgefangenenverkehr auch von
Ein- und Ausfuhrverboten nicht betroffen.
Hart war für die Kriegsgefangenen in Frankreich die oft als
selbständige Disziplinarstrafe verhängte Postsperre, die entweder den
einzelnen oder das ganze Lager traf. Als Sammelstrafe wurde sie durch die erste
Berner Vereinbarung aufgehoben, als Einzelstrafe auf höchstens zwei
Wochen beschränkt, wobei der Betroffene seine Angehörigen von
der bevorstehenden Strafe benachrichtigen durfte.
Das Postwesen hat in Frankreich während des Krieges arg daniedergelegen,
so daß häufige Störungen im Postverkehr den Gefangenen und
ihren Angehörigen manche schweren Sorgen und Nöte bereitet
haben. Aus Bequemlichkeit und aus Bosheit ist auch in manchen Lagern vom
französischen Dolmetschpersonal die Kriegsgefangenenpost öfters
vernichtet worden. Diebereien an den
Paketsendungen für die
Kriegsgefangenen, auf der Eisenbahn wie in den Lagern, waren gang und
gäbe; sie haben zur Verbitterung der Gefangenen ein gerütteltes
Maß beigetragen.
Offiziere.
Die Sonderstellung der Offiziere ist schon einige Male erwähnt worden.
Neben der Unterbringung in besonderen Lagern und der Arbeitsbefreiung kommt
vor allem die Besoldung in Frage. In Abänderung des für die Praxis
[176] unbrauchbaren
Artikels 17 der Landkriegsordnung wurden durch
deutsch-französische Abmachung einheitliche Besoldungssätze
für die kriegsgefangenen Offiziere beider Parteien eingeführt. Vom
Sold konnte der Nehmestaat bis zur Hälfte (bei Krankenhauspflege zwei
Drittel) für die Verpflegung in Abzug bringen, während die
Unterkunft frei war. Die Arbeitsbefreiung der Offiziere hatte zur Folge, daß
diese ständig in den Lagern saßen und so unter dem Mangel an
Bewegungsmöglichkeit und dem ständigen Eingeschlossensein
besonders schwer zu leiden hatten. Deutschland versuchte durch ein Abkommen
mit Frankreich den kriegsgefangenen Offizieren Spaziergänge
außerhalb des Lagers zu ermöglichen gegen Abgabe eines zeitlich
beschränkten Ehrenwortes; doch hat Frankreich das Abkommen, angeblich
wegen der Gefahr von Belästigungen der Offiziere durch die
Bevölkerung, nicht in Kraft treten lassen. Erst durch Artikel 39 der
ersten Berner Vereinbarung konnte dieser humane Gedanke verwirklicht werden.
Die zweite Berner Vereinbarung hat für die Einrichtung und den
Dienstbetrieb der Offizierlager und die Vollstreckung von Disziplinarstrafen eine
einheitliche Regelung geschaffen.
Als Träger des den Franzosen so verhaßten "deutschen Militarismus"
haben die deutschen Offiziere in
Frankreich oft schwer unter den
Ausbrüchen der entfesselten Volksleidenschaft zu leiden gehabt; besonders
wiederergriffene Ausreißer unter ihnen wurden häufig in der
gemeinsten Weise mißhandelt und gedemütigt.
Entnationalisierungspolitik.
Wurden derartige Vergehen zum großen Teil im Affekt begangen, so
herrschte heimtückische Überlegung in dem ganzen System, das man
unter dem Worte "Entnationalisierungspolitik" zusammenfassen kann. Es war das
die andauernde hetzerische Propaganda gegen das soziale und nationale
Gefüge des Deutschen Reiches, die Frankreich in großem Stil unter
den deutschen Gefangenen betrieb. In erster Linie muß hier die von den
französischen Behörden verteilte "Deutsche
Kriegsgefangenenzeitung" gebrandmarkt werden, ein Schandblatt schlimmster
Art, das des Deutschen Reiches Verfassung und Heerwesen in den Schmutz zog,
sozialrevolutionäre Gedanken schürte, die einzelnen deutschen
Stämme miteinander zu verfeinden suchte und durch übertriebene
und falsche Nachrichten aus Deutschland die moralische Widerstandskraft der
Gefangenen zu brechen sich bemühte. Ein Bekannter des Verfassers, der
sich weigerte, diese Sudelzeitung unter seinen Kameraden zu verteilen, ist wegen
Ungehorsams im Kriegsgebiet vor Gericht gestellt, aber freigesprochen worden,
weil man einem Deutschen die Verbreitung dieses Blattes nicht zumuten
könne - das beste Urteil über diese Art Propaganda. Neben der
"Deutschen Kriegsgefangenenzeitung" mußten die Gefangenen aber noch
eine wahre Schmutzflut anderer Schriftwerke über sich ergehen lassen, die
in ähnlichem [177] Sinne wirken sollte,
durchweg aber nur Ekel und Abscheu vor solchen französischen Methoden
erwecken konnte.
Besonders hervorzuheben ist Frankreichs Verhalten gegenüber den
Kriegsgefangenen aus den Marken des Reiches, den
Schleswig-Holsteinern, Elsaß-Lothringern und Ostprovinzlern, die nach
dem Rezept Zuckerbrot und Peitsche ihrem Heimatstaat abspenstig und zum
Bruch ihres Fahneneides verleitet werden sollten. Eigene Propagandalager und
Straflager richtete man für sie ein, um sie kirre zu machen. Mit Stolz sei der
vielen gedacht, die in beiden Arten von Lagern treu zu der Fahne standen,
für die sie gekämpft hatten.
Krankenfürsorge.
Ein wenig erfreuliches
Kapitel bildet auch die Behandlung der verwundeten und
kranken Kriegsgefangenen in Frankreich.5 Die
größte Schuld an der oft mehr als mangelhaften Unterbringung, der
mitunter haarsträubenden Unsauberkeit, dem dauernden Mangel an
Heilmitteln und Verbandzeug ist der französischen Verwaltung
zuzuschreiben, die bei der Erledigung der ihr gestellten Aufgaben gänzlich
versagt hat. Vorschriften des französischen Kriegsministeriums selbst
sprechen von dem Schlendrian, der den französischen Gesundheitsdienst in
Mißkredit bringen und internationales Aufsehen erregen könne.
Wenn auch gern zugegeben werden soll, daß manche Ärzte bei den
herrschenden ungünstigen Verhältnissen redlich ihre Pflicht getan
haben, so liegt doch
andererseits eine große Menge von Material vor, das
eine mehr als leichtfertige Berufsauffassung, Nachlässigkeit und Roheiten
schlimmster Art unter dem französischen
Ärzte- und Pflegepersonal beweist. Tausende und Abertausende deutscher
Gefangener, die in Frankreich der Rasen deckt, wären bei besseren
Lazarettverhältnissen und sachgemäßer Behandlung dem
Leben erhaltengeblieben. Französische Ärzte haben es auch fertig
gebracht, den Tod ihnen anvertrauter verwundeter und kranker Kriegsgefangener
mit gemeinen, haßerfüllten Redensarten zu
begrüßen.
Bei diesen dunklen Schatten im französischen Kriegsgefangenenwesen
müssen die Lichtblicke doppelt angenehm berühren, die die
Entlassung und Hospitalisierung für die Gefangenen bedeuteten. Im
Oktober 1914 trafen Deutschland und Frankreich ein Abkommen
gemäß dem Artikel 2 der zweiten Genfer Konvention, durch
das bestimmten Kategorien schwerverletzter, im Militärdienst nicht mehr
zu verwendender Kriegsgefangener die Rückkehr in die Heimat
ermöglicht wurde. Nach langwierigen Verhandlungen, um deren Beginn
und Gelingen sich besonders Papst Benedikt XV. und die Schweizer
[178] Regierung verdient
machten, kam es sodann im Januar 1916 zu einer neuen
deutsch-französischen Einigung, die die Hospitalisierung halbinvalider
Kriegsgefangener beider Parteien in der Schweiz zur Folge hatte. Im Lauf des
Krieges wurde diese neue Einrichtung immer weiter ausgebaut. Die Liste der zur
Hospitalisierung berechtigenden Krankheiten erfuhr ständige
Erweiterungen, so durch die Aufnahme der Stacheldrahtpsychose und des
begründeten Tuberkuloseverdachts - typischer
Gefangenenkrankheiten -; die Aufnahme der Malaria ermöglichte
vielen an diesem Leiden siechenden Kolonialgefangenen und nach Nordafrika
Deportierten endlich sachgemäße Kuren. Viele Tausende
kriegsgefangener Deutscher danken dem Aufenthalt und der vorzüglichen
Behandlung in der Schweiz Leben und Gesundheit.
Ausgewählt wurden die für Entlassung oder Hospitalisierung in
Frage kommenden Kriegsgefangenen durch besondere Kommissionen, die zu
gleichen Teilen aus schweizerischen und französischen
Militärärzten bestanden. Bei Stimmengleichheit gab der
rangälteste Schweizer Arzt den Ausschlag. Die Befugnisse und die
Arbeitsweise der Ärztekommissionen sind durch die erste Berner
Vereinbarung eingehend geregelt worden. Neben Verwundung und Krankheit
wurde im Lauf des Krieges auch lange Gefangenschaftsdauer zu einem Grunde
der Entlassung oder Hospitalisierung. Daß diese wahrhaft humane
Einrichtung zustande kam, ist zum großen Teil wieder dem Papst und der
Schweizer Regierung, sowie dem Internationalen Roten Kreuz zu danken. In der
ersten Berner Vereinbarung ist der Gedanke zum ersten Male verwirklicht
worden, wenn auch infolge der Haltung der französischen Regierung nur in
geringem Umfange. Die zweite Vereinbarung vom April 1918 brachte dann weit
größere Erfolge, die vor allem der uneigennützig menschlichen
Haltung Deutschlands zuzuschreiben sind. Für die älteren
Familienväter unter den Offizieren und Mannschaften wurden besondere
Regelungen getroffen, die vor allem im französischen Interesse lagen. Alle
übrigen Unteroffiziere, Korporale und Mannschaften mit mehr als
18monatiger Gefangenschaft sollten Kopf gegen Kopf, Grad gegen Grad in die
Heimat entlassen werden, während für die entsprechenden Offiziere
Hospitalisierung in der Schweiz Kopf gegen Kopf, aber ohne Rücksicht auf
den Grad, vorgesehen war. Der Vereinbarung wurde fortwirkende Kraft beigelegt.
Militärische Wiederverwendung im Heeresdienst an der Front und in der
Etappe, sowie in den Gebieten einer dem Heimatstaat verbündeten Macht
wurde ausdrücklich untersagt.
Ende Juli 1918 begannen die ersten Austauschzüge zwischen Deutschland
und Frankreich durch die Schweiz zu rollen. Gegenseitige Vorwürfe
über die Nichteinhaltung der Vertragsbestimmungen brachten
häufiger wochenlange Pausen, bis Mitte Oktober wieder ein geregelter
Verkehr einsetzte, dem der Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918
aber ein rasches Ende bereitete.
[179] Das
Kriegsgefangenenwesen nach Waffenstillstand und
Friedensschluß.
Der Waffenstillstandsvertrag bildet eine verhängnisvolle Epoche in
Frankreichs Kriegsgefangenenwesen. Er brachte den alliierten Kriegsgefangenen
die ersehnte Freiheit, den deutschen hoffnungslose Sklaverei. Als "wertvolles
Druckmittel" sollten sie nach dem Eingeständnis des Matin in
Frankreichs Händen bleiben, als billige Arbeitskräfte sollten sie das
zerstörte Nordfrankreich wieder aufbauen. Entlassung und Hospitalisierung
hörten auf, die von Frankreich während des Krieges als Forderung
der Menschlichkeit hingestellt waren. Entgegen den Versprechungen des
Marschalls Foch wurden am 24. Dezember 1918 durch Erlaß des
französischen Kriegsministeriums alle während des Krieges
eingeführten Verbesserungen in der Gefangenenbehandlung mit einem
Federstrich aufgehoben. Dem stürmischen Verlangen des deutschen Volkes
nach Rückgabe seiner festgehaltenen Landsleute wurde ein starres Nein
entgegengesetzt. Erst die am 7. Mai 1919 überreichten
Friedensbedingungen beschäftigen sich mit den deutschen
Kriegsgefangenen. Nach ihnen sollte die Heimbeförderung so bald als
möglich nach dem - ins Belieben der Entente
gestellten! - Inkrafttreten des Vertrages stattfinden und mit der
größten Beschleunigung durchgeführt werden. Vor dem 1. Mai
1919 verhängte Disziplinarstrafen sollen ohne Einfluß auf die
Heimbeförderung bleiben. Wegen sonstiger Vergehen bestrafte Gefangene
können zurückbehalten werden. Die Kosten des Abtransports und die
Gestellung des Transportmaterials werden Deutschland auferlegt. Eine
gegenseitige Erstattung der Unterhaltskosten der Gefangenen soll nicht
stattfinden.
Erst am 10. Januar 1920 - nicht infolge Deutschlands Schuld - ist der Versailler
Vertrag in Kraft getreten. Bis dahin hat Frankreich die deutschen
Gefangenen zurückbehalten, im Gegensatz zu der Haltung Englands und
der Vereinigten Staaten von Amerika; trotz allen Bemühungen des
deutschen Volkes, das in dem viele Millionen umfassenden "Volksbund zum
Schutze der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen" einen beredten Sprecher
für seine Nöte und Sorgen, seine tiefste Empörung und
Erbitterung über die französische Barbarei gefunden hatte;6 trotz der öffentlichen Meinung
der neutralen Welt, die Gefangenschaft nach Kriegsbeendigung als bare Sklaverei
verurteilte. Bis zum letzten sollten die Hunderttausende von Kriegsgefangenen zu
Erpressungszwecken und zur Arbeit ausgebeutet
werden - ein Frevel gegen alle Grundsätze des Völkerrechtes,
dessen Schandmal Frankreich niemals wird abwaschen können.
Wenn Frankreich die gerichtlich bestraften Kriegsgefangenen von der im ersten
Vierteljahr 1920 erfolgenden allgemeinen Heimbeförderung
ausge- [180] schlossen hat, so kann
es sich dabei auf den Buchstaben des geltenden Völkerrechts berufen. (Von
Deutschland hat es allerdings die Auslieferung auch dieser Gefangenenkategorie
bereits beim Waffenstillstand verlangt.) Daß Gehässigkeit gegen
Deutschland die treibende Kraft bei Einnahme dieses Standpunkts war, zeigt sich
besonders darin, daß die gerichtlich bestraften Kriegsgefangenen aus den
Deutschland entrissenen Gebieten vorzeitig entlassen worden sind. Bis Ende 1922
hat es gedauert, ehe die letzten deutschen Kriegsgefangenen der Heimat
wiedergegeben wurden.
Zum Schluß sei noch der Lage der deutschen Kriegsgefangenen in der
ehemaligen Kampfzone gedacht. Schon vor Abschluß des
Waffenstillstandes war der Gedanke propagiert worden, die Kriegsgefangenen zu
Aufräumungs- und Aufbauarbeiten in den zerstörten Gebieten zu
verwenden. Auf Grund eines Beschlusses des französischen Ministerrats
vom 14. Januar 1919 ist dieser Gedanke in größtem Umfange
verwirklicht worden. Mitte April befanden sich bereits 200 000 deutsche
Kriegsgefangene im Aufbaugebiet, am 1. August 1919 waren es 270 000.
Die völlig unhaltbaren Zustände, die infolge des überhasteten,
unvorbereiteten Abtransportes eintraten, machten die Einrichtung eines
besonderen Dienstes für diese Kriegsgefangenen notwendig. Am 18.
März 1919 wurde deshalb der Posten eines "général
commandant les formations des p. g. r. l." (r. l. =
région libérée) geschaffen, der unmittelbar dem
Ministerpräsidenten unterstand. Sein Hauptquartier befand sich zu
La Croix de St. Ouen bei Compiègne. Ihm waren 9
"dépôts départementaux" zu Lille, Arras, Amiens,
Compiègne, Laon, Châlons s. M.,
Mézières, Nancy und Bar le Duc unterstellt, an deren
Spitze je ein "colonel commandant départemental" stand. Von
diesen Depots hingen die unter dem Befehl von Hauptleuten stehenden
"groupements" ab. Diesen
wieder unterstanden je 5 - 15 "compagnies
p. g. r. l.", die von Leutnants oder älteren
Unteroffizieren befehligt wurden. Die
p. g. r. l.-Kompagnien trugen Nummern von
1 - 635. Sie bestanden aus etwa 425, später 500
Kriegsgefangenen und 40 Mann Bewachungspersonal.
Frankreich hat bei der Behandlung, Unterbringung, Arbeit, Bestrafung usw. dieser
im Aufbaugebiet tätigen Kriegsgefangenen die elementarsten Forderungen
des Völkerrechts und der Menschlichkeit außer acht gelassen. In
amtlichen7 und privaten Veröffentlichungen
ist eine Überfülle von Zeugnissen über die grauenvollen
Zustände zusammengetragen wurden, die in der ehemaligen Kampfzone
geherrscht haben. Französische Arbeiterinnen aus St. Etienne haben
sich am 15. Februar 1919 an den Präsidenten des Internationalen Roten
Kreuzes zu Genf gewandt und ihn gebeten, für die deutschen
Kriegsgefangenen im Aufbaugebiet einzutreten. Sie schreiben unter anderem:
"Die deutschen Gefangenen werden wie die Sträflinge behandelt. Sie
werden wie die Hunde [181] geschlagen und
schlecht ernährt... Wir haben deswegen schon an mehrere Stellen
geschrieben, leider aber ohne jeden Erfolg." Erschütternd ist auch der
Bericht, den die im Mai 1919 endlich ins Aufbaugebiet zugelassenen Delegierten
des Roten Kreuzes, die Schweizer Oberstleutnant Bordier und Aubert, über
ihre Reise gegeben haben. "Wirklich ärgerlich" nennen sie die
Zustände; die Grundlagen der Hygiene und Gesundheitspflege haben nach
ihrem Bericht im Winter gefehlt, hemmungslosen Haß zeigen die
Zivilarbeiter den wehrlosen Gefangenen; der Postdienst ist gänzlich
zerrüttet; der Arbeitslohn wird unregelmäßig gezahlt;
Verwundete und Kranke müssen arbeiten; in Kellern und unterirdischen
Steinbrüchen sind die Gefangenen mitunter untergebracht, so in den
Brüchen von Liverseau, Corcy (Aisne) und Missy au Bois.
Von den letztgenannten sagen sie insbesondere: "Wenn man in ihre Tiefe
eindringt, wo man selbst beim Schein einer Laterne sich nur tastend
vorwärts bewegen kann, ergreift einen ein eisiger Schauer von
Kälte... Die Kriegsgefangenen nehmen hier ihre Mahlzeiten ein, indem sie
in kleinen Gruppen um qualmende Lampen sitzen, deren Rauch kaum fortzieht.
Zum mindesten müssen die Gefangenen... nur während der Stunden
des Schlafes gezwungen sein, in diesen Höhlen sich aufzuhalten."
So wurden wehrlose Gefangene in Frankreich behandelt, als schon die Waffen
niedergelegt waren, die Frankreich zum "Kreuzzug wider den Feind der
Menschheit" erhoben haben wollte. Würdig reiht sich dem oben
Geschilderten der in der Pariser Zeitung L'Oeuvre veröffentlichte
Tagesbefehl (vom 8. Januar 1919) des Kommandanten eines Gefangenenlagers
bei Cercotte an, der den "sträflichen Mißbrauch" mit den für
die Schweine bestimmten Speiseresten untersagt, die man in schlecht
verstandenem Mitleid den Kriegsgefangenen zur Verfügung stellte.
Angesichts solcher Tatsachen hat Clemenceau es fertig gebracht, in der
Mantelnote
vom 16. Juni 1919 zum Friedensvertrag den Deutschen
Unmenschlichkeit in der Gefangenenbehandlung vorzuwerfen. Clemenceau, der
die Verantwortung für die Gefangenenbehandlung in Frankreich
mitzutragen hat, steht es wahrhaftig nicht zu, ein solches Urteil zu
fällen - der Pfeil fliegt auf den Schützen
zurück -; auf ihn und einen großen Teil seiner Landsleute
angewandt, mögen seine Worte aus der Mantelnote den Schluß dieser
Darstellung bilden:
"Sie sind es, die sich hinsichtlich der
Kriegsgefangenen, die sie gemacht hatten,
eine Behandlung erlaubt haben, vor welcher die Völker niedrigster
Kulturstufe zurückgeschreckt wären."
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