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Anlage 16
Berechnung des Volksvermögens der Deutschen in der
tschechoslowakischen Republik, München 1947.
Von der "Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen" ist im Jahre 1947 dem
Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Ehard eine Denkschrift über das von den
Sudetendeutschen zurückgelassene Nationalvermögen, welche im Auftrage der
Bayerischen Staatskanzlei, des Staatssekretariats für das Flüchtlingswesen und des
Deutschen Büros für Friedensfragen in Stuttgart in monatelanger Arbeit von
Fachexperten und Kennern des sudetendeutschen Wirtschaftslebens zusammengestellt worden
war, überreicht worden.
Diese Denkschrift basiert zum Großteil auf tschechoslowakischen Quellen
(Statistisches
Jahrbuch der tschechoslowakischen Republik, Prag 1938) und auf statistischen Angaben
deutscher und tschechischer Wirtschaftspublizistik, sowie auf Bilanzen und
Bewertungsgrundlagen, die von Sachverständigengremien der einzelnen
Wirtschaftszweige
und Erwerbsgruppen errechnet wurden.
Für die Ausfertigung wurden zwei Termine als Grundlage genommen, nämlich der
30. September 1938, also der Tag vor der Abtretung des Sudetengebietes an das Deutsche Reich,
und der 8. Mai 1945, also der Tag der Kapitulation Deutschlands. Die zwischen diesen beiden
Daten auftretende Differenz in der Berechnung des Volksvermögens ist vor allem auf die
höhere Bewertung des Realbesitzes in Deutschland, weiter auf die Intensivierung der
Produktion und gesteigerte Arbeitsleistung, verbunden mit höheren Löhnen
zurückzuführen.
Für diese beiden Daten wurde errechnet:
am 30. 9. 1938: |
13.44 Milliarden Dollar |
am 8. 5. 1945: |
19.44 Milliarden Dollar |
(Die Dollarwerte basieren auf dem Wert der Reichsmark von 1938 umgerechnet nach dem Kurs
des Dollars 1938.)
Die Höhe dieser Zahlen wird durch den Anteil der Deutschen an der
Gesamtbevölkerung der ehemaligen tschechoslowakischen Republik unterstrichen.
Nach der letzten gesamtstaatlichen Volkszählung vom Jare 1930 waren von den
14.729.586 Einwohnern der Tschechoslowakei 3.23 Millionen (=22.3%) Deutsche. Diese
stellten somit nicht ein "Minderheit", sondern einen integrierenden Teil der
Gesamtbevölkerung der Tschechoslowakei dar. In den wirtschaftlich allein
bedeutungsvollen Ländern Böhmen, Mähren und Schlesien kamen auf 7.59
Millionen Tschechen 3.08 Millionen Deutsche, die somit mehr als ein Drittel der
Gesamtbevölkerung dieser Länder bildeten. Wesentlich dabei ist, daß die
Sudetendeutschen einen prozentuell weit höheren Anteil an den Produktionskräften
der tschechoslowakischen Volkswirtschaft besaßen. Von 100 Berufstätigen waren
im
Sudetenland 54 Personen in Industrie und Gewerbe beschäftigt, das sind mehr als in allen
übrigen Ländern der Welt (z.B. Schottland 49, England und Wales 48, Schweiz 54,
Belgien 48, Deutschland 40). Nach den von dem tschechischen Wirtschaftspublizisten Hajda
(Prítomnost 1927) veröffentlichten Verhältniszahlen waren u.a. 66% des
tschechoslowakischen Steinkohlebergbaues, 80% des Braunkohlebergbaues, 70% der
Hütten- und Stahlwerke, 90% der Textilmaschinenindustrie, 80% der Zementindustrie,
90% der Musikinstrumentenindustrie, 80% der Kunstseideindustrie, 100% der Seideindustrie,
100% der Posamentenindustrie, 70% der Schwerchemie, 90% der Porzellanindustrie, 85% der
Glasindustrie, 89% der gesamten Textilindustrie in deutscher Hand. Allein an Grund und Boden
verloren die Sudetendeutschen 1.150.000 ha Wald und 1.650.000 ha landwirtschaftlichen Besitz.
Daraus allein ist die Höhe des Sozialproduktes zu ersehen, das von den deutschen
Bewohnern der Tschechoslowakei für sich in Anspruch genommen wurde.
Eine nähere Erläuterung des sudetendeutschen Nationalvermögens ergibt
folgende detaillierte Aufstellung über die Wertberechnung der Vermögensteile
nach
Wirtschaftszweigen.
|
Wert in Mill. Dollar |
|
30. 9. 38 |
8. 5. 45 |
Land- und Forstwirtschaft |
3.220,73 |
4.822,00 |
Industrie |
2.393,38 |
3.824,10 |
Handel |
308,58 |
308,58 |
Handwerk |
600,00 |
600,00 |
Hotel-, Gaststätten- und Schankgewerbe, Kurorte und Bäder |
642,84 |
734,00 |
Geldanstalten |
640,00 |
3.600,00 |
Versicherungsanstalten |
297,64 |
3.323,00 |
Lichtspieltheater |
16,00 |
16,00 |
Freie Berufe |
6,76 |
8,80 |
Privater Haus- und Grundbesitz |
3.956,00 |
3.956,00 |
Vermögen der öffentlichen Selbstverwaltung und des Staates |
3.363,60 |
1.243,20 |
In dieser Aufstellung wurden nicht berücksichtigt:
· ein Großteil des deutschen Anteils am Vermögen des
tschechoslowakischen Fiskus,
der Länder und anderer Selbstverwaltungskörper;
· ein Großteil der Bodenschätze, die wegen Mangels entsprechender
statistischer
Unterlagen nur teilweise erfaßbar waren;
· Kunstsammlungen, Büchereien und ähnliches Kulturgut;
· das umlaufende Papiergeld;
· der Metallwert des Bargeldes und außerdem die Deckung des Papiergeldes die
in
Gold und Devisen bestand;
· die Arbeitsleistung der zwangsweise und ohne Entgelt in Kohlengruben,
Internierungslagern, bei tschechischen Unternehmern und Bauern eingesetzten
Sudetendeutschen,
die eine Höhe von mehreren Milliarden Kronen erreichen dürfte.
Die angeführten Zahlen stellen deshalb den Niedrigst- und nicht den Höchstwert
dar.
Sie bilden ein bloßes Inventar der erfaßbaren Wirtschaftsgüter und nehmen
keinerlei Bedacht auf die nicht berechenbaren Werte der Tradition, des jahrhundertealten
Kulturgutes, des Erziehungskapitals, der Auslandsverbindungen, des Weltrufes der Firmen und
Branchennamen (z.B. der Weltbäder Karlsbad, Franzensbad, Marienbad), der sogenannten
freien Güter und aller jener schöpferischen Werte, die dem inventarisierten
Wirtschaftsgut erst den produktiven Antrieb gaben. Sie nehmen auch nicht Bedacht auf den
hohen
Verlust, welcher den Ausgewiesenen, die zum großen Teil für Jahre aus ihrem
Beruf
geworfen, durch den geminderten Ertrag ihrer Arbeitskraft erwuchs.
Das Memorandum ist sowohl für die Regelung des innerdeutschen Lastenausgleichs, als
auch im Hinblick auf kommende Friedensverhandlungen von Bedeutung. Das dritte Gesetz zur
Neuordnung des Geldwesens (Nr. 63, § 29) verweist ausdrücklich darauf, daß
bei
dem von den deutschen Stellen durchzuführenden Lastenausgleich "insbesondere Verluste
auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 5 und infolge von Reparationsentnahmen zu
berücksichtigen sind". Darunter fällt auch ohne Zweifel das Volksvermögen
der aus ihrer früheren Heimat vertriebenen Deutschen, die einen Großteil der
gesamtdeutschen Kriegslasten mit der Hingabe ihres gesamten Besitztums vorausbezahlt haben.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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