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Mies
(bei Marienbad)
Bericht Nr. 255
Fahrt zur Zwangsarbeit nach Tschaslau,
Knezice/Ostböhmen, Stoky (Stecken)
bei Havl. Brod, 1945-1947
Berichter: Dr. Wilhelm Weschta Bericht vom 2. 8. 1950
Ich war Professor
am Obergymnasium in Mies ab 1922. Ich berichte, daß ich und meine
Familie, Frau und drei Kinder, volle drei Jahre eingesperrt und in schärfster Zwangsarbeit
gehalten wurden. Es wurde uns trotz wiederholter Bitten nicht eröffnet, warum wir
eingesperrt bezw. in Zwangsarbeit tätig sein mußten.
Anfang Juni 1945 wurden sämtliche Lehrer, Professoren und Schüler
der Mieser Unterrichts-Anstalten im
Alter von 12-60 Jahren auf das Gut Malesice bei Pilsen
für 10 Tage zur Zwangsarbeit ausgehoben. Nach meiner Rückkehr hat man mir
persönlich nichts getan, in meinem Hause wohnte der poroucik (Leutnant) Hala. Am 24.
Juni fand im Zuge einer allgemeinen von Haus zu Haus, gemeinsam mit
amerikanischen Besatzungs-Truppen durchgeführten Hausdurchsuchung, auch in meinem
Hause eine Durchsuchung statt.
Am 27. Juni, also 3 Tage nach der Hausdurchsuchung, kam der jüngere der beiden
Gendarmen in meine Wohnung und ersuchte mich, zur Gendarmerie zur Unterzeichnung eines
Protokolles, daß bei mir nichts gefunden wurde, zu kommen. Ich folgte dieser
Aufforderung
sofort und bemerkte nach Verlassen des Hauses, daß 2 weitere Gendarmen mit
Gummiknüttel und Karabiner folgten. In der Egergasse wollte ich zur Gendarmerie
abbiegen, aber da befahl mir der begleitende Gendarm weiter zu gehen. An der
Einmündung zum Ringplatz bogen wir zum Rathaus ab und da sah ich, wie die beiden
anderen Gendarmen knapp hinter uns waren. Vor dem Rathaus angekommen, gab mir der
nebenan gehende Gendarm einen Hieb auf die linke Schulter. Unterdessen hatten die beiden
anderen Gendarmen die Haustür geschlossen. Hierauf wurde ich mit
Gummiknütteln
und Gewehrschlägen derart geprügelt, daß ich eine Zeitlang nicht
aufzustehen
vermochte. Erst als ich einige Fußtritte bekam, raffte ich mich auf und wurde, da der
Gefangenenaufseher nicht anwesend war, dem Militärposten vor den Arrestzellen
übergeben. Derselbe hat mich korrekt behandelt. Nach Rückkehr des
Gefangenenaufsehers wurde ich in Zelle 2 links im Hofe eingesperrt. Daselbst waren schon viele
Bauern aus Lingau, Leiter und Oschelin. Noch am Abend desselben Tages wurde der
pensionierte
Oberlehrer Steinbach aus Mies und ich von einer Militärwache zum Zwangsarbeitslager
(sogenanntes Internierungslager) beim Bahnhof in Mies geführt. Ununterbrochen wurden
wir beide mit Fußtritten und Kolbenhieben vorwärts getrieben. Zwischen 7 und 8
Uhr
abends kamen wir vollkommen erschöpft im Lager an. Wir mußten
zur Personal-Aufnahme in das Gebäude hinter dem Eingang. Dort saß der Direktor
des Lagers, F. M. aus Mies und der Verwalter des Lagers Kristofovec, vorher
Bäckergehilfe
in Mies. Nach meiner Einvernahme wandte sich M. an den Verwalter Kristofovec: "dös is
der Lump, der die tschechischen Farben beschmutzt hat". (M., Hilfsarbeiter in Mies hat die
tschechische Sprache überhaupt nicht beherrscht.) Kristofovec sprang auf, nahm den
Gummiknüttel, sprang auf Steinbach zu, und schon krachte es. Mit voller Wucht traf ihn
der 1. Schlag über den Nacken mitten auf den Schädel. Steinbach sackte
zusammen,
ich mußte ihn aufheben, denn er schlug weiter auf Steinbach ein. Nach einiger Zeit, als er
sich etwas erholt hatte, mußte ich ihn hinausführen. Ich berichtete dem "Kapo" des
Lagers kurz, was geschehen war, worauf wir in Baracke 4 eingewiesen wurden. Decken
für
die Nacht wurden uns verweigert. Die Kameraden von Baracke 4 haben uns beiden
bestmöglichst geholfen. Bei Nacht waren die Baracken abgesperrt. Wenn jemand heraus
mußte, so mußte zuerst "straz" (Wache) gerufen werden. Dann wurde aufgesperrt
und
nun wurden einige Mann herausgelassen. Bei einer solchen Gelegenheit ist auch Oberlehrer
Steinbach, der vollständig irre sprach und total verwirrt war, unbemerkt
herausgekommen.
Er fand aber den Weg nicht mehr zurück, wurde von der Wache aufgegriffen, nochmals
verprügelt und in einen leeren Ziegenstall eingesperrt. Am nächsten Morgen zog
man
den alten Mann heraus, er wurde in das Krankenzimmer getragen und dem dortigen
Sanitäter übergeben. Er hat das Bewußtsein nicht mehr erlangt. Nach einigen
Tagen wurde er von seinem Sohn mit einer Kutsche abgeholt, um zu sterben.
Ich blieb im Lager Mies bis 27. August 1945. Hier mußten wir jeden Tag auf Arbeit gehen.
Einmal mußte ich gemeinsam mit meinem ehemaligen Mitschüler Karl Haala,
Lehrer
in Gibian, zur Arbeit in die Oberschule, die jetzt von Militär belegt war. Da man
wußte, daß ich an derselben Anstalt Studienrat war und Haala Lehrer in Gibian,
mußten wir die Senkgrube reinigen. Zum allgemeinen Gaudium wurde ich in die
Senkgrube
gestoßen, der Haala Karl mußte Rotz und Auswurf sammeln. Sodann bekam er
einen
Hieb auf den Handrücken, sodaß ihm das Ganze über Gesicht und Rock
lief.
Weiter arbeiteten wir in der ehem. Naschauerfabrik. Dort mußte ich Aborte putzen. Neben
dem Abort erkannte ich meinen Radioapparat wieder. Abends war immer strenge Visite. Die
Strafen waren zumeist Stehen an der Klagemauer mit zur Wand gewendeten Gesichtern. Meist
brachen die älteren Leute zusammen, dann wurde früher abgeblasen. Oder wir
mußten wie die Frösche im Hofe herumhüpfen. Eines Tages kam ein
Transport
meist junger Männer
aus Wiesengrund-Dobrzan. Dieselben waren derart verprügelt, daß die Striemen
auseiterten und vom Arzt Dr. Moravan geschnitten werden mußten. Diese Leute konnten
die
ersten Tage überhaupt nicht schlafen.
Am 27. August 1945 wurden früh um 4 Uhr 60 Mann, darunter auch ich, zum Bahnhof
geführt. Dort stand schon ein großer Zug mit unseren Familienangehörigen,
zusammen über 1000 Personen, alte, invalide, gebrechliche Leute usw. Der Zug setzte
sich
in Bewegung und fuhr über Pilsen in Richtung Prag. An der Zonengrenze wurde der
Transport von den Amerikanern aufgehalten, da kranke und gebrechliche Leute mit waren. Der
Zug wurde umrangiert und wir mußten 2 Tage in Chrast bei Pilsen am Rangierbahnhof
stehen. Bei drückender Augusthitze durften wir kein Wasser holen. Die kleinen Kinder
schrien, da sie weder Milch noch Wasser bekamen. Dann ging es wieder zurück nach
Tuschkau. Dort wurden einige Leute von den Amerikanern ausgesondert, der übrige
Transport ging dann über Prag nach Tschaslau in Ostböhmen, wo wir nach 4
Tagen,
ohne Verpflegung und Wasser bekommen zu haben, ankamen und in der Landwirtschaft arbeiten
mußten.
Knezice bei Ronov, 18 km ostwärts von
Tschaslau
Meine Familie, Frau, ein 6-jähr. Mädchen, zwei Jungen 10 und 14 Jahre und ich,
kamen zum statkar (Gutsbesitzer) Josef Sedivý in Knezice Nr. 21. Dort wurde ich als
Pferdeknecht, meine Frau als Stallmagd zu 48 Stück
Rindvieh, mein 14-jähr. Sohn Kurt als Ochsenknecht verwendet.
Bezahlt bekamen wir bis
1. Nov. 1945 überhaupt nichts, dann bis 1. Juni pro Arbeitstag 2 Kc., sodann den
Mindestlohn für Hilfsarbeiter ohne Anrechnung der Überstunden und
Sonntagsarbeit. Dafür mußten wir 20% von dem sogenannten Verdienste an den
Aussiedlungsfond, 10% an den Ortsausschuß (místní
národní výbor) und die gesamten Soziallasten von unserem Lohn
bezahlen. Untergebracht waren wir in einer elenden, von allerlei Ungeziefer besiedelten
Baracke,
die weder Heizung noch irgend ein Einrichtungsstück besaß. Jeder Topf und jede
Waschgelegenheit wurde uns verweigert, lediglich etwas Stroh zum Unterstreuen wurde uns
gegeben. Verpflegen mußten wir uns selbst. Wir bekamen nur, was auf den Karten
für Deutsche stand. Zusätzlich bekamen wir einige Kartoffeln aus dem
Futterkeller.
Unter diesen Verhältnissen mußten wir von Sonnenaufgang bis spät in die
Nacht hinein die allerschwersten Arbeiten verrichten. Es gab weder Sonntag noch Feiertag und
bei dem geringsten Anlaß wurde geprügelt. Mittag hatten wir höchstens eine
Stunde Zeit und da mußten wir unser Essen bereiten und einkaufen, da wir abends derart
spät aus der Arbeit kamen, daß schon längst alle Geschäfte
geschlossen
waren. Mein 14-jähriger Sohn mußte die schwersten Säcke schleppen, 70kg
und mehr. Er wurde genau so wie alle anderen Männer und Frauen geschlagen. Zum Arzt
gehen durften wir die erste Zeit überhaupt nicht.
Wir wurden nicht ausgesiedelt, sondern kamen sofort wieder in Zwangsarbeit in das Lager
Stecken. Unter den Posten waren zwei ständig betrunken. Es waren dies der Kleinlandwirt
Slanina, und der drateník (Drahtbinder) Lanka. Beide haben in ihrem Rausch oft
geprügelt.
Es kam auch vor, daß betrunkene Männer ins Lager kamen
und die Frauen
belästigten. Monatelang bekamen wir nichts als bitteren, schwarzen Kaffee und mittags
Kartoffelsuppe, sonntags wie werktags. Den ganzen Winter hindurch bekamen wir in den aus
einfachen Wänden bestehenden Baracken nicht das geringste Heizmaterial.
Der Bauer, bei dem ich war, sagte mir ausdrücklich, daß er dem Slanina 200 Kcs
und
eine Flasche Rum geben mußte, damit er mich bekam. Daß wir zu den niedrigsten
Arbeiten verwendet wurden, ist selbstverständlich. In den Baracken gab es ungeheuer
viele
Wanzen. Zopfweise hingen sie in den Holzbettstellen oder Fugen der Bretter. Bei
wärmeren
Wetter schliefen die meisten Männer außerhalb der Baracke auf einer Wiese oder
am
Tisch oder Fußboden. Vergebens war die Vorstellung des Lagerarztes und unsere Bitte
um Desinfektions- und Vertilgungsmittel.
Am 10. März 1947 kam ich zu dem Bauer Ferdinand Palan nach Spinohy bei
Vetrné Jenikov. Die Behandlung war sehr schlecht. Geprügelt wurde ich
deswegen,
weil ich um einen Arzt bat. Ich hatte seit Tagen hohes Fieber. Von dem Moment an, als ich
nichts
mehr arbeiten konnte, bekam ich kein Essen mehr. In meine Kammer, in der ich schlief, wurden
Hühner und 1 Jungschwein gelassen.
Bericht Nr. 256
Erschießungen im Lager
Berichter: Helmut Kommer Bericht vom 27. 12. 1945 (Mies)
Ich wurde am 27.
11. 45 gemeinsam mit meinen Eltern Karl und Lina, Fleischermeister in Mies,
in das Lager Mies gebracht. Am selben Tag wurden ungefähr 1500 Personen diesem Lager
zugeführt. Nach 3 Tagen Aufenthalt, während der wir an Verpflegung fast nichts
erhielten, wurden am 30. 11. 45 nachmittags gegen 4 Uhr 25 Personen dieses Lagers 100 in vom
Lager entfernt, erschossen. Ich habe dieser Erschießung vom Lager aus zusehen
können. Aus welchen Gründen diese Erschießungen erfolgt sind, ist mir nicht
bekannt. Unter diesen Personen befanden sich auch meine Eltern und 2 weitere Personen, die
mir
aus unserem Geschäft als Kunden bekannt waren und zwar ein Herr Hans Sturba,
ungefähr 50 Jahre, Rentner, zuletzt wohnhaft in Mies und eine Frau Morger,
ungefähr 20 Jahre, gleichfalls wohnhaft in Mies. Die übrigen Personen waren mir
nicht bekannt.
Die Erschießungen wurden von tschechischem Militär durchgeführt. Nach
der
Erschießung wurden 10 Personen aus dem Lager, darunter auch ich, zum Eingraben der
Leichen kommandiert, dabei stellte ich fest, daß von den Erschossenen 18 Männer
und 7 Frauen waren.
Am 1. 12. 45 entfloh ich nachts aus dem Lager und bin
über Marienbad-Asch-Rehau-Kulmbach nach Bayreuth gekommen.
Ich erkläre, daß die von mir angegebenen Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Bericht Nr. 257
Strafanstalt Bory, Hungertyphus
Berichterin: Irmgard Görner Bericht vom 6. 12. 1945 (Mies)
Ich bin
Abiturientin, wohnte in Mies und war bei den Amerikanern beschäftigt. Mein
Vater, Direktor der Glashütte, wurde Anfang Juni von den Tschechen verhaftet und in die
Strafanstalt Bory bei Pilsen gebracht.
Wir erfuhren nur wenig von seinem Schicksal. Erst später gelang es uns, ihm
Päckchen zu senden, weil wir wußten, daß er sehr hungern müsse. Wir
sandten im ganzen 16 Päckchen ab. Als es ihm am 15. August gelang, uns einen Brief
zukommen zu lassen, bestätigte er nur den Empfang von 4 Päckchen. Die
übrigen wurden ihm nicht zugestellt.
Am 26. Oktober bekamen wir ein Päckchen, das wir ihm gesandt hatten, mit der
Aufschrift
"zemrel" (verstorben) zurück. Daraufhin begab ich mich am 7. November nach Bory, um
nach dem Schicksal meines Vaters zu fragen. Der Pförtner der Strafanstalt schrie mich an
und erklärte mir, daß niemand die Anstalt betreten noch verlassen dürfe, weil
eine Krankheit ausgebrochen sei. Es handelte sich um eine Hungertyphusepidemie, der nahezu
alle deutschen Insassen zum Opfer gefallen seien. Tschechische Umwohner der Strafanstalt
erzählten mir (ich spreche selber gut tschechisch), daß an einem Tage
ungefähr
350 Leichen aus der Anstalt befördert wurden.
Am 30. November kamen die Tschechen in unsere Wohnung (um 4 Uhr früh) und
forderten
mich und meine 63 Jahre alte Mutter auf, uns anzuziehen und mit etwas Handgepäck
mitzukommen. Wir mußten bis zum Bahnhof von Mies marschieren, was meiner Mutter,
die schwer herzleidend ist, große Schmerzen bereitete. Am Bahnhof Mies waren viele
Tische aufgestellt, an denen Stenotypistinnen saßen. Die Deutschen, Männer und
Frauen und Kinder wurden von tschechischen Bauern nach ihrer Gestalt beurteilt und für
sich als Arbeitskräfte angeworben. Die Familien wurden dabei rücksichtslos
getrennt, sodaß die Kinder nach ihren Müttern schrien. Meine eigene Mutter wollte
niemand haben, weil sie eben zu alt und zu wenig kräftig war. Sie konnte daher wieder
nach Hause gehen. Mir selber gelang es, in einem unbewachten Augenblick zu entkommen und
mit Hilfe der amerikanischen Soldaten, die sich meiner erbarmten, nach Deutschland zu
kommen.
Bericht Nr. 258
Mies und Horni Pocernice, Verweigerung ärztlicher
Hilfe
Berichterin: Margarethe Singhartl Bericht vom 26. 6. 1946 (Mies)
Ich wurde am 3. 10.
45 mit meinem 3-jährigen Kind aus meiner Wohnung in
Wasseraujesd, Kreis Mies, geholt und auf das Gut Koschtir bei Prag in Horni Pocernice zur
Arbeit
verschickt. Ich wohnte zuerst mit 14 Personen, dann mit meinem Kind allein in einem feuchten
Raum ohne Fensterscheiben. Ich hatte kaum die Möglichkeit das Kind zu betreuen. Oft
mußte ich das Kind mit aufs Feld nehmen und dort im Nebel am Boden hinsetzen. Das
Kind wurde krank. Zuerst bekam es Krätze. Als ehemalige Krankenpflegerin konnte ich
auch das Kind selbst behandeln. Dann bekam das Kind einen Ausschlag am Kopf und
schließlich Diphterie.
Ich mußte eine halbe Stunde zu Fuß bei Glatteis mit dem fiebernden Kind am Arm
zum Arzt gehen, der mich mit dem Kind nach Prag ins Krankenhaus schickte. Im Krankenhaus
Karlov erhielt das Kind eine Injektion. Von dort wurde ich in das Krankenhaus Bulowka
geschickt. Als ich dort ankam, verweigerte man mir ärztliche Hilfe, da für Deutsche
ärztliche Hilfe verboten sei. Man ließ mich dort mit dem Kinde 2½ Stunden
stehen,
bis das Kind starb. Das tote Kind blieb im Krankenhaus.
Bericht Nr. 259
Internierungslager, Gepäckkontrolle im Aussiedlungslager
Mies
Berichter: Heinrich Hornung Bericht vom 25. 8. 1946 (Mies)
Als Internierter des
Internierungslagers Mies arbeitete ich von Anfang März bis 16. April
ds. J. mit anderen Kameraden im Aussiedlungslager Mies und habe dort die
Gepäckkontrollen von 7 Aussiedlungstransporten mitgemacht. Dabei beobachtete ich,
daß allen Aussiedlern, die noch im Besitz von guten Kleidungsstücken,
Wäsche oder Schuhen waren, diese abgenommen wurden. Die besten abgenommenen
Stücke wurden dann von den Kontrollorganen in Besitz genommen und in ihre
Wohnungen
geschafft. Insbesondere der Oberwachtmeister Breier nahm jede Woche auf seinem Motorrad
Koffer mit den abgenommenen Sachen nachhause. Ebenso der Verwalter des Lagers,
Kristofovec.
Ich kann diese Aussage beeiden.
Modrany
Bericht Nr. 260
Prag/Karlsplatz, Gepäckzustand
des Transportes Modrany, Mißhandlungen
Berichter: Ing. A. Lendl Bericht vom 14. 10. 1946
Ich führte als
Transportführer den Aussiedlungszug, der am 9. 10. in Modrany
abging und am 10. 10. 1946 in Augsburg ankam. Der Transport bestand vorwiegend aus
ehemaligen
Soldaten und Kriegsgefangenen, aus Leuten, die ein Jahr und länger im Arbeitseinsatz
oder
in Internierungslagern oder in Gefängnissen (Polizeihaft) zugebracht hatten und schon bei
ihrer Festnahme um sämtliche Sachen gekommen waren. Deshalb war der
Gepäckszustand des Transportes sehr schlecht und wurde an der Grenze von der
amerikanischen Übernahmekommission beanstandet. Daraufhin wurde von den
Tschechen
Material, insbesondere Wäsche, nachgeliefert, wodurch sich das
Durchschnittsgepäckgewicht von ca. 35 kg kaum änderte, doch die
Allerärmsten, die garnichts hatten, wenigstens mit der von den Amerikanern vertraglich
als
Minimum festgelegten Ausstattung versehen wurden. Im allgemeinen war der
Bekleidungszustand des Transportes sehr schlecht. Die Verpflegung war infolge des
unvorhergesehenen 3tägigen Aufenthaltes an der Grenze sehr knapp. Vor allem unter der
Kälte haben die Kinder und alte Leute sehr gelitten.
Die Gepäckauffüllung im Modraner Aussiedlungslager steht, was Wäsche
und
Kleidung anbelangt, in gar keinem Verhältnis zu den Bedürfnissen der Aussiedler.
Die
ausgegebenen Kleidungs- und Wäschestücke sind völlig unbrauchbar und
wurden auch von den Amerikanern zurückgewiesen. Reklamationen in Modrany selbst
wurden aufs Gröbste zurückgewiesen, wie überhaupt die Behandlung in
Modrany sehr grob war.
Ich selbst kam mit meiner Frau im November 1946 auf Anforderung der tschechischen
Regierung
aus englischer Internierung nach Prag, wo ich sofort verhaftet, in Ketten abgeführt und
durch 11 Monate in Gefängnissen festgehalten wurde, wo ich Zeuge furchtbarer
Mißhandlungen von Deutschen gewesen bin, insbesondere
im Bezirksgericht Prag-Karlsplatz.
Motol
(bei Prag)
(& Mährisch Neustadt)
Bericht Nr. 261
Mißhandlungen, mangelhaftes
Aussiedlungsgepäck
Berichter: Alois Zwatschek Bericht vom 18. 8. 1946
Ich war bei der deutschen
Wehrmacht und wurde im Februar 1946 in Odessa aus russischer
Kriegsgefangenschaft entlassen, weil ich nach einer Diphterieerkrankung an Händen und
Füßen gelähmt war, nicht sprechen konnte und fast nichts hörte und
sah.
Als der Zug die tschechische Grenze passierte, kamen tschechische Soldaten und
plünderten die Heimkehrer aus. Mir haben sie den Ehering vom Finger und die Uhr aus
der
Tasche gezogen. Trotz meines hilflosen Zustandes wurde ich im Lager Motol bei Prag bei so
schlechter Verpflegung festgehalten, daß ich mich nach einem Monat freiwillig zur Arbeit
bei einem Bauern meldete, wo aber die Verpflegung ebenfalls sehr schlecht war. Meine
Mutter, eine 70-jährige Frau, war im Mai 1945 in Mährisch Neustadt von den
Tschechen so schwer mißhandelt worden, daß sie bewußtlos war und alle
meine
Sachen, die ich bei ihr deponiert hatte, wurden ihr abgenommen. Als ich am 1. 8. aus dem Lager
Motol entlassen wurde, ging ich zu meiner Frau, die bei ihren Eltern in Lautsch lebte. Sie war
ebenfalls durch den tschechischen Verwalter des Hofes ihrer Eltern um alle ihre besseren Sachen
gekommen.
Unser Aussiedlungsgepäck brachten wir nur durch die Sachen meiner Schwiegereltern
zusammen. Ich selbst aber besitze an Kleidern nichts, als was ich am Leibe hatte.
Mühlbach
(bei Eger)
Bericht Nr. 262
Hausdurchsuchung
Berichter: Alois Mannl Bericht vom 13. 9. 1946
Ich wurde am 4. 3. 1946
zusammen mit meinem Onkel und Cousin in Mühlbach bei Eger
unter dem Verdacht, ein Motorrad gestohlen zu haben, verhaftet und ins Kreisgericht Eger
eingeliefert, wo wir bis 14. 8. gefangen gehalten wurden. In Mühlbach bei der Verhaftung
und dann im Kreisgericht Eger wurden wir schwer mißhandelt. Mein Onkel erhielt
dadurch
eine Nierenverletzung und kränkelte seitdem, bis sich, da er trotzdem arbeiten
mußte,
sein Zustand so verschlechterte, daß er zwei Tage vor der Aussiedlung starb. Ich selbst
leide seit diesen
Mißhandlungen an Nieren- und Magenschmerzen. Ich sah in Eger, wie
auch 15-16jährige Jugendliche so mißhandelt wurden, daß sie im Gesicht bis
zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Darunter waren Lattisch Anton und Witwitzki Alois.
Im Juni
wurde durch Zeugeneinvernahmen unsere Unschuld festgestellt. Trotzdem wurden wir bis zur
Aussiedlung unserer Eltern festgehalten. Bei Hausdurchsuchungen bei unserer Verhaftung
wurden
unsere sämtlichen Kleidungs- und Wäschestücke beschlagnahmt,
sodaß
wir bei unserer Aussiedlung nichts mehr hatten. Als Ersatz für mein fehlendes
Gepäck wurde meinen Eltern gestattet, die Nähmaschine mitzunehmen.
Münchengrätz
Bericht Nr. 263
Mißhandlungen
Berichter: Otto Skrbeck Bericht vom 26. 6. 1950
Am 5. Mai
1945 brach die Revolution aus. - Am 8. Mai 1945 mußten wir das Protektorat
verlassen in Richtung Weißwasser. Ich hatte Zivilkleider angezogen und ging Richtung
Münchengrätz zu meiner Familie. Ein tschechischer Arzt, der die Straßen
durchfuhr, nahm mich mit bis zur Stadt Bakow a. d. Iser. Als wir
den Kosmanos-Berg herabfuhren, bot sich uns ein schauerlicher Anblick. Überall
Partisanen, Rot-Kreuzschwestern wurden beschossen und zur Umkehr gezwungen.
In Münchengrätz, in der Nacht holten mich die Tschechen, um ½2 Uhr
morgens
umstellten sie mein Haus und zerrten mich in die Finsternis zum Hauptsitz des
Revolucní národní výbor, dort wurde ich an die Wand gestellt und mir erklärt, falls ich mich rühre,
würde ich erschossen. Es standen Männer dort mit Pistolen. Plötzlich sauste
etwas an meinen Kopf und blutüberströmt lag ich am Boden. So ging es
stundenlang, bis ich zusammenbrach. Man hat mir, als ich an der Wand stand, alles geraubt, was
ich bei mir hatte. Dann brachte man mich ins Gefängnis.
Der zweite Mann, der folgte, war ein Gastwirt aus Reichenberg, der beim Volkssturm war. Dem
hatte man den Kopf eingeschlagen. Er verstarb später unter entsetzlichen Qualen. So ging
es dauernd, man holte Leute wieder heraus, die wurden außerhalb der Stadt oder im
Gefängnishof Münchengrätz erschossen. Im Hofe hörte man immer
Gewehrschüsse. Es knatterte, bis die Russen kamen. Es hieß dann, es dürften
keine Deutschen mehr erschossen werden.
Ich war vom 8. Mai 1945 bis 12. Juli 1945 in tschechischer Gefangenschaft. Wir wurden
täglich geschlagen. Wir mußten Panzersperren beseitigen. Zu essen gab es sehr
wenig und schlecht. Das Brot wurde zum Benzin gestellt, daß es ungenießbar
wurde.
Wir bekamen in der Gefangenschaft immer 4 Mann Tragbahren, Hacken, Schaufeln, und
mußten in Münchengrätz bei der
Städtischen Badeanstalt - unmittelbar an
der Horice-Badeanstalt - Gräber schaufeln und tote Kameraden aus der Iser bergen und
beerdigen. Auch den Flüchtlingen hatte man alles abgenommen und sie zur Zwangsarbeit
benutzt. Uns ging es sehr schlecht, in der Fabrik Haskov, der Kaserne der Tschechen, wo wir
schwer arbeiteten, haben uns tschechische Soldaten mit Beilen und Äxten gejagt als wir
schwere Lasten trugen.
Ausgewiesen wurden wir drei - meine Frau, meine Tochter und ich - am 12. Juli 1945 nachts um
1 Uhr mit 25 Kilo Gepäck [und] 100 RM; sogar die Eheringe hat man uns abgenommen.
Es hieß, wir gehen auf Arbeit und kehren wieder zurück.
Neudek
Bericht Nr. 264
Schwere Quälereien eines
Herzleidenden
Berichterin: Anna Grimm Bericht vom 29. 8. 1946
Mein Mann war herzleidend und
wurde auf dem Krankenbett am 17. 6. 45 verhaftet und in
Neudek unter furchtbaren Mißhandlungen drei Tage gefangen gehalten, dann in das Lager
Neurohlau überführt. Auch dort wurde er, wie er mir selbst erzählte, schwer
mißhandelt. Ich sah auch, daß er am Rücken ganz blau und schwarz war.
Infolge der schlechten Ernährung bekam er Wasser bis zu den Hüften, sodaß
er
die Schuhe nicht mehr anziehen und die Hose nicht mehr schließen konnte. Am 10. 9.
brach
er an der Arbeitsstelle zusammen und mußte ins Krankenhaus geschafft werden. Am 6. 12.
wurde er nach Neurohlau ins Lager zurückgebracht, obwohl ihn der Arzt für
gänzlich haftunfähig erklärt hatte. Am 11. 12. erlitt er einen Schlaganfall und
konnte nicht sprechen. Als ich ihn besuchen wollte, durfte ich nicht zu ihm. Als ich am 1.
Weihnachtsfeiertag wieder ins Lager ging, führte man ihn in die Besuchsstube. Er bot ein
Bild des Jammers. Er hatte furchtbare Atembeschwerden, konnte nicht sprechen und war ganz
verschwollen. Ich versuchte wiederholt durch mündliche und schriftliche Gesuche, ihn in
häusliche Pflege zu bekommen. Erst am 8. 2. 1946 wurde er aus dem Lager entlassen. Er
erholte sich nicht mehr. Am 5. 8. 1946 ist er gestorben.
Neuhof / Pinke
(Kreis Sternberg)
Bericht Nr. 265
Mißhandlungen
Berichter: Eduard Geitler
Infolge einer
Beleidigung einer tschechischen Privatperson, begangen im Jahre 1939, wurde ich
von diesem Tschechen im Jahre 1945 der Gendarmerie angezeigt. Am 3. Juli 1945 wurde ich
verhaftet und in einen Kohlenbunker im Polizeigefängnis eingesperrt, zusammen mit noch
weiteren vier Deutschen. Gleich am dritten Tage nach meiner Einlieferung wurden wir alle vier
einzeln in ein Zimmer im 2. Stock geführt und unmenschlich geschlagen. Ich erhielt 15
Faustschläge ins Gesicht, dann mußte ich mich auf einen Sessel legen und wurde
mit
einer Lederpeitsche geschlagen. Weiters drehte mein Peiniger die Peitsche um und schlug mich
mit dem Handgriff. Die Spuren, die der Arzt an mir konstatierte, waren als schwere
körperliche Verletzungen bezeichnet worden.
Nach 10 Tagen erfolgte meine
Überführung nach Sternberg in ein Sammellager. Die Ernährung war sehr
gering. Früh vor der Arbeit und am Abend nach der Arbeit Sport. Für den, der nicht
mitkam, gab es reichlich Schläge. Bei der Arbeit wurden wir von Posten bewacht und wer
nicht zu deren Zufriedenheit arbeitete, erhielt am Abend Schläge. Ohne irgend welchen
Grund wurden wir um 9 Uhr abends, als wir uns zur Ruhe begeben wollten, geschlagen. Hierbei
wurde einem eine Decke um den Kopf gewickelt, damit diese die Schreie dämpfen
sollte.
Am 9. 1. 1946 kam ich nach Neuhodolein bei Olmütz. Wir hungerten hier ständig.
Als wir uns an langen Abenden die Zeit mit einigen Vorträgen wie z. B. Zuckererzeugung,
Biererzeugung, Obstbaumzucht usw. verkürzten, wurde dies angezeigt und uns wurden die
Strohsäcke weggenommen, damit mußten wir Spießrutenlaufen. Weiters
erhielten wir unmenschliche Schläge. Wir mußten somit im Januar zur Strafe ohne
Strohsäcke im ungeheizten Zimmer schlafen, zwei Fasttage in der Woche
und Post- und Paketsperre. Schläge ertrugen wir leichter als den Hunger. Trotz schwerer
Erkrankung mußte ich weiterarbeiten. Es hieß: "Im Lager sind nur Gesunde oder
Tote!"
Ende Juni 46 wurde ich freigegeben, da gegen mich nichts vorlag.
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