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Karlsbad
Bericht Nr. 33
Willkürliche Verhaftung
Berichter: F. Danzer Bericht vom 22. 7. 1946
Am 5. 9. 1945 wurde ich, als ich
gerade die Inventur zur Übergabe meines Betriebes an
einen tschechischen Verwalter aufstellte, verhaftet und in das Karlsbader Polizeigefängnis
eingeliefert. Meine Braut, die mir bei der Inventuraufnahme half, wurde mitverhaftet. Sie wurde
bei der Verhaftung ohne jeden Grund geohrfeigt. Ich selbst wurde mit dem Gewehrkolben
geschlagen und mit Füßen getreten. Bei der Ankunft im Gefängnis wurde ich
neuerdings schwer mißhandelt. Es wurden mir dabei 2 Rippen auf der linken Seite
gebrochen. Das Gesicht und der Kopf waren zur Unkenntlichkeit verschwollen, mehrere
Zähne wurden mir losgeschlagen. Außerdem erlitt ich Prellungen am Steiß
und
am rechten Bein. Bewußtlos wurde ich in den Keller geworfen. Das erste Verhör
fand
erst Ende Juni d. J. statt. Es lag kein Akt in meiner Sache vor. Mitte Juli d. J. wurde ich zur
Aussiedlung entlassen.
Bericht Nr. 34
Schwere Mißhandlungen im Lager
Berichter: Josef Mörtl Bericht vom 29. 9. 1946 (Karlsbad)
Ich war seit 1939 Beamter der
Polizeidirektion in Karlsbad und wurde im Mai 1945 von den
Tschechen im Dienst gelassen, da gegen mich nichts vorlag. Ende Juli 1945 wurde ich von den
Tschechen entlassen. In dieser Zeit war ich wiederholt Augenzeuge von Mißhandlungen
und Erschießungen Deutscher gewesen. Es wurden mehrmals Deutsche aus den Zellen
geholt und am Hof mit Pistolen erschossen. Am 13. [August?] v. J. wurde ich selbst verhaftet
und
nach
Marienbad, Lager Auschowitz, eingewiesen. Dort sah ich zahlreiche Leute, die bis zur
Unkenntlichkeit zerschlagen waren. Ein 86jähriger Mann namens Zeiler aus Einsiedl
erzählte mir, daß auch er schwer mißhandelt worden sei. 8 Monate brachte
ich
auch in Neurohlau zu.
Dort waren 13-14-jährige Jugendliche eingesperrt, die ebenfalls schwer mißhandelt
wurden. Meine Familie wurde unterdessen mehrmals aus der Wohnung geworfen und dabei
völlig ausgeplündert. Von meinen eigenen Sachen habe ich überhaupt nichts
mehr. Mein Aussiedlungsgepäck bestand nur aus von guten Menschen geschenkten
Sachen.
Bericht Nr. 35
Gerichtsgefängnis Karlsbad,
Neurohlau
Berichterin: Hedwig Nao Bericht vom 13. 9. 1946 (Karlsbad)
Am 21. 7.
1945 wurde mein 80-jähriger Mann Marko Nao von der Straße weg
verhaftet und ins Gerichtsgefängnis Karlsbad eingeliefert. Trotz seines Alters und seines
schwächlichen Zustandes wurde er zu Aufräumungsarbeiten verwendet. Am ersten
Tage brach er bei der Arbeit zusammen und mußte ins Gefängnis
zurückgetragen werden. Dabei wurden die Träger geschlagen und auch er selbst
bekam einen Schlag auf den Kopf. Nach einer Woche wurde er aus dem Gefängnis
Karlsbad in das Lager Neurohlau eingeliefert, wo er so entkräftet ankam, daß er
nicht
seinen Namen nennen konnte. Am 4. 8. 45 starb er an Entkräftung. Er wurde nicht
kirchlich beerdigt, deshalb wurde sein Todesfall nicht registriert und auch mir bis heute offiziell
nicht
mitgeteilt. Ich habe das alles durch Mithäftlinge meines Mannes und den Lagerarzt von
Neurohlau, Dr. Kudlich, sowie durch Mitteilungen des deutschen Lagerverwalters Korb
erfahren.
Bericht Nr. 36
Schwere Drangsalierung durch einen
Verwalter
Berichter: Wilhelm Meindl Bericht vom 13. 9. 1946 (Karlsbad)
Ich hatte in Karlsbad einen
Mühlenbaubetrieb. Am 1. 10. 1945 wurde der Tscheche Jan
Verner als Verwalter auf meinen Betrieb gesetzt. Zur Inventuraufnahme wurde ich auf sein
Betreiben nicht herangezogen, weshalb auch die Inventur um 250.000 Kcs zu niedrig ausfiel,
was
sich auch später herausstellte. Durch Verleumdung und Denunziationen machte er mir es
unmöglich, Anzeige gegen ihn zu machen und seine eigenen
Unregelmäßigkeiten tarnte er dadurch, daß er mich ständig der
Sabotage
bezichtigte. Auf diese Art schüchterte er mich ein. Trotzdem bemühte er sich, mich
als Spezialisten im Mühlenbaufach von der Aussiedlung zurückzuhalten. Bei der
Aussiedlung wurde mein Gepäck auf sein Betreiben beraubt, indem man alle meine
Gepäckstücke durchsuchte und mir vorwiegend Winterkleidung und Wäsche
entwendete. Die Mitnahme von Werkzeugen wurde mir verweigert, obwohl ich dafür
einen
Berechtigungsschein der Bezirksaussiedlungskommission hatte.
Bericht Nr. 37
Mißhandlung einer 65-jährigen Frau
durch tschechische Jugendliche auf der Straße
Berichterin: Leopoldine Schneider Bericht vom 13. 9. 1946 (Karlsbad)
Mitte August 1946 um 6 Uhr
nachm. ging ich durch die Panoramastraße in Karlsbad
nachhause. Ich trug die weiße Armbinde. Ungefähr in der Mitte der
Panoramastraße bei der Milchtrinkhalle versperrte mir ein 12jähriger Junge mit
einer
Peitsche in der Hand den Weg und rief mir tschechische Schimpfworte zu. Ich wollte ihm
wortlos
ausweichen. Da versetzte er mir einen Schlag mit der Peitsche über den Kopf.
Darauf liefen 4-5 andere Jungen im gleichen Alter herbei und schlugen mit Peitschen auf mich
ein. Ich begann zu laufen und sie verfolgten mich mit Peitschenhieben, Geschrei und
Schimpfworten bis nachhause, ungefähr 15 Minuten lang, wo ich weinend und ganz
erschöpft ankam. Unterwegs hatten tschechische Erwachsene aus Fenstern und
Türen, ferner tschechische Passanten auf der Straße lachend dem Schauspiel
zugesehen und die Jungen durch Zurufe ermuntert.
Bericht Nr. 38
Schwere Mißhandlungen eines
Polizeimeisters
Berichter: Alfred Müller Bericht vom 13. 9. 1946 (Karlsbad)
Ich war Polizeimeister in
Karlsbad und wurde beim Einmarsch der Tschechen Anfang Mai 1945
im Dienst gelassen, da gegen mich nichts vorlag und ich allgemein als loyal und human bekannt
war. Ich war weiterhin stellvertretender Leiter des Polizeigefängnisses. Ich habe dort
gesehen, wie vom ersten Tag alle eingelieferten Männer auf das Schwerste
mißhandelt wurden, bis sie blutüberströmt zusammenbrachen. Ich war
über diese Vorfälle entsetzt und äußerte mich auch in diesem Sinne
dem
Tschechen N. gegenüber, der diese Mißhandlungen selbst mißbilligte und
betonte, daß in der deutschen Zeit in diesem Gefängnis nicht ein Schlag gefallen
sei.
Diese Äußerung muß sonst noch jemand gehört haben, denn ½
Stunde später wurde ich entlassen. Das war am 28. 5. 1945. Anfang Juli wurde ich von der
Polizei vorgeladen, im Gefängnis festgehalten und dort selbst auf das Schwerste
mißhandelt. Ich erhielt gegen 100 Ohrfeigen und ebenosviele Faustschläge in
die Rücken- und Magengegend und als ich zu Boden fiel, Fußstöße
gegen den Kopf und ins Gesicht. Mit dem Absatz schlug mir einer drei Zähne aus und
verletzte mir das linke Auge. Ohne jedes Verhör wurde ich dann dem Gericht und von
diesem vier Wochen später dem Lager Neurohlau eingeliefert. Auch in Neurohlau wurde
ich als ehemaliger Polizeiangehöriger wiederholt schwer mißhandelt. Einmal wurde
ich bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen. Erst im September fand eine Personalaufnahme
mit
Verhör statt. Dr. N., der das Verhör vornahm, stellte mir in 14 Tagen die
Freilassung
in Aussicht. Ich mußte aber 13½ Monate im Lager bleiben und wurde dann ohne
Verhandlung entlassen.
Bericht Nr. 38a
[Scriptorium merkt an: in einem 1951 in der
Europa-Buchhandlung, München erschienenen Sonderdruck des
vorliegenden Buches findet man auf S. 294ff den nachfolgenden Bericht, der in
der Originalausgabe nicht enthalten ist. Diese Ergänzung wird mit
dem Hinweis eingeleitet: "Der Bericht, der einen eindrucksvollen Beitrag zu den
Vorgängen d. J. 1945 in Karlsbad bietet, wurde an Stelle der Berichte Nr.
171-176 der vorhergehenden Auflage eingeschaltet." Bei den
Berichten Nr. 171-176 handelt es sich um die in der ersten Hälfte dieser
Netzseite als Berichte Nr. 33-38 wiedergegebenen Aussagen. Scriptorium
dankt Herrn N. L. für die Übersendung dieser
Ergänzung!]
Karlsbad, Erschießung des
Friedhofverwalters
Berichterin: Marie Scherzer Bericht vom 23. 1. 1951 (Karlsbad)
Nach dem Einmarsch der
russischen Truppen in Karlsbad* hatte unter
anderem auch eine russische Abteilung ihr Lager auf dem Auto- und
Droschkenparkplatz beim Friedhof aufgeschlagen, ungefähr 50 Schritte
vom Friedhofsverwaltungsgebäude, in welchem meine Eltern (Franz Weis
und Julie Weis) und meine Schwester (Gertrud Weis) wohnten, entfernt.
Am 17.10.1945* gegen 23.00 Uhr stürmten etwa 30 Mann russischer Soldaten
das Haus, brachen die Haustüre auf und drangen in die Wohnung meiner
Eltern und in die Kanzleiräume und trieben dort ihr Spiel der sinnlosen
Zerstörung. Meine Eltern und meine Schwester hatten wegen der
Plünderungsgefahr nicht in der Wohnung, sondern bei einem im
geschlossenen Wohngebiet wohnenden Bekannten geschlafen. Als wir von
dem Vorfall am anderen Morgen erfuhren und nach 3 Tagen wieder in das
Haus und in die Wohnung konnten, bot sich uns ein fürchterliches Bild
der Verwüstung. In der Kanzlei waren die Schränke, Schreibtische, die
eiserne Kasse usw. aufgebrochen, das Geld, die Akten, Bücher, Dokumente
u. a. m. lagen zerrissen und zerstreut am Fußboden, auch die
Schreibmaschine wurde zu Boden geworfen. Noch schlimmer sah es in der
Wohnung aus, Wäsche, Kleidung, Betten, Kochgeschirr waren verschwunden
und Teile davon zerrissen und beschmutzt im nahen Wald verstreut. Die
noch vorhandenen Sachen wie Möbel usw. zum Teil demoliert, die
Lebensmittel auf dem Fußboden verschüttet und die ganze Wohnung
abscheulich verunreinigt. Es war ein erschütternder und trostloser
Anblick. Meine Eltern und meine Schwester waren nun gezwungen bei mir
zu wohnen.
[*Scriptorium merkt an: das Datum scheint ein Fehler zu sein und sollte höchstwahrscheinlich 17.5.1945 heißen. Die Russen zogen am 6. Mai 1945 in Karlsbad ein und im Rest dieses Berichtes geht es um Ereignisse im Juni 1945; Oktober liegt außerhalb der zutreffenden Zeitspanne. Wir danken Herrn M. K. für diesen Korrekturhinweis!]
Mein Vater versah nach Abflauen dieser Plünderungen wieder
seinen Dienst in der Friedhofverwaltung und meine Mutter versuchte in
der Wohnung wieder etwas Ordnung und Sauberkeit zu schaffen. Während
dieser Tage wurden sie jedoch dauernd sowohl von russischen Soldaten
als auch von Partisanen und tschechischen Zivilisten, die sich als
Kommissare ausgaben, belästigt und in Unruhe versetzt. Am 1. Juni 1945
wurde mein Vater bei seiner Arbeit am jüdischen Friedhof von 2
tschechischen Gendarmen angefallen und von diesen mit Knütteln und
Schlagringen niedergeschlagen. Darauf gingen die beiden Gendarmen in
das Gebäude der Friedhofsverwaltung und trafen dort meine Mutter an.
Sie zerrten sie in die Küche und begannen auch auf sie einzuschlagen.
Nachdem sie auch diese Untat vollbracht hatten, sperrten sie sie in die
Küche ein. Anschließend gingen sie noch in die Kanzlei und ließen ihre
Wut an dem Angestellten Alexander Neumeyer aus. Dieser saß ahnungslos
bei der Schreibmaschine und schrieb. Auch er wurde verprügelt. Er soll
auch an den Folgen verstorben sein. Meine Mutter öffnete unterdessen
aus Angst und vor Schmerz das Fenster und rief um Hilfe. Mein Vater,
der sich gerade in die Wohnung schleppen wollte, hörte die Hilferufe
meiner Mutter und wollte sich daraufhin in seiner seelischen Depression
durch Öffnen der Hals- und Pulsadern das Leben nehmen, um dem Martyrium
ein Ende zu machen. Eine Friedhofsbesucherin fand meinen Vater am neuen
Teil des katholischen Friedhofes, wohin er sich geschleppt hatte, auf
einer Gruft in einer Blutlache vor. Die Frau eilte in die
Friedhofskanzlei und verständigte den Herrn Neumeyer, der inzwischen
meine Mutter aus ihrer Lage befreit hatte, und auch meine Mutter. Herr
Neumeyer teilte dies sofort telefonisch der Rettungsgesellschaft mit,
die meinen Vater in das Krankenhaus brachten. Am 3. Juni 1945 besuchten
meine Schwester Gertrud Weis, mein Schwager Ernst Scherzer und ich
meinen Vater im Krankenhaus. Mein Schwager verließ kurz vor 17.00 Uhr
das Krankenhaus, während meine Schwester und ich noch etwas bei unserem
Vater blieben. Plötzlich drang ein Gejohle und ein Geschrei in den
Krankensaal und nach geraumer Zeit erschienen vier tschechische
Zivilisten im Saal, vorn der angebliche "Kommissar" Crha, kamen auf
uns zu und fragten, wer wir seien. Nach Beantwortung der Frage rissen
sie meinen Vater aus dem Bett, nahmen ihm die Taschenuhr ab und
erklärten uns drei als verhaftet. Auf meine Frage nach dem Grund der
Verhaftung brüllte man mich an: "Es müssen noch mehr Deutsche dran
glauben". Unter wüstem Schimpfen trieb und stieß man uns - mein Vater
war zudem nur notdürftig mit Hemd und Hose bekleidet - über die Stiegen
hinunter und bugsierte uns in ein bereitstehendes Auto. Die vier
Zivilisten setzten sich auf die Kotflügel und die Fahrt ging zuerst zum
"Národní výbor", welcher im ehemaligen jüdischen Altenheim
und nochmaligen Regierungsgebäude untergebracht war. Zwei der Zivilisten
begaben sich in das Gebäude und kamen nach kurzer Zeit mit mehreren
Flaschen Schnaps im Arm wieder zurück. Diese verteilten sie unter sich
und begannen gleich sich kräftig zuzutrinken. Unter dauernden
Beschimpfungen und Drohungen wie "Schaut euch alles nochmals gut an,
das ist Eure letzte Fahrt, ihr Nazi-Schweine", "Eure letzte Stunde hat
geschlagen" usw. ging die Fahrt zum "Goldenen Kreuz" in der Waldzeile,
der Sitz der tschechischen Polizei, Kommissare, Partisanen usw. Dort
angekommen, stieß man uns links in ein ebenerdiges Zimmer und
überschüttete uns mit Beschimpfungen unflätigster Art. Der Ausdruck
"Deutsche Nazi-Schweine" war der mildeste. Mein Vater mußte sich auf
einen Sessel setzen und meine Schwester und ich standen rechts und
links neben ihm. Zu den vier Zivilisten gesellten sich in dem Zimmer
immer mehr "Kommissare", gegen 8 an der Zahl, welche mit Gewehren,
Gummiknütteln, Lederriemen, Schlagringen usw. bewaffnet waren. Dann
begann der "Kommissar" Crha in gebrochenem Deutsch zu meinem Vater
gewendet, "Na Du Deutsches Nazi-Schwein, wieviel hast Du verborgen
Männer bei Mobilisierung wie Adolf kam", und schon schlugen alle
"Kommissare" mit dem, was sie gerade in der Hand hatten, so auf meinen
Vater ein, daß das Blut nach allen Seiten spritzte. Als wir anfingen zu
weinen, wurden auch wir mit Schlägen tüchtig bedacht. Meinen Vater
zerrte man darauf in einen Nebenraum, warf ihn auf eine Pritsche, und
die Schlägerei begann von Neuem. Nach dieser Marter brachte man ihn
wieder in das erste Zimmer zurück. Inzwischen hatte man von den im
"Goldenen Kreuz" in Haft gehaltenen Deutschen einige geholt, welche
durch die erhaltenen Schläge im Gesicht und an den Händen mit
Blutbeulen, Platzwunden, Schwellungen usw. übersät, fast bis zur
Unkenntlichkeit entstellt waren. Diese wurden nun jeweils gefragt:
"Kennst Du dieses Deutsche Nazi-Schwein". Mit Ausnahme eines einzigen
beantworteten sie die Frage mit nein, denn diese Vorgeführten kannten
auch wir nicht. Nur der eine, der ehemalige Obergärtner der
Friedhofsgärtnerei, Alfred Lippert, welcher ebenfalls durch
Blutunterlaufungen und Schwellungen entstellt war, gab auf die
gestellte Frage "ja" zur Antwort. Darauf sagte der Kommissar Crha zu
Lippert: "Da nimm Puška und
erschieß alle drei". Lippert antwortete
jedoch: "Herr Kommissar, das kann ich nicht, erschießen Sie halt mich,
die drei haben nichts getan". Daraufhin wurden die Vorgeführten wieder
aus dem Zimmer getrieben. Während der Gegenüberstellung bearbeiteten
die "Kommissare" meinen Vater, der eine zerrte dauernd an den Ohren und
schnitt sogar in das rechte Ohr, ein anderer goß Benzin über ihn und
wollte ihn anzünden, was jedoch ein anderer durch Wegschlagen des
Feuerzeuges noch verhindern konnte, ein anderer wieder stieß dauernd
mit spitzen Patronen in den Rücken und in die Seiten, andere wieder
stießen mit dem Gewehr nach ihm oder gaben ihm Fußtritte. Anschließend
wurde er wieder in das Nebenzimmer gestoßen. Dann fragte mich
"Kommissar" Crha: "Hast Du noch letzten Wunsch". Da wußte ich, was
mit uns geschehen sollte. Ich erklärte ihm, daß ich wenigstens meine
Mutter und meine drei kleinen Kinder (3½ Monate, 4 und 6 Jahre)
noch einmal sehen und mich von ihnen verabschieden möchte. Er verlangte
von mir einen Nachweis über meine Kinder und ich hatte ein Lichtbild
von ihnen bei mir. Darauf sagte er: "Wollen Sie sich von Vater und
Schwester verabschieden oder nicht?" Ich dachte an meine Mutter, meine
drei kleinen Kinder und an meinen Mann, von dem ich allerdings schon
über 1 Jahr keine Nachricht mehr hatte, und antwortete dann: "Wenn es
sein muß, jawohl!" Man schob mich in das Nebenzimmer, und unter
Bewachung mußte ich von meinem lieben Vater Abschied nehmen. Er sprach
nur leise und sagte "grüß mir die Mutter", dabei blutete er aus dem
Mund, der Nase und den Ohren, das eine Auge war so verschwollen und
blutunterlaufen, daß er es nicht mehr aufbrachte. Ich drückte ihm die
Hand und gab ihm einen Kuß auf die Stirne. Vor Aufregung und Schmerz
konnte ich kein Wort sprechen. Schon brüllte die Bewachung "raus". Ich
ging wieder zurück in das Zimmer, in welchem meine Schwester stand, um
mich auch von ihr zu verabschieden. Sie fiel mir leichenblaß um den
Hals und ließ mich nicht mehr los. Den Kerlen dauerte es zu lange, und
sie begannen mit Gummiknütteln auf uns einzuschlagen, bis meine
Schwester erschöpft zusammenbrach. Sie rissen sie wieder hoch und
brüllten "schnell, schnell, wir haben keine Zeit". Meinen Vater führten
einige bereits aus dem Zimmer, und einige zerrten meine Schwester
hinterher. Auch ich mußte mich anschließen. Selbstverständlich waren
wir dabei von einer Schar "Kommissare" umgeben. Als ich zur Hoftüre kam
und den Hof überblicken konnte, mein Vater und meine Schwester hatten
bereits den Hof betreten, mußte ich stehen bleiben, und "Kommissar"
Crha zählte, unter der
Türe stehend "jeden, dva, tři", Schüsse
peitschten durch den Hof, das Hemd über der Brust meines Vaters färbte
sich rot und wölbte sich auf, und er sank nach rückwärts, mit dem Kopf
auf das Pflaster aufschlagend zu Boden. Das Knallen war noch nicht
verhallt, da fielen neuerlich zwei Schüsse, und meine Schwester stürzte
zusammen. Dies spielte sich in wenigen Sekunden ab. Mich trieb man
unter Schlägen mit Gummiknütteln wieder in das Zimmer zurück. Dort
sagte nur Kommissar Crha: "Ich entlasse Sie für heute, Sie müssen
mir aber versprechen, daß Sie nichts aussagen, was hier geschah, habe
ich Herz für ihre drei Kinder". Mit wüstem Geschimpfe jagte man mich
dann aus dem "Goldenen Kreuz". Der geschilderte Vorfall spielte sich
von der Einlieferung in das "Goldene Kreuz" bis zu meiner Entlassung
aus diesem Hause ohne irgendwelchem Verhör und Grund in knapp 30
Minuten ab, länger waren wir nicht dort.
Bericht Nr. 39
Karlsbad-Lesnitz, Schwere Mißhandlungen
auf Grund einer falschen Beschuldigung am 4. 7. 1945
Berichter: Anton Riedl Bericht vom 22. 6. 1946 (Karlsbad)
Am 4. 7. 1945 wurde ich in
Lesnitz verhaftet und ins Bezirksgericht Karlsbad gebracht. Ich wurde
beschuldigt, KZ-Transporte geführt zu haben. Ich leugnete es, und führte den
tschechischen Ing. N., Leiter der Fa. Pittel & Brausewetter, Karlsbad, als Zeugen an, der
bestätigen konnte, daß ich ununterbrochen beim Egerländer Erzbergbau in
Schönfeld, Bezirk Elbogen tätig war, ohne auch nur vorübergehend den Bau
verlassen zu haben. Darauf brüllte mit der Tscheche, der mich einvernahm, an: "Was, du
deutsche Sau, du willst dich auch noch rechtfertigen". Darauf bekam ich von ihm zwei
Ohrfeigen,
daß ich taumelte. Unmittelbar darauf wurde ich am Korridor von drei Mann mit
Gummiknüppel und Ochsenziemern geschlagen. Ich erhielt gegen 60 Hiebe. Nach einer
Stunde wurde ich nochmals in der gleichen Weise geschlagen, daß ich blutete. Ich
verbrachte dann 36 Stunden in einer 6 qm großen Zelle mit 14 Mann. Hierauf fand ein
neuerliches Verhör statt, bei dem ich wieder verprügelt wurde. In einer
Waschküche verbrachte ich dann nochmals zwei Tage mit ungefähr 80 Mann jeden
Alters, die alle in derselben Weise verprügelt wurden, wie ich. Am 11. 7. wurde ich
abermals geholt. Vor mir stand der tschechische Baumeister N., der mir sagte, daß ich auf
Grund einer falschen Anzeige verhaftet worden sei und nun entlassen werde. Er brachte mich in
seinem Auto nach Hause. Ich war 4 Wochen lang an den Folgen der Mißhandlungen
krank.
Dann arbeitete ich bei diesem Baumeister bis zu meiner Aussiedlung.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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