Iglau
Bericht Nr. 24
Erschießungen von Frauen im Mai - Juni
1945
Berichterin: Else Köchel Bericht vom 30. 6. 1950
Am 23. 5. 1945 mußten wir
binnen 2 Stunden unser Heim verlassen und kamen in eine
alte
schmutzige Tuchfabrik in der Umgebung der Stadt. Dort waren die hygienischen Zustände
furchtbar: z.B. ein Strahl Wasser unten im Hof für rund 1000 Menschen. 3 Klosetts auch
im
Parterre, dieselben in einem unbeschreiblichen Zustand, die Stiegen in den 3 Stockwerken so
eng,
daß 2 Menschen nur knapp aneinander vorbei konnten.
Für die Küche mußte das Wasser von halbwüchsigen Burschen und
älteren Männern von weit her in Tonnen gezogen werden.
Unser Lager war auf dem ölgetränkten Boden und knapp nebeneinander in vier
Reihen. Jeden Tag um 6 Uhr und um 8 Uhr mußten wir zum Appell antreten. Beim
Erscheinen des Velitel mußten wir stehen, die Hände an der Seitennaht. Das Essen
bestand aus ¼ Liter Kaffee, ¼ Liter Suppe, und einer Schnitte Brot für
einen
Tag.
Am 9. 6. 1945 hieß es: "Morgen müßt Ihr 30 km gehen, Ihr könnt nur
mitnehmen, was Ihr tragen könnt!" Gepäcksrevision, Untersuchung nach Geld und
Beschlagnahme des Mehrbetrages. Am 10. 6. 45 gings los, bei sengender Hitze auf sonniger
Straße nach Stannern in ein anderes Lager. Da warf man weg, was man konnte,
sodaß
man nichts mehr hatte. Da hieß es, die Österreicher können heute schon nach
Österreich. Zu diesem Zweck mußten wir nach Teltsch, sahen auch schon die
Türme von Teltsch, da hieß es wieder, es geht nicht, also zurück nach
Stannern
10 km. Dort kamen wir bei strömendem Regen an und fielen vor Müdigkeit nieder,
wo wir gerade standen. Man trieb uns mit der siebenschwänzigen Peitsche und mit
Schüssen an.
Auf diesem 40-km-Marsch gab es zwei kurze Pausen.
In Stannern hungerten wir, viele starben an Hungerruhr.
Das Lager lag auf einem Hügel, ringsherum Zaun, wir wurden bewacht, durften nicht
hinaus. Die Frauen aus dem Ort brachten manchmal etwas, Kaffee, Suppe und Brot. Da alle
furchtbaren Hunger hatten, besonders die Kinder, so warteten die Mütter schon, wenn so
eine Frau kam und da eines Tages auch so eine Frau kam, schauten drei Frauen neben uns
über den Zaun, ob sie schon da ist. Auf einmal ein Schuß -- zwei Frauen fielen tot
um,
eine verletzt; sie hatten nichts anderes getan, als über den Zaun geguckt.
Dafür wurde der Posten gelobt und bekam eine Auszeichnung für den guten
Treffer.
Ich will von allem andern schweigen, was wir gelitten haben, aber dieses Verbrechen muß
doch veröffentlicht werden.
Leider weiß ich den Namen dieses humanen Herrn Velitel nicht. Von den Namen der drei
Frauen weiß ich nur einen, "Kerpes". Die anderen weiß ich nicht, kann aber die
geschilderte Begebenheit jederzeit beeiden.
Vielleicht findet sich noch jemand aus Iglau, der den Namen von diesem sauberen Velitel und
auch die Namen der übrigen Frauen kennt.
Bericht Nr. 25
Schreckensregiment
Berichter: Franz Kaupil Bericht vom 2. 9. 1946 (Iglau)
Am 13. 5. 1945 begann die
Schreckensherrschaft der Tschechen in Iglau. In der folgenden Nacht
haben ungefähr 1200 Deutsche Selbstmord verübt. Bis Weihnachten gab es etwa
2000 Tote. Am 24. und 25. 5. wurde die deutsche Bevölkerung binnen 20 Minuten von
Partisanen aus den Wohnungen getrieben und in die Lager Helenental und Altenberg eingesperrt.
Diese Lager waren offiziell "Konzentrationslager" benannt. In Helenental waren 3700 Personen
untergebracht, in Altenberg gegen 3000. Es war weder
für Trink- noch Nutzwasser hinreichend gesorgt. Klosettanlagen und Waschgelegenheiten
gab es keine. In den ersten 8 Tagen gab es auch keine Verpflegung. Später gab es nur
dünne Suppe und 100 gr. Brot täglich. Kinder bekamen nach den ersten 8 Tagen
¼ l Milch. Jeden Tag starben mehrere ältere Leute und Kleinkinder. Am 8. 6.
wurden die
Insassen von Helenental völlig ausgeplündert und am nächsten Tag im
Fußmarsch über Teltsch nach Stannern 33 km geführt. Wir wurden mit
Peitschen angetrieben. Die älteren Leute wurden, wenn sie zusammenbrachen, mit Wagen
geführt. Dieser Marsch kostete 350 Menschen infolge Erschöpfung und Hunger das
Leben.
In Stannern wurden 3500 Leute in einem Lager mit einem Fassungsraum von 250
Personen zusammengepfercht. Die meisten mußten trotz des Regens im Freien kampieren.
Am nächsten Tag wurden die Familien in 5 verschiedenen Lagern, getrennt nach
Männern, Frauen und Kindern untergebracht. Verpflegung gab es 8 Tage keine. Dann die
üblichen Suppen. Im Frauenlager wurden einmal mit einem Schuß vier Frauen
getötet und eine schwer verletzt. Darunter Frau Friedl und Frau Kerpes.
Prügelstrafen
waren bei Männern und Frauen an der Tagesordnung. Es gab auch eine Prügelzelle.
Die Lagerinsassen wurden den tschechischen Bauern von der Lagerleitung als
Arbeitskräfte
verkauft. Im August besserten sich die Verhältnisse, doch starben bis Weihnachten in
Stannern ungefähr 500 Häftlinge. Im Januar wurde das Lager Stannern
aufgelöst.
Ich selbst wurde am 9. 1. 46 in Untersuchungshaft gesetzt und am 7. 8. 46 entlassen. Dort
hörte ich von Augenzeugen oder erlebte selbst furchtbare Grausamkeiten. Am 10. 6. 45
wurden 19 Iglauer Häftlinge aus den Zellen geholt und im Ranzenwald erschossen.
Darunter der alte Stadtpfarrer Honsik, Howorka, Augustin, Biskonz, Brunner, Laschka, Martel,
Kästler usw. Im Gerichtsgebäude wurden noch im Mai 45 ohne jede Verhandlung
erschossen: Krautschneider, Kaliwoda, Müller und Ruffa. Ein gewisser Hoffmann wurde
zu
Tode geprügelt. Der gefürchteteste Aufseher war Rychtetzky. Der Fabrikant Krebs
wurde skalpiert. Baumeister Lang starb an den Folgen von Mißhandlungen.
Der 70-jährige Oberst Zobel erhängte sich in der Zelle. Viele Leute waren durch
grausamste Mißhandlungen zu belastenden Aussagen gezwungen worden und wurden
dann
wegen Delikten festgehalten, die sie gar nicht begangen haben. Ich kann diese Aussagen beeiden
und auch weitere Zeugen dafür nennen.
Bericht Nr. 26
Mißhandlungen, Vorenthaltung von Gepäck,
Ermordung des Vaters
Berichter: Robert Pupeter Bericht vom 2. 9. 1946 (Iglau)
Ich wurde am 6. 8. v. J. ohne Grund
und ohne Verhör eingesperrt und 8 Monate im
Gefängnis Iglau festgehalten. Dort wurde ich mehrmals schwer mißhandelt. Dann
arbeitete ich in einer Ziegelei, wo ich einen Finger verlor. Lohn habe ich nicht bekommen. Dann
wurde ich über das Lager Altenberg zu einem tschechischen Bauern in Arbeit geschickt.
Mein Vater war im Gefängnis mit 19 Mann ohne Verhandlung erschossen worden. Meine
Mutter ist seit ihrer Verjagung nach Österreich verschollen. Ich habe alles verloren.
Ich besitze jetzt 20 kg Gepäck. Im Aussiedlungslager bekam ich nur einen Arbeitsanzug.
Die Lebensmittel, die mir mein letzter Arbeitgeber für die Reise gegeben hatte, wurden
mir
im Aussiedlungslager vom Lagerführer persönlich abgenommen und ich
mußte sie selbst in sein Zimmer tragen.
Bericht Nr. 27
Zustand des Gepäcks im Lager Iglau
Berichter: Alfred Chlad Bericht vom 2. 9. 1946 (Iglau)
Im Aussiedlungslager in Iglau wurde
bekanntgemacht, daß pro Kopf 50 kg Gepäck
mitgenommen werden dürfen. Kriegsgefangene und Leute, die aus Gefängnissen
entlassen wurden, haben bei weitem nicht dieses Gepäck erreicht, sondern meistens nur
15
kg. An der Grenze wurde deshalb der Transport vom amerikanischen Übernahmeoffizier
beanstandet und sollte zurückgewiesen werden. Da von den Aussiedlern niemand
zurückbleiben wollte und auch die tschechischen Übergabeoffiziere sich für
die Weiterfahrt einsetzten, durfte der Transport schließlich die Grenze passieren.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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