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Einleitung

Beim Ausbruch des Weltkrieges rief der französische Sozialist Gustave Hervé: "Alles, was dazu beitragen mag, zu dieser Zeit Zorn und Haß gegen Deutschland von neuem zu entzünden, muß getan werden!"

Auf welche Weise das geschah, lehrten später die Enthüllungen eines Pariser Chefredakteurs, der in seinem Buche Hinter den Kulissen des französischen Journalismus das Leben und Treiben im "Maison de la Presse", Paris, Françoisstraße 5, schilderte. Dort wurden die deutschen "Greuel" erfunden, raffiniert gestellt, photographiert und von hieraus verbreitet, um die ganze Welt damit zu vergiften. Die Noten der französischen Regierung waren voll von Klagen über den deutschen "Barbarismus". Eine von ihnen schloß mit den heuchlerisch bewegten Worten: "So ist diese Liste der Verbrechen die entsetzlichste, die je zur Schande ihrer Urheber veröffentlicht wurde!"

Es ist auch wenig bekannt, daß in der Mantelnote zum Versailler Vertrag als eine seiner wichtigsten Stützen die Behauptung enthalten ist: "Die Deutschen sind es gewesen, die sich eine Behandlung der Kriegsgefangenen zuschulden kommen lassen haben, vor der Völker unterster Kulturstufen zurückgeschreckt wären!"

[10] Den Beweis dafür glaubte die französische Regierung selbst erbringen zu können. In seinem nach dem Weltkrieg erschienenen Buche Les Prisonniers de Guerre 1914–1918 (Payot, Paris), das die Behandlung der Kriegsgefangenen hüben und drüben schilderte, gab der Leiter des Kriegsgefangenenressorts im Pariser Kriegsministerium, Cahen-Salvador, die Fälle bekannt, über die Frankreich gegenüber Deutschland zu klagen hatte. Daß in dem Lager Minden den Gefangenen die Kantine verboten gewesen sei, daß sie im Lager Darmstadt nicht rauchen durften, sich in Merseburg von Kanonenmündungen, in Lechstedt und Friedrichsfeld von elektrisch geladenem Stacheldraht (10- bis 12 000 Volt!) umgeben sahen; daß sie in einer Reihe von Lägern anfangs auf dem nackten Boden liegen mußten, und daß in anderen die sanitären Anlagen, Duschen, Bäder und dergleichen nicht in Ordnung gewesen seien, war im wesentlichen alles, was er vorzubringen hatte. Die schwerste Anklage betraf das Lager Kassel-Niederzwehren, wo 2000 fremde Kriegsgefangene an Flecktyphus zugrunde gingen. Sie beschäftigte später auch das Reichsgericht. Man warf den verantwortlichen Generälen vor, sie hätten absichtlich Flecktyphusbazillen unter den ihnen anvertrauten Leuten verbreitet. Die Haltlosigkeit dieser Anklage erwies sich schnell und die Offiziere wurden freigesprochen.

Am Schluß seines Buches erklärte Cahen-Salvador dann in heuchlerischem Tone: "Frankreich ist immer besorgt gewesen, bei seinen Kriegsgefangenen unnütze Quälereien zu vermeiden und ihnen das Exil [11] so erträglich wie möglich zu machen. Selbst im Feuer der Schlacht hat Frankreich stets die Gesetze der Menschlichkeit respektiert!"

Wer die französische Auffassung von den Gesetzen der Menschlichkeit je am eigenen Leibe zu spüren bekommen hat, wird vor Empörung die Faust ballen bei diesen Worten. Auch der Krieg 1939/40, wo Rundfunk und Presse täglich voll waren von Berichten über die niederträchtige Behandlung unserer Kriegsgefangenen durch die französische Soldateska und die in ihr eingereihten schwarzen Horden, hat wieder den Beweis erbracht, daß Frankreich nicht das Recht hat, sich zu den zivilisierten Nationen zu zählen. Es ist noch weit davon entfernt, und der im Versailler Schandvertrag enthaltene ungeheuerliche Vorwurf Clemenceaus gegen Deutschland fällt im vollsten Maße auf Frankreich selbst zurück. Er ist, was Deutschland betrifft, nicht erwiesen und wird auch nie erwiesen werden können. Dagegen ist heute notwendig, wenn auch der Schandvertrag durch den Führer Adolf Hitler zerrissen und unsere Rechnung quitt gemacht ist, die wir mit Frankreich hatten, diesem noch einmal den Spiegel vorzuhalten, was das linksgerichtete Bonzentum in Deutschland vor der Machtergreifung nicht zuließ.

Das Manuskript dieses Buches wurde schon vor zehn Jahren verfaßt und manchem deutschen Verlag angeboten. Man wagte es damals nicht zu veröffentlichen, um Frankreich nicht zu verstimmen. Heute setzt sich das nationalsozialistische Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda dafür ein und [12] sichert sich den Dank der deutschen Volksgenossen. Auf uns allen, die wir damals in Frankreich geschmachtet haben, hat es immer wie ein Druck gelastet, daß so wenig über die Qualen, die deutsche Kriegsgefangene im angeblich humanen Frankreich erleiden mußten, in der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist.

Das Buch bringt im allgemeinen eine Zusammenstellung von Erlebnissen deutscher Kriegs- und Zivilgefangener in Frankreich während des Weltkrieges. Die Berichte stützen sich auf einwandfreie amtliche deutsche Veröffentlichungen und Akten und auf beeidigte Aussagen deutscher Heimkehrer vor Behörden. Soweit dieses letztere nicht der Fall ist, werden sie bestätigt durch ähnlich gelagerte Fälle, die amtlich festgestellt wurden. Ein Teil der Berichte ist der nach dem Weltkrieg erschienenen Kriegsgefangenenliteratur entnommen, von der mir die meisten Bücher durch die Verfasser selbst für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurden.

Eine wesentliche Mithilfe bei der Zusammenstellung der anfänglich sehr umfangreichen Arbeit, die aus technischen Gründen heute gekürzt werden mußte, bot das von den Süddeutschen Monatsheften im Jahre 1921 herausgegebene und von dem Münchener Arzt Dr. August Gallinger verfaßte Heft Gegenrechnung, ferner die Mitarbeit des um die Völkerrechtsfragen im Weltkrieg verdient gewordenen Geheimrats Prof. Dr. Meurer aus Würzburg, der die Herausgabe dieses Buches besonders begrüßte. [13] Er hat sie leider nicht mehr erleben können. Außerdem gebührt der Dank für die Mitarbeit der früheren Reichsvereinigung ehemaliger Kriegsgefangener und nicht zuletzt den vielen Einsendern persönlicher Erlebnisse selbst, die aus Platzmangel leider nur zu einem geringen Teil aufgenommen werden konnten. Verdient hätten sie es alle ohne Ausnahme.

Geheimrat Meurer war Sachverständiger im Dritten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß über Verletzungen des Kriegsgefangenenrechts. Sein Gegenspieler und vor dem Kriege von ihm sehr geschätzter Kollege auf französischer Seite war der Pariser Völkerrechtslehrer Louis Renault. Von ihm stammte das Buch Le régime des prisonniers de guerre en France et en Allemagne au regard des conventions internationales, das Prof. Meurer mit den enttäuschten Worten ablehnte: "Renaults Buch ist eine Tendenzschrift. Daß er sich seinen Inhalt vollständig zu eigen gemacht hat, konnte nur unter schwerer Schädigung seines wissenschaftlichen Rufes geschehen." Und der Holländer Wilhelm Doegen, der im Auftrage einer Sprachstudiengesellschaft mehr als 70 deutsche Kriegsgefangenenlager besucht hat, urteilte über Renaults Régime: "Der Verfasser zeigt, wie man es nicht machen soll; er hebt die dunkelsten Punkte aus den deutschen Gefangenenlagern hervor und stellt ihnen in Wort und Bild die schönsten und wirkungsvollsten aus den französischen gegenüber, deren Echtheit noch nicht einmal erwiesen ist."

[14] Lassen wir die nackten Zahlen der Bilanz des traurigen Kapitels der Gefangenschaft hüben und drüben sprechen.

In Deutschland, dessen Bewohner durch Hungerblockade und Kälte zugrunde gingen, gab es unter den französischen Gefangenen knapp vier Prozent Todesfälle. In Frankreich dagegen starben weit über fünf Prozent Deutsche in der Gefangenschaft. Dazu aber kamen in Frankreich noch 43 000 deutsche Kriegs- und Zivilgefangene, über deren Verbleib die französische Verwaltung später keine Rechenschaft ablegen konnte. Sie galten als "vermißt". Sie sind von der französischen "Humanität" hingemordet! Durch sie erhöhte sich die Zahl der nicht heimgekehrten Deutschen aus Frankreich so wesentlich, daß der Prozentsatz der Toten auf über 16 Prozent stieg. Das waren fünfmal mehr, als Franzosen in Deutschland starben.

Geben wir nun den "Ehemaligen" das Wort, den Kriegs- und Zivilgefangenen, den Kolonialdeutschen, Offizieren wie Mannschaften, und nicht zuletzt den Neutralen und Franzosen selbst zu unserem Thema:

Tage des Grauens.
Frankreichs "Humanität" im Weltkrieg.

Karl Wilke






Tage des Grauens.
Frankreichs "Humanität" gegenüber seinen deutschen Gefangenen
im Ersten Weltkrieg

Karl Wilke