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Beneschs infamste Lüge

Aber die Tat war geschehen. Die Exilpolitiker hatten die heißersehnten Opfer ihres eigenen Volkes auf die Altäre ihrer ehrgeizigen Wünsche gelegt und den Freiheitswillen des tschechischen Volkes ihren Alliierten bewiesen.

Um nun auch im tschechischen Volk das verlorene Vertrauen wieder zu gewinnen, erhob Benesch eine Reihe radikalster Forderungen, unter anderem die Aussiedlung der Sudetendeutschen. Die Engländer aber zeigten dafür kein Verständnis.

Als Benesch aber 1943 in den USA weilte, berichtete er Roosevelt und trug ihm die Idee der sudetendeutschen Aussiedlung vor, wobei er durchblicken ließ, daß Rußland bereits zugestimmt habe.

Die Behauptung Beneschs war eine glatte Erfindung, aber mit dieser historischen Lüge ermöglichte Benesch das Drama in den Sudeten.

In Wirklichkeit erreichte erst sein Mitarbeiter, Doktor Hubert Ripka, der spätere Außenminister der zweiten Republik, nach vieler Mühe und langen Vorbereitungen [71] die zögernde Zusage Bogomolows zum Transfer der Deutschen.

Roosevelt ließ sich tatsächlich durch diese plumpe Finte überreden und stimmte zu. Allerdings unter der Voraussetzung, daß der Plan noch auf seine technische Durchführbarkeit geprüft werden müßte.

Mit dieser Rooseveltschen Zusicherung wieder wurde dann die Zustimmung der Sowjetunion erreicht.

Mit der geschichtlichen Lüge Beneschs begann die sudetendeutsche Tragödie, die von dem Verbrechen der Lüge pfeilgerade in die Verbrechen des Raubes, der Vergewaltigung und des Mordes führte. Der weitere dramatische Verlauf des Krieges trieb die Tschechen immer mehr in die Arme Moskaus.



 


Die Furcht eines Kollaborantenvolkes

Diese politische Entwicklung entschuldigt und berechtigt auf keinen Fall das grausame Geschehen, das in dem Augenblick im tschechischen Raum begann, als die Deutschen die Waffen gestreckt hatten. Dafür gibt es neben den niederen Instinkten eines Volkes zum Sadismus, zur Vergewaltigung, zum Mord und zum Raub nur eine psychologische Erklärung: die tiefe Angst vor der eigenen Kollaboration mit den Deutschen. Jeder Tscheche mit wenigen Ausnahmen hatte jahrelang pünktlichst und devot, direkt und indirekt der Hitlerschen Kriegsmaschine gedient und war dabei ausgezeichnet gefahren.

Im englischen Unterhaus hatte man verbittert festgestellt, daß "die Tschechen sich selbst aufgegeben und nicht einmal eine Geste gegen die Okkupation vollbracht hätten."

Die tschechischen Beamten waren ausnahmslos auf ihren Posten geblieben. Die Deutschen fanden es nicht einmal nötig, eine grundsätzliche Säuberung des Beamtenapparates durchzuführen.

Für den Krieg arbeitete die gesamte tschechische Wirtschaft reibungslos. Das tschechische Erzeugungspotential [72] stand durch die fortlaufenden Investitionen anfangs 1945 bedeutend höher als 1939.

Die tschechische Landwirtschaft steigerte im Protektorat ihre Leistungen derart, daß auf die Einfuhr verzichtet werden konnte. Ihre einzige Schwierigkeit war die unerhörte Landflucht der tschechischen Landarbeiter, die, ohne dazu aufgefordert oder gar gezwungen zu werden, in solchen Scharen in die für die Deutschen arbeitenden Rüstungsfabriken nach Österreich und Deutschland strömten, daß der offizielle Anbauplan zeitweise in Gefahr war.

Einen aktiven Widerstand gegen die deutsche Besatzung in der Art, wie ihn Russen, Franzosen, Belgier oder Serben leisteten, haben die Tschechen niemals, an keinem Ort und zu keiner Zeit gezeigt.

Am 15. März 1939 begrüßte General Syrovy, legendäre Figur aus den glorreichen Tagen der tschechischen Legion in Serbien, mit ergebenem Lächeln und Handschlag die Deutschen, die soeben Prager Boden betreten hatten.

Am 5. Mai 1945, als die deutsche Niederlage auch für Schulkinder schon kein Geheimnis war, als die amerikanischen Panzer bereits in Pilsen und die bolschewistischen Divisionen vor Bodenbach standen, an diesem Tag und keine Stunde früher brach jener tschechische Aufstand in Prag aus, der mit Barrikaden in einigen Straßen, mit Überfällen auf deutsche Passanten und Kämpfen um einzelne Häuserblocks der einzige Versuch des tschechischen Volkes war und blieb, der deutschen Besatzung mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten.

In den ganzen sechs Jahren, die zwischen ihm und den devoten Verbeugungen des einäugigen Generals auf der Prager Burg lagen, geschah im böhmisch-mährischen Raum buchstäblich nichts, was die Bezeichnung eines aktiven nationalen Widerstandes verdiente. Während der Krieg fast über alle Länder Europas zog und während in Polen wie in Frankreich, in Rußland wie in Jugoslawien, in Griechenland wie in Belgien sich die Widerstandskräfte des Landes zu Partisanenverbänden und Sabotagegruppen organisierten, blieb Böhmen und Mäh- [73] ren eine Insel der Ruhe und des inneren Friedens. Kein einziger Straßenüberfall auf deutsche Kolonnen erfolgte, keine einzige Eisenbahn wurde in die Luft gesprengt, keine Eisenbahnschienen aufgerissen, keine einzige Brücke zerstört.

Der einzige Versuch zur Bildung einer geheimen Widerstandsorganisation, der unmittelbar nach Errichtung des Protektorates von Offizieren und Unteroffizieren der tschechoslowakischen Armee unternommen wurde, wurde von Tschechen an die deutsche Staatspolizei verraten. Die ganze Organisation wurde erfaßt und zerstört, bevor sie irgendwie wirksam werden konnte. Der tschechische General Luza, der sich mit britischen Fallschirmspringern in Mähren absetzen ließ, um eine neue unterirdische Organization ins Leben zu rufen, wurde nach kurzer Zeit seiner Tätigkeit von tschechischen - und nicht von deutschen! - Gendarmen erkannt und, als er fliehen wollte, von ihnen erschossen.

In der Protektoratsregierung saßen Männer wie der ehemalige Generalstäbler Moravec, der ehemalige Maffiamann Bienert sowie der Finanzminister zahlreicher tschechoslowakischer Kabinette, Kalfus.

Die hohe Ministerialbürokratie, die von den Deutschen fast unverändert übernommen wurde, arbeitete ohne Anzeichen einer passiven Resistenz und ohne sich für etwas anderes zu exponieren als für die eigene Position.

Die Verwaltung des Protektorates lag, vornehmlich nach der von Heydrich durchgeführten Verwaltungsreform, fast ausschließlich auf tschechischen Schultern. Sie funktionierte bis unmittelbar vor Kriegsende tadellos. Sie führte die von Reichsstellen kommenden Anordnungen und Weisungen reibungslos durch. Sie gab mit keinem nennenswerten Akt zu erkennen, daß sie nicht ein verläßliches Instrument in den Händen der deutschen politischen Führung war.

Die gleiche gute Note im Betragen kann ohne Skrupel dem disziplinierten Korps der tschechischen Gendarmerie und dem der tschechischen Polizei ausgestellt werden. Es war kein Kuriosum, sondern höchst bezeichnend für die tschechische Einstellung zu den gegebenen Verhältnissen, [74] daß es ausgerechnet der tschechische Polizeipräsident von Prag war, der immer wieder besorgt und vergeblich warnend auf die Gefährlichkeit jener Straßenecke hinwies, an der schließlich tatsächlich das Attentat auf Heydrich erfolgte.

Für die deutsche Führung so verläßlich wie Beamtenschaft und polizeiliche Exekutive war die tschechische Arbeiterschaft im Ganzen, die tschechischen Industriekapitäne und Finanzgewaltigen im einzelnen. Nicht nur, daß die Selbstverwaltung der böhmisch-mährischen Industrie in fast ausschließlich tschechischen Händen lag - und sich in den Interessen des Reiches bewährte - nicht nur, daß einzelne große Herren wie Čipera von der Bata-A.G., wie Dvoraček und Preiß von der Zivnobank, wie Kruliš-Randa von der Berg und Hütte und Julis von den böhmisch-mährischen Maschinenfabriken die tschechische Industrieproduktion im Dienste des Reiches steuerten. Nach einer Statistik des Prager Zentralverbandes der Industrie lag im Jahre 1944 der Leistungsgrad der tschechischen Arbeiter auf dem Rüstungssektor, besonders in der metallverarbeitenden Industrie, im Durchschnitt 15 bis 18 Prozent über dem Reichsdurchschnitt - eine Tatsache, die durch keinen Zwang und keine Gewalt der Welt zu erklären ist. Die Sabotagefälle im Protektorat blieben im Jahresdurchschnitt unter der Jahreszahl der im Reich durchgeführten Sabotageakte. Die Bergarbeiter von Ostrau und Karwin fuhren in ihre Gruben, als im April 1945 der Russe nur noch 10 km vor Ostrau stand.

Aber es wuchs nicht nur in den Jahren von 1939 bis 1945 der Leistungsanteil der tschechischen Industrie an der gesamten Rüstungsproduktion des Reiches bis zu 33 Prozent, es erzeugten die Skodawerke in Pilsen, die Waffenwerke in Brünn und die Witkowitzer Eisengewerkschaft in von Jahr zu Jahr steigendem Maße Werkzeugmaschinen, Maschinengewehre und Material, das für die Kriegsführung des Dritten Reiches einfach unentbehrlich wurde, weil durch den Luftkrieg der Alliierten immer mehr Rüstungsbetriebe im Reich ausfielen oder in ihrer Kapazität beschränkt wurden.

Es wurden schließlich geheimste Fertigungsprogramme [75] tschechischen Betrieben mit tschechischen Ingenieuren und tschechischen Arbeitern anvertraut. Und tschechische Arbeiter arbeiteten mit der gleichen Präzision, mit der gleichen Verläßlichkeit und dem gleichen Fleiß wie ihre deutschen Kollegen im Reich an der Herstellung von Düsenjägern und Raketenflugzeugen, an der Erzeugung von Treibstoffen für die V-Waffen selbst.

Die tschechische Landwirtschaft stand in ihren Beiträgen für die deutsche Kriegsführung der tschechischen Arbeiterschaft nicht nach. Es genügt, ein Beispiel unter vielen hervorzuheben: während in den deutschen Gebieten des Protektorates die Milchablieferung pro Kuh 4,5 Liter betrug, betrug sie in den rein tschechischen Gebieten über 8 Liter. Und es genügt, darauf hinzuweisen, daß der Ablieferungswille des tschechischen Bauern oft größer war als seine Ablieferungspflicht, die aus politischen Gründen unter der des deutschen Bauern im Reich lag.

Dies alles sind Tatsachen, die nicht mit Methoden des Terrors und der Unterdrückung allein erklärt werden können. Auch die raffiniertest ausgeklügelten und brutalst durchgeführten Maßnahmen einer politischen Polizei können nicht Millionen Menschen veranlassen, ihre Arbeit mit jener Intensität, jener Pünktlichkeit und in jenem Umfang zu verrichten, wie sie der Tscheche während der ganzen Zeit des Protektorates praktisch verrichtet hat. Es ist dabei gleichgültig, mit welchen Gefühlen und welchem inneren Vorbehalt diese Arbeit geleistet wurde. Entscheidend ist, daß das Ergebnis dieser Arbeit ein für das Kriegspotential des Dritten Reiches unentbehrlicher Faktor wurde. Und entscheidend ist, daß das Ergebnis dieser von den Tschechen geleisteten Arbeit um ein Vielfaches hätte geringer sein können, ohne daß die deutsche Führung in der Lage gewesen wäre, etwas praktisch Wirksames dagegen zu unternehmen. Mit einem Wort: der tschechische Arbeiter und mit ihm der tschechische Beamte und der tschechische Bauer war einfach von sich aus bereit, das zu arbeiten, was ihm der Deutsche auftrug und so viel zu arbeiten, wie er nur konnte. Er setzte damit der deutschen Herrschaft nicht einmal auf jenen Gebieten einen Widerstand entgegen, auf denen ein Widerstand [76] auch ohne Gefährdung der eigenen Person durchaus möglich war. Er erhob sich umso weniger gegen das deutsche Regime dort, wo die Auflehnung ein persönliches Risiko, einen Einsatz des Lebens oder der Existenz bedeutete.

Gerade vor Fertigstellung dieser Zeilen besuchte mich der ehemalige Chef einer Gestapoleitstelle einer größeren tschechischen Provinzstadt. Er war von Glasenbach aus durch die Amerikaner den Tschechen ausgeliefert worden und erwartete den Tod. Eine Stunde nach seiner Einlieferung ins Provinzgefängnis erhielt der ehemalige Gestapochef Besuch: der Reihe nach kamen Kriminalbeamte, Staatspolizisten und Rechtsanwälte, die heute die tschechische Justiz repräsentieren und die in der Zeit der deutschen Besetzung alle - Konfidenten und Mitarbeiter der Gestapo waren.

Sie hatten nur eine Bitte an den Fassungslosen: er möchte um Gottes willen bei der russischen MVD in Prag, zu der er sicher überstellt würde, den Mund halten und sie nicht verraten. Der ehemalige Gestapokommissar, ein alter österreichischer Kriminalbeamter, erfaßte blitzschnell die veränderte Sachlage und es kam ein Gentleman-Agreement zustande, wonach er schwieg und seine ehemaligen Konfidenten für seine baldige Freilassung eintraten. Er schwieg auch bei der MVD, erhielt eine Strafe von drei Jahren mit Anrechnung seiner Glasenbacher Zeit (!) und ist längst zu Hause.

Aber es muß ja nicht gerade immer die Gestapo sein. Überall haben die Tschechen willig und brav mitgearbeitet.

Nach dem Zusammenbruch ihres Brotgebers versuchten sie nun, mit einer geradezu unglaublichen Hysterie vor dem Sieger, vor den Nachbarn und sich selbst, den Beweis anzutreten, welch nationale Helden sie seien. Mit jeder geschändeten Frau, mit jedem lebendig verbrannten deutschen Soldaten, mit jedem zu Tode getrampelten Kind glaubten sie sich von der jahrelangen Kollaboration reinzuwaschen.

Wie weit die Tschechen dabei gegangen sind, beweisen die Tausende von Tatsachenberichten, in denen festgehalten ist, daß sogar der grausamste und herzloseste aller [77] Sieger, der Russe, in vielen Fällen an dem Tun der Tschechen keinen Gefallen mehr fand und wiederholt Einhalt gebot.

Daß dabei die tschechischen Kommunisten führend waren, ist zwar nicht entschuldbar, aber leicht erklärbar: sie hatten ihre revolutionäre Pflicht am wenigsten erfüllt und hatten in den Jahren der deutschen Protektoratsregierung herzlich wenig von sich reden gemacht. Sie mußten ihren Auftraggebern in erhöhtem Maße beweisen, daß sie diejenigen waren, die im Kampfe gegen die Deutschen in der ersten Linie stehen.

Da es nach dem Zusammenbruch der deutschen Armeen unter dem Schutz der sowjetischen T-34-Panzer weniger gefährlich war als vorher, traten sie diesen Beweis eben erst jetzt an.


Nach diesem Versuch einer politischen Erklärung erhebt sich von selbst die

Anklage gegen die Mehrheit des tschechischen Volkes

wegen Mordes, Vergewaltigung, Beraubung und Vergehen gegen die Menschlichkeit, begangen an

3 Millionen wehrloser Sudetendeutscher in folgenden Gerichtsgefängnissen:

Blatna, Böhmisch-Kamnitz, Bory, Brünn, Budweis, Eger, Eisenbrod, Elbogen-Burg, Frankstadt, Freudenthal, Graslitz, Hohenfurth, Iglau, Jägerndorf, Kaplitz, Karlsbad, Klattau, Krummau, Mährisch-Ostrau, Mährisch-Schönberg, Olmütz, Pilsen, Prag-Karlsplatz, Reichenberg, Sternberg, Tabor, Tachau, Taus, Tetschen, Troppau und Wallern.

In folgenden sogenannten "Kriegsgefangenenlagern":

Bärn, Böhmisch-Kamnitz, Brünn-Slatina, Frankstadt, Jauernig, Josefstadt, Kladno, Königgrätz, Kurim, Kurwin, Motel, Nachod, Olmütz-Neue Welt, Pardubitz, Pisek, [78] Rabstein, Rokitnitz, Tabor, Tachau, Tetschen, Trawohitz, Znaim.

In folgenden tschechischen Kzs:

Adelsdorf, Altrohlau, Arlsdorf, Auschwitz bei Marienbad, Bischofteinitz, Böhmisch-Kamnitz-Rabstein, Böhmisch-Trübau, Boidensdorf, Brünn (Bohutitz, Kleidovka, Malomeritz und Kaunitz-Kolleg), Brüsau, Budweis, Chrostau (Kreis Zwittau), Dobřiš, Dux, Elbogen, Freiwaldau, Freudenthal, Hannsdorf, Heinrichsgrün, Helenenthal, Hradisko bei Stechowitz, Jägerndorf, Jauernig, Kaplitz, Kladno, Klattau, Kojetin bei Prerau, Kolin, Königgrätz, KZ-Erholungslager Kurvin-Kutiny, Landskron, Lerchenfeld-Schöbritz bei Aussig, Mährisch-Trübau, Marienbad, Mies, Neu-Oderberg-Rohrwerk, Neurohlau, Oberheinzendorf, Oderberg, Odrau, Olmütz, Olmütz-Hodolein, Pattersdorf, Prachatitz, Preßburg-Patronenfabrik, Prosečnitz bei Prag, Rabstein bei Böhmisch-Kamnitz, Reichenau, Römerstadt, Rothau, Rusin, Saaz, Sandau bei Marienbad, Schimrowitz bei Troppau, Schöbritz bei Aussig, Stangern, Stecken bei Iglau, Stefanau, Sternberg, Tachau, Taus, Dvur Tejnice bei Böhmisch-Brod, Tepl, Theresienstadt, Tremoschna bei Pilsen, Troppau, Welleschin bei Krummau, Welpet bei Bilin, Wigstadl, Vielseifen, Gemeinde Thomasdorf, Würbenthal, Zwittau - litten Hunderttausende wehrlose Menschen, deren einziges Verschulden es war, Angehörige der Deutschen Nation zu sein.

Hunderttausende wurden unter unvorstellbaren Qualen und Folterungen ermordet.

Zehntausende Frauen wurden gräßlich mißhandelt und mißbraucht.

Tausende Greise beiderlei Geschlechts, Tausende unmündiger Kinder, Tausende Kranker, Krüppel, Kriegs- und Arbeitsversehrter wurden planmäßig vernichtet. Die internationale Pressekorrespondenz ED-Frankfurt berichtet am 7. Nov. 1949 von einer Erklärung des Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft, wonach in den Jahren 1945 bis 1949 800.000 Sudetendeutsche von den Tschechen erschossen, erhenkt oder auf sonstige Weise umgebracht wurden. All diese Verbrechen wurden nicht [79] nur an kleinen und kleinsten Trägern des zusammengebrochenen Systems und deren Angehörigen begangen; selbst in diesem Falle wären diese Verbrechen noch immer Verbrechen geblieben.

Diese Ermordungen, Beraubungen, Vergewaltigungen, kurz, alle diese Vergehen gegen die Menschlichkeit wurden in der Č.S.R. begangen an jedermann, der das Unglück hatte, von einer deutschen Mutter geboren worden zu sein. Zwischen Nationalsozialisten und Sozialdemokraten, zwischen Katholiken, Gottgläubigen und Protestanten, ja selbst Kommunisten, Männern, Frauen und Kindern wurde keinerlei Unterschied gemacht.

Aus der Reihe von hunderten und tausenden eidesstattliehen Erklärungen der Opfer der sudetendeutschen Tragödie übergebe ich einige Gedächtnisprotokolle erprobter Antifaschisten der Öffentlichkeit. Sie legen Zeugnis über das, was auf dem Boden der Č.S.R. gegen wehrlose Menschen geschah.

Obgleich jede Gewaltanwendung gegen den Besiegten prinzipiell verwerflich ist, ganz gleich von wem, wo und zu welcher Zeit sie geschieht, könnte man vielleicht noch verstehen, wenn in Revolutionszeiten die Träger eines gestürzten Systems unter die Räder kommen. Aber auch in diesem Falle wäre es eine Frage des Charakters eines Volkes, wie es sich in den Tagen einer solchen Rache benimmt und inwieweit überhaupt eine moralische Berechtigung zur Rache vorhanden ist.

In der Č.S.R. hat man nicht nur die Träger eines politischen Systems erschlagen, beraubt und gemartert, sondern hier wurde ohne Unterschied der politischen und konfessionellen Richtung gejagt, gemordet, vergewaltigt und geplündert.

Nachstehend sprechen einige Überlebende des Dramas in den Sudeten. Der Autor mußte sich aus Raummangel begnügen, aus den Stößen von Aussagen, Protokollen und eidesstattlichen Erklärungen diese wenigen auszuwählen, die aber ein ergreifendes Zeugnis für das Erleben aller geben.


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Die Tragödie der Sudetendeutschen