V. Die volkspolitischen Auswirkungen im
Sudetendeutschtum
2. Sudetendeutsche Elendsbilder
(Forts.)
Der wirtschaftliche Zusammenbruch des Rumburger
Bezirkes
[108]
Ein Fabrikskesselhaus in Nordböhmen nach dem
Abwracken.
Im Hochsommer 1936 richtete der greise Kammerpräsident von
Reichenberg, Theodor Liebig, an den Staatspräsidenten eine Denkschrift,
aus welcher die bewußte Benachteiligung des deutschen Sprachgebietes
gegenüber dem tschechischen klar hervorgeht. Auf 1000 Deutsche entfallen
im Durchschnitt im Industriegebiet über 80 Arbeitslose, auf 1000
Tschechen nur 10 - 15.
|
Der Landespräsident von Böhmen, Dr. Sobotka, hat seinen
beabsichtigten Besuch des nordböhmischen Notstandsgebietes abgesagt.
Darauf wurde ihm eine von der Kreiskanzlei Rumburg des deutschen
Hauptverbandes der Industrie verfaßte Denkschrift im Dienstwege
übermittelt. Die Denkschrift hat folgenden Inhalt:
An den
Herrn Landespräsidenten
in Prag.
Die Arbeitsverhältnisse im Bezirke Rumburg sind
katastrophal. Die Rumburger Decken- und Möbelstoff-Industrie und die
Schönlinder Wirkwarenindustrie sind Spezialindustrien, die durch ihre
hochwertige Ware Weltruf hatten und auf dem Weltmarkte bestens
eingeführt waren. Der Fleiß, verbunden mit Geschmack und
Tüchtigkeit, und die Sparsamkeit der Erzeuger haben diesen Weltruf
begründet und dem Fabrikate überall Eingang verschafft. Und
wiewohl diese Eigenschaften der Industrie und ihrer Arbeiterschaft auch weiterhin
aufrecht blieben, ist es doch nicht gelungen, den Nieder- [340] bruch dieser Industrie
zu verhindern. Daß man hier von einem wirklichen Zusammenbruch
sprechen kann, wollen wir an Hand einiger Ziffern klarlegen:
Das beste Spiegelbild gibt der Pflichtversichertenstand bei
der Bezirkskrankenversicherungsanstalt Rumburg. Während dieser noch im
Mai 1929 12.602 Personen betrug, stellte sich die Pflichtversichertenstand am
Ende des Jahres 1934 nurmehr auf 6344 Personen. Die Zahl der
Beschäftigen in der Textilindustrie ist von 6741 Personen im Mai 1929 auf
2802 Personen im Dezember 1934, in der
Maschinen- und Metallindustrie von 609 auf 251, in der
Papier- und Lederindustrie von 260 auf 94, in der holzverarbeitenden Industrie
von 370 auf 147 Personen zurückgegangen. Die Arbeitslosigkeit in
unserem Bezirke ist daher enorm, 4561 gänzlich Arbeitslose und 1998
Kurzarbeiter, daher insgesamt 6559 Arbeitslose. Der Rumburger Bezirk
zählt bekanntlich zu den Bezirken mit der größten
Arbeitslosigkeit. (Von den 225 Bereichen der Bezirksbehörden in unserem
Staate, geordnet nach der Höhe des Prozentsatzes der mit Ende Juli 1934
von der Arbeitslosigkeit betroffenen Bevölkerung, wird der Bezirk
Rumburg bereits an dritter Stelle (!) angeführt, er gehört also
zu den drei Bezirken mit der größten Arbeitslosigkeit in unserem
Staatsgebiete.)
Wie groß die Not im Bezirke Rumburg ist, beweist
auch der Umstand, daß die Sterblichkeit den Geburtenrückgang
überwiegt. Der Sterbeüberschuß betrug im Jahre 1934 42
Personen. Dabei ist die Selbstmordziffer geradezu furchtbar. Diese beträgt
fast das Vierfache des Gesamtdurchschnittes in Böhmen.
Die Industrie des Rumburger Bezirkes ist auf den Export
angewiesen. Die Rumburger Decken- und Möbelstoffindustrie exportiert
mehr als 60 Prozent ihrer Erzeugung in das Ausland, die Schönlinder
Wirkwarenindustrie 40 bis 50 Prozent. Die Hindernisse aber, welche heute
der Exportindustrie in den Weg gelegt werden, sind derart, daß der geradezu
sprichwörtlich gewordene Unternehmungsgeist des nordböhmischen
Industriellen allmählich erlahmen muß. Denn was nützen ihm
alle Anstrengungen, Opfer von Geld, Zeit und Mühe, wenn er durch
handels- oder währungspolitische Schwierigkeiten sich plötzlich um
den ganzen Erfolg seines Geschäftes gekommen sieht.
Ungarn war z. B. das Hauptabsatzgebiet der Rumburger
Decken- und Möbelstoffindustrie. Durch die Kündigung des
Handelsvertrages mit Ungarn im Dezember 1930 hörte mit einem Schlage
jedes Geschäft mit Ungarn auf, wodurch die Rumburger Textilindustrie
derart schwer betroffen wurde, daß sie sich hiervon überhaupt nicht
mehr erholen konnte. Man darf nicht vergessen, daß Ungarn ein
Absatzgebiet war, wo zwei große Kunden so viel abnahmen, wie der ganze
tschechoslowakische Absatzmarkt aufnehmen kann. Wiewohl wir wiederholt
darauf hingewiesen haben, welche verhängnisvollen Folgen unsere
Handelspolitik für unsere Industrie hat, sind all diese Bitten und
Beschwerden verhallt, ohne daß sie einen Erfolg gezeitigt
hätten.
Die Folge davon ist, daß Großbetriebe wie
Hielle und Wünsche, mechan. Webereien in Rumburg und
Schönlinde, mit zirka 500 Arbeitern, Franz Preidel, mechan. Weberei in
Rumburg, mit 400 - 500 Arbeitern, Filipp Michels Söhne,
Wirkwarenfabrik in Gärten, mit 500 Arbeitern, aufgehört haben,
Erzeuger zu sein. Weiters haben mit der Erzeugung aufgehört
fol- [341] gende Firmen: August
Marschner und Sohn, Wirkwarenfabrik in Schönlinde, mit zirka 100
Arbeitern, Edmund Tietze, mechan. Weberei in Rumburg, mit
140 - 150 Arbeitern, Jos. Jul. Preußger in Schönlinde
mit 60, Wilhelm Wunder in Schönlinde mit 50 und Karl Worf in Rumburg
mit zirka 30 Arbeitern. Die Tore dieser bekannten Fabriken sind geschlossen und
nur die Färberei, also ein kleiner Teil, der Firma Hielle und Wünsche
in Schönlinde kann noch arbeiten. Die übrige Industrie des
Rumburger Bezirkes arbeitet lediglich mit einem Drittel bis höchstens 40
Prozent (!) der Kapazität. Es bedarf wohl keines Hinweises,
daß es bei einer solchen Kapazität ausgeschlossen ist, daß sich
die Firmen auf die Dauer lebensfähig erhalten können.
Sehr geehrter Herr Landespräsident! Die Tatsachen,
die wir vorgebracht haben, sind leider wahr und wir bitten Sie in wirklich letzter
Stunde um Ihre wertvolle Unterstützung. Helfen Sie uns, damit der Not
unseres Bezirkes wenigstens einigermaßen eine Besserung entgegengesetzt
wird und wieder Hoffnung in die Herzen unserer Bevölkerung einziehen
kann.
Eine Besserung der Verhältnisse ist nur dann
möglich, wenn das Außenhandelsvolumen, d. h. also Ausfuhr
und Einfuhr, gehoben wird. Dies ist der einzige Weg, auf dem wir die
Möglichkeit zu einer Besserung erblicken. Um dies zu erreichen, brauchen
wir günstige Handelsverträge, Beseitigung der Exporthindernisse wie
Clearing, Kontingentierung, Bewilligungsverfahren, hohe
Einfuhrzölle usw.
Der Industrie müßten raschest langfristige
und billige Kredite zur Verfügung gestellt werden, damit sie in finanzieller
Beziehung Bewegungsmöglichkeiten bekommt. In dieser Hinsicht
verweisen wir auf die Industrieförderung in andern Ländern, wie
z. B. Italien, Belgien und USA. Die Bestrebungen, eine
Verflüssigung auf dem Geld-, bzw. Kapitalmarkte herbeizuführen,
beschränken sich bei uns auf Geldanstalten u. dgl., lassen aber
die Bedürfnisse der Industrie außeracht. Sie gehen von der
irrtümlichen Ansicht aus, daß auf indirektem Wege durch die bisher
eingeschlagenen Methoden eine Verbesserung in der Industrie erreicht wird.
Dieser Prozeß ist jedoch viel zu langwierig und wird in der Zwischenzeit
ein weiterer Teil unserer Industrie aus dem internationalen Konkurrenzkampfe
ausscheiden. Die Differenz in der Kreditkosten-Höhe in unserem Staate im
Vergleiche zu der in anderen Ländern ist viel zu groß, als daß
unsere Industrie auf dieser Basis wettbewerbsfähig erhalten werden
könnte. Die Aufrechterhaltung des heutigen Zustandes macht es unserer
Industrie unmöglich, ihre Anlagen zu erneuern, bzw. den laufenden
Erfordernissen anzupassen und so wird es unsere Industriepolitik zuwege bringen,
daß unsere Industrie immer mehr und mehr in andere Länder
verpflanzt wird, wodurch unsere Arbeiter einer zunehmenden Verelendung
entgegengehen und als inländische Konsumenten immer mehr ausgeschaltet
werden. Im Zusammenhange damit möge die Vorschreibung der Steuern
samt Zuschlägen und Nebengebühren sowie ihre Eintreibung die
Notlage der Industrie berücksichtigen und ihr nicht Lasten zumuten, die sie
heute nicht mehr tragen kann....
Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Landespräsident,
ergebenst und dringendst um Ihre
Unterstützung...."
[342] Seither sind Wochen
und Monate vergangen. Der auf das Papier gebannte Hilferuf ist unbeachtet
geblieben. Die Denkschrift hat ihre Eingangsnummer erhalten wie tausend andere
und ruht heute in irgendeinem Aktenschrank in Prag. Und oben im
nordböhmischen Industriegebiet hungern und hoffen tausende deutsche
Arbeitsmenschen...
19 Gemeinden luden ein
19 Gemeinden des nordböhmischen Elendsgebietes von Kratzau und
Umgebung hatten Parlamentarier aller Parteirichtungen zur Besichtigung der
Zustände in diesem Notstandsgebiet eingeladen. Der Bezirk
Kratzau-Grottau zählt etwas über 26.000 Einwohner, die sich in
weitem Gebiet auf neunzehn Gemeinden verteilen. Sie fanden in der Hauptsache
in den Textilbetrieben, - solange die Wirtschaft gesund
war - Arbeit und Brot, hatten als Händler, Krämer und
Handwerker eine gute Existenz und man konnte sogar von einem bestimmten
Wohlstand des Kratzauer Gebietes sprechen. Seit dem Einbruch der
Weltwirtschaftskrise ist dieser blühende Industriebezirk vollständig
zusammengebrochen, in allen Gemeinden herrscht Not und Elend, wütet
der Hunger. Die Mehrzahl der Fabriken haben nach und nach ihre Tore
geschlossen und es besteht zur Zeit nicht die geringste Hoffnung auf
Besserung.
[346] Die Spitzhacke tut ihr letztes Werk.
|
Dreißig Betriebe sind stillgelegt worden, 1495 Arbeiter beziehen zur Zeit
die Unterstützung nach dem Genter System, 1898 stehen im Genusse der
teilweisen Unterstützung, 3241 erhalten Ernährungskarten und
ungefähr 2000 stehen vor dem Nichts.
Von 26.000 Einwohnern des Bezirkes Kratzau sind 8634 ohne Arbeit und
Verdienst oder mit andern Worten jeder dritte Einwohner ist arbeitslos.
Über die Besichtigung dieses Gebietes, an der das
Fürsorgeministerium durch Dr. Holth, die Bezirksbehörde
Reichenberg durch Oberrat Dr. Ritt vertreten war und von den
Parlamentariern teilnahmen: Abg. Bobek (christlichsoz.),
Abg. Windirsch (Bund der Landwirte), Roscher
(Soz.-Dem.), Necas (Tschech. Soz.-Dem.), die Senatoren Eichhorn
(Gew.-P.) und Kostka (A.W.G.), berichtet die Deutsche Presse:
"Beim Bahnübergang in
Grottau erwarteten Bürgermeister Ulbricht und Stadtrat Neuhäuser
die Volksvertreter, worauf der fast leerstehende »Betrieb Adolf
Müller« besichtigt wurde. Der Eindruck der hier herrschenden Stille
war überraschend und die Gäste schienen sichtlich betroffen
über die hier gesehene traurige Wirklichkeit. Anschließend ging die
Fahrt zum Betriebe »Veritas« und zum Sägewerk an der
Dammstraße. Nun sollte der größte Fabriksfriedhof,
»Cosmanos«, aufgesucht werden. Im Fabrikshof harrte bereits die
Görsdorfer Ge- [343] meindevertretung auf
die Parlamentarier und auch die Firma hatte wichtige Tatsachen zur
Aufklärung vorbereitet. Leider war es eine Gruppe von Arbeitslosen, die
durch ihre Aufstellung auf der Straße vor dem Toreingang zur Fabrik und
ihre lauten Sprechchöre diesen wichtigen Zweck vereitelten, denn die
Vertreter vermieden das Aussteigen und fuhren nach etwas Aufenthalt weiter. Nur
der amtierende Gemeinderat von Görsdorf, Herr Endler, stieg zu. Die
Gendarmerie mußte die vor dem Auto stehenden Arbeitslosen zum
Platzverlassen anhalten. Gerade die Besichtigung dieses Betriebes mit den
teilweise ausgeräumten Fabriksräumen und der Verödung der
großen Anlage sollte zu einer erfolgverheißenden Aussprache
führen. Gerade an diesem Orte hat die Handlungsweise des Häufleins
einiger Arbeitsloser der guten Sache bestimmt viel geschadet. Die Fahrt ging nun,
um ein Auto mit Arbeitslosen vermehrt, über die Neissebrücke bei
George Elster, wo die wichtige Neisseherrichtung aufgezeigt wurde, weiter durch
Görsdorf und über die große Neissebrücke nach Grottau
zur Firma Haurowitz, wo Herr Ulbricht die vorbereiteten Unterlagen über
die Beschäftigung der Firma einst und jetzt in Empfang nahm und weiter
übergab. Bei der Firma H. Müller hatten die ausgestiegenen
Parlamentarier eine Unterredung mit den Firmavertretern und hörten daraus
den Rückgang der Arbeiterzahl und der Arbeitszeit. Die jährliche
Lohnsumme ist von 3,8 auf 1,5 Millionen Kc gesunken. Auf der
Höhe des »Neisseberges« wurde den Fahrtteilnehmern dann
die geplante neue Neisse-Wehranlage erläutert. Die Fahrt nach Ketten
wurde oft für die sich an den Autobus anhängenden Arbeitslosen
gefährlich. Nach langsamer Vorbeifahrt am Betrieb
»Limburger« in Ketten trafen die Gäste im Bahnhofsgasthaus
in Ketten zur Mittagsrast ein. Dort hatte sich eine größere Anzahl
Arbeitsloser versammelt, die beim Aussteigen aus dem Autobus die Abgeordneten
und Senatoren mit Klagen und Wünschen bestürmten.
Mehrere Parlamentarier machten sich hievon
Aufzeichnungen. Schon um 1 Uhr wurde die Weiterfahrt wieder
angetreten, die durch das Kronauer Tal über Weißkirchen nach
Kratzau führte. Dabei wurden die Betriebe »Kronau« in
Ketten, Pfohl und Jäger in Weißkirchen zur besonderen Beachtung
gezeigt. Bei der Klingerfabrik erfuhren die Parlamentarier, daß diese der
modernste Betrieb dieser Firma war (1902 erbaut), für 800 Arbeiter Brot
gegeben hat. Auch die »Königfabrik« in Kratzau, die zu
Schleuderpreisen verkauft worden war, fand Erwähnung. Von der
Staatsstraße aus gingen dann die Teilnehmer der Besichtigungsfahrt zu
Fuß am Görsbachufer entlang, um die dort geplanten
Notstandsarbeiten in Augenschein zu nehmen. Um zwei Uhr wurde die Fahrt nach
Neundorf, Machendorf und Engelsberg fortgesetzt, wobei stillgelegte Betriebe,
Straßenprojekte u. a. zur Sprache kamen. Um halb 4 Uhr
begann dann im großen Gastzimmer des Hotels »Kudlich« die
Schlußsitzung. Eine Anzahl [344] von Arbeitslosen
wohnte dieser Sitzung ebenfalls bei. Bürgermeister Scholz dankte den
Volksvertretern für die Besichtigung des Gebietes und sprach die Hoffnung
aus, daß der Kratzauer Bezirk zum Notstandsgebiet erklärt werde.
Als wichtigste Arbeiten nannte er die Neisse-Herrichtung an der Staatsgrenze bei
Görsdorf, dann den Bau einer neuen Talsperre bei Buschullersdorf (6 bis
7 Millionen Kc), und gab bekannt, daß die Gemeinden
überschuldet sind und nichts mehr tun können. Oberrat Ritt
erläuterte einige geplante Arbeiten wie: die
Neisse-Herrichtung an der Staatsgrenze in einer Länge von
900 Metern, dann in Ketten 600 Meter. Hier fanden bereits am 9.
Januar die wasserrechtlichen Besprechungen mit den Anrainern statt. In Kratzau
ist der Ausbau des rechten Görsbachufers geplant mit einer
Uferstraße, dann der Ausbau der Straße
Weißkirchen - Wetzwalde (270.000 Kc), weiters eine
Teilregulierung des Görsbaches in Einsiedel und der Talsperrenbau bei
Buschullersdorf, für Machendorf der Wasserleitungsbau nach
Reichenberg..."
Gewählte Vertreter des Volkes - Deutsche und Tschechen - haben die
Stätten des Verfalles gesehen und die Wünsche der Vernichteten
gehört. Es fehlt ihnen nicht an dem guten Willen zu helfen, nicht an den
Plänen und Ratschlägen das Elend zu mildern. Die Bürokratie,
die regiert, weiß, daß es ihre Aufgabe ist, hier nicht zu helfen. Und
hinter ihr steht der starke Arm des Staates, den die Erwerbslosen früher zu
fühlen bekommen als seine fürsorgende Hand...
Vom Geist der tschechischen Bürokratie aber, als der Allmacht im Staate,
künden die kurzen Meldungen der Presse einiger Tage:
"Wie uns aus
Teplitz-Schönau mitgeteilt wird, werden bei den Reparaturarbeiten auf dem
dortigen Hauptbahnhof, die von dem tschechischen Baumeister Port aus Lobositz
ausgeführt werden, nur tschechische Arbeiter aus
dem Bezirk Lobositz verwendet.... Auch andere tschechische Firmen, die im
deutschen Gebiet öffentliche Arbeiten durchführen, stellen
grundsätzlich keinen deutschen Arbeiter ein. Dies ist z. B. bei dem
Schulbau in Hundorf, bei den Bauarbeiten auf dem
Masaryk-Schacht in Preschen und bei den
Biela-Regulierungsarbeiten in Hostomitz der Fall. Die deutschen Arbeiter haben
in diesen Fällen nur das Recht, um Arbeit nachzufragen, das Recht,
wirklich zu arbeiten, bleibt ihnen benommen...."
Sozialdemokrat, 23. August.
"Bei Errichtung der Staatsstraße
Pilsen - Karlsbad sollten mehrere deutsche Arbeitslose Beschäftigung
finden. Die Gendarmerie, die den Auftrag hatte, »verläßliche
Elemente« namhaft zu machen, wandte sich an den Ortsgruppenleiter der
sozialdemokratischen Partei, sodaß ausschließlich nur
sozialdemokratisch organisierte Arbeiter angestellt wurden."
Volksruf, 24. August.
[345] "Die
zweischichtigen Arbeiten bei dem Staatsstraßenbau gegen Reitendorf geben
Grund zu Klagen. Die Arbeiten erhielt eine Prager Firma, die wahrscheinlich von
diesen den Tiefbauvertrag verletzenden Arbeiten gar nichts wissen
dürfte..."
Nordmährischer Grenzbote, 25.
August.
"Bei dem Postneubau (in M. Schönberg) fand
dieser Tage die Vergebung der Tischler- und Schlosserarbeiten statt. Wie...
verlautbart, sind die hiesigen Gewerbetreibenden leer ausgegangen..."
Nordmährischer Grenzbote, 26.
August.
"In Strobnitz (Gerichtsbezirk Gratzen) bewarben sich
fünf einheimische Deutsche um den Postverkehr zwischen Strobnitz und
Brünnl. Ein Tscheche aus der Schweinitzer Gegend wurde jedoch damit
betraut."
Sudetendeutsche Pressebriefe, 27.
August.
"Ich ging zur Bezirkshauptmannschaft B. Budweis... Als
ich deutsch sprach, fuhr mich der Beamte an: »Sie müssen
tschechisch sprechen!« Ich antwortete, daß ich nicht tschechisch
könne, worauf der Beamte erklärte: »Sie müssen es
lernen, ich kann nicht deutsch.« Er reichte mir das Rezept zurück
und als ich es... nicht annehmen wollte, warf er es auf den Fußboden... Eine
Beschwerde bei höheren Beamten brachte nur die Antwort, daß da
eben nichts zu machen sei..."
Budweiser Zeitung, 26. August.
"Die sog. »Obere Fabrik« der Firma M. B.
Neumanns Söhne, Königinhof in Dittersbach, die seit dem Jahr 1926
vollständig stillsteht, wird abgetragen werden. Die Fabrik, die in der
höchsten Blüte in den neunziger Jahren gegen 300
Arbeitsplätze bot, ist eine der ältesten Betriebsstätten des
Friedländer Bezirkes."
Neues Volksblatt, 28. August.
"Das Präsidium des Landesschulrates hat
verfügt, daß die vierklassige deutsche Volksschule in Trupschitz bei
Komotau zeitweilig in eine dreiklassige umgewandelt wird..."
Reichenberger Zeitung, 29. August.
"In Krombach bei Zwickau erschien beim Obmann des
Gebirgsvereines der Steuerexekutor und nahm wegen eines
Gebührenrückstandes von sage und schreibe 80 Hellern eine
Pfändung vor."
Abwehr, 30. August.
"... die Firma Püchner, eine der
größten Teppich- und Stoff-Firmen, liquidiert... Das große,
neuerbaute Haus in der Sprudelstraße, das unter Zwangsverwaltung steht,
wird zwangsversteigert..."
Egerer Zeitung, 1. September.
[346] "Zwecks
Erhaltung der tschechischen Minderheitsschule in Nebes in Nordmähren
siedelte die Nar. Jednota einen kinderreichen Familienvater mit der
Versprechung an, ihm einen Straßenwärterposten zu verschaffen. Der
Mann wurde jedoch nicht Straßenwärter, sondern Schuldiener.... Er
kann den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, der Erhalter einer
tschechischen Minderheitsschule mit neun Kindern zu sein, die mit einem
Kostenaufwand von 110.000 Kc errichtet wurde."
Reichenberger Zeitung, 1. 9.
"Eine neuartige und beachtenswerte
Betriebswiederaufnahme soll in Böhmisch-Kamnitz ins Werk gesetzt
werden. Dort steht schon seit zwei Jahren... die Stoffabrik Schrader still... haben
sich Interessenten gefunden, die bereit wären, die Fabrik
»auszuschlachten«... Um der Gefahr entgegenzuarbeiten und die
Heimat vor einem kaum jemals wieder gutzumachenden Verlust zu bewahren,
wollen nun Heimattreue und verantwortungsbewußte Menschen eine Art
Gemeinschaftshilfe organisieren."
Reichenberger Zeitung, 1.
9.
Würde man all die Einzelfälle des Alltages sammeln, sie
würden jährlich einige Bände füllen.
[347] 0,8 Pfennige
Stundenlohn
"Schon früher gehörte
das Adlergebirge zu den größten Notstandsgebieten Böhmens,
doch konnten seine Bewohner bei 14stündigen Arbeitstagen durch ihre
Hausindustrie (Handweberei, Netzen, Filetstrickerei, Erzeugung von
Holzspanschachteln) wenigstens ihr Leben fristen. Besonders die Schachtelei, bei
der Schachteln in verschiedenen Größen, wie sie die Apotheken,
Molkereien usw. verwenden, verfertigt werden, wurde in den meisten
Gebirgsdörfern eifrig betrieben. Dabei verdiente eine Familie von 3 bis 4
Köpfen in täglich 16stündiger Arbeitszeit einen reinen
Wochenlohn von 35 Kc (!!), da für 10.000 Schachteln, die in
dieser Zeit hergestellt werden können, 120 Kc gezahlt wurden,
wobei 85 Kc für Holz und Klebstoff in Abzug kamen. Auf den Kopf
entfiel also ein Wochenlohn von 8.50 Kc, d. s. 8 Heller
(0.8 Pfennige) Stundenlohn.
Um solchen Lohn arbeiteten die Adlergebirgler gerne!
Jetzt aber entfällt diese Erwerbsmöglichkeit, da die Ausfuhr dieser
Schachteln in das Ausland, auf die die Erzeuger bei der geringen
Absatzmöglichkeit im Inlande angewiesen waren, infolge der
Grenzschwierigkeiten (hohe Zollsätze) und der allgemeinen
Wirtschaftslage ganz unterbunden ist. Ähnlich traurig liegen die
Verhältnisse in der Handweberei. Für ein Stück Handwebe,
d. i. 110 Meter, bekam der Weber noch im Vorjahre 90 Kc,
heuer nur 65 Kc. Dafür muß die Familie fünf Tage
arbeiten! Auch die Filetstrickerei, in der Frauen und auch Männer oft wahre
Kunstwerke schufen, geht immer mehr zurück, findet immer weniger
Absatz, wird immer schlechter bezahlt. Eine weitere Verdienstmöglichkeit,
der bis vor zwei Jahren stark aufblühende Fremdenverkehr in den
Gebirgsdörfern, wo besonders zahlreiche Reichsdeutsche eine
unvergleichlich billige und schöne Sommerfrische verbrachten, ist
selbstverständlich in stetem Niedergang begriffen.
So gehen die armen Bewohner des Adlergebirges, die
meistens Kleinbauern und Waldarbeiter sind und entweder gar keinen oder nur so
wenig Ackerboden besitzen, daß er sie unmöglich ernähren
kann, immer mehr der Hungersnot entgegen. Kartoffeln und Salz, Suppe aus
Wasser und Mehl, schwarzer ungesüßter Kornkaffee, wenn es hoch
kommt trockenes Brot, bildet nurmehr ihre Nahrung. Fettstoffe fehlen fast ganz,
Milch kommt meist wochenlang nicht in das Haus. Die meisten dieser Armen
erhalten ja nicht einmal die wöchentliche Brotkarte und sind von jeder
staatlichen Fürsorgeaktion ausgeschlossen, weil sie keiner
gewerkschaftlichen Organisation und keiner Krankenkasse angehört haben.
Wie es unter solchen Verhältnissen um den Gesundheitszustand dieser
Menschen bestellt ist, kann sich jeder leicht vorstellen.
Ihren traurigsten Ausdruck aber findet die Not der
Adlergebirgler in ihren Kindern! Von unterernährten, abgearbeiteten
Müttern schwach geboren, tragen sie schon die Keime der Rachitis, oft
auch der hier stark verbreiteten Tuberkulose [348] in sich.
80 Prozent aller Säuglinge der armen Gebirgsdörfer leiden an
ausgesprochener Rachitis und Anaemie, 20 Prozent der Kleinkinder bis zu
zwei Jahren können infolgedessen noch nicht gehen und erreichen bis zu
diesem Alter kaum ein Gewicht von 10 Kilogramm. In den nächsten
Jahren wieder machen sich besonders skrofulöse
Drüsen- und Augenerkrankungen häufig bemerkbar. Im
schulpflichtigen Alter erwachsen dann den geistig und körperlich
unterentwickelten Kindern neue Schwierigkeiten. In dürftigster Kleidung,
ohne hinreichendes Frühstück kommen sie nach oft stundenlangem
und im Winter fast ungangbarem Wege erschöpft in die Schule und sind
vor Schwäche und Müdigkeit nicht imstande, dem Unterricht zu
folgen, zumal da sie während der schulfreien Zeit die Eltern noch beim
Erwerb des Lebensunterhaltes unterstützen müssen. Als Mittagsmahl
bringen viele Schüler jetzt nur einige gekochte Kartoffeln mit zur Schule,
da es in den Familien eben schon am täglichen Brote mangelt. Den Kindern
mittags eine Milch- oder Suppenausspeisung zu gewähren, sind leider die
wenigsten Schulen imstande."123
Knappheit des Bodens und Armut des Menschen ist das Schicksal des
Gebirgsbewohners. Ihr einziger Reichtum ist die gesunde Luft, die auf ihren
Bergen weht und die Schönheit ihrer Landschaft, die ihr in geradezu
verschwenderischer Weise geschenkt ist. Aus den Häusern blickte schon
immer Armut und Einfachheit. Aber heute grinst das Gespenst der Not aus ihren
Fenstern mit seiner schrecklichsten Fratze...
Über die Not in Schlesien aber wird berichtet:
10.000 Menschen ohne Brot
"Fünf furchtbare Krisenjahre haben in das Leben von rund 10.000
westschlesischen Textilarbeiterfamilien untilgbare Spuren gegraben.
Die Jägerndorfer
Schafwollindustrie
beschäftigte noch im Jahre 1929 5000 Menschen. Gegenwärtig sind
es kaum 3000 und sie sind nicht voll beschäftigt. In Jägerndorf gibt
es rund 1800 Lebensmittelkartenbezieher, zumeist Textilarbeiter! Der Grad der
Verarmung dieser Menschen ist nur zum Teil an ihrem Äußeren
sichtbar, denn mit einem geradezu heroischen Mute wehrt sich ein großer
Teil gegen das Versinken in eine lumpenproletarische Jammerexistenz.
Freudenthal
ist die Heimat der Leinen- und Baumwollwaren von auserlesenem Geschmack
und über Meere reichendem Qualitätsruf. Im Jahre 1929 fanden in
der Freudenthaler Textilindustrie 3500 Arbeiter Verdienst und Brot, davon waren
etwa 1500 [349] bis 1800 meist in der
Umgebung wohnende Handweber als Heimarbeiter beschäftigt.
Gegenwärtig stehen etwa 650 Textilarbeiter in den Freudenthaler Betrieben
in zeitweiliger Beschäftigung und die Zahl der noch teilweise arbeitenden
Handweber dürfte 800 kaum übersteigen.
Benischer Leinen
genießen ob ihrer unübertrefflichen Qualität und Haltbarkeit
noch immer ihren alten Ruf. Trotzdem müssen Hunderte Benischer
Textilarbeiter unfreiwillig die Hände ruhen lassen. Im Jahre 1929 gab es in
den Benischer Betrieben 900 beschäftigte Textilarbeiter. Diese Zahl ist
zusammengeschrumpft auf zirka 500, die zum Teil, so wie anderwärts,
nicht voll beschäftigt sind.
Im Würbenthaler Kessel
gab es im Jahre 1929 noch drei Textilbetriebe mit insgesamt 1300
Beschäftigten. Im Jahre 1930 wurde die Jutefabrik stillgelegt und mehr als
500 Jutearbeiter verloren für immer ihren Arbeitsplatz und damit ihre
schwankende Existenzgrundlage. Vor kurzer Zeit erst wurden die letzten
Ziegelsteine der Jutefabrik weggetragen, und dort, wo einst 500 Menschen und
ihre Angehörigen ihren Lebensunterhalt erhielten, erinnern höchstens
einige Arbeiterwohnungen an eine bessere Vergangenheit.
In der "Perle der Sudeten",
in Freiwaldau, hat die Weltruf genießende Firma
Regenhart & Raymann ihre Fabrikanlagen. Noch im Jahre 1927
waren an der Erzeugung gediegener und feinster Leinentischwäsche,
hochwertiger, mit kunstvollen Dessins geschmückter Damaste 1600
Arbeiter beteiligt; dabei nicht eingerechnet einige hundert Handweber.
Gegenwärtig beschäftigt die Firma noch etwa 800 Menschen bei
Kurzarbeit und stark herabgedrückten Löhnen.
Die Zuckmanteler Seidenweber
leben bereits seit dem Jahre 1928 in einer furchtbaren Notlage. In der
Schirmstoffweberei Adensamer & Co. wurden ehemals 250 Leute
beschäftigt. Gegenwärtig schwankt die Zahl der Beschäftigten
zwischen 30 und 70 bei Kurzarbeit und Löhnen, die jeder Beschreibung
spotten.
Die Fezfabrik in Niklasdorf
gab einst 250 Menschen Verdienst und Brot. Die türkischen Reformen
einerseits und kommerzielle Maßnahmen auf der anderen Seite haben es mit
sich gebracht, daß die an sich stark gesunkene Fezerzeugung nach
Strakonitz in Böhmen verlegt worden ist.
[350] Dieser Bericht erhebt
keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Doch die Ziffern sprechen
für den tiefer Blickenden Bände. Wenn von den ehemals in der
westschlesischen Textilindustrie beschäftigten 10.000 bis 12.000 Menschen
heute kaum noch die Hälfte einen Arbeitsplatz besitzt und die andere
Hälfte seit einem halben Jahrzehnt auf geringe Unterstützung und
Gelegenheitsarbeiten angewiesen ist, so ist das Gesamtbild gegeben.
Allgemeine Verelendung, Armut und Jammer, wohin man sieht. Hier Hilfe zu
bringen, bedeutet Rettung von 10.000 Menschen vor dem Versinken in materielle
und geistige Verarmung."124
Zum Hungerdruck Mißhandlungen und
Folterungen
Eine Gruppe sudetendeutscher Arbeitsloser aus dem Adlergebirge, die infolge
ihrer jahrelangen Beschäftigungslosigkeit und mangels jedweder
Unterstützung sich in ihrer Notlage nicht mehr zu helfen wußten,
wollten nach dem Reich auf Arbeitssuche, um hier für einige Zeit einen
Lebensunterhalt zu erlangen. An der Grenzübergangsstelle in Hohenerlitz
wurde ihnen der Grenzübertritt verwehrt. Infolge des scharfen Vorgehens
des tschechischen Gendarmen und der durch eine Verzweiflungsstimmung
bedingten Erregtheit der Leute kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, die zu
Tätlichkeiten führten. Der Gendarm alarmierte die örtlichen
Sicherheitsorgane, wie Finanzwache und Gendarmerie, und sogar das
Überfallkommando der Gendarmerieschule in Königgrätz trat
in Aktion.
In der Folge kam es zu Verhaftungen und Verhören der Bewohner des
Grenzgebietes, wobei die Amtsorgane in blindwütigem Vorgehen und unter
den nichtigsten Vorwänden Leute in ihren Wohnungen und von der
Straße weg verhafteten und durch schwerste Gewaltmittel zu
Geständnissen zu bewegen suchten, die der ganzen Angelegenheit einen
politischen Hintergrund geben und nicht bestehende Zusammenhänge mit
der Sudetendeutschen Partei nachweisen sollten. Weil die Verhafteten, deren Zahl
auf 70 gestiegen war, derartige Geständnisse nicht machen konnten, wurden
sie aufs heftigste gequält und mißhandelt. So wurde in einem Fall im
Zimmer eines Gendarmeriepostens das Licht ausgelöscht. Ein Verhafteter
wurde mit einem Stock auf die Fußsohlen und ins Gesicht geschlagen. In
einem anderen Falle wurde ein Verhafteter in der Nacht im Auto aus der Stadt
herausgefahren und draußen in der Dunkelheit so mißhandelt,
daß er bewußtlos im Auto liegen blieb. Ein anderer Verhafteter wurde
geohrfeigt, geboxt und mit Schuhen getreten. Ein Gendarm nahm ein Holzscheit
und schnitt mehrere kantige Hölzchen ab, mit denen die Fingerspitzen des
Gefolterten zusammengepreßt wurden. Umwohner des Gendarmeriepostens
haben zu Pro- [351] tokoll gegeben,
daß sie das Schreien und Stöhnen der Mißhandelten
gehört haben. Der staatliche Distriktsarzt hat in 15 Fällen schwere
Körperverletzungen festgestellt. Hierzu kommt noch eine Drangsalierung
der Angehörigen der Verhafteten, die in ihrer Auswirkung eine tiefe
seelische Verzweiflungsstimmung weitester Kreise der deutschen
Bevölkerung im Adlergebirge zur Folge hat. Der ganze Vorgang beleuchtet
schlagartig die Lage der verleumdeten und nun noch mißhandelten
Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei. Er zeigt auch, was die
Sudetendeutschen von der Humanität der Regierungsstellen zu erwarten
haben und wie in Wirklichkeit die Demokratie in der Tschechoslowakei zur
Anwendung kommt.
(Der Wahrheitsgehalt dieses an Sowjetrußland erinnernden Berichtes ist
durch nicht zu bezweifelnde Zeugenaussagen und Protokolle belegt.)
Kleine Meldungen von großer Not
"In der Nähe der Notkolonie »Beim kleinen
Sandbruch« an der Peripherie von Brünn fand man im
Straßengraben sitzend die 26jährige Arbeitersgattin Anna Tichy. In
den Armen hielt sie ihren zweijährigen Sohn Leo, der bereits tot war. Er
blutete aus zwei großen Stichwunden aus der Brust. Neben ihr stand ihr
5jähriger Sohn Anton, der leichtere Verletzungen am Ohr aufwies.
Die Frau, die unverletzt war, schilderte der Polizei eine
wahre Tragödie der Not. Sie, ihr 40jähriger Mann Anton Tichy und
die beiden Kinder waren am 1. Jänner dieses Jahres nach Brünn
gekommen, wo der Mann, ein unqualifizierter Arbeiter, Arbeit zu finden hoffte.
Sie zogen in Königsfeld ein und lebten in Brünn in den traurigsten
Verhältnissen, denn der Mann bekam keine Arbeit, so daß die ganze
Familie sich bloß von der Arbeitslosenunterstützung und den
allfälligen Löhnen aus Notstandsarbeiten ernährte. Den Zins
zahlte Tichy pünktlich; dem Hauseigentümer gefiel aber die Familie
nicht, da die beiden Kinder Tichys sehr oft im Hofe des Hauses Lärm
machten. Tichy erhielt am 15. Juni die 14tägige gerichtliche
Kündigung. Am 19. August sollte er gerichtlich delogiert werden. Tichy
ging die Sache sehr nahe und er hatte mit seiner Familie zeitig früh die
Wohnung verlassen, weil er hoffte, der Exekutor werde es in seiner Abwesenheit
nicht wagen, die Wohnung zu öffnen. Als seine Frau kurze Zeit nachher mit
der traurigen Nachricht kam, daß die Wohnung vollständig leer sei,
wollten alle eine bekannte Frau aufsuchen. Zwischen Hussowitz und
Königsfeld versetzte Tichy seiner Frau einen Hieb gegen den Kopf. Dann
stieß Tichy dem zweijährigen Leo, den er vorher auf den Armen
getragen hatte, ein langes Taschenmesser zweimal in die Brust und versuchte auch
den 5jährigen Anton zu töten, ließ aber von dem schreienden
[352] Kinde ab und lief in der
Richtung gegen Königsfeld. Am 20. August in den ersten Morgenstunden
wurde in der Nähe der sogen. »Teufelsmühle« auf der
Bahnstrecke zwischen den Stationen
Königsfeld - Rzeczkowitz die Leiche Tichys gefunden. Ihm
waren der Kopf und der linke Arm vollständig vom Körper
abgeschnitten worden. Tichy wird als ein anständiger und unbescholtener
Mann geschildert, der immer zu seiner Frau und den Kindern gut war."
Rumburger Zeitung
"Vor dem Postamt in Tropau (Schlesien) stürzte ein
junger Mann plötzlich zusammen. Als er wieder zu sich kam,
erzählte er, daß er schon 8 Tage nichts Genießbares außer
Wasser zu sich genommen habe, und seit vier Jahren arbeitslos sei."
Brünner Tagesbote
"In einem Gebirgsort im Adlergebirge fand man in einer
ärmlichen Wohnstube die Leichen einer Frau und zweier Kinder, die in
ungelenker Schrift die erschütternde Ursache für ihren Mord und
Selbstmord angibt: "Ich kann das Hungern und das Rufen meiner Kinder nicht
mehr mit ansehen und anhören. Ich habe sie und mich erlöst. Der
liebe Gott möge mir verzeihen."
Reichenberger Zeitung
"In einem niedergebrannten Strohschober fand man 16
verkohlte Leichen. Landstreicher? Nein! Sechzehn Menschen, die seit Wochen
nach Arbeit suchten. Ein Unglücksfall, vielleicht? Vielleicht auch eine
Verzweiflungstat..."
Brüxer Zeitung
"Wer sehen will, was tatsächliche Not ist, der fahre
in das schöne Industriegebiet Nordböhmens. Ich fuhr auf der
Straße in der Umgebung von
Karlsbad - es war am Abend - da fesselte mich ein Menschenhaufen,
bestimmt über fünfzig, auf einem Kartoffelfeld. Was machen diese
Menschen auf einem ausgepflügten Kartoffelfeld? Die Antwort war
überraschend. Es sind lauter Industriearbeiter aus den unweiten,
stillgelegten Textil- und Glasfabriken. Sie suchen auf dem Feld, ob nicht
irgendwo eine Kartoffel liegen blieb. Wie die Fliegen waren sie auf dem
verhältnismäßig kleinen Feld, sodaß im besten Fall auf
einen ein oder zwei Kartoffel kommen können! Und doch unterzogen sie
sich der Mühe, mit der leeren Hand den Boden zu zergraben und so eine
Kartoffel zu suchen, die da vielleicht vergessen wurde."
Ceske Slovo
[353] "Gablonz, die
Stadt der falschen Diamanten, zählte vor dem Kriege unter 30.000
Einwohnern 40 Millionäre. Heute stehen Frauen in der eleganten Kleidung
einer vergangenen Zeit auf dem Markt und verkaufen
Wohnungsgegenstände, um sich Brot kaufen zu können, Bilder, die
an Petersburger und Moskauer Szenen erinnern."
Gablonzer Tagblatt
"In Mährisch-Ostrau starb das Mitglied des
Gemeinderates, der Maurer Josef Podolsky, im 38. Lebensjahre an
Unterernährung. Am selben Tage verschied seine Frau im Krankenhause
unter ähnlichen Erscheinungen. Das Ehepaar hinterläßt acht
unmündige Kinder im Alter bis zu fünfzehn Jahren."
Brünner Tagesbote
"Aus Rothau-Neudeck wird gemeldet, daß die
Gemeinde sich zwangsläufig veranlaßt sieht, die
Schulkinderausspeisung, an der zirka 600 Schulkinder teilnehmen, mit 1.
März einzustellen, da alle Mittel für diese Aktion aufgebraucht sind.
Die Einstellung dieser Hilfsaktion für die ärmsten Opfer der Krise
und Werksverlegung hat die größte Bestürzung hervorgerufen,
da diese Aktion nun schon jeden Winter seit 1930 von der Gemeinde
durchgeführt wurde."
Egerer Zeitung
"Die Not der westböhmischen Bevölkerung
wird immer größer. Die Arbeitslosigkeit bringt in immer mehr
Familien bitteren Hunger. Am allermeisten leiden die Kinder darunter. In der
Saison blüht die Kinderbettelei, im Winter suchen die Kinder durch
Holzverkauf sich und ihrer verzweifelten Familie etwas zu helfen. Auch am
Montag wiederum wurden vier Kinder wegen Holzverkaufes in Drahowitz von
der Polizei angehalten. Erschütternd ist das, was diese Kinder
erzählen. Der Vater arbeitslos, die Mutter krank daheim im Bett, im Topf
nicht einmal ein Kartoffel. Sie hatten Hunger. Und so machten sich die vier
Geschwister auf, gingen in den Wald, sammelten Holz und versuchten es dann in
Drahowitz zu verkaufen. Drei Kinder sind schulpflichtig. Nach Angabe der
Personalien wurden die bedauernswerten Kinder nach Hause geschickt."
Karlsbader Tageszeitung
"Mitte August war neben dem Friedhof in
B.-Leipa ein unbekannter Mann erhängt aufgefunden worden. Auf Grund
der Nachforschungen der Polizei wurde jetzt in dem Toten der 36jährige
Karl Blaha, Kontorist aus Leitmeritz, sichergestellt."
Rumburger Zeitung, 23. August.
[354] "Im Saazer
Gebiet sind Anfang dieser Woche die ersten Gruppen von Hopfenpflückern
aus den Kohlenrevieren von Brüx und Dux eingetroffen. Gleichzeitig
treffen große Gruppen sogenannter wilder Pflücker ein, die sich aus
allen Teilen der Republik rekrutieren und auf irgendeinen Verdienst hoffen. Es
befinden sich unter ihnen arbeitslose Intelligenzler, aber auch Hochschüler,
die in den Sommermonaten Geld verdienen wollen, um studieren zu
können."
Reichenberger Zeitung, 25. August.
"Mittwoch vormittags befand sich der 24jährige
Schneider Kubala aus Frankfurt a. R. mit seiner Frau in der
Nähe der Bahnstrecke, als ein Zug daherkam. Kubala stieß
plötzlich seine Frau zur Seite, lief auf die Bahnstrecke und warf sich vor
den Zug. Ihm wurde vor den Augen seiner Gattin der Körper mitten
durchschnitten, Kubala soll sich auf den Selbstmord seit längerer Zeit
vorbereitet haben."
Zeit, 26. August.
"Als Leiche aufgefunden wurde Donnerstag kurz vor
Mittag im Walde bei Albrechtsdorf der Glasschleifer Franz Sippel, der zuletzt in
Albrechtsdorf Nr. 85 wohnte. Sippel hatte sich am Tage vorher gegen
Abend aus der Wohnung entfernt und nicht weit vom Hause entfernt im Walde
seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht."
Volksruf, 27. August.
"Auf der mächtigen Lettenhalde des Paulschachtes
bei Oberleutensdorf hat sich im Laufe der letzten Wochen eine ganz beachtliche
Siedlung entwickelt. Es wohnen dort zahlreiche Familien, deren
Oberhäupter arbeitslos sind. Diese »Wohnungen«
entsprechen in keiner Weise einer menschenwürdigen Behausung und doch
sind diese armen Menschen froh, daß sie nun ein Plätzchen haben,
von dem sie niemand vertreiben kann. Um den elenden Hütten mehr Halt
zu geben, sind die Wohnräume halb in die Erde gegraben, so daß die
meisten einer Höhle gleichen. Die Kinder dieser Siedler sind dadurch den
schwersten gesundheitlichen Gefahren preisgegeben. Auch in der Nähe von
Bruch erheben sich auf freiem Felde bereits mehrere solcher Wohnhöhlen,
die von Familien bewohnt sind, denen es nicht mehr möglich war, den,
wenn auch nur geringen, Hauszins aufzutreiben und die deshalb delogiert wurden.
Im Sommer mögen diese Löcher noch notdürftig eine
Zufluchtsstätte für Menschen abgeben; im Winter aber sind sie
unmöglich benutzbar. Diesen Leuten auf irgendeine Weise eine
menschenwürdige Behausung zu beschaffen, ist Menschenpflicht und die
zuständigen Stellen werden sich mit dieser Frage befassen müssen,
ehe der Winter seinen Einzug hält."
Brüxer Zeitung, 28. August.
[355] "Es gibt
wenige Gemeinden in Nordböhmen, die der Wirtschaftskrise so hilflos
gegenüberstehen, wie Rixdorf, und in der das Elend so furchtbar einkehrte.
Die Fabriken beschäftigen nur einen Bruchteil ihrer normalen Belegschaft
bei sehr schmaler Brotration; die Löhne gleiten tiefer und tiefer. Aus dieser
wirtschaftlichen Struktur ergibt sich zwangsläufig, daß eine
Besserung dieser beängstigenden Verhältnisse nur erzielt werden
kann 1. durch ausreichende Exportmöglichkeiten,
2. durch Zuweisung von Staatsaufträgen,
3. durch umfassende Rekonstruktion aller
Durchzugsstraßen, 4. durch Ausbau des Nixdorfer
Bezirkskrankenhauses, dessen andauernd hohe Belegung für den Winter
empfindlichen Platzmangel befürchten läßt. Die Agenda des
Stadtamtes gleicht der einer Fürsorgeanstalt. Täglich kommen
bedrängte Menschen mit Bitten; der eine kann keine Miete bezahlen, der
andere hungert und friert mit seinen Kindern, der dritte hat nichts anzuziehen und
der vierte ist arbeitsunfähig, krank usw. Unverzügliche
Staatshilfe ist das dringendste Gebot der Stunde und daß sie Tatsache wird,
dazu mögen hoffentlich die Reichenberger Worte des
Staatspräsidenten Dr. Benesch beitragen."
Reichenberger Zeitung, 28. August.
"Abgängig ist, wie aus Warnsdorf, 29. August,
berichtet wird, die 70 Jahre alte, aus Zeidler gebürtige und nach Warnsdorf
zuständige Marie Richter, geb. Pietschmann. Die Frau, die bei
Warnsdorfer Verwandten wohnte, begab sich dieser Tage auf Arbeitssuche, hielt
sich einige Zeit in Lobositz auf und schrieb nun von dort einen Brief, in dem sie
mitteilt, daß sie keine Arbeit zu finden vermochte und deswegen
beschlossen habe, ihrem Leben ein Ende zu machen; ihre Sachen sende sie nach
Warnsdorf zurück."
Rumburger Zeitung, 29. August.
"Freiwillig aus dem Leben geschieden ist in Warnsdorf in
der Nacht zum Sonntag der 43jährige, verheiratete, arbeitslose Malergehilfe
Rudolf Tischer. Er hat sich in seiner im Hause Nr. 2110 befindlichen
Wohnung in Abwesenheit seiner Anverwandten an der Türklinke
erhängt. Als Motiv der Tat wird Schwermut angegeben."
Zeit, 30. August.
"Dieser Tage fand man in der Nordbahnstraße
unweit des Hotels »Union« einen gegen 30 Jahre alten Mann aus
dem Hungergebiete der Glasgemeinde Oberpreschkau bewußtlos auf.
Hilfsbereite Hände trugen den Besinnungslosen [356] ins Hotel
»Union«, wo er zu sich kam und wo man ihn mit Speise und Trank
labte. Es handelt sich um einen Mann aus Obergrund, der schon mehr als zwei
Tage keinen Bissen in den Mund gebracht hatte und daher vor Hunger
ohnmächtig geworden war. Schon früher war dieses Schicksal dem
Armen passiert. Er gehört, das muß betont werden, zu der kleinen
Gruppe der verschämten Armen...."
Nordböhmisches Tagblatt
Kleine, kurze Meldungen, beim Durchblättern der Tagespresse
herausgeschnitten... Und sie werden in ihrer Kürze zu Künderinnen
einer großen menschlichen Tragödie.
Und so könnte Elendsbild an Elendsbild gereiht und die Zahlen, die von der
Katastrophe künden, die über 3½ Millionen deutscher
Menschen hereingebrochen ist, in langer Reihe fortgesetzt werden.
Ob es sich nun um die übersichtlichen Darlegungen über die
Wirtschaftslage amtlich anerkannter Wirtschaftskörperschaften oder um
Ausführungen von Parlamentariern aller parteipolitischen Richtungen oder
um Aufsätze und Schilderungen in der Tagespresse aller Parteien und
Interessengruppen handelt, sie zeigen alle den gleichen Inhalt und das gleiche
Bild. Sie sind eben Ausschnitte aus dem Leben des Sudetendeutschtums, die es in
seiner traurigen Wirklichkeit von jeder Warte und durch jede Parteibrille gleich
zeigen, gleich düster, trostlos, ernst und erschütternd. Und sie lassen
die nüchternen Zahlen der Statistik zu einem warnenden Fanal werden.
Die Fabriken stehen still und durch die Werkhallen heult der Wind, vor den Toren
aber stehen verzweifelte, hungernde Menschen. Die Tuberkulose malt ihre
Todesmale Kindern und Erwachsenen auf die eingefallenen Wangen. Menschen
brechen auf der Straße zusammen, die Krankenhäuser sind
überfüllt. Einzelbilder? Einzelschicksale? Nein, sie wiederholen sich
auf einer Fahrt vom Böhmerwald bis zu den Karpathen fast in jeder
Familie, in jedem Ort, im ganzen deutschen Gebiet zehntausendfach, und werden
zum Ankläger eines Systems, das in der Welt von Humanität spricht
und im eigenen Staate die Unmenschlichkeit zum Prinzip erhoben hat!
Hat es noch etwas mit Menschlichkeit zu tun, wenn man Menschen sterben
läßt, nur - weil sie Deutsche sind? Seit Jahr und Tag erschallen
die Verzweiflungsrufe der Hungernden, und die Antwort der Prager
Humanität ist, man schickt ihnen Staatspolizei mit Panzerwagen, statt Brot
und Kartoffeln oder man quittiert die Hilferufe mit Haß und Hohn! Es ist
der Weisheit letzter Schluß, den hungernden Arbeitern eine Freifahrtkarte in
das Sowjet- [357] paradies zu schicken,
um sie nur los zu sein und sie im Land des Massenmordes im allgemeinen
Blutstrudel und Hungerelend untergehen zu lassen! Das ist die
Arbeitslosenfürsorge in einem
humanitär-demokratischen Staate, das ist die Humanität und das
wahre Gesicht der Prager Demokratie!
[357]
Eine der sudetendeutschen Massenversammlungen der letzten
Zeit. Aus der harten gemeinsamen Not und Bedrückung durch den
Staat wächst die Kampfentschlossenheit heraus.
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Vor kurzem richtete der Führer der Sudetendeutschen Heimatbewegung,
Konrad Henlein, vor 60.000 Sudetendeutschen einen Appell an die Welt: "Helfet,
hier sterben Menschen Hungers!" Die Antwort der tschechischen Humanisten aber
war: Vernichtet die Deutschen, sie sind die Feinde des Friedens! Und sie
zählten auf, was zu ihrer Vernichtung führt: Enteignung ihres
Grundes und Bodens, Enteignung der Bergwerke, die noch in ihren Händen
sind, Entfernung aus dem Staatsdienst und der Polizei. Und aus dem
humanitätskündenden Munde Prager Staatsminister konnte man
hören, daß die Not im ganzen Lande herrsche, eine Folge der
Wirtschaftskrise sei und ihr keine nationalen Momente zugrunde lägen. Die
Wirtschaftsnot der Sudetendeutschen ist der Spiegel ihrer nationalen
Versklavung! Ein neutraler Beobachter erklärte jüngst, daß die
Weltkrise der letzten sechs Jahre mit dem Hunger in diesem Lande unmittelbar
gar nichts zu tun hat und mittelbar nur insofern, als beide, Weltkrise und
sudetendeutsches Volkssterben, Auswirkungen einer gleichen
Ur- [358] sache, nämlich
des Wahnwitzes von Versailles und St. Germain sind! Und so ist es! Es war
in den Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur, als
- deutsche Staatsbeamte und -arbeiter von ihren
Arbeitsplätzen vertrieben,
- die Neueinstellung deutscher Beamter und Arbeiter unmöglich
gemacht,
- deutscher Boden geraubt und Forst- und Güterbeamte existenzlos,
dadurch ferner die Neubildung deutschen Bauerntums unmöglich gemacht
wurden,
- deutsche Industrieunternehmungen deutsche Arbeiter entlassen und
tschechische aufnehmen mußten, ihre Produktion durch die Errichtung
tschechischer Werke einstellen oder ins tschechische Gebiet verlegen
mußten.
Durch diese Maßnahmen, die auf die Vernichtung des Sudetendeutschtums
abzielen, wurde es um rund 200.000 Arbeitsplätze beraubt! In diesen von
Chauvinismus und Deutschenhaß diktierten Maßnahmen, die in das
Rechtskleid eines Gesetzes gehüllt wurden, liegt die Wurzel alles Elends,
der Anfang allen Hungerns und Leidens, das sein Ende nur im Sterben findet.
Man kann die Schilderung der sudetendeutschen Elendstragödie nicht
besser schließen als mit dem zusammenfassenden Urteil eines
ausländischen Beobachters, der da schrieb: "So sind denn im deutschen
Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens 73 v. H.
aller Arbeitsfähigen ohne Arbeit und im tschechischen sind es kaum 20. So
hungern und verhungern die Sudetendeutschen und ihr Tod ist nichts anderes als
der Vollzug des Clemenceau-Urteils gegen die 20 Millionen Deutschen zuviel auf
der Welt."
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